Titel:
Prozessfinanzierungsvertrag, Rechtsschutzversicherung, Rückwärtsversicherung, Gesellschaftsvertrag, Auseinandersetzung, Durchsetzungssperre, Prämienunsicherheit, Klageerweiterung, Anschlussberufungsfrist, Auslegung, Prozesserklärung
Normenketten:
VVG 2 Abs. 1
BGB 705ff.VVG 125 ff.
GVG 72a Abs. 1 Nr. 4
GVG 119a Abs. 1 Nr. 4
GG 101 Abs. 1 S. 2
BGB 133
BGB 157
ZPO 264 Nr. 2
Schlagworte:
Prozessfinanzierungsvertrag, Rechtsschutzversicherung, Rückwärtsversicherung, Gesellschaftsvertrag, Auseinandersetzung, Durchsetzungssperre, Prämienunsicherheit, Klageerweiterung, Anschlussberufungsfrist, Auslegung, Prozesserklärung
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 28.02.2024 – 3 O 7213/22
Fundstelle:
BeckRS 2025, 24006
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des LG München I vom 28.02.2024 (Aktenzeichen 3 O 7213/22) teilweise abgeändert und in den Ziffern 1 bis 10 als neue Ziffern 1 bis 9 wie folgt neu gefasst:
1. Der Beklagte wird verurteilt, zum Ausgleich der Gerichtskosten des Bundesgerichtshofes zum Az.: IV ZR 233/20 € 219.472,00 an den Kläger zu zahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 835.313,40 betreffend die Zahlungen auf die Kostenfestsetzungsbeschlüsse des LG München I vom 20.07.2022 zum Az. 30 O 24193/09 zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass der Beklagte den Kläger von derzeit der Höhe nach unbekannten darüber hinausgehenden Verbindlichkeiten in Zusammenhang mit Kostenfestsetzungen aus den Verfahren beim Landgericht München I (Az. 30 O 241943/09), Oberlandesgericht München (Az. 23 U 5857/19) und dem Bundesgerichtshof (Az. IV ZR 233/20) freizustellen hat.
4. Der Beklagte wird verurteilt, die dem Kläger gestellte Rechnung von Rechtsanwalt B. vom 30.03.2022, Rechnungsnummer 18/22, betreffend die Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht zum Az. 1 BvR 966/22 in Bezug auf das im Klageantrag zu 1. genannte Urteil des Bundesgerichtshofes über € 50.000,00 zu bezahlen.
5. Es wird festgestellt, dass der Beklagte den Kläger von derzeit der Höhe nach unbekannten darüber hinausgehenden Verbindlichkeiten in Zusammenhang mit dieser Verfassungsbeschwerde freizustellen hat.
6. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den über die Zahlung in Ziffer 2. hinausgehenden Verbindlichkeiten in Form von Zinsen in Höhe von € 40.058,53 auf die Hauptforderung aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen des LG München I vom 20.07.2022 zum Az. 30 O 24193/09 betreffend die Kostenerstattungsansprüche der Kanzlei N. freizustellen. Insoweit wird festgestellt, dass der Beklagte gegebenenfalls weitergehende Forderungen aus Zinsen zu tragen hat.
7. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
8. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
9. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
II. Die Anschlussberufung des Klägers wird verworfen, soweit er die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von € 11.691,76 nebst Zinsen sowie Feststellung der weiteren Kostentragungspflicht des Beklagten begehrt (Ziffer 6 a der Anträge).
III. Im Übrigen werden Berufung des Beklagten und Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen.
III. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsrechtsstreits.
IV. Das in Ziffer I. genannte Urteil des Landgerichts München I und dieses Urteil sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
V. Die Revision wird zugelassen. Zuständig ist der Bundesgerichtshof.
1. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf € 2.420.823,12 festgesetzt.
2. In Abänderung der Ziffer 11 des Endurteils des LG München I vom 28.02.2024 wird der Streitwert für den erstinstanzlichen Rechtsstreit gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG auf € 1.380.793,00 festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche des Klägers im Rahmen von zwischen den Parteien geschlossenen Prozessfinanzierungsverträgen vom 05./08.08.2009 und vom 31.03.2017 (Anlage K 1) betreffend den Rechtsstreit des Klägers vor dem LG München I (30 O 24193/09), dem OLG München (23 U 5857/19) und dem BGH (IV ZR 233/20), der für den Kläger in allen drei Instanzen erfolglos endete. Die Verfassungsbeschwerde des Klägers ist beim Bundesverfassungsgericht unter dem Aktenzeichen 1 BvR 966/22 noch anhängig.
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Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen im Endurteil des LG München I vom 28.02.2024 (Bl. 146/164 der erstinstanzlichen Akte; künftig: Erstakte) mit nachfolgenden Änderungen und Ergänzungen verwiesen.
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Hinsichtlich des ursprünglich geschlossenen Prozessfinanzierungsvertrags, datiert auf den 05.08.2009, wird auf Anlage 1 zu Anlage K 1, bezüglich der „Veräußerung“ weiterer Anteile in Höhe von 3,3% wird auf Anlage 2 zu Anlage K 1 verwiesen. Der Vertrag mit dem Investor G. vom 25.03.2017 findet sich in Anlage 3 zu Anlage K 1, derjenige mit Herrn P. in Anlage K 11. Auf alle Vereinbarungen wird hinsichtlich des Wortlauts jeweils verwiesen.
4
Der Prozessfinanzierungsvertrag vom 31.03.2017, mit dem der Prozessfinanzierungsvertrag vom 05.08.2009 teilweise geändert und der von einem Mitarbeiter des Beklagten, Herrn Rechtsanwalt B. formuliert wurde, hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
E. Mit dem in der Anlage 3 wiedergegebenen Erlösbeteiligungsvertrag hat der Anspruchsinhaber mit Zustimmung von D. einem Dritten (dem „Drittinvestor“) Erlösanteile gegen Zahlung eines Einmalbetrages zugesagt, vorbehaltlich einer Aufteilung dieses Einmalbetrages zwischen dem Anspruchsinhaber und D. und der entsprechenden Anpassung der Erlösquoten im Innenverhältnis, was nachfolgend jeweils festgeschrieben wird.
3.1 Ein Erlös aus den streitigen Ansprüchen wird zwischen dem Anspruchsinhaber und D. nach Maßgabe der Regelungen in Anlage 5 verteilt.
3.2 „Erlös“ ist jede Leistung auf die streitigen Ansprüche, auf diese ersetzende Ansprüche und auf Ansprüche, die im Zusammenhang mit der Rechtsverfolgung stehen, z.B. Kostenerstattungsansprüche, Schadensersatzansprüche, Ersatzansprüche oder Versicherungsleistungen, einschließlich Auskehrungen aus einer Zwangsvollstreckung. Ansprüche von D. unter Ziffer 3.1 sind stets Zahlungsansprüche gegen den Anspruchsinhaber …
3.4 Der Anspruch von D. auf Erlösauskehr ist fällig, sobald der Erlös dem Anspruchsinhaber zufließt…
11.6 Schriftform. Änderungen dieses Vertrages, einschließlich dieser Schriftformklausel, oder Erklärungen nach diesem Vertrag bedürfen der Schriftform (unter Ausschluss der Textform gemäß § 126b BGB), soweit gesetzlich keine strengere Form vorgeschrieben ist. Das gilt auch für einen Verzicht auf dieses Schriftformerfordernis. Soweit der Vertrag selbst im Übrigen eine schriftliche Erklärung verlangt, wird die Textform gem. § 126b BGB hierfür ebenfalls ausgeschlossen.“
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Die im Prozessfinanzierungsvertrag in Bezug genommene Anlage 5 hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
„1.2 Gemäß der mit dem Drittinvestor G. bestehenden Absprache ist der Nettoerlös daher wie folgt zu verteilen,
1.2.1 Drittinvestor G.: sechs Komma sechs Prozent (6,6%) gemäß dem in Anlage 3 wiedergegebenen Erlösbeteiligungsvertrag vom 25.03.2017.
Die dem Anspruchsinhaber gemäß Ziffer 2.2.3 des vorgenannten Erlösbeteiligungsvertrages im Verhältnis zum Investor zustehenden Erlösanteile werden im Innenverhältnis zwischen den Anspruchsinhaber und D. hälftig geteilt.
1.2.2 Anspruchsinhaber: achtundvierzig Komma vier Prozent (48,4%)
1.2.3 D.: fünfundvierzig Prozent (45%)…“
6
Mit Beschlüssen vom 20.07.2022 des LG München I, dem Kläger jeweils zugestellt am selben Tag, wurden zu Lasten des Klägers folgende Kosten jeweils rechtskräftig festgesetzt:
€ 210.959,90 nebst 5%-Punkten Zinsen seit 31.03.2022 zugunsten des damaligen Beklagten zu 2) für das Revisionsverfahren vor dem BGH (IV ZR 233/20),
€ 146.760,80 nebst 5%-Punkten Zinsen seit 08.09.2021 zugunsten des damaligen Beklagten zu 2) für das Berufungsverfahren vor dem OLG München (23 U 5857/19),
€ 249.801,30 nebst 5%-Punkten Zinsen seit 06.05.2022 zugunsten der damaligen Beklagten zu 1) und zu 3) für das Revisionsverfahren vor dem BGH (IV ZR 233/20) und
€ 202.158,65 nebst 5%-Punkten Zinsen seit 06.05.2022 zugunsten der damaligen Beklagten zu 1) und zu 3) für das Berufungsverfahren vor dem OLG München (23 U 5857/19).
7
Ferner wurden in zwei weiteren Kostenfestsetzungsbeschlüssen die vom Kläger an die Beklagten zu erstattenden Kosten der ersten Instanz festgesetzt, die hinsichtlich der Leistungsanträge aber nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits sind.
8
Geltend machte der Kläger in diesem (Berufungs-) Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 07.07.2025 erstmals die Freistellung von Kosten des eigenen Rechtsanwalts im Rahmen von zwei Vollstreckungsvergleichen mit den Beklagten des Vorprozesses hinsichtlich o.g. Kostenfestsetzungsbeschlüsse in Höhe von € 11.691,76 nebst Zinsen.
9
Das LG München I hat mit Endurteil vom 28.02.2024 den Beklagten verurteilt, an den Kläger € 219.472,00 zu zahlen, festgestellt, dass der Beklagte den Kläger von „der Höhe nach unbekannten Verbindlichkeiten“ im Zusammenhang mit der Kostenfestsetzung im Rahmen des Verfahrens IV ZR 233/20 sowie einer Verfassungsbeschwerde freizustellen habe, den Beklagten weiter verurteilt, eine Kostenrechnung eines namentlich genannten Rechtsanwalts in Höhe von € 50.000,00 wegen einer Verfassungsbeschwerde zu bezahlen, ferner den Beklagten zur Zahlung in Höhe von € 225.000,00 betreffend Kostenfestsetzungsbeschlüsse des LG München I vom 20.07.2022, sowie den Beklagten weiter verurteilt, den Kläger von darüber hinausgehenden Verbindlichkeiten von derzeit € 584.679,75 Hauptforderung „nebst Zinsen und Kosten aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen des LG München I vom 20.07.2022“ freizustellen, sowie weitere € 5.793,20 an den Kläger zu zahlen. Darüber hinausgehende Anträge betrafen den erstinstanzlich mangels Bestimmtheit als unzulässig bewerteten Freistellungs(leistungs) antrag hinsichtlich aller weiteren Kosten betreffend das Verfassungsbeschwerdeverfahren sowie € 25.633,65 betreffend Freistellungs(leistungs) antrag (€ 610.313,40 – € 584.679,75) mangels nach Ansicht des Erstgerichts ausreichender Substantiierung. Auf das Endurteil des LG München I vom 28.02.2024 wird verwiesen (Bl. 146/164 Erstakte).
10
Mit Terminsverfügung vom 05.03.2025, dem Klägervertreter zugestellt am 06.03.2025, wurde dem Kläger u.a. Frist zur Berufungserwiderung von drei Wochen gesetzt. Auf Antrag des Klägers wurde diese Frist mit Verfügung vom 12.03.2025 bis 30.04.2025 verlängert. Am 29.04.2025 ging ein Schriftsatz des Klägers vom Vortag mit geänderten Anträgen ein, auf den verwiesen wird (Bl. 70/72 der Berufungsakte; künftig: d. A.).
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Mit seiner Berufung beantragt der Beklagte:
I. Das Endurteil des Landgerichts München I vom 28.02.2024, Az. 3 O 7213/22 wird in dem Umfang, in dem es die Klageanträge zugesprochen hat, aufgehoben.
II. Die Klage wird abgewiesen.
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Der Kläger erklärte im Schriftsatz vom 28.04.2025, „dass eine Anschlussberufung des Klägers nicht beabsichtigt“ sei und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
13
Im Schriftsatz vom 28.04.2025 änderte der Kläger seine Klageanträge jedoch teilweise ab und beantragte,
- 1.
-
Der Beklagte wird verurteilt, zum Ausgleich der Gerichtskosten des Bundesgerichtshofes im Verfahren zum Az. IV ZR 233/20 EUR 219.472 an den Kläger zu zahlen.
- 2.
-
Es wird beantragt festzustellen, dass der Beklagte den Kläger von derzeit der Höhe nach unbekannten Verbindlichkeiten in Zusammenhang mit Kostenfestsetzungen aus den Verfahren beim Landgericht München I (Az. 30 O 241943/09), Oberlandesgericht München (Az. 23 U 5857/19) und dem Bundesgerichtshof (Az. IV ZR 233/20) entstandenen Kosten freizustellen hat.
- 3.
-
Der Beklagte wird verurteilt, die dem Kläger gestellte Rechnung von Rechtsanwalt B. vom 30.03.2022, Rechnungsnummer 18/22, betreffend die Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht zum Az. 1 BvR 966/22 in Bezug auf das im Klageantrag zu 1. genannte Urteil des Bundesgerichtshofes über EUR 50.000,00 zu bezahlen.
- 4.
-
Es wird beantragt festzustellen, dass der Beklagte den Kläger von derzeit der Höhe nach unbekannten Verbindlichkeiten in Zusammenhang mit dieser Verfassungsbeschwerde entstandenen Kosten freizustellen hat.
- 5.
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Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 753.535,45 € betreffend die Zahlungen auf die Kostenfestsetzungsbeschlüsse des LG München I vom 200.7.2022 [richtig: 20.07.2022] zum Az. 30 O 24193/09 zu zahlen.
- 6.
-
Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den darüber hinausgehenden Verbindlichkeiten von derzeit 81.959,95 € Hauptforderung nebst Zinsen und Kosten aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des LG München I vom 20.07.2022 zum Az. 30 O 24193/09 über 202.158,65 € (Kosten zweite Instanz für dortige Beklagte zu 1 und 3), aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des LG München I vom 20.07.2022 zum Az. 30 O 24193/09 über 249.801,30 € (Kosten dritte Instanz für dortige Beklagte zu 1 und 3), aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des LG München I vom 20.07.2022 zum Az. 30 O 24193/09 über 146.760,80 € (Kosten zweite Instanz für dortigen Beklagten zu 2) und aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des LG München I vom 20.07.2022 zum Az. 30 O 24193/09 über 210.959,90 € (Kosten dritte Instanz für dortigen Beklagten zu 2) [freizustellen].
- 7.
-
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 5.793,20 € zu zahlen.
14
Mit weiterem Schriftsatz vom 16.06.2025, beim OLG München eingegangen am selben Tag, änderte der Kläger seine Anträge in Ziffern 5 und 6 erneut ab und beantragte,
- 5.
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Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 835.313,40 betreffend die Zahlungen auf die Kostenfestsetzungsbeschlüsse des LG München I vom 20.07.2022 zum Az. 30 O 24193/09 zu zahlen.
- 6.
-
Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den darüber hinausgehenden Verbindlichkeiten in Form von Zinsen und Kosten auf die Hauptforderung aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen des LG München I vom 20.07.2022 zum Az. 30 O 24193/09 betreffend die Kostenerstattungsansprüche der Kanzlei N. freizustellen.
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Mit Schriftsatz vom 07.07.2025, beim OLG München eingegangen am 07.07.2025, dem Beklagten zugestellt am 18.08.2025, stellte der Kläger hinsichtlich Ziffer 6 seiner Anträge die Klage erneut um (bezüglich Antrag 6b u.a. gestützt auf zwei Rechnungen jeweils vom 07.07.2025: Anlagen K 28 und K 29) und beantragt nun:
6. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den über die Zahlung in Ziffer 5. hinausgehenden Verbindlichkeiten in Form von Zinsen und Kosten auf die Hauptforderung aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen des LG München I vom 20.07.2022 zum Az. 30 O 24193/09 betreffend die Kostenerstattungsansprüche der Kanzlei N. wie folgt freizustellen:
a) bezüglich Zinsen in Höhe von 40.058,53 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszins seit Rechtshängigkeit;
b) bezüglich Kosten in Höhe von 11.691,76 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszins seit Rechtshängigkeit, sowie festzustellen, dass der Beklagte ggf. weitergehende Forderungen aus Zinsen und Kosten zu tragen hat.
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Der Beklagte beantragt unter (hilfsweiser) Aufrechnung mit entsprechenden Gegenansprüchen hinsichtlich des Verkaufs der Anteile an Herrn P.,
die Klageanträge zurückzuweisen.
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Wegen des Vortrags der Parteien im Berufungsrechtsstreit wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
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Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung am 16.06.2025 eröffnete der Senat die mündliche Verhandlung gemäß § 156 Abs. 1 ZPO erneut und ordnete mit Einverständnis der Parteien schriftliches Verfahren nach § 128 Abs. 2 Satz 1 ZPO an.
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Am 11.09.2025 ging ein Schriftsatz des Beklagten beim OLG München ein, auf den verwiesen wird.
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Zur Entscheidung des Rechtsstreits ist der 17. Zivilsenat des OLG München im Rahmen des Allgemeinen (Umlauf-) Turnus und nicht der Senat für Versicherungssachen gemäß § 119a Abs. 1 Nr. 4 GVG berufen:
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I. Ein Prozessfinanzierungsvertrag zwischen einem Unternehmer als Finanzierer und einem Verbraucher als Rechtsinhaber ist kein Gesellschafts-, aber auch kein Versicherungsvertrag, sondern ein Vertrag eigener Art: 1. Ein Spiel- und Wettvertrag nach § 762 BGB bzw. ein Lotterievertrag scheiden schon deshalb aus, weil ein unverbindlicher Anspruch des Rechtsinhabers gegenüber dem Finanzierer von beiden Parteien gerade nicht gewollt und beidseits ein ernsthafter wirtschaftlicher Geschäftszweck (vgl, hierzu Grüneberg-Sprau, 82, Auflage, § 762 BGB Randziffer 2) vorhanden ist.
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2. Eine Auslobung, insbesondere ein Preisausschreiben oder eine Gewinnzusage im Sinne der §§ 657 bis 661a BGB seitens des Rechteinhabers liegt nicht vor, weil diese nach dem gemeinsamen Willen der dortigen Parteien ja gerade nichts dem Grunde nach fest zusagen wollen bzw. sollen, während der Prozessfinanzierungsvertrag gerade dem Grunde nach eine feste Zusage betrifft bei unbekannter Höhe der anstehenden Verbindlichkeiten.
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3. Werk- oder Dienstvertrag kommen nicht in Betracht, weil kein Werkerfolg und keine Dienste, sondern die Finanzierung gegen Abtretung einer Erfolgsbeteiligung geschuldet sind.
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4. Ein Darlehen des Finanzierers (und damit ein Darlehensvertrag zwischen den Parteien) scheidet schon aus, weil zum Ersten die „Darlehens“summe erst bei Endabrechnung feststeht, zum Zweiten eine Erfolgsbeteiligung des Finanzierers als „Zins“ vom Gesetzgeber eher nicht ins Auge gefasst worden sein dürfte (und angesichts der möglichen Erfolgsquote, die eher eine Art Sicherungsmittel wäre, den Gesamtbetrag der ganzen „Darlehens“summe um das x-fache übersteigen könnte, was sofort Sittenwidrigkeitsprobleme aufwürfe) und zum Dritten die „Darlehens“summe (also die zu leistenden Prozesskosten) gerade nicht zurückzuzahlen ist (vgl. Grunewald, Prozessfinanzierungsvertrag mit gewerbsmäßigem Prozessfinanzierer – ein Gesellschaftsvertrag, BB 2000, 729, 730, Ziffer III 1; Dethloff, Verträge zur Prozessfinanzierung gegen Erfolgsbeteiligung, NJW 2000, 2225, 2226, Ziffer II 1 a; a. A. anscheinend für den Erfolgsfall [wie soll dieser nachträglich die Vertragsart beeinflussen können?] Bruns, Das Verbot der quota litis und die erfolgsorientierte Prozessfinanzierung, JZ 2000, 232, 240 Ziffer IV 5)
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5. Aus diesen Gründen scheitert auch die Annahme eines Bürgschaftsvertrags, da der Zahlungsausfall des Gegners vielleicht zum abgedeckten Risiko gehört (das hängt vom konkreten Vertrag ab), dies aber im Regelfall höchstens im Hintergrund eine Rolle spielen dürfte.
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6. Ein Kaufvertrag kommt nicht in Betracht, weil die Leistung Prozesskostenerstattung bei Vertragsabschluss völlig offen ist (und letztlich auch € 0,00 betragen kann) und sich nicht auf den (möglichen) Gewinnanteil als Gegenleistung beschränkt, sondern leistungsmäßig den nicht „verkauften“ Anteil (der beim Rechtsinhaber verbleibt), als Gegenleistung zur Erlangung mit abdeckt.
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7. Beim Prozessfinanzierungsvertrag handelt es sich nicht um einen Gesellschaftsvertrag:
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a) Wäre dies so, könnte es sich allenfalls um eine nach außen nicht aufgedeckte Innengesellschaft handeln, da im Regelfall der Prozessfinanzierer, abgesehen von den Fällen, in denen er selbst als Zessionar klagt (dann handelt es sich möglicherweise um einen Factoringvertrag), nach außen nicht in Erscheinung tritt. Kennzeichnend für eine solche Gesellschaft wären die Einlagen der Parteien als gemeinschaftliches Vermögen zur gesamten Hand, wobei dies nicht unbedingt als echtes Vermögen in bar vorhanden sein muss, sondern auch in Forderungen bestehen kann.
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Kennzeichnend wäre aber weiterhin auch vom Leitbild der Gesellschaft her, ein gewisses Gleichgewicht dieser Gesellschafter (eine Publikumsgesellschaft liegt ja gerade nicht vor), und zwar sowohl in wirtschaftlicher wie auch rechtlicher Hinsicht. Davon kann jedoch keine Rede sein. So besteht der Prozessfinanzierungsvertrag im Regelfall aus einem vom Prozessfinanzierer allein vorgegebenem Formular(vertrag), der Anspruchsinhaber hat sich im Prinzip den Vorgaben des Prozessfinanzierers, solange der Vertrag nicht gekündigt ist, vollständig unterzuordnen, und auch wirtschaftlich besteht ein erhebliches Ungleichgewicht (sonst benötigte der Anspruchsinhaber im Regelfall den Prozessfinanzierer ja gerade nicht).
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b) Als Einlagen kämen zunächst nur der Anspruch des Rechteinhabers auf Ersatz der Kosten des Rechtsstreits (als Einlage des Finanzierers) und der Beteiligungsanspruch des Finanzierers am möglichen Prozesserlös (als Einlage des Anspruchsinhabers) in Betracht.
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c) Bei beiden ist aber bis zum Schluss völlig offen, wie „werthaltig“ die Einlagen tatsächlich sind (was allerdings nicht zwingend gegen eine gesellschaftsrechtliche Lösung gerade unter der Neukodifizierung der §§ 705 ff. BGB spricht), weil es sich bei beiden zunächst nur um Rechte unbekannten (echten, nicht statistischen) Werts handelt. Beim Anspruch des Rechteinhabers (gegen den potentiellen Prozessgegner) ist gerade offen und allenfalls sehr wahrscheinlich, dass dieser besteht. Beim Ersatzanspruch gegen den Finanzierer ist zum Einen völlig offen, ob der Rechteinhaber diesen überhaupt benötigt (was abgesehen von Vorschusspflichten gegenüber Gericht und eigenem Anwalt nicht der Fall ist, wenn er den Rechtsstreit zu 100% gewinnt und die dortige Beklagtenseite zahlungskräftig ist). Zum Anderen muss am Schluss (solange nicht entsprechende Vorschüsse an das Gericht usw. geleistet wurden) der Finanzierer auch tatsächlich zahlungswillig (sonst müsste, wie hier, der Rechteinhaber den nächsten Prozess führen, was er ja gerade vermeiden will) und zahlungskräftig sein. „Echte“ wirtschaftliche Einlagen leisten daher beide Parteien gerade nicht (falls der Rechteinhaber verliert, hat er gerade keine Einlage erbracht, da sein vermeintliches Recht nicht existiert, was sich allerdings ebenso wie bei der Prämie, Versicherungsvertrag vorausgesetzt, erst am Schluss herausstellt; mit dem Argument von Armbrüster in Prölss/Martin, 32. Auflage, § 1 VVG Randziffer 23 [dazu unten unter Ziffer B I 10 b] wäre auch die Annahme eines Gesellschaftsvertrags wohl ausgeschlossen, womit die Vertragsart des Prozessfinanzierungsvertrags vollständig offen wäre). Darüber hinaus wäre es beidseits wenig interessengerecht, wenn ein Anspruch eines der beiden Vertragsparteien am Schluss nur über eine Gesamtauseinandersetzung mit einer entsprechenden Auseinandersetzungsbilanz durchgesetzt werden könnte. Dies ist um so kritischer, wenn sich die Parteien im Laufe des Rechtsstreits über das weitere Prozedere nicht einigen können ([Nicht-] Weiterführung des Rechtsstreits, [Nicht-] Abschluss eines Vergleichs usw.). Eine gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzung wäre aber in einer prozessrechtlich dann meist kritischen Situation viel zu langwierig und aufwendig.
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d) Die Reform des Personengesellschaftsrechts durch Gesetz vom 10.08.2021 ändert daran nichts. Selbst wenn diese Reform Einfluss auf die Art des Prozessfinanzierungsvertrags hätte (was der Senat eher bezweifelt), kann dies hier schon deshalb keine Rolle spielen, weil der letzte Vertrag der Parteien im hier vorliegenden Fall am 31.03.2017 abgeschlossen wurde, also zeitlich weit vor der Reform des Personengesellschaftsrechts.
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e) Offen geblieben ist in den Urteilen der OLG München vom 31.03.2015 (15 U 2227/14, NJW-RR 2015, 1333, 1335, Randziffer 42) und OLG Frankfurt a. M. vom 02.07.2020 (1 U 67/19, BeckRS 2020, 17861, Randziffer 22 m.N.), welche weiteren Vertragstypen neben gesellschaftsvertraglichen Elementen bei dem dort jeweils angenommenen typengemischten Vertrag nach Vorstellung der Gerichte noch enthalten sein sollen. Im Hinblick auf § 119a Abs. 1 Nr. 4 GVG spielte dies für diese allerdings (mangels damals schon vorhandenem § 119a Abs. 1 Nr. 4 GVG bzw. mangels Entscheidungsrelevanz) keine Rolle. Dabei lassen sich rechtsschutzversicherungsrelevante Merkmale keinesfalls übersehen, was nach Auffassung des Senats bereits für eine Zuständigkeit nach § 119a Abs. 1 Nr. 4 GVG ausreichen könnte.
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f) Nicht übersehen werden darf, was ebenfalls gegen die Annahme eines Gesellschaftsvertrags spricht, dass dann die Inhaltskontrolle von allgemeinen Geschäftsbedingungen des Prozessfinanzierers (der ganze Vertrag besteht im Regelfall aus einem von ihm gestellten [Gesamt-] Formular), abgesehen von §§ 134, 138 BGB ausgeschaltet ist (§ 310 Abs. 4 Satz 1 BGB). Das würde der wirtschaftlichen und tatsächlichen Übermacht des Prozessfinanzierers letztlich Tür und Tor öffnen.
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g) Damit kann das Problem der möglicherweise sonst bestehenden Durchsetzungssperre für die Klage (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 07.04.2008, NJW 2008, 2987, 2991, Randziffer 30) sowie eine Umdeutung in eine Feststellungsklage (vgl. BGH, Urteil vom 07.04.2008, NJW 2008, 2987, 2991, Randziffer 31; Urteil vom 03.02.2015, II ZR 335/13, WM 2015, 1114, 1116, Randziffer 25) offen bleiben.
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8. Ein Garantievertrag liegt ebenfalls nicht vor: Im Regelfall behalten sich Prozessfinanzierer (logischerweise) eine Kündigungsklausel vor (s.a. Grünewald, a.a.O., Seite 729, Ziffer I), um aus künftigen Kostenrisiken „aussteigen“ zu können, um drohende weitergehende Verlust zu minimieren bzw. auszuschließen. Das beinhaltet ein Garantievertrag aber gerade nicht.
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9. Auch ein reiner Geschäftsbesorgungsvertrag (auch ein Versicherungsvertrag enthält Geschäftsbesorgungselemente) scheidet nach Auffassung des Senats aus: Geschäftsbesorger wäre danach der Prozessfinanzierer. Tatsächlich tritt dieser aber nach außen häufig gar nicht in Erscheinung, besorgt also keine Geschäfte sondern nur die Finanzmittel, der Anspruchsinhaber führt im Regelfall den Rechtsstreit, wenn eine etwaige Abtretung des Anspruchs an den Prozessfinanzierer, wie gewöhnlich, nicht offen gelegt wird (vgl. Fritzsche/Schmidt, Eine neue Form der Versicher…, NJW 1999, 2998, 2999, Ziffer II 3).
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10. Ein Versicherungsvertrag in Form einer Rückwärtsrechtsschutzversicherung (§§ 1, 2 Abs. 1, §§ 125ff. VVG) ist hier nach Auffassung des Senats zwar möglich, aber allgemein letztlich nicht gegeben:
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a) Ein Versicherungsvertrag liegt dann vor, wenn für den Fall eines ungewissen Ereignisses bestimmte Leistungen übernommen werden, wobei das übernommene Risiko auf eine Vielzahl durch die gleiche Gefahr bedrohter Personen verteilt wird und der Risikoübernahme eine auf dem Gesetz der großen Zahl beruhende Kalkulation zugrunde liegt. Dazu gehören allerdings nicht Vereinbarungen, die in einem inneren Zusammenhang mit einem Rechtsgeschäft anderer Art stehen und von dort ihr eigentliches rechtliches Gepräge erhalten. Dies ist dann der Fall, wenn die betreffende Vereinbarung mit einem anderen Vertrag, der seinerseits kein Versicherungsvertrag ist, verbunden und als unselbständige Nebenabrede dieses Hauptvertrages zu werten ist (BGH, Urteil vom 23.11.2016, IV ZR 50/16, NJW 2017, 393, 394, Randziffer 12). Auf eine stark vereinfachende wirtschaftliche Formel gebracht, ist Versicherung der vertragliche Tausch eines geringeren, sicheren Verlusts (Prämie) gegen die Aussicht auf einen wesentlich höheren, aber ungewissen Vermögenszufluss (Prölss/Martin-Armbrüster, 32. Auflage, § 1 VVG Randziffer 1) bzw. Verhinderung eines entsprechenden wirtschaftlichen Vermögensabflusses im Schadensfall. Auf diese Art und Weise finanzieren sich auch Prozessfinanzierer, da sie nach jeweiliger Bewertung der Erfolgsaussichten einen jeweiligen sogenannten (statistischen) Erwartungswert für einen Prozessausgang bilden können, der über das Gesetz der großen Zahlen (bei entsprechenden vielen Engagements) zu einem positiven Saldo wie bei einer normalen Rechtsschutzversicherung führt. Soweit in der Literatur ein Rechtsschutzversicherungsvertrag mit der Begründung abgelehnt wird, das charakteristische Element einer Risikoverteilung auf eine Personenmehrheit fehle (vgl. Gesell/Meller-Hannich/Stadler, Prozessfinanzierung in Deutschland vor dem Hintergrund europäischer Regelungsinitiativen, JZ 2023, 989, 993), kann dies deshalb nicht nachvollzogen werden.
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b) Die Annahme eines Versicherungsvertrags scheitert letztlich an der der Höhe nach völlig offenen Versicherungsprämie (= der Erfolgsanteil des Finanzierers). Zwar handelt es sich bei der Erfolgsbeteiligung für den Finanzierer um einen Geldbetrag, der genauso statistisch kalkuliert wird wie die Höhe einer Versicherungsprämie, nur mit dem Unterschied, dass seine genaue Höhe vorab nicht bekannt ist. Da der Gewinneintritt aber ebenso unsicher, wenn auch statistisch abschätzbar ist, ist der Erwerb der Prämie hier ebenso nach Grund und Höhe unsicher. Das ist für den Senat der entscheidende Unterschied zur Versicherungsprämie. Im Hinblick auf die statistische Kalkulierbarkeit kann der Senat jedoch der Begründung von Grunewald (a.a.O., Seite 730, Ziffer III 3) nicht zustimmen (siehe dazu unten unter B I 10 f), die einen Versicherungsvertrag mit der Begründung ablehnt, die Kalkulierbarkeit von Verlusten eines einzelnen Geschäfts sei gewöhnliches Unternehmerrisiko und habe mit dem Versicherungsgeschäft nichts zu tun. Allerdings steht das gemeinsame Interesse von Anspruchsinhaber und Unternehmer, die (angebliche) Forderung zu Geld zu machen, der Annahme eines Versicherungsvertrages nicht entgegen. Das ist bei einer Rechtsschutzversicherung immer so, auch wenn bei einer solchen Versicherung im klassischen Sinn der Versicherer von einem Gewinn nur mittelbar profitiert, weil die Prozesskosten entsprechend geringer bzw. im Idealfall sogar € 0,00 sind (deshalb kann der Senat die Ansicht des BGH im Urteil vom 14.07.1962 [III ZR 21/61, VersR 1962, 974, 976; s.a. Dethloff, a.a.O., Seite 2226, Ziffer II 1 b] zumindest für die damals wohl noch unbekannte Rechtsschutzversicherung nicht teilen). Dies gilt aber auch für den Prozessfinanzierungsvertrag (neben dem zugesicherten bzw. abgetretenen Gewinnanteil). Deshalb kann sich der Senat auch nicht der Ansicht von Frechen/Kochheim (Fremdfinanzierung von Prozessen gegen Erfolgsbeteiligung, NJW 2004, 1213, 1214, Ziffer II 2) anschließen.
41
Sehr viel differenzierter äußert sich hier Prölss/Martin-Armbrüster (32. Auflage, § 1 VVG Randziffer 23; s.a. Bruck/Möller-Baumann/Koch, 10. Auflage, § 1 VVG, Randziffer 327): Da der Prozessfinanzierer im Misserfolgsfall nichts bekomme, erhalte er insoweit kein Entgelt, weshalb ein Versicherungsvertrag ausscheide (s.a. Frechen/Kohheim, a.a.O., Seite 1214, Ziffer II 2). Dieses Argument hält der Senat, wie ausgeführt, letztlich für stichhaltig, auch wenn der Prozessfinanzierer gewöhnlich im Vertrag einen bestimmten Anteil am geltend gemachten Anspruch nicht nur sicherungshalber sondern als feste Prämie (im Rahmen einer stillen Zession abgetreten oder anderweitig zugeteilt) bekommt und zu diesem Zeitpunkt nur noch nicht bekannt ist, wie werthaltig dieser Anteil letzten Endes ist. Dieser Anteil hat nach Prüfung durch den Prozessfinanzierer gerade einen Wert (wenn auch vielleicht nicht zum vollen Nennwert des Anspruchsanteils), denn sonst würde der Prozessfinanzierer mit dem Anspruchsteller einen entsprechenden Vertrag gerade nicht abschließen. Im Übrigen scheint sich der Kommentator (Prölss/Martin-Armbrüster) selbst zu widersprechen, da er den übrigen Merkmalen des Prozessfinanzierungsvertrags wohl Versicherungsrelevanz zuordnet, da sonst die Einleitung des letzten Satzes der Randziffer 23 mit „gleichwohl“ nicht verständlich wäre. Ferner argumentiert der Kommentar vom Versicherungsergebnis her rückschauend. Dasselbe Problem stellt sich nämlich bei jeder Versicherung, bei der ein von der Versicherung zu bezahlender Schaden die Summe der bisher gezahlten Prämien übersteigt (der Versicherungsnehmer hat auch hier wirtschaftlich betrachtet kostenlos einen Teil seines Schadens ersetzt erhalten; z.B. Vollkaskoversicherung mit erster Prämie in Höhe von x, Schadensereignis im ersten Versicherungsmonat mit Schadenshöhe x + y).
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c) Nicht übersehen werden darf, dass jedem Versicherungsvertrag auch immanent ist, dass sein Risiko statistisch (rück) versicherbar ist. Dies ist auch beim Prozessfinanzierungsvertrag, noch dazu, wenn hier jährlich eine Vielzahl solcher Verträge durch ein Unternehmen abgeschlossen wird (damit wird ein entsprechender Vertragsschluss wohl erst möglich), so. Denn ein Risiko, noch dazu, wenn die (hier: streitwertmäßig) bekannten Wertparameter bekannt sind, kann statistisch kalkuliert und damit abgeschätzt werden, ob ein konkreter Rechtsstreit für das Unternehmen einen Gewinn erwarten lässt (in der Stochastik Erwartungswert genannt). Im Übrigen lassen sich insbesondere die Kosten des Risikos recht gut abschätzen (kommt es zu keiner Beweisaufnahme, im Regelfall auf den Euro genau), sodass ein Prozessfinanzierungsvertrag geradezu das Paradebeispiel eines versicherbaren Risikos darzustellen scheint.
43
d) Dass der Versicherungsfall bei Abschluss des Prozessfinanzierungsvertrags bereits eingetreten ist, steht dem im Hinblick auf § 2 Abs. 1, § 2 Abs. 2 Satz 2 VVG nicht entgegen. Denn hier ist gerade ein wesentliches Merkmal, dass der Versicherungsfall bereits eingetreten ist, die Versicherung (hier: der Prozessfinanzierer) aber gerade auf die Leistungsfreiheit nach § 2 Abs. 2 Satz 2 BGB verzichtet, was möglich ist, da diese Regelung dispositiv ist (Langheid/Wandt-Muschner, 3. Auflage, § 2 VVG Randziffer 73).
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Nach Bruns (a.a.O., Seite 237 Ziffer IV 1 c) scheint es in Großbritannien sogar eine sogenannte after-the-event-insurance zu geben für mögliche Beklagte, also „eine Rechtsschutzversicherung nach Streitentstehung, die Anwaltskosten des Gegners und eigene Auslagen deckt, nicht aber eigene Anwaltskosten“, um eine ansatzweise Waffengleichheit mit einem prozesskostenfinanzierungsgestützten Kläger herzustellen. Eine Rechtsschutzversicherung „danach“ ist also keineswegs unmöglich oder unbekannt.
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Darüber hinaus können sich im Rahmen des Prozessfinanzierungsvertrags genau genommen zwei Risiken hintereinander realisieren: Der Rechtsstreit an sich und die (anteilige) Zahlungspflicht des Prozessfinanzierers im Fall des (anteiligen) Unterliegens. Das ist aber bei einem anderweitigen „klassischen“ Versicherungsvertrag wie z.B. der Haftpflichtversicherung für ein Kraftfahrzeug genauso: Das erste Risiko ist der Versicherungsvertrag an sich (das Fahrzeug kann danach jederzeit verursachend in ein Schadensereignis verwickelt sein), das zweite Risiko ist sodann der eigentliche Schadensfall.
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e) Die Argumentation von Grunewald (a.a.O., S. 730, Ziffer III 3), beim Prozessfinanzierungsvertrag werde im Gegensatz zum Versicherungsvertrag nicht mit sicher eingetretenen Verlusten gerechnet, kann ebenso nicht nachvollzogen werden: Beim Prozessfinanzierungsvertrag kommt es statistisch gesehen im Einzelfall immer auch zur Möglichkeit eines Verlusts (sonst bräuchte man den Vertrag gerade nicht), wie auch bei einem „normalen“ Rechtsschutzversicherungsvertrag immer von einem (möglichen) Erfolg ausgegangen bzw. dieser angestrebt wird. Dass im Versicherungsgeschäft allgemein keine individuelle Risikoüberprüfung stattfände, ist schlicht falsch: Die private Krankenversicherung und die Elementarschadensversicherung sind die Gegenbeispiele, und bei der PKW-Haftpflichtversicherung (beachte Nr. A.1.1.4 AKB!) werden die Prämien aus dem Versicherungsverlauf der Vergangenheit sowohl über die Zeit (abgestellt auf den einzelnen Versicherungsnehmer) als auch über den Ort (Regionalklasseneinteilung) laufend angepasst.
47
f) Sollte darüber hinaus die Ansicht von Grunewald richtig sein, dass „normale“ Unternehmen genauso mit Verlustausgleich über Gewinngeschäfte arbeiten (a.a.O., S. 730, Ziffer III 3), aber dies mit Versicherungsverträgen nichts zu tun habe, so berücksichtigt dies nicht, dass so eine Verlustausgleichsrechnung ein Unternehmen tatsächlich so kalkuliert (wofür viel spricht, da das Wagnis immer mitzubedenken ist), durch das Unternehmen für sich allein durchgeführt wird (das Unternehmen sozusagen sein eigener Versicherer ist), während solche Verlustrisiken in bestimmten Bereichen gerade absicherbar sind (z.B. bei Exportbürgschaften [aber mit gewissen Merkmalen des Versicherungsvertrages: vgl. Staudinger-Stürner, Bearbeitung 2020, Randziffern 496f. vor §§ 765ff. BGB], Betriebsausfallversicherungen).
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g) Für nicht stichhaltig hält der Senat auch das Argument, der (Rechtsschutz-) Versicherer habe ein unbedingtes Interesse daran, dass der Versicherungsfall nicht eintritt (vgl. Perner, Kollektiver Rechtsschutz und Versicherungsrecht, VersR 2023, 1329, 1332, Ziffer III 5 b): Wäre dies so, gäbe es keine Rechtsschutzversicherung. Diese weiß nämlich ganz genau, dass es in einem bestimmten Anteil der Fälle sicher zu einem Rechtsstreit kommt und nimmt dies gerade aus diesem Grund auch bewusst statistisch kalkuliert in Kauf.
49
h) Zieht man ein Resümée, spricht abgesehen von der Unbestimmtheit der Prämie bzw. dem Fakt, dass die Höhe der Prämie völlig offen ist (bis zur „Nullprämie“), alles für einen Rechtsschutzversicherungsvertrag als Rückwärtsversicherung. Der Senat hält aber das Argument der Unbestimmtheit der Prämie für ausschlaggebend, einen solchen zu verneinen.
50
II. Wie sich an Hand der nachfolgenden Ausführungen ergibt, kann im konkreten Fall (abgesehen von Rechtsschutzversicherungs- und Gesellschaftsvertrag, die hier jeweils verneint wurden) offen bleiben, um was für eine Art von Vertrag es sich bei einem Prozessfinanzierungsvertrag handelt.
51
Die zulässige Berufung (§§ 511, 517, 520 ZPO) ist, abgesehen von der Antragsänderung durch den Kläger hinsichtlich dessen Antrag 6 b (insoweit unzulässig), (größtenteils) unbegründet (Anlage K 1 mit den hierzu gehörigen Anlagen zu Anlage K 1), außerdem waren die beantragten Verzugszinsen hinsichtlich des Freistellungsantrags in Nr. 6 a nicht zuzusprechen:
52
I. Tatsächlich hat der Kläger mit seinem Schriftsatz vom 28.04.2025 Anschlussberufung eingelegt:
53
1. Für die Auslegung von Prozesserklärungen gelten die für Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze. Die Prozesspartei darf nicht am buchstäblichen Sinn ihrer Wortwahl festgehalten werden. Die Auslegung hat sich vielmehr daran zu orientieren, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und dem recht verstandenen Interesse der Partei entspricht. Bei der Auslegung sind die schutzwürdigen Belange des Erklärungsadressaten zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 10.10.2013, IX ZB 229/11, WM 2014, 78, 82, Randziffer 30; s.a. Urteil vom 07.04.2016, IX ZR 216/14, WM 2016, 982, 983, Randziffer 11; Beschluss vom 20.01.2016, I ZB 102/14, WM 2016, 1190, 1191, Randziffer 15; Beschluss vom 23.08.2016, VIII ZB 96/15, WM 2016, 1955, 1958, Randziffer 25; Urteil vom 13.05.2016, V ZR 152/15, NJW-RR 2016, 1107, 1109, Randziffer 24; Beschluss vom 09.05.2017, VIII ZB 69/16, NJW 2017, 2041, 2043, Randziffer 15; Urteil vom 27.01.2017, I ZR 217/15, WM 2017, 1595, 1598, Randziffer 28; Urteil vom 13.03.2018, VI ZR 143/17, WM 2018, 778, 778, Randziffer 8; Beschluss vom 14.11.2017, KVR 57/16, WM 2018, 1666, 1668, Randziffer 20; Beschluss vom 29.03.2018, I ZB 54/17, WM 2018, 1701, 1702, Randziffer 9; Urteil vom 09.05.2019, VII ZR 154/18, WM 2020, 189, 190, Randziffer 22; Urteil vom 17.10.2023, XI ZR 72/22, WM 2023, 2137, 2138, Randziffer 15; Urteil vom 19.11.2024, XI ZR 139/23, WM 2025, 113, 116, Randziffer 28). Entscheidend ist der erklärte Wille, wie er aus der Klagebegründung, den sonstigen Begleitumständen und nicht zuletzt der Interessenlage hervorgeht (BGH, Urteil vom 11.11.2022, V ZR 213/21, NJW 2023, 217, 219, Randziffer 14). Maßgebend für den Umfang des Klagebegehrens ist das aus dem gesamten Parteivorbringen, insbesondere der Klagebegründung, zu entnehmende wirkliche Rechtsschutzziel (BGH, Urteil vom 19.11.2018, NotZ (Brfg) 5/17, WM 2019, 699, 700, Randziffer 15; s.a. Urteil vom 02.03.2017, I ZR 41/16, NJW-RR 2017, 1190, 1191, Randziffer 11; Urteil vom 18.06.2019, XI ZR 768/17, WM 2019, 2153, 2154, Randziffer 19). Nur wenn sich das Rechtsschutzziel der Partei auch durch die gebotene Auslegung nicht eindeutig ermitteln lässt, gehen die verbleibenden Unklarheiten zu seinen Lasten (BGH, Urteil vom 03.06.2016, V ZR 166/15, NJW-RR 2017, 263, 264, Randziffer 9). Dies dient der Verwirklichung des durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gewährleisteten Anspruchs des Einzelnen auf einen wirkungsvollen Rechtsschutz (BGH, Urteil vom 09.06.2016, IX ZR 314/14, WM 2016, 1168, 1172, Randziffer 46).
54
2. Zweck der Anschlussberufung ist es, diejenige Partei zu schützen, die in Unkenntnis des Rechtsmittels der Gegenpartei trotz eigener Beschwer die Rechtsmittelfrist im Vertrauen auf den Bestand des Urteils verstreichen lässt. Darüber hinaus soll die Anschlussberufung prozessuale Waffengleichheit schaffen, indem sie den Berufungsbeklagten in den Stand setzt, auf eine Berufung des Gegners ohne verfahrensrechtliche Fesseln reagieren und die Grenzen der neuen Verhandlung mitbestimmen zu können. Will er die Grenzen neu bestimmen und sich nicht auf die Abwehr der Berufung beschränken, kann er dies grundsätzlich nur im Wege der Anschlussberufung erreichen (BGH, Urteil vom 07.05.2015, VII ZR 145/12, WM 2015, 1871, 1872f., Randziffer 27; s.a. Urteil vom 18.01.2023, VIII ZR 357/21, Randziffer 47 – nach juris; Urteil vom 23.02.2024, V ZR 111/23, NJW-RR 2024, 797, 798f., Randziffer 11; Urteil vom 20.03.2024, IV ZR 68/22, WM 2024, 833, 834, Randziffer 18; Urteil vom 23.04.2024, VIa ZR 1132/22, WM 2024, 1143, 1144, Randziffer 13; Urteil vom 03.07.2024, IV ZR 67/22, VersR 2024, 1280, 1281, Randziffer 18; Urteil vom 25.09.2024, VIII ZR 20/22, Randziffer 38; Urteil vom 25.03.2025, VIa ZR 76/22, Randziffer 13). Dementsprechend muss sich der in erster Instanz obsiegende Kläger der Berufung der Gegenseite anschließen, wenn er eine Klageerweiterung vornehmen oder neue Ansprüche einführen und sich damit nicht nur auf die Abwehr der Berufung beschränken will. Danach ist auch im Fall der Klageerweiterung gemäß § 264 Nr. 2 ZPO die Einlegung einer Anschlussberufung erforderlich (BGH, Urteil vom 07.05.2015, VII ZR 145/12, WM 2015, 1871, 1873, Randziffer 28). Zwar hat der Bundesgerichtshof bislang offengelassen, ob eine Ausnahme von dieser Befristung nach ihrem Sinn und Zweck sowie unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Gebots der prozessualen Waffengleichheit in besonderen Fällen zuzulassen sein könnte, wenn die Anschlussberufung eine Reaktion auf eine nach Schluss der mündlichen Verhandlung oder gar erst nach Ablauf der Anschlussberufungsfrist eingetretene Veränderung ist. Ein solcher Ausnahmefall kommt angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift und ihres beschriebenen Regelungszwecks aber nicht bereits dann in Betracht, wenn ausschließlich prozessökonomische Gründe dafür sprechen könnten, eine solche Klageerweiterung außerhalb der Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO zuzulassen (BGH, Urteil vom 31.08.2022, VIII ZR 233/21, NZM 2022, 922, 929, Randziffer 73).
55
3. Mit Verfügung vom 12.03.2025 war dem Kläger die Frist zur Berufungserwiderung bis einschließlich 30.04.2025 antragsgemäß verlängert worden. Mit Schriftsatz vom 28.04.2025, der am 29.04.2025 beim OLG München einging, hat der Kläger auf die Berufung des Beklagten erwidert und in diesem Schriftsatz mitgeteilt, dass eine Anschlussberufung des Klägers nicht beabsichtigt sei. Gleichzeitig hat er jedoch seine Klageanträge entsprechend den vom Senat bis dahin erteilten Hinweisen und im Hinblick auf neue Tatsachenumstände seine Anträge angepasst. Bei einer Auslegung dieser Prozesserklärungen im Hinblick auf die zivilprozessualen Erfordernisse kann der Schriftsatz daher nur als Einlegung eine Anschlussberufung mit entsprechender Begründung verstanden werden.
56
4. Auch die weiteren Umstellungen seiner Klageanträge mit Schriftsätzen vom 16.06.2025 (Bl. 107 d. A.) und vom 07.07.2025 (Bl. 125/126 d. A.; hier abgesehen von Antrag Ziffer 6 b: dazu unten unter Ziffer C I 5) sind hier im konkreten Fall zulässig:
57
a) Das Erfordernis, eine Anschlussberufung innerhalb der für die Berufungserwiderung gesetzten Frist einzulegen und zu begründen, soll die Erledigung des Rechtsmittelverfahrens fördern. Der Prozessstoff soll gestrafft und – mit Ausnahme für künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen gemäß § 524 Abs. 2 Satz 3 ZPO – möglichst von neuem Vorbringen freigehalten werden. Zugleich soll Klarheit und Sicherheit über die Zulässigkeit der Anschlussberufung bestehen. Die gesetzliche Regelung beruht damit auf einem sachlichen Grund und führt auch unter Beachtung des Gebots der prozessualen Waffengleichheit nicht zu einer einseitigen Bevorzugung des Berufungsklägers. Vor diesem Hintergrund ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang eine allgemeine Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO im Wege der teleologischen Reduktion sowohl für klageerweiternde als auch für klageändernde Anschlussberufungen abgelehnt worden (BGH, Urteil vom 31.08.2022, VIII ZR 233/21, NZM 2022, 922, 928f., Randziffer 72). Zwar hat der Bundesgerichtshof bislang offengelassen, ob eine Ausnahme von dieser Befristung nach ihrem Sinn und Zweck sowie unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Gebots der prozessualen Waffengleichheit in besonderen Fällen zuzulassen sein könnte, wenn die Anschlussberufung eine Reaktion auf eine nach Schluss der mündlichen Verhandlung oder gar erst nach Ablauf der Anschlussberufungsfrist eingetretene Veränderung ist. Ein solcher Ausnahmefall kommt angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift und ihres beschriebenen Regelungszwecks aber nicht bereits dann in Betracht, wenn – auch nach dem Vortrag der Revision – ausschließlich prozessökonomische Gründe dafür sprechen könnten, eine solche Klageerweiterung außerhalb der Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO zuzulassen (BGH, Urteil vom 31.08.2022, VIII ZR 233/21, NZM 2022, 922, 929, Randziffer 73).
58
b) Es ist nicht ersichtlich, inwiefern der Kläger früher auf Zahlung (statt Freistellung) hätte klagen können sollen, sodass er innerhalb der Anschlussberufungsfrist bis 30.04.2025 seine Klage noch hätte umstellen können, weshalb der Senat insoweit die Klageerweiterung als zulässig ansieht. Es kann daher dahinstehen, ob für eine Umstellung von einem Freistellungsanspruch auf einen entsprechenden Zahlungsanspruch überhaupt eine Anschlussberufung eines erstinstanzlich obsiegenden Klägers erforderlich ist.
59
5. Unzulässig sind allerdings die Klageerweiterungen in Höhe von € 11.691,76 in Antrag Nr. 6 b im Schriftsatz vom 07.07.2025: Der Kläger, hierauf hingewiesen, hat ausdrücklich erklärt, dass diese Schadenspositionen aus den Kosten für den eigenen Rechtsanwalt hinsichtlich der beiden Vollstreckungsvergleiche, also nicht für vorgerichtliche Tätigkeit des Klägervertreters im Hinblick auf den Beklagten, entstanden sind. Diese Vollstreckungsvergleiche stammen jedoch vom März bzw. April 2023 (Anlagenkonvolut K 18). Auch wenn die Rechnungen des eigenen Rechtsanwalts hinsichtlich dieser Vollstreckungsvergleiche mit den Beklagten des Vorprozesses erst vom 07.07.2025 (Anlagen K 28 und K 29) stammen, hätte der Kläger bis zum 30.04.2025 zumindest einen entsprechenden Feststellungsantrag stellen können und müssen.
60
II. Die Klageanträge sind, abgesehen von der Frage der Rechtzeitigkeit als Anschlussberufung, entsprechend den klägerischen Schriftsätzen vom 19.04.2024, 28.04., 16.06. und 07.07.2025 (Bl. 6, 71/72, 107 und 125/126 d. A,) sowie im Übrigen entsprechend der Tenorierung durch das LG München I in seinem Endurteil vom 28.02.2024 zulässig:
61
1. Ziffer 1 der oben wiedergegebenen Anträge (vgl. lit. A) umfasst eine reine Zahlungsverurteilung, ist bestimmt genug und bedarf keines gesonderten Feststellungsinteresses. Der ursprünglich gestellte Hilfsantrag hierzu kam schon in der erstinstanzlichen Verurteilung nicht zum Tragen und spielt in der Berufung gar keine Rolle mehr.
62
2. Das gilt auch für Ziffern 3 (Zahlung der Rechnung des Herrn Rechtsanwalt B. für die Verfassungsbeschwerde in Höhe von € 50.000,00) und 7 der oben wiedergegebenen Anträge (vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten).
63
3. Antrag 2 (Feststellung der Erstattung unbekannter Kosten der 3 Instanzen vor Landgericht, Oberlandesgericht und Bundesgerichtshof) ist ebenfalls zulässig:
64
a) Dem steht die Bezifferbarkeit zumindest eines Teils dieser Kosten und Auslagen im Hinblick auf die Subsidiarität der Feststellungklage nicht entgegen: Das rechtliche Interesse an einer alsbaldigen Feststellung der Ersatzpflicht des Schädigers im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO ergibt sich dann, wenn sich der anspruchsbegründende Sachverhalt zur Zeit der Klageerhebung noch in der Entwicklung befand. Ist bei Klageerhebung erst ein Teil des Schadens entstanden, ist die Entstehung weiteren Schadens noch zu erwarten, ist die Feststellungsklage insgesamt zulässig. Der Kläger ist nicht gehalten, seine Klage in eine Leistungs- und eine Feststellungsklage aufzuspalten (BGH, Urteil vom 06.03.2012, VI ZR 167/11, Randziffer 3 – nach juris; Urteil vom 05.10.2021, VI ZR 136/20, WM 2021, 2208, 2211, Randziffer 25; s.a. Urteil vom 10.03.2016, I ZR 147/14, WM 2016, 1632, 1632, Randziffer 9; Urteil vom 12.06.2018, KZR 56/16, WM 2018, 1617, 1618, Randziffer 16 zu Kartellschaden; Urteil vom 19.12.2018, IV ZR 255/17, WM 2019, 321, 322, Randziffer 20 zu Nutzungsersatz; Urteil vom 05.10.2021, VI ZR 136/20, WM 2021, 2208, 2211, Randziffer 25; Urteil vom 02.06.2022, VII ZR 283/20, Randziffer 13 – nach juris), wenn ein Teil des Schadens schon entstanden und mit der Entstehung eines weiteren Schadens jedenfalls nach seinem Vortrag noch zu rechnen ist (BGH, Urteil vom 04.09.2019, XII ZR 52/18, WM 2020, 802, 807, Randziffer 43).
65
b) Unstrittig ist die Verfassungsbeschwerde (Aktenzeichen: 1 BvR 966/22) noch anhängig, sodass zumindest in diesem Bereich noch mit weiteren Kosten gerechnet werden muss. Es kommt dabei hier allein auf den Klägervortrag an, dass die Verfassungsbeschwerde von der Kostenpflicht des Beklagten im Rahmen des Prozesskostenfinanzierungsvertrags zu tragen ist (ob dies materiellrechtlich tatsächlich der Fall ist, wird im Rahmen der Begründetheitsprüfung entschieden). Jedenfalls ist der vom Kläger geltend gemachte Aufwendungsersatzanspruch bis heute noch nicht vollständig entstanden und damit der Feststellungsantrag auch zulässig.
66
4. Nummer 4 der oben wiedergegebenen (siehe lit A) Anträge (Feststellung der Freistellung der weiteren unbekannten Kosten der Verfassungsbeschwerde) ist damit ebenso zulässig.
67
5. Nummer 5 der Anträge ist nicht mangels Bestimmtheit unzulässig:
68
a) Bei einer Teilleistungsklage, mit der mehrere selbständige prozessuale Ansprüche geltend gemacht werden, muss angegeben werden, wie sich der eingeklagte Betrag auf die einzelnen Ansprüche verteilen soll und in welcher Reihenfolge sie zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden sollen. Andernfalls ergeben sich unüberwindliche Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Streitgegenstandes und damit zusammenhängend auch bei der Bestimmung der materiellen Rechtskraft und der Verjährungsunterbrechung (BGH, Urteil vom 06.05.2014, II ZR 217/13, WM 2014, 1544, 1545, Randziffer 13). Das gilt nicht bei der Geltendmachung unselbständiger Rechnungsposten (vgl. BGH, Urteil vom 19.06.2000, II ZR 319/98, NJW 2000, 3718, 3719, Ziffer C I 2 b).
69
b) Hier macht der Kläger bisher folgende bezifferte Aufwendungen geltend:
aa) € 210.959,90 nebst 5%-Punkten Zinsen seit 31.03.2022 zugunsten des damaligen Beklagten zu 2) für das Revisionsverfahren vor dem BGH (IV ZR 233/20),
bb) € 146.760,80 nebst 5%-Punkten Zinsen seit 08.09.2021 zugunsten des damaligen Beklagten zu 2) für das Berufungsverfahren vor dem OLG München (23 U 5857/19),
cc) € 249.801,30 nebst 5%-Punkten Zinsen seit 06.05.2022 zugunsten der damaligen Beklagten zu 1) und zu 3) für das Revisionsverfahren vor dem BGH (IV ZR 233/20) und
dd) € 202.158,65 nebst 5%-Punkten Zinsen seit 06.05.2022 zugunsten der damaligen Beklagten zu 1) und zu 3) für das Berufungsverfahren vor dem OLG München (23 U 5857/19).
70
ee) Nicht geltend macht der Kläger die Aufwendungen aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen des LG München I für die erste Instanz. Da aber alle Kostenfestsetzungsbeschlüsse für alle Instanzen vom Ausgangs(streit) gericht zu erlassen sind (vgl. § 104 Abs. 1 Satz 1 ZPO), sind die Anträge des Klägers auch insoweit bestimmt genug.
71
c) Nach Auffassung des Senats handelt es sich bei diesen einzelnen Kostenbestandteilen um unselbständige Rechnungsposten der Abrechnung Prozesskosten im Rahmen des Prozessfinanzierungsvertrags zwischen den Parteien, so dass auch insoweit der Klageantrag 5 nicht unbestimmt ist.
72
III. Der Prozesskostenfinanzierungsvertrag vom 05./08.08.2009 (Anlage 1 zur Anlage K 1) in der Fassung vom 31.03.2017 (Anlage K 1) umfasst auch die Kosten einer Verfassungsbeschwerde nach erfolgloser Ausschöpfung des Zivilrechtswegs, da unstrittig und vom Beklagten nicht angegriffen, dieser seine Zustimmung entsprechend Ziffer 2.1 des Prozessfinanzierungsvertrags vom 31.03.2017 gegeben und selbst Rechtsanwalt B. hierfür im Namen des Klägers beauftragt hat, der ihm sodann Vollmacht erteilte.
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1. Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass es sich insoweit ja nicht um einen Rechtsstreit gegen die Halbgeschwister des Klägers handele, da die Verfassungsbeschwerde im vorliegenden Fall als letztes Mittel dazu dient, die Rechtskraft der Klageabweisung durch Endurteil des LG München I vom 30.09.2019 zu verhindern. Gar nicht geht der Beklagte in diesem Zusammenhang darauf ein, dass er selbst ja den Rechtsanwalt für die Einlegung der Verfassungsbeschwerde ausgesucht hat entsprechend Ziffer 2.1.1 des Prozessfinanzierungsvertrages vom 31.03.2017 (Anlage K 1), er selbst also offensichtlich die Verfassungsbeschwerde als vom Prozesskostenfinanzierungsvertrag umfasst angesehen hat (sonst hätte der Beklagte ja einfach untätig bleiben können).
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2. Damit gilt aber auch die qualifizierte Schriftformklausel in Ziffer 11.6 des Prozessfinanzierungsvertrages vom 31.03.2017 für diesen Fall, sodass eine nicht entsprechend niedergelegte Vereinbarung der Teilung der Kosten des Rechtsanwalts für die Verfassungsbeschwerde nicht zum Tragen kommen kann. Es kann daher offen bleiben, ob der entsprechende Vortrag des Beklagten (Kostenteilung) überhaupt zur Überzeugung des Senats stimmt oder nicht.
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IV. Bevor sich der Senat mit der Interpretation des Begriffs „Erlös“ in Ziffer 3.2 des Prozesskostenfinanzierungsvertrags vom 31.03.2017 (Anlage K 1) auseinandersetzt, sind hier sechs Vorbemerkungen voranzustellen:
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1. Der Finanzierer verspricht die (hier: vollständige) Prozesskostenfinanzierung und erhält dafür einen Anspruchsanteil vom Anspruchsinhaber. Umgekehrt: Der Anspruchsinhaber wird sein Durchsetzungskostenrisiko los, verliert dafür zwar einen Teil seines (vermeintlichen) Anspruchs, aber, und das ist ganz entscheidend, behält den anderen Teil seines Anspruchs (abgesehen von deren Sicherungsabtretung mit späterem Freigabeanspruch). Wären also die Interpretationen des Beklagten zum Begriff „Erlös“ in Ziffer 3.2 des Prozesskostenfinanzierungsvertrags vom 31.03.2017 (Anlage K 1) richtig (auch erzielte Gelder durch Verkauf von Forderungsanteilen des Klägers an Dritte gelten als „Erlös“), bedeutet dies, dass der Anspruchsinhaber wirtschaftlich mit seinem verbliebenen Anspruchsanteil nichts mehr bis zum Abschluss des Rechtsstreits (und damit feststehendem Ergebnis) anfangen kann bzw. können soll.
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Das wirft dann sofort die Frage auf, warum der Beklagte bei beiden Investorenverträgen mit den Herren G. (Ziffer 1.1 letzter Satz des Prozesskostenfinanzierungsvertrags vom 31.03.2017: Anlage K 1) und P. (Anlage K 11, letzte Seite) zugestimmt hat, ohne den Kläger darüber aufzuklären, dass die daraus resultierenden Erlöse tatsächlich ihm, dem Beklagten, zustünden (weil sonst zwangsläufig seine jeweilige Zustimmung durch den Kläger missinterpretiert würde). Das hat der Beklagte schon nach eigenem Vortrag nicht getan.
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Im Gegenteil: Nach den nicht angegriffenen unstrittigen Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts (unterlegt durch Anlage K 12) erklärt der Zeuge B. (zum damaligen Zeitpunkt als Rechtsanwalt vom Beklagten mit der Abfassung der Prozesskostenfinanzierungsverträge usw. im Jahr 2017 beauftragt) dem Kläger, dass der Veräußerungserlös P. zum Verbleib beim Kläger bestimmt sei. Dass diese E-Mail nach Angaben des Zeugen B. zu einem Zeitpunkt ca. 18 Stunden vor der Vereinbarung mit Herrn P. erfolgte, kann auf dieses Auslegungsergebnis keinen Einfluss haben, weil sich aus der Anlage K 11, letzte Seite, ergibt, dass der Beklagte an dieser Vereinbarung nicht als Vertragspartei beteiligt ist, aber sehr wohl zustimmt bzw. die Vereinbarung zustimmend zur Kenntnis nimmt.
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2. Welchen Sinn macht eine Erlösverteilung bei der Beteiligung des Investors G. mit € 6,6 Mio., von denen der Kläger € 3,3 Mio. an den Beklagten weiterzuleiten hatte (Ziffer 1.3 der Anlage 5 zur Anlage K 1; und nach allem wohl auch weitergeleitet hat), wenn er nach Interpretation des Beklagten diesen Erlös insgesamt an ihn abzuführen hatte? Hier wäre bei Richtigkeit der Interpretation des Beklagten eine andere Regelung zwingend zu erwarten gewesen.
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3. Nach Angaben des Zeugen B. waren die Parteien nach Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde sehr enttäuscht, insbesondere der Beklagte wollte (nur weitere?) Kosten nicht mehr alleine tragen. Aus Ziffer 2.3 der (vom Kläger nicht unterschriebenen) Kostenverteilungsvereinbarung der Anlage B 2 (dass das Protokoll der Beweisaufnahme des LG München I vom 02.08.2023 hier Anlage B 3 nennt, dürfte ein Schreibversehen sein) für eine Verfassungsbeschwerde geht klar hervor, dass der Beklagte auch für die vorangegangenen Instanzen noch nicht beglichene Kosten nicht mehr tragen wollte. Der eigene Zeuge bescheinigte letztlich dem Beklagten eine Art „Kaufreue“.
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4. Die Ausführungen des Beklagten zur Einkommensteuerpflicht des Klägers bei Erlöserzielung durch Verkauf von Gewinnaussichten an Investoren kann der Senat nicht nachvollziehen: Dies würde voraussetzen, dass sich diese Gewinnaussicht im Betriebsvermögen des Klägers befunden hätte. Nirgends ist die Existenz eines solchen jedoch ersichtlich, auch der Beklagte trägt hierzu nichts vor bzw. spricht selbst davon, dass beide Parteien als Privatpersonen gehandelt hätten. Tatsächlich handelte der Kläger nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand im Rahmen privater Vermögensverwaltung.
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5. Soweit sich der Beklagte als „der Dumme“ bezeichnet, muss er sich fragen lassen, warum er nicht auch weitere Investoren gegen Abtretung von seinen Gewinnaussichtsanteilen gesucht hat.
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6. Die vom Beklagten beklagte „Kostenunterdeckung“ seiner Aufwendungen für den Ausgangsrechtsstreit kann nicht zur „Uminterpretation“ des Prozesskostenfinanzierungsvertrages führen. Das Wesen eines solchen Vertrags ist es nun einmal, dass die der Höhe nach (hier:) geradezu riesigen Gewinnaussichten mit einem (hier:) immensen Risiko hinsichtlich eines Anspruchs dem Grunde nach einhergehen. Diese Spekulation des Beklagten ist hier nach gegenwärtigem Stand nicht aufgegangen.
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V. Der Senat teilt nicht die Ansicht des Beklagten, Ziffer 3.2 Satz 1 2. Alternative des Prozesskostenfinanzierungsvertrags vom 31.03.2017 (Anlage K 1) erfasse auch Zahlungen von Investoren für die Abtretung von weiteren Anspruchsteilen des im Rechtsstreit 30 O 24193/09 als die streitigen Ansprüche zugunsten des Klägers „ersetzende“ Ansprüche:
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1. Ersatz für einen anderen Anspruch heißt immer, der ursprüngliche Anspruch fällt weg. Dies ist bei der Abtretung weiterer Anspruchsteile durch den Kläger gegen Entgelt gerade nicht der Fall. Denn dieser abgetretene Anspruchsteil fällt gerade nicht weg, sondern geht nur auf einen Dritten über. Und für die (dortigen) Beklagten im Rechtsstreit 30 O 24193/09 ändert sich im Prinzip gar nichts, insbesondere wäre durch die Beteiligung weiterer Investoren durch den hiesigen Kläger weder eine etwaige Verbindlichkeit der dortigen Beklagten weggefallen noch hätte sie sich geändert. Schon der Wortlaut der Ziffer 3.2 Satz 1 2. Alternative trägt daher das vom (hiesigen) Beklagten gewünschte Ergebnis nicht.
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2. Ferner konnte der Zeuge B. nicht bestätigen, dies mit dem hiesigen Kläger oder seinem damaligen Prozessbevollmächtigten erörtert zu haben, weshalb diese Auslegung für den Kläger auch aus der objektiven Sicht eines Dritten nicht erkennbar war.
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3. Im Übrigen verweist das Erstgericht völlig zu Recht auf die Widersinnigkeit dieser Auslegung hin: Denn auch der Prozesskostenfinanzierungsvertrag sowie der weitere „Verkauf“ von Anteilen des Klägers für diesen vom 15.04.2015 (Anlage 2 zur Anlage K 1) durch den Beklagten selbst beinhalteten dann einen entsprechenden „Ersatz“, sodass der Kläger die Leistungen des Beklagten sofort an diesen hätte zurückerstatten müssen, sodass im Endeffekt der Beklagte mögliche Prozesserfolgsanteile für keinerlei bzw. maximal halbierte Gegenleistung erhalten hätte, was beide Parteien so bestimmt nicht gewollt haben (was für einen Sinn hätte der „Verkauf“ vom 15.04.2015 denn dann überhaupt gehabt außer einer Erhöhung der Gewinnanteile des Beklagten für gar keine bis nur geringe Gegenleistung). Der Verweis des Beklagten darauf, dass damit ja sozusagen die vorab zu tragende Kostenlast eher getilgt worden wäre, womit der Kläger die Chance gehabt habe, am Schluss wieder mehr zu erhalten, geht fehl: Denn davon hätte auch der Beklagte letztlich profitiert und im Übrigen war dieser, völlig ohne die weitere Abtretung von Anteilen durch den Kläger, ohnehin verpflichtet, sämtliche Kosten zu übernehmen. Wirtschaftlich bedeutete eine Abführung der durch weitere Abtretungen an Investoren vom Kläger erzielten Erlöse für diesen also den Verlust der Entgelte gegen etwas größere (aber halbierte) Chance auf Auszahlung später.
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4. Außerdem ist fraglich, ob eine solche Regelung mit § 137 Satz 1 BGB in Einklang zu bringen wäre. Darüber hinaus käme eine solche Auslegung einem faktischen Abtretungsverbot für den Kläger betreffend seine weiteren Ansprüche im Rechtsstreit 30 O 24193/09 gleich, was die Parteien aber im Prozesskostenfinanzierungsvertrag gerade nicht vereinbart haben.
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5. Nicht übersehen werden darf, dass die Parteien einen Prozesskostenfinanzierungsvertrag im Hinblick auf etwaige Ansprüche des Klägers gegenüber Dritten (im Rechtsstreit 30 O 24193/09) geschlossen haben und keinen Erlösabführungsvertrag für anderweitige „Veräußerungsgeschäfte“ des Klägers.
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6. Dass der Prozesskostenfinanzierungsvertrag mit Erlösen nicht allein Zahlungen der Schuldner meinte, ist schon im Hinblick auf §§ 267 f. BGB mehr oder weniger zwingend. Das führt aber nicht dazu, dass Zahlungen Vierter (also nicht „im Lager der Schuldner stehende“ Personen) auf eigene Ansprüche des Klägers erfasst sein müssen.
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7. Der Senat teilt die Ansicht des Beklagten, der Kläger habe lediglich seine Ansprüche gegen die Beklagten im Rechtsstreit 30 O 24193/09 durch solche gegen seine Zessionare ersetzt, gerade nicht: Denn entscheidend ist, dass der Kläger nicht bestehende Ansprüche gegen bestehende Ansprüche austauscht (dann könnte man an eine Art stellvertretendes commodum denken), sondern völlig offene gegen tatsächlich bestehende Ansprüche. Bestehen aber die hingegebenen Ansprüche tatsächlich nicht (was nach dem gegenwärtigen Sachstand zu sein scheint), kann man schlecht von einem Ersatz oder Austausch von (tatsächlich nicht bestehenden) Ansprüchen sprechen.
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Oder anders zusammengefasst: Durch Abtretungen des Klägers an die Herren G. und P. hat er den Rechtsstreit nicht (teilweise) gewonnen, sondern ist ihn zum Teil „los geworden“, also gerade das Gegenteil von dem, was die Parteien mit Abschluss des Prozesskostenfinanzierungsvertrags beabsichtigten.
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8. Außerdem passt die Interpretation des Beklagten, wie bereits unter C III ausgeführt, nicht zur Verteilung in Ziffer 1.3 der Anlage 5 zur Anlage K 1 bezüglich der € 6,6 Mio. des Investors G., von der der Zeuge B. selbst bekundet, dass es sich nach seiner Erinnerung nicht um eine bloß vorläufige Verteilung gehandelt habe.
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VI. Der Senat ist entgegen der Beklagten auch der Auffassung, dass auch Ziffer 3.2 Satz 1 3. Alternative des Prozesskostenfinanzierungsvertrags vom 31.03.2017 (Anlage K 1: Ansprüche im Zusammenhang mit der Rechtsverfolgung) Investorenzahlungen als Erlös nicht erfasst:
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1. In Ziffer 3.2 Satz 1 des Prozesskostenfinanzierungsvertrags vom 31.03.2017 (Anlage K 1) finden sich Beispiele: „Kostenerstattungsansprüche, Schadensersatzansprüche, Ersatzansprüche oder Versicherungsleistungen, einschließlich Auskehrungen aus einer Zwangsvollstreckung“. Es soll sich also um Zahlungen handeln, die mit der Hauptforderung im Rahmen des Rechtsstreits 30 O 24193/09 in ganz engem Zusammenhang stehen und nicht um Drittleistungen, die mit diesem Rechtsstreit nichts unmittelbar zu tun haben. Das ist hier jedoch bei Investorenzahlungen der Fall, da diese allenfalls mittelbar einen Bezug zu diesem Rechtsstreit haben (die Investoren partizipieren im Erfolgsfall).
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2. Dass der Kläger weitere Forderungsanteile erst aufgrund (also kausal aufgrund) der Finanzierungsleistung des Beklagten betreffend den Rechtsstreit erfolgreich verkaufen konnte, führt sicherlich zu einem wirtschaftlichen Zusammenhang aber nicht zu so einem engen Zusammenhang, der mit den o.g. Beispielen vergleichbar wäre. Denn auch hier gilt wie schon oben unter Ziffer C IV 3, dass bei dieser Auslegung des Beklagten auch seine eigene Leistung hiervon erfasst wäre.
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3. Der Verweis auf den Begriff „Nettoerlös“ in Anlage K 11 (findet sich bereits in der Anlage 3 zur Anlage K 1 unter Ziffer 2.1) kann ohnehin nur Einfluss auf die Interpretation des zeitlich davor liegenden Prozesskostenfinanzierungsvertrags vom 31.03.2017 durch Rückschluss haben. Aus dem Wortlaut beider Regelungen ergibt sich jedoch, dass damit Zahlungen unmittelbar aus dem Rechtsstreit (abzüglich Kosten) gemeint sind und nicht auch Zahlungen (zunächst unbeteiligter) Dritter. Einen Umkehrschluss daraus auf den Begriff Erlös zu ziehen, sieht sich der Senat außer Stande.
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4. Da aber zusätzlich dieser Begriff bereits bei der Beteiligungsvereinbarung des Investors G. verwendet wurde mit einer nach Erinnerung des Zeugen B., endgültigen Verteilung von € 3,3 Mio. zugunsten des Klägers (vgl. oben Ziffer C V 8), kann der Senat der Interpretation des Beklagten hier ebenfalls nicht folgen.
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VII. Damit sind die Anträge zum größten Teil begründet, lediglich bei den Kosten für den eigenen Prozessbevollmächtigten bei Abschluss der Zahlungsvergleiche mit den Beklagten des Vorprozesses besteht der Anspruch nicht:
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1. Die Gerichtskosten in Höhe von € 219.472,00 sind durch die Rechnung der Rechnungsstelle des Bundesgerichtshofs vom 24.03.2022 (Anlage K 2) nachgewiesen. Die Zahlung durch den Kläger ergibt sich aus Anlage K 20.
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2. Der Feststellungsantrag Ziffer 2 ist begründet, weil zumindest theoretisch noch Nachforderungen der (dortigen) erst- und zweitinstanzlich Beklagten im Vorprozess jederzeit möglich sind und darüber hinaus bisher keine Kosten für den eigenen Prozessbevollmächtigten vor dem Bundesgerichtshof geltend gemacht sind.
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3. Die Rechnung für Rechtsanwalt B. für die Verfassungsbeschwerde über € 50.000,00 ergibt sich aus Anlage K 4. Damit ist dieser Betrag durch den Beklagten geschuldet (Zahlung an Rechtsanwalt B. beantragt).
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4. Der Feststellungsantrag hinsichtlich weiterer Kosten für das Verfassungsbeschwerdeverfahren ist begründet, da jederzeit weitere Kosten anfallen können, z. B. durch Vertretung des Klägers in einem eventuell anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung anfallen können.
104
5. Die Zahlungsverpflichtung des Klägers in Höhe von € 835.313,40 (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO!) ergibt sich aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen des LG München I im beigezogenen Verfahren 30 O 24193/09 wie folgt [E. für die Beklagten zu 1) und zu 3) im Vorprozess, W. für den Beklagten zu 2) im Vorprozess]:
a) Kosten 2. Instanz E.: € 202.158,65
Verzinsung mit 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 06.05.2022
b) Kosten 3. Instanz E.: € 249.801,30
Verzinsung mit 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 06.05.2022
c) Kosten 2. Instanz W.: € 146.760,80
Verzinsung mit 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 08.09.2021
d) Kosten 3. Instanz W.: € 210.959,90
Verzinsung mit 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 31.03.2022
105
Dies ergibt hinsichtlich der Hauptsacheforderung an Kosten insgesamt € 809.680,65. Gezahlt wurden ohne Zinsen an E. € 451.959,00 (offene Zinsen: € 40.058,53 [s. unten Ziffer C VII 6]; Anlage K 27) und an WvF € 383.535,45 (Anlage K 21), insgesamt also € 835.494,45.
106
6. Offene Zinsforderungen gegenüber E. in Höhe von € 40.058,53 sind durch Anlage K 27 nachgewiesen.
107
a) Der diesbezügliche Feststellungsantrag ist ebenfalls begründet, da jederzeit Zinsnachforderungen durch die Beklagten des Vorprozesses gestellt werden könnten (vgl. oben Ziffer C VII 2).
108
b) Allerdings kann der Kläger für einen Freistellungsanspruch keine Verzugszinsen verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 12.10.2017, IX ZR 267/16, WM 2017, 2324, 2327, Randziffern 28f.).
109
7. Die Kosten nach Antrag Nr. 7 sind unschlüssig. Soweit in ihnen Kosten der Gläubigeranwälte für die Vollstreckungsvereinbarungen enthalten sein sollen (vgl. Schriftsatz Kläger vom 28.07.2023, Seite 1 = Bl. 85 Erstakte), ist unklar, in welcher Höhe diese geltend gemacht werden, zumal diese Kosten bereits in den geltend gemachten Zahlungsbeträgen an die Beklagten des Vorprozesses zumindest teilweise enthalten sind (vgl. z.B. Anlage K 21, Seite 1 unten). Damit lässt sich auch keine Höhe eines Restbetrags für die Kosten des eigenen Rechtsanwalts ermitteln.
110
VIII. Ein denkbarer Anspruch des Beklagten aus § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative BGB (Erlösziehung Kläger trotz [vollständiger] Sicherungsabtretung [Ziffer 4.1 des Prozesskostenfinanzierungsvertrags vom 31.03.2017: Anlage K 1] an den Beklagten) kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Beklagte jeweils beiden Veräußerungen an die Investoren G. (Ziffer 1.1 letzter Satz des Prozesskostenfinanzierungsvertrags vom 31.03.2017: Anlage K 1) und P. (Anlage K 11, letzte Seite) zugestimmt hat. Deshalb ist auch der Beklagte nicht, wie er vorträgt, der Dumme: Er hätte nur den weiteren Abtretungen durch den Kläger nicht zustimmen müssen, bzw., noch besser, im Ausgangsprozesskostenfinanzierungsvertrag ein Abtretungsverbot für den Kläger vereinbaren müssen.
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1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
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2. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen und dieses Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
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3. Der Streitwert errechnet sich wie folgt:
„a) Antrag 1: € 219.472,00
b) Antrag 2 (Urteilstenor Nr. 3; € 210.959,90 x 80%; eigener Anwalt): € 168.767,92
c) Antrag 3 (Urteilstenor Nr. 4): € 50.000,00
d) Antrag 4 (Urteilstenor Nr. 5): € 25.000,00
e) Antrag 5 (Urteilstenor Nr. 2): € 835.313,40
f) Antrag 6 a (Nebenforderung): € 0,00
g) Antrag 6 b (unzulässig, da verfristet): € 11.691,76
Da der Beklagte die Zahlungen des Klägers bestritten hat (vgl. schon Tatbestand der Urteilsurkunde erster Instanz Seite 6 = Bl. 151 Erstakte), liegt auch erstinstanzlich bereits eine hilfsweise Aufrechnung aus Verkaufserlösen des Kläger betreffend den Herrn P. vor, sodass sich der Streitwert auf € 2.632.076,56 abzüglich in zweiter Instanz nicht zugesprochener € 11.691,76 und € 5.793,20 sowie € 168.767,92 und € 25.000,00 (Feststellungsanträge) in der Berufungsinstanz verdoppelt (§ 45 Abs. 3 GKG). Das ergibt € 2.420.823,12.“
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Erstinstanzlich bezog sich die Hilfsaufrechnung auf (vom Beklagten bestritten) gezahlte € 225.000,00, die vollständig strittigen € 50.000 Rechtsanwaltskosten für die Verfassungsbeschwerde sowie die (angeblich) gezahlten € 5.793,00. Da das Erstgericht eine Erhöhung des Streitwerts wegen Hilfsaufrechnung ausdrücklich verneint hat, gegen die Schätzung des erstinstanzlichen Streitwerts in Höhe von € 1.100.000,00 im Übrigen aber nichts einzuwenden ist, ist der erstinstanzliche Streitwert um € 280.793,00 gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 45 Abs. 3 GKG zu erhöhen und zwar für die gesamte Instanz, weil sämtliche Gerichts- und Rechtsanwaltsgebühren aus diesem Streitwert angefallen sind.
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4. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung des Rechtsstreits insbesondere zur Art des Vertrages Prozessfinanzierung zuzulassen (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO), zumal hiervon auch abhängt, ob der Senat zur Entscheidung über den Rechtsstreit befugt war (vgl. § 119a Abs. 1 Nr. 4 GVG; Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Darüber hinaus scheint nicht sicher geklärt, inwieweit der erstinstanzlich siegreiche Kläger seine Klage in der Berufungsinstanz nach Ablauf der Anschlussberufungsfrist noch erweitern darf (weil dies vorher aufgrund noch nicht gegebenen Sachverhalts nicht möglich war).