Titel:
Festsetzung des Streitwerts, Streitwerterhöhung, Streitwertfestsetzung, Höherer Streitwert, Erhöhung des Streitwerts, Streitwertbeschwerde, Vermögensrechtliche Streitigkeit, Gesetzlicher Vertreter, Außergerichtliche Kosten, Obergerichtliche Rechtsprechung, Ordnungshaft, Dauerschuldverhältnisse, Unterlassungsantrag, Wirtschaftlicher Nachteil, Kostenentscheidung, Kostenrecht, Wirtschaftliches Interesse, Landgerichte, Beschlüsse, Ordnungsgeld
Schlagworte:
Streitwertfestsetzung, Schufa-Einträge, Wirtschaftliches Interesse, Ermessensausübung, Kreditwürdigkeit, Unterlassungsanspruch
Vorinstanz:
LG München I, Beschluss vom 02.07.2025 – 6 O 14383/24
Fundstelle:
BeckRS 2025, 24310
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 02.07.2025, Az. 6 O 14383/24, wird zurückgewiesen.
Gründe
1
Der Beschwerdeführer wendet sich aus eigenem Recht gegen die Streitwertfestsetzung des Landgerichts.
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In der Sache verlangte seine Mandantin als Klägerin von der Beklagten die Löschung verschiedener Schufa-Einträge sowie die Unterlassung der erneuten Speicherung oder Verarbeitung.
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Die Klägerin beantragte,
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Die Beklagte wird verurteilt, den Eintrag über die Erledigung der früheren Forderung unter der bei der Beklagten geführten Kontonummer … gegen die Klägerseite vom 15.12.2023 und alle damit zusammenhängenden Einträge aus ihrer über die Klägerseite geführten Kartei zu löschen.
- 2.
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Die Beklagte wird verurteilt, den Eintrag über die Erledigung der früheren Forderung unter der bei der Beklagten geführten Kontonummer … gegen die Klägerseite vom 12.05.2024 und alle damit zusammenhängenden Einträge aus ihrer über die Klägerseite geführten Kartei zu löschen.
- 3.
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Die Beklagte wird verurteilt, die bei ihr geführten Score-Werte, mit denen sie die Kreditwürdigkeit der Klägerseite bewertet, nach erfolgter Löschung zu berichtigen.
- 4.
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Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 EUR, ersatzweise an ihrem gesetzlichen Vertreter (Vorstand) zu vollstreckender Ordnungshaft, oder einer an ihrem gesetzlichen Vertreter (Vorstand) zu vollstreckender Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, jegliche Einträge bezüglich der früheren Forderung unter der bei der Beklagten geführten Kontonummer … gegen die Klägerseite, die am 15.12.2023 als erledigt gekennzeichnet wurde, erneut zu speichern oder anderweitig zu verarbeiten.
- 5.
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Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 EUR, ersatzweise an ihrem gesetzlichen Vertreter (Vorstand) zu vollstreckender Ordnungshaft, oder einer an ihrem gesetzlichen Vertreter (Vorstand) zu vollstreckender Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, jegliche Einträge bezüglich der früheren Forderung unter der bei der Beklagten geführten Kontonummer … gegen die Klägerseite, die am 2.05.2024 als erledigt gekennzeichnet wurde, erneut zu speichern oder anderweitig zu verarbeiten.
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Die Beklagte wird verurteilt, die außergerichtlichen Kosten der Klägerseite in Höhe von 973,66 EUR an diese zu zahlen.
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Das Landgericht wies die Klage ab und setzte den Streitwert mit Beschluss vom 02.07.2025 auf 6.000,00 € fest. Dabei bewertete es die Anträge 1, 2, 4 und 5 jeweils mit 1.000,00 € und Antrag 3 mit 2.000,00 €.
5
Mit seiner Beschwerde vom 12.08.2025 beantragt der Klägervertreter, den Streitwert insgesamt auf 10.000,00 € festzusetzen. Er ist der Meinung, der Löschungsanspruch sei mit 4.000,00 €, der Berichtigungsanspruch mit 1.000,00 € und der Unterlassungsanspruch mit 5.000,00 € zu bewerten. Dabei bezieht er sich auf obergerichtliche Rechtsprechung in Parallelverfahren (u.a. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 2. April 2007 – 3 W 69/06 –, juris; OLG Dresden, Urteil vom 9. August 2022 – 4 U 243/22 –, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. Februar 2015 – I-16 U 41/14 –, juris; OLG Frankfurt a.M., Beschluss v. 10.02.2025, 6 W 12/25 – nicht veröffentlicht; OLG Köln, Beschluss vom 20. Juli 2015 – 19 U 24/15 –, juris; OLG München, Urteil vom 22. Juni 2010 – 5 U 2020/10 –; juris). Der Unterlassungsantrag gehe als inhaltliches aliud gegenüber dem Löschungsantrag nicht in letzterem auf, sondern wirke sich streitwerterhöhend aus.
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Das Landgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 12.08.2025 nicht ab und legte mit Verfügung vom selben Tage die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung über die Beschwerde vor. Dabei stellte es maßgeblich darauf ab, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben habe, dass er in den letzten Jahren keinen Kredit beantragt habe. Ein pauschaler Ansatz von 5.000,00 € für einen Unterlassungsantrag sei nicht sachgerecht. Der Antrag auf Neuberechnung des Scores sei mit dem doppelten Wert der Löschung eines Einzelfaktors – mithin mit 2.000,00 € – gewichtet worden, da dieser für die Zukunft stärkere Auswirkungen habe, weil häufiger nur der Score bekannt gegeben werde, nicht aber alle Einzelfaktoren, die diesem Score zugrunde liegen.
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1. Zur Entscheidung über die Beschwerde ist gem. §§ 68 Abs. 1 S.5, 66 Abs. 6 Satz 1, 2. Halbsatz GKG der Einzelrichter berufen, da auch in erster Instanz der Einzelrichter entschied.
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2. Die Streitwertbeschwerde ist gemäß §§ 68 Abs. 1 S.1, 63 Abs. 2 GKG i.V.m. § 32 Abs. 2 S.1 RVG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
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3. In der Sache erweist sich die Beschwerde als unbegründet, da das Landgericht den Streitwert nicht unzutreffend festgesetzt hat.
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a) Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit im Sinne von § 48 Abs. 1 GKG.
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aa) Ansprüche sind nicht nur dann vermögensrechtlicher Art, wenn sie aus einem vermögensrechtlichen Rechtsverhältnis resultieren oder auf eine vermögenswerte Leistung gerichtet sind. Vermögensrechtlicher Art sind auch diejenigen Streitigkeiten, die im Wesentlichen der Wahrung wirtschaftlicher Belange dienen; für die Einordnung ist allein der Vortrag des Klägers maßgeblich (vgl. BGH, Beschluss v. 19.05.1982, IV b ZB 80/82 = NJW 1982, 1651; BayObLG Beschluss v. 10.07.2023 – 101 AR 148/23 = BeckRS 2023, 17722 Rn. 39; Toussaint/Elzer, Kostenrecht, 55. Aufl. 2025, GKG § 48 Rn. 6; Kurpat in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, GKG § 48 Rn. 8 u. 9).
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bb) Die erhobene Klage diente der Vermeidung wirtschaftlicher Nachteile. So trug die Klägerin in der Klageschrift vom 19.11.2024 vor, sie habe wegen des schlechten SchufaScores Schwierigkeiten, eine Wohnung anzumieten, einen Kredit zu erhalten, Ratenkäufe zu tätigen oder einen Handy-Vertrag abzuschließen.
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b) Die Bewertung des verfolgten wirtschaftlichen Interesses der Klägerin mit 6.000,00 € ist im vorliegenden Fall sachgerecht.
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aa) Gemäß §§ 48 Abs. 1 S.1 GKG richtet sich bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten die Bestimmung des Gebührenstreitwerts nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels geltenden Vorschriften, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Da letzteres für vorliegende Streitigkeit nicht der Fall ist, ist der Wert gem. § 3 Halbs.1 ZPO von dem Gericht nach freiem Ermessen festzusetzen. Dabei darf das Gericht die Grenzen seines Ermessens nicht überschreiten, sondern hat dieses pflichtgemäß nach objektiven Gesichtspunkten auszuüben (st. Rspr., vgl. z.B. BGH NJW 2015, 873 Rn. 14; Toussaint/Elzer, 55. Aufl. 2025, ZPO § 3 Rn. 10; beck-online). Maßgeblich ist das wirtschaftliche Interesse der klagenden Partei an der erstrebten Entscheidung („Angreiferinteresse“, vgl. BVerfG NJW-RR 2000, 946; BGH NJW 2016, 714 Rn. 13; Toussaint/Elzer, 55. Aufl. 2025, ZPO § 3 Rn. 11, beck-online; Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, 36. Auflage, 10/2025, § 3 ZPO, Rn. 5, juris).
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In den Fällen wie dem hier zu entscheidenden ist mithin das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Beseitigung der kredithinderlichen Eintragungen und an dem Ausmaß etwaiger durch sie drohender Kreditnachteile bzw. sonstiger wirtschaftlichen Nachteile maßgeblich. Schufa-Eintragungen können namentlich im Kreditgewerbe, aber auch bei anderen Dauerschuldverhältnissen, erhebliche Auswirkungen haben, die bei negativen Merkmalen bzw. einem niedrigen „Score“ bis zur Herabstufung der Kreditwürdigkeit eines potentiellen Kreditnehmers reichen und im allgemeinen erhebliche Krediterschwernisse mit sich bringen (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 2. April 2007 – 3 W 69/06 –, Rn. 6, juris; OLG München, Urteil vom 22. Juni 2010 – 5 U 2020/10 –, Rn. 18, juris).
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Zwar ist es zutreffend, dass in den vom Beschwerdeführer zitierten obergerichtlichen Entscheidungen (siehe oben unter Ziffer I.) der Streitwert jeweils auf 10.000,00 € festgelegt wurde. Allerdings verbietet sich eine pauschale Betrachtung. Vielmehr kommt es immer auf eine Gesamtwürdigung aller konkreten Umstände des Einzelfalls an. So ist in anderen – zumindest im Grundsatz – vergleichbaren Fällen der Streitwert zum Teil auch (deutlich) geringer festgesetzt worden (vgl. z.B. KG, Beschluss v. 02.11.2016 – 26 U 9/16 = BeckRS 2016, 19888 Rn. 1; KG, Urteil v. 07.03.2012 – 26 U 65/11 = BeckRS 2012, 1967OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 17.9.2020 – 11 SV 38/20 = BeckRS 2020, 45073; zitiert jeweils beck-online).
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bb) Gemessen an den vorstehend dargelegten Maßstäben hält sich die landgerichtliche Festsetzung des Streitwerts auf insgesamt 6.000,00 € angesichts der Umstände des Einzelfalls im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens. Auch die Bewertung der einzelnen Anträge ist sachgerecht.
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So ist im konkreten Fall zu sehen, dass zum einen die Ausführungen der Klagepartei zu den Umständen, die für die Bewertung ihres wirtschaftlichen Interesses maßgeblich sind, teilweise wenig konkret waren und sich zum anderen im Laufe des Rechtsstreits – bei der persönlichen Anhörung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung – gegenüber den ursprünglichen Ausführungen in der Klageschrift auch noch relativiert haben. So gab die Klägerin an, sie brauche eine Kreditkarte nicht etwa für berufliche Reisen, sondern für den privaten Urlaub im Ausland. Sie habe in „in letzter Zeit“ weder die Bank wechseln wollen, noch habe sie in den letzten Jahren einen Kredit beantragen wollen. Sie habe auch einen laufenden Handy-Vertrag, den sie nicht wechseln wolle. Was ihre Angabe angeht, es sei ihr durch den Schufa-Score nicht möglich, zu heiraten und mit ihrem zukünftigen Ehepartner in Hamburg (oder eventuell auch in München) eine Wohnung anzumieten, ist zwar bekannt, dass Vermieter zumindest in Städten mit einem angespannten Wohnungsmarkt im Allgemeinen die Vermietung u.a. von der Vorlage einer positiven Schufa-Auskunft abhängig machen. Allerdings berichtet die Klägerin nur von einem einzigen Fall, in dem der Vermieter die Schufa-Auskunft verlangte, denn danach habe man nicht weiter nach einer Wohnung gesucht („Danach haben wir es nicht mehr versucht“).
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Angesichts dieser konkreten Umstände erscheint der Streitwert mit 6.000,00 € nicht als zu gering bemessen.
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Was die Bewertung der einzelnen Anträge angeht, ist insbesondere auch die im Nichtabhilfebeschluss des Landgerichts vom 12.08.2025 angestellte Erwägung zutreffend, dass der Antrag auf Neuberechnung des Scores mit dem doppelten Wert der Löschung eines Einzelfaktors, also mit 2.000,00 Euro, zu gewichten sei, da dieser für die Zukunft stärkere Auswirkungen habe, da häufiger nur der Score bekannt gegeben wird, nicht aber alle Einzelfaktoren, die diesem Score zugrunde liegen.
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Eine Kostenentscheidung und eine Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren sind nicht veranlasst, da gemäß § 68 Abs. 3 GKG das Verfahren der Streitwertbeschwerde gebührenfrei ist und (außergerichtliche) Kosten nicht erstattet werden.
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Die Entscheidung ist von Gesetzes wegen nicht anfechtbar, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG.