Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 23.04.2025 – AN 3 K 22.1304 , AN 3 K 22.1305
Titel:

Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung, Befreiung von Festsetzung eines freizuhaltenden Uferrandstreifens im Bebauungsplan, Grundzug der Planung

Normenketten:
BauGB § 30 Abs. 1
BauGB § 31 Abs. 2
Schlagworte:
Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung, Befreiung von Festsetzung eines freizuhaltenden Uferrandstreifens im Bebauungsplan, Grundzug der Planung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 23945

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung zweier Tekturanträge jeweils vom 30. August 2021 zu zwei bereits erteilten Baugenehmigungen zur Errichtung zweier Doppelhaushälften auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung … Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung … Das Grundstück grenzt südlich an die …, einem Gewässer 3. Ordnung. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. … vom 11. Juli 2016 in der Fassung der 1. Änderung vom 10. Juni 2017, der für das streitgegenständliche Grundstück ein allgemeines Wohngebiet festsetzt. Des Weiteren ist für das maßgebliche Baufenster eine Grundflächenzahl als Höchstgrenze von 0,35, eine Geschoßflächenzahl als Höchstgrenze von 0,5 und eine offene Bauweise nur mit Einzel-/Doppelhäusern zulässig. Nördlich und östlich des Baufensters sind Flächen für Garagen bzw. Stellplätze situiert, welche mit ausdrücklich festgelegten privaten Verkehrsflächen an die öffentliche Straßenverkehrsfläche angeschlossen sind. Die verbleibenden Flächen sind als private Grünflächen definiert. Zwischen der … und dem festgelegten Baufenster befindet sich eine „Fläche für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft: keine Einzäunung, keine gärtnerische Nutzung (vgl. Festsetzung Nummer 17)“.
2
Die textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes enthalten die Aussage:
„5. Nebenanlagen im Sinne des § 14 BauNVO dürfen nur innerhalb der Baugrenzen errichtet werden.
6. Garagen, Carports und Stellplätze sind in den dafür vorgesehenen Flächen zulässig. Carports sind auch außerhalb der Baugrenzen mit einem Stauraum von mindestens 1 m zur Erschließungsstraße zulässig. Garagen sind außerhalb der Baugrenzen zulässig, wenn die Zufahrt zwischen Garage und öffentlicher Erschließungsstraße mindestens 5 m lang ist.
11. Die Beläge von untergeordneten privaten und öffentlichen Flächen, wie Parkplätze, Zufahrten zu Garagen, Stellflächen unter Carports sind mit versickerungsfähigen Belägen mit einem Abflussbeiwert von max. 0,6 auszuführen.
17. Ein 5 m breiter Streifen entlang der … darf nicht eingezäunt werden. Er ist von Bebauung, Auffüllung oder gärtnerischer Nutzung freizuhalten.“
3
In der Begründung zum Bebauungsplan ist u.a. ausgeführt:
„6. Sonstiges
Überschwemmungsbereich, Abstand zur …:
Die Planung befindet sich innerhalb des 60 m Einflussbereichs der …, einem Gewässer 3. Ordnung. Allerdings befindet sich die beplante Fläche innerhalb eines bebauten Zusammenhangs, in dem die benachbarten Gebäude in direkter Nähe zur … stehen.
7. Begrünung, Gewässerschutz:
… Ergänzt wurde die textliche Festsetzung Nr.17, wonach ein 5 m breiter Uferrandstreifen als wichtiger Entwicklungsraum entlang der … von Bebauung, Auffüllung oder gärtnerischer Nutzung freizuhalten ist.“
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Östlich des Geltungsbereiches des Bebauungsplans Nr. … schließt der Bebauungsplan Nr. * an, der Baugrenzen festlegt und zur … hin einen von Bebauung freizuhaltenden Streifen mit Abböschung und Pflanzgebot vorsieht. In den textlichen Festsetzungen ist geregelt, dass bauliche Anlagen nach § 14 BauNVO außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen nicht zulässig sind und eine Einfriedung zur … hin weder durch Mauern noch Zaunanlagen zulässig ist.
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Mit Bescheiden vom 14. November 2019 (Az. …, Haus 1 und …, Haus 2) erteilte der Beklagte die Baugenehmigung für die Errichtung zweier Doppelhaushälften mit Garagen. Bei einer Baukontrolle durch den Beklagten am 8. März 2021 wurde festgestellt, dass die Bauvorhaben planabweichend errichtet worden sind. Der 5 m breite Grünstreifen entlang der … sei nicht freigehalten worden und die Freiflächen des Baugrundstückes seien entgegen der gültigen Baugenehmigung versiegelt worden.
6
Daraufhin reichte die Klägerin Änderungsanträge vom 30. August 2021, beim Beklagten eingegangen am 31. August 2021, ein. Zur Begründung der Anträge wurde ausgeführt, dass es zutreffend sei, dass in dem 5 m breiten Grünstreifen auf die Böschung Kalksteine aufgetragen und zudem Erde aufgefüllt worden sei mit dem Ziel, eine Ebene und damit nutzbare Gartenfläche zu schaffen. Die Überbauung des vorhandenen Geländes liege zwischen 30 und 70 cm. Die Terrassen seien mit Abmessungen von 3 m x 6 m geringfügig größer als in der Baugenehmigung. Allerdings werde der 5 m-Streifen im genehmigten Bauplan ab der Grundstücksgrenze gerechnet und nicht, wie im B-Plan wohl beabsichtigt, ab der Bachlaufkante. Ab dem Bachlauf gerechnet vergrößere sich damit der Abstand um ca. 1 m bis 1,3 m, so dass die Terrassen außerhalb des 5 m-Streifens lägen. Soweit die Ausführung der Stellplätze sowie der nördlichen Grünfläche mit Rasengittersteinen bemängelt werde, sei der überwiegende Teil des Nordstreifens bereits zurückgebaut. Die Rasengittersteine sollten nur bestehen bleiben, wo Fahrzeuge rangieren. Die Rasengittersteine seien bewusst gewählt worden, da diese Belagart einen hohen Abflussbeiwert habe und somit eine sehr gute Versickerungsintensität gegeben sei. Es werde um entsprechende Befreiungen gebeten.
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Beigefügt war ein weiterer Befreiungsantrag von den Festsetzungen der Grundflächenzahl, auf den ausdrücklich Bezug genommen wird.
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Mit Beschluss vom 29. Juli 2021 stimmte der Gemeinderat der Beigeladenen der Befreiung hinsichtlich des 5 m-Grünstreifens in Bezug auf die Uferbefestigung und der Befreiung hinsichtlich der Grundflächenzahl zu. Auf Bitten des Landratsamtes entschied die Beigeladene im Rahmen der Gemeinderatssitzung am 14. Oktober 2021 über alle erforderlichen Befreiungen. Dabei wurde ausschließlich das gemeindliche Einvernehmen hinsichtlich der Befreiung für die Errichtung der Terrassen teilweise innerhalb des Grünstreifens erteilt. Hinsichtlich der Befreiungen bezüglich der Auffüllung des Grünstreifens, der gärtnerischen Nutzung des Grünstreifens sowie der Einfriedung des Grünstreifens wurde das gemeindliche Einvernehmen verweigert.
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Das Wasserwirtschaftsamt … teilte mit Schreiben vom 19. Oktober 2021 mit, dass für die … die Genehmigungspflicht für Anlagen in oder an Gewässern im 60 m-Bereich gelte. Da ein entsprechendes Gewässer Platz brauche, solle ein Grünstreifen von mindestens 5 m freigehalten werden. Der vorhandene Bewuchs sei bei der Durchführung der Baumaßnahme nach Möglichkeit zu schonen und solle weitgehend erhalten werden. Bei der Bauausführung gegebenenfalls entfernter Bewuchs sei durch neue Anpflanzungen zu ersetzen. Das Ufer sei grundsätzlich wieder zu begrünen und zu bepflanzen. Das Überschwemmungsgebiet der … sei nicht bekannt. Grundsätzlich könnten jedoch Auffüllungen in Talräumen zu Verschlechterungen im Hochwasserfall führen (Verlust an Retentionsraum). So könnten zum Beispiel Nachbargrundstücke durch höhere Wasserstände und länger stehendes Wasser nach einem Hochwasserereignis in Mitleidenschaft gezogen werden. Um Aussagen über die Auswirkungen der Auffüllung auf den Hochwasserabfluss und eventuell negative Auswirkungen auf Dritte beurteilen zu können, müsse das Überschwemmungsgebiet der … ermittelt werden. Es sei der Ist-Zustand sowie der Zustand mit der Auffüllung zu vergleichen und die Veränderung zu bewerten. Je nach Ergebnis der Untersuchung könnten weitere Maßnahmen erforderlich werden.
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Der Beklagte informierte die Klägerin mit Schreiben vom 26. Oktober 2021, dass den Tekturanträgen nicht zugestimmt werden könne. Keine Bedenken bestünden gegen die Errichtung von Carports anstatt Garagen. Auch die Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der Überschreitung der Grundflächenzahl könne in Aussicht gestellt werden. Hinsichtlich der Auffüllung und Nutzung des Grünstreifens sowie der Erweiterung der Terrasse in den Grünstreifen könnten Befreiungen nicht erteilt werden, da die Beigeladene das gemeindliche Einvernehmen zu Recht verweigert habe. Die Erteilung von Befreiungen würde den Grundzügen der Planung widersprechen. Das Wasserwirtschaftsamt bestätige das Erfordernis eines 5 m breiten Grünstreifens entlang der … Es werde Gelegenheit gegeben, die Planung anzupassen bzw. die Anträge zurückzunehmen. Andernfalls würden die Anträge kostenpflichtig abgelehnt. Insoweit werde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
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Im Nachgang zu einer Stellungnahme des Bevollmächtigten der Klägerin mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2021 und weiterem Schriftwechsel lehnte der Beklagte mit Bescheiden vom 5. April 2022 (Az. …, Haus 1) und vom 6. April 2022 (Az. …, Haus 2) die Anträge auf Erteilung einer Baugenehmigung ab. Auf die Begründung des Bescheides wird verwiesen.
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Hiergegen ließ die Klägerin mit Schriftsätzen ihrer Bevollmächtigten vom 11. Mai 2022 Klage erheben.
13
Zur Begründung der Klagen wurde jeweils mit Schriftsätzen vom 28. September 2022 vorgetragen, dass die beantragten Befreiungen nicht gegen die Grundzüge der Planung verstießen und das gemeindliche Einvernehmen, soweit es verweigert worden sei, zu Unrecht verweigert worden sei.
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Verstöße gegen die Grundzüge der Planung würden ausdrücklich bestritten. Ein entgegenstehender gemeindlicher Planungswille sei nicht erkennbar.
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In der Gemeinderatssitzung vom 29. Juli 2021, an der 12 Gemeinderatsmitglieder teilgenommen hätten, sei das gemeindliche Einvernehmen zu den beantragten Befreiungen erteilt worden. In der Gemeinderatssitzung vom 14. Oktober 2021 habe dieses Einvernehmen nicht beseitigt werden können, denn den Beschlüssen liege weniger der gemeindliche Planungswille zu Grunde als mehr die Vorstellungen der Bauaufsichtsbehörde. Auch sei nachträglich keine anderslautende Entscheidung getroffen worden.
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Zumindest bestehe ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Prüfung des entsprechenden Befreiungsantrages, wobei hier zu berücksichtigen sei, dass ähnliche örtliche Gegebenheiten/Situationen auch andernorts zu beobachten seien. Sämtliche benachbarte/umliegende Grundstücke mit dazugehörigem Uferrandstreifen seien abgeböscht bzw. sei dieser befestigt und der Uferrand entsprechend begrünt und bepflanzt. Zwischenzeitlich sei auch der befestigte Uferrandstreifen des Grundstücks der Klägerin durch natürlichen Bewuchs wieder begrünt bzw. setze sich die Begrünung weiter fort. Letztlich unterscheide sich das Grundstück der Klägerin im Bereich des 5 m breiten Streifens entlang der Seebach bzw. im Bereich des Uferrandstreifens nicht von den benachbarten/umliegenden Grundstücken (wird weiter ausgeführt). Insoweit werde ein gerichtlicher Augenschein angeregt.
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Es erschließe sich nicht, warum die Klägerin im Hinblick auf die Gestaltung des Grundstücks anders behandelt werden solle als die Nachbarn. Allein schon unter Berufung auf den „Gleichheitsgrundsatz“ sei eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans die Befestigung des Uferrandstreifens und die Auffüllung des Grundstücks betreffend zwingend (Stichwort: Ermessensreduzierung auf Null). Hierbei sei auch zu bedenken, dass sich jenseits der …, also gegenüber dem Grundstück der Klägerin sehr große, unbebaute Grundstücksflächen befänden, beginnend mit der FlNr. … und dann nach Osten hin fortsetzend und öffnend Richtung „…“. Jenseits der „…“ vergrößere sich die Fläche dann nochmals erheblich im Bereich zwischen Bebauung entlang der … (im Süden) und der Staats straße … (im Norden). Es sei nicht so, dass vor dem Auffüllen des klägerischen Grundstücks eine riesengroße, unmittelbar auf Höhe der … gelegene Grundstücksfläche vorhanden gewesen sei, die maßgeblich zum Hochwasserschutz hätte beitragen können und nunmehr beseitigt worden sei, zumal das Grundstück der Klägerin im Bereich der Oberfläche gerade einmal um ca. 1 m hoch aufgefüllt worden sei. Dementsprechend habe auch der Gemeinderat in seiner Sitzung vom 29. Juli 2021 erklärt, dass eine Abweichung bezüglich des Grünstreifens hochwassertechnisch definitiv nicht relevant bzw. unproblematisch sei. Die Klägerin habe die Grundstückshöhe/den Uferrand nur an die umliegenden/benachbarten Grundstücke angepasst und dadurch ganz offensichtlich nicht in den für die Allgemeinheit notwendigen Hochwasserschutz eingegriffen. Entsprechend den allgemein gehaltenen Vorgaben des Wasserwirtschaftsamts … im Schreiben vom 19. Oktober 2021 sollte trotz der vorhandenen Grundstücksbefestigung beim Grundstück der Klägerin immer noch ausreichend Platz vorhanden sein, dass sich ein Gewässer wie die … bei Hochwasser ausreichend ausbreiten könne. Insoweit werde die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeregt.
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Und schließlich sorge die Grundstücksbefestigung des Uferrandes beim Grundstück der Klägerin dafür, dass die … in diesem Bereich völlig unproblematisch unterhalten werden könne. Auch insoweit werde die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeregt.
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Auch hinsichtlich der gärtnerischen Nutzung und Einfriedung des Grünstreifens bestehe ein Anspruch auf Erteilung der Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes bzw. zumindest auf ermessensfehlerfreie Prüfung. Der Vergleich mit den umliegenden/benachbarten Grundstücken zeige, dass diese im Rahmen des 5 m breiten Grünstreifens bis hin zum abfallenden Uferrand zur … gärtnerisch genutzt würden. Die umliegenden/benachbarten Grundstücke seien mit Mauern, Maschendrahtzäunen sowie Sträuchern und Hecken auf unterschiedlichste Weisen im Rahmen dieses 5 m breiten Grünstreifens eingefriedet (z.B. mit metallenen Gartentoren). Mit dem streitgegenständlichen Bauantrag und den beantragten Befreiungen wolle die Klägerin letztlich nur einen solchen baulichen Zustand schaffen, der bei den benachbarten/umliegenden Grundstücken bereits vorhanden und gemeindlich problemlos akzeptiert werde. Unter Berufung auf den „Gleichheitsgrundsatz“ sei auch für die beantragte gärtnerische Nutzung innerhalb des 5 m breiten Grünstreifens bzw. die Einfriedung des Grünstreifens eine Befreiung von den diesbezüglichen Festsetzungen des Bebauungsplans zwingend (Stichwort: Ermessensreduzierung auf Null). Im Übrigen sei innerhalb dieses 5 m breiten Grünstreifens eine gartenbauliche Nutzung, wie sie im Rahmen von privaten Gärten und Kleingärten betrieben werde, nicht gleichzustellen, mit der „gärtnerischen Nutzung“, wie sie in Ziffer 17. des Bebauungsplanes Nr. … aufgeführt sei. Sofern der Bereich südlich der Staats straße … ausweislich der Begründung zum Bebauungsplan Nr. … als „wassersensibler Bereich“ gekennzeichnet sei, beeinträchtige die gartenbauliche Nutzung von Privatgärten einen möglichen Hochwasserschutz nicht. Es gehe vorliegend ja nicht um gewerbsmäßige, intensive ackerbauliche oder gartenbauliche Nutzung. Ungeachtet dessen sei auch im Zusammenhang mit der beantragten Befreiung bzw. trotz dieser nach wie vor ein 5 m breiter Grün-/Uferrandstreifen als wichtiger Entwicklungsraum entlang der … gewährleistet; und zwar genau in dem gleichen Umfang, wie dieser Entwicklungsraum auch durch die bauliche Gestaltung der umliegenden/benachbarten Grundstücke innerhalb dieses 5 m breiten Uferrandstreifens gewährleistet sei (Stichwort: Gleichbehandlungsgrundsatz sämtlicher anliegender Grundstückseigentümer).
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Hinsichtlich der Erweiterung der Terrasse in den Grünstreifen werde bestritten, dass die Terrasse in den 5 m breiten Grünstreifen hinein gebaut worden sei und es deshalb einer Befreiung von der Baugrenze bzw. von dem erforderlichen Grünstreifen bedürfe. Insoweit werde auf die Ausführungen der Klägerin in ihrem dem Bauantrag beigefügten Schreiben vom 17. März 2021 verwiesen, worin ausgeführt werde, dass die Terrassen jeweils 3 m x 6 m betragen würden und damit geringfügig größer seien als in der Baugenehmigung. Hierbei müsse jedoch berücksichtigt werden, dass der erwähnte 5 m breite Streifen im genehmigten Bebauungsplan ab Bachlaufkante zu rechnen sei, wodurch die Terrassen dann außerhalb dieses 5 m breiten Streifens liegen. Dies ergebe sich so auch aus dem Bebauungsplan Nr. … und seiner Begründung. Aus der darin ersichtlichen Zeichnung, das Grundstück der Klägerin betreffend, sei ersichtlich, dass der 5 m breite Grünstreifen eingezeichnet sei ab Bachlauf. Die Begründung selbst spreche von einem „Uferrandstreifen“. Die jeweilige Terrasse liege aber außerhalb dieses 5 m breiten Grünstreifens (Uferrandstreifens). Folglich komme es für die Erweiterung der Terrasse überhaupt nicht auf eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes an bzw. bedürfe es insoweit gar keines Befreiungsantrages.
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Selbst wenn die Terrasse diesen 5 m breiten Grünstreifen tangiere, dann nur unwesentlich, so dass auch hier bei ermessensfehlerfreier Prüfung des diesbezüglichen Antrages der Klägerin die beantragte Befreiung zu bewilligen sei.
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Entsprechend seien durch die beantragten Befreiungen die Grundzüge der Planung nicht berührt. Die beantragten Abweichungen vom Bebauungsplan seien städtebaulich vertretbar und unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar. Dies alles folge allein schon aus dem wiederholt angesprochenen Vergleich des Grundstücks der Klägerin mit den umliegenden/benachbarten Grundstücken, die alle innerhalb des 5 m breiten Grünstreifens eine gärtnerische Nutzung betreiben, alle eine Einfriedung ihrer jeweiligen Grundstücke Richtung … aufweisen und schließlich alle ebenerdig gestaltet seien mit einem relativ steil abfallenden Uferrand hinab zur … Aus dem Vergleich ergebe sich auch, dass sich die beantragten Befreiungen in Art und Maß der baulichen Nutzung sowie dem Erscheinungsbild der Bebauung der näheren Umgebung unproblematisch einfügten. Die beantragten Befreiungen korrespondierten auch mit nachbarlichen Interessen bzw. widersprächen diesen nicht. Die aufgrund der Auffüllung geschaffene, ebenerdige Grundfläche bis hin zum Beginn des abfallenden Uferrandes sei in der vorhandenen Situation als prägend und typisch zu beurteilen. Ferner seien die umliegenden/benachbarten Grundstücke auch allesamt in unterschiedlichster Weise bis hin zum Beginn des abfallenden Uferrandes eingefriedet. Nach alledem fügten sich die beantragten Befreiungen städtebaulich sehr gut in die bestehende Umgebungssituation ein und wirkten überhaupt nicht störend auf die bestehende Struktur, weshalb die beantragten Befreiungen nach pflichtgemäßen Ermessen zu erteilen seien. Umgekehrt sei die gleichwohl erfolgte Ablehnung der Befreiungen ermessensfehlerhaft und somit rechtswidrig.
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Die Klägerin beantragt mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 11. Mai 2022 im Verfahren AN 3 K 22.01304 (Haus 1):
I. Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 5. April 2022, …, zugegangen am 13.04.2022, wird aufgehoben.
II. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die am 30. August 2021 beantragte Baugenehmigung (Tektur zu Bauantrag Az. …, Haus 1) zu erteilen.
III. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
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Die Klägerin beantragt im Verfahren AN 3 K 22.01305 (Haus 2):
I. Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 6. April 2022, …, zugegangen am 13. April 2022, wird aufgehoben.
II. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die am 30. August 2021 beantragte Baugenehmigung (Tektur zu Bauantrag Az. …, Haus 2) zu erteilen.
III. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
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Der Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2022,
die Klagen abzuweisen.
26
Zur Begründung wird vorgetragen, dass das streitgegenständliche Vorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig sei. Die beantragten Befreiungen gemäß § 31 Abs. 2 BauGB hätten nicht erteilt werden können, da das streitige Vorhaben die Grundzüge der Planung berühre und damit die Voraussetzungen einer Befreiung unabhängig davon, ob die Gemeinde ihr Einvernehmen erteilt habe oder eine mögliche Ungleichbehandlung gegeben sei, nicht vorlägen. Erst wenn die Tatbestandsvoraussetzungen einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB gegeben seien, könne eine mögliche Ungleichbehandlung als Teil des Ermessens auf der Rechtsfolgenseite geltend gemacht werden. Mit dem Begriff der Grundzüge der Planung bezeichne das Gesetz die durch die Hauptziele der Planung bestimmte Grundkonzeption eines Bauleitplanes. Was zum planerischen Grundkonzept zähle, beurteile sich dabei nicht nach dem Willen der Bauverwaltung oder des Bauausschusses einer Gemeinde zum Zeitpunkt der Verbescheidung, sondern nach dem in dem Bebauungsplan zum Ausdruck kommenden Planungswillen der Gemeinde (wird unter Bezugnahme auf Rechtsprechung weiter ausgeführt).
27
Danach sei nach den Umständen des Einzelfalles vorliegend von einem planerischen Grundkonzept auszugehen, welches durch die beantragte Befreiung berührt werde. Die inmitten stehende Festsetzung zur Freihaltung eines 5 m breiten Streifens entlang der … stelle einen Grundzug der Planung dar. Die zeichnerischen und textlichen Festsetzungen des streitgegenständlichen Bebauungsplanes ließen ein klar ablesbares planerisches Grundkonzept erkennen. Mit der Festsetzung des 5 m-Streifens bringe die Beigeladene eindeutig und unzweifelhaft zum Ausdruck, dass innerhalb dieses Streifens keine Bebauung, Auffüllung oder gärtnerische Nutzung stattfinden solle (Festsetzung Nr. 17). Bei der zeichnerisch dargestellten Fläche handele es sich um eine Fläche für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft. Dabei stelle der von der Beigeladenen festgesetzte Grünstreifen ein zentrales Gestaltungselement dar, welches das vorliegende, bereits auf den ersten Blick erkennbar vom Grünstreifen geprägte eher kleine Plangebiet wie ein roter Faden durchziehe und für das klägerische Grundstück sowie dessen nähere Umgebung ein deutlich ablesbares ortsgestalterisches Konzept dahingehend erkennen lasse, dass aus planerischen Erwägungen ein freizuhaltender Grünstreifen entlang der Seebach geschaffen werden solle (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 20.11.1989 – 4 B 163/89 – juris Rn. 19 sowie BayVGH, B.v. 26.7.2018 – 2 ZB 17.1656 – juris Rn. 2). Diese regelhafte Konzeption habe mithin die Annahme eines Grundzugs der Planung zur Folge, welcher durch Anordnung der Terrasse sowie die Einzäunung und gärtnerischen Nutzung berührt werde. Würde von der infrage stehenden Festsetzung eine Befreiung erteilt werden, würde dies dem dargestellten planerischen Grundkonzept zuwiderlaufen. Dabei komme es nicht darauf an, ob das planerische Konzept substantiell in Frage gestellt werde; es reiche bereits aus, dass die Grundzüge der Planung berührt würden (BayVGH, B.v, 26.7.2018 – a.a.O. Rn. 4; VG Ansbach, U.v. 10.5.2021 – AN 3 K 20.01651).
28
Der Bevollmächtigte der Klägerin wiederholte mit Schriftsatz vom 14. Mai 2025 unter Vorlage mehrerer Fotos im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Unter Berücksichtigung der Umgebung seien die Grundzüge der Planung nicht berührt. Die beantragten Befreiungen fügten sich in die Umgebung ein.
29
Mit Bescheid vom 28. April 2022 sei eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses mit Doppelgarage auf dem Nachbargrundstück Fl.-Nr. … erlassen worden. Darin sei eine Befreiung von der Festsetzung der südöstlichen Baugrenze erteilt worden. Obwohl die örtlichen Gegebenheiten für die benachbarten Grundstücke gleich seien, würden die Grundstücke bauplanungsrechtlich unterschiedlich behandelt.
30
Der Beklagte teilte mit Schriftsatz vom 14. April 2025 mit, dass für die … als Gewässer 3. Ordnung die Genehmigungspflicht nach § 36 WHG, Art. 20 BayWG für Anlagen im 60 m – Bereich greife. Der Anlagenbegriff sei sehr weit gefasst. Diese wasserrechtliche Genehmigung werde im Regelfall mit Zustimmung des WWA durch die Baugenehmigung ersetzt. Im Abstandsbereich von 5 m zum Gewässer komme die Erteilung einer wasserrechtlichen Genehmigung für eine Terrasse sicherlich nicht in Betracht. Das würde auch allen fachlichen Grundsätzen für Gewässerrandstreifen (vgl. § 38 WHG und Art. 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayNatSchG) widersprechen.
31
Zudem seien im östlich angrenzenden Bebauungsplangebiet (Bebauungsplan Nr. * …*) ähnliche Festsetzungen zum Uferschutz vorhanden. So sei in Nr. 8.2 geregelt, dass Einfriedungen zur … hin weder durch Mauern noch Zaunanlagen zulässig seien. Zudem sei entlang der südlichen Grenzen ein Pflanzgebot von mindestens 2,50 Meter festgesetzt (10.3 und 10.4).
32
Mit Schriftsatz vom 16. April 2025 verwies der Beklagte darauf, dass eine Ungleichbehandlung im Rahmen des § 31 Abs. 2 BauGB nur im Ermessen geltend gemacht werden könne. Zum Ermessen gelange man nicht, wenn schon der Tatbestand (hier die Grundzüge der Planung berührt) nicht erfüllt sei. Soweit für das Grundstück mit der FlNr. … eine Befreiung erteilt worden sei, so beziehe sich diese nur auf die Baugrenze und nicht auf die Festsetzung zum Uferrandstreifen. Im gesamten Bebauungsplangebiet sei bisher noch keine Befreiung hinsichtlich des Uferrandstreifens erteilt worden.
33
Wenn klägerseits die Meinung vertreten werde, der Uferrandstreifen sei noch existent und das Vorhaben der Klägerin füge sich in die Umgebungsbebauung ein, so sei der Hinweis angebracht, dass durch das teilweise ungenehmigte Vorhaben der 5-Meter-Streifen schon zu einem Großteil rechtswidrig zerstört worden sei. Selbst aus den ursprünglich genehmigten Plänen gehe hervor, dass der Streifen keiner gärtnerischen Nutzung zugeführt werden sollte, die im Übrigen eindeutig so im Bebauungsplan verboten wurde. Ein Recht aus einem rechtswidrigen Zustand herzuleiten, sei nicht möglich.
34
Beklagtenseits werde nach wie vor von einem Grundzug der Planung ausgegangen. Der 5-Meter-Streifen ziehe sich wie eine rote Linie durch das – wenn auch kleine – Bebauungsplangebiet mit der dahinterliegenden Konzeption, dass das natürliche Ufer der … durch eine „fremde“ Nutzung nicht zerstört werden solle.
35
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakten und hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

36
Die erhobene Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig, aber unbegründet.
37
Die streitgegenständlichen Ablehnungsbescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO.
38
1. Rechtsgrundlage für die Erteilung der beantragten Tekturgenehmigungen ist Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO.
39
2. Die Änderungen sind nach Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungspflichtig.
40
Ungeachtet der Frage, ob hinsichtlich einzelner Antragsgegenstände, die in den streitgegenständlichen Tekturanträgen zusammengefasst sind, eine Genehmigungsfreiheit nach Art. 57 BayBO in Betracht kommt, teilen die einzelnen Baumaßnahmen das Schicksal des genehmigungspflichtigen Gesamtvorhabens (VG Augsburg, U.v. 20.10.2022 – Au 5 K 22.587 – juris Rn. 49). Denn Änderungen eines Bauvorhabens, das schon genehmigt ist oder mit dessen Bauausführung schon begonnen wurde, dürfen zulässigerweise nur ausgeführt werden, wenn vorher ein Änderungsplan bei der Behörde eingereicht und genehmigt ist, selbst wenn die Änderungen für sich betrachtet genehmigungsfrei wären, aber als Teil des insgesamt genehmigungspflichtigen Vorhabens ebenfalls der Baugenehmigung bedürfen (Lechner/Busse in Busse/Kraus, BayBO Art. 57 Rn. 13; VG München, U.v. 10.5.2023 – M 9 K 19.5380 – juris Rn. 19). Dies gilt auch unter Berücksichtigung, dass die Baugenehmigungen für die geänderten Vorhaben erst nach Fertigstellung der Vorhaben beantragt worden sind, da mit den beantragten Genehmigungen ein planabweichendes Bauen, welches bereits im Zusammenhang mit der Errichtung der mit Baugenehmigungen vom 14. November 2019 genehmigten Gesamtvorhaben erfolgt ist, legalisiert werden soll. Es handelt sich damit nicht um Änderungen, die nach Abschluss der Bauarbeiten vorgenommen worden sind und damit ggf. genehmigungsfrei vorgenommen werden könnten.
41
Damit sind die Vorhaben in ihrer geänderten Form insgesamt genehmigungspflichtig.
42
3. Die Vorhaben sind jedoch nicht genehmigungsfähig.
43
3.1 Da kein Sonderbau nach Art. 2 Abs. 4 BayBO vorliegt, richtet sich der Prüfungsmaßstab nach dem vereinfachten Baugenehmigungsverfahren gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO i.V.m. Art. 59 BayBO.
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3.2 Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigungen, da den Vorhaben bereits Bauplanungsrecht entgegensteht.
45
Nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1a BayBO überprüft die Bauaufsichtsbehörde im vereinfachten Genehmigungsverfahren u.a. die Übereinstimmung des Bauvorhabens mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB.
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Die bauaufsichtliche Zulässigkeit richtet sich vorliegend nach § 30 Abs. 1 BauGB, da die streitgegenständlichen Grundstücke im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans Nr. … vom 11. Juli 2016 in der Fassung der 1. Änderung vom 10. Juni 2017 liegen. Dieser setzt für das streitgegenständliche Grundstück FlNr. … (sowie das östlich angrenzende Grundstück FlNr. …*) zeichnerisch nördlich der südlichen Grundstücksgrenze eine „Fläche für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft: keine Einzäunung, keine gärtnerische Nutzung“ im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB fest. Dies wird in den textlichen Festsetzungen dahingehend konkretisiert, dass ein 5 m breiter Streifen entlang der … nicht eingezäunt werden darf und von Bebauung, Auffüllung oder gärtnerischer Nutzung freizuhalten ist.
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Diesen Festsetzungen widersprechen jedenfalls die errichteten Terrassen, der Zaun an der südlichen Grundstücksgrenze, die Aufschüttung des Grundstücksniveaus und die gärtnerische Nutzung der künstlich geschaffenen, zur … abfallenden Böschung. So ragen die Terrassen der Häuser 1 und 2 in den 5 m breiten Streifen entlang der … hinein. Auch der an der Grundstücksgrenze errichtete Zaun sowie die Aufschüttung befinden sich innerhalb des 5-Meter-Streifens.
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Dabei erstreckt sich dieser Streifen ab der südlichen Grundstücksgrenze, die gleichzeitig den Geltungsbereich des Bebauungsplanes begrenzt und offensichtlich – entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten der Klägerin – nicht mit dem Bachlauf (wohl gemeint Uferlinie) identisch ist, in Richtung Norden. Die Klägerin kann insoweit nicht mit ihrem Einwand, dass der 5-Meter-Streifen nicht ab der Grundstücksgrenze, sondern ab der Bachlaufkante gerechnet werden müsse, so dass zumindest die Terrassen nicht mehr in den 5-Meter-Streifen hineinragten, durchdringen. Aufgrund der eindeutigen zeichnerischen Festsetzung im Bebauungsplan ist kein Raum für eine abweichende Auslegung. Alleine daraus, dass der 5-Meter-Streifen (ausschließlich) in der Begründung des Bebauungsplanes unter Ziff. 6 als Uferrandstreifen bezeichnet ist, ergibt sich kein Anlass für eine abweichende Interpretation. Auch wenn in verschiedenen gesetzlichen Regelungen der Uferrandstreifen ab der Uferlinie (so der zum 1. August 2019 in Kraft getretene Art. 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayNatSchG) oder ab der Linie des Mittelwasserstandes bzw. bei Gewässern mit ausgeprägter Böschungsoberkante ab der Böschungsoberkante (so Art. 21 BayWG i.V.m. § 38 Abs. 2 WHG) bemessen wird, so hindern diese naturschutz- bzw. wasserrechtlichen Regelungen den Plangeber nicht, hiervon abweichende Regelungen zu treffen, insbesondere da es sich bei der Festlegung des Uferrandstreifens im Bebauungsplan nicht um eine rein wasserrechtliche Festsetzung zum Gewässerschutz handelt, sondern um eine Fläche oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB. Entsprechend ist für die Bestimmung des 5-Meter-Streifens die zeichnerische Festsetzung maßgeblich, so dass sich der „Uferrandstreifen“ ab der südlichen Grundstücksgrenze auf eine Breite von 5 m nach Norden erstreckt.
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Auch kommt dem 5-Meter-Streifen eine eigene und zusätzliche Bedeutung neben den festgesetzten Baugrenzen zu. Denn während hinsichtlich der Baugrenzen geregelt ist, dass Nebenanlagen gemäß § 14 BauNVO nur innerhalb der Baugrenzen zulässig sind (Ziff. 5 der textlichen Festsetzungen) und Carports und Stellplätze nur unter bestimmten Voraussetzungen außerhalb der Baugrenzen zulässig sind (Ziff. 6 der textlichen Festsetzungen), enthält Ziff. 17 der textlichen Festsetzungen für den 5-Meter-Streifen einen vollständigen Ausschluss jeglicher Bebauung, Auffüllung und gärtnerischen Nutzung und damit eine über die vorliegende Regelungswirkung der Baugrenzen (insbesondere unter Berücksichtigung der erleichterten Zulassungsmöglichkeit des § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO) hinausgehende Wirkung.
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3.3 Es liegen aber auch nicht die Befreiungsvoraussetzungen nach § 31 Abs. 2 BauGB vor, da der 5-Meter-Streifen als Grundzug der Planung anzusehen ist.
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Ob eine Befreiung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans nach § 31 Abs. 2 BauGB in Betracht kommt, weil die Grundzüge der Planung nicht berührt werden, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Was zum planerischen Grundkonzept zählt, beurteilt sich nach dem im Bebauungsplan zum Ausdruck kommenden Planungswillen der Gemeinde. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwiderläuft. Je tiefer die Befreiung in den mit der Planung gefundenen Interessenausgleich eingreift, desto eher liegt es nahe, dass das Planungskonzept in einem Maße berührt wird, das eine (Um-)Planung erforderlich macht. Eine Befreiung ist ausgeschlossen, wenn das Vorhaben in seine Umgebung Spannungen hineinträgt oder erhöht, die nur durch eine Planung zu bewältigen sind. Was den Bebauungsplan in seinen „Grundzügen“, was seine „Planungskonzeption“ verändert, lässt sich nur durch (Um-)Planung ermöglichen und darf nicht durch einen einzelfallbezogenen Verwaltungsakt der Baugenehmigungsbehörde zugelassen werden. Die Änderung eines Bebauungsplans obliegt nach § 2 BauGB der Gemeinde und nicht der Bauaufsichtsbehörde. Von Bedeutung für die Beurteilung, ob die Zulassung eines Vorhabens im Wege der Befreiung die Grundzüge der Planung berührt, können auch Auswirkungen des Vorhabens im Hinblick auf mögliche Vorbild- und Folgewirkungen für die Umgebung sein (BayVGH, B.v. 29.4.2020 – 15 ZB 18.96 – juris Rn. 7 m.w.N.).
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Dies berücksichtigend sieht die entscheidende Kammer in dem 5-Meter-Streifen einen Grundzug der Planung. Der Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. … umfasst vier Grundstücke. Die in Streit stehende Festsetzung des 5-Meter-Streifens erfasst die beiden Grundstücke, die unmittelbar an die … grenzen. Nachweislich der Begründung des Bebauungsplanes hat die Beigeladene mit der Planung versucht, den Wunsch nach Nachverdichtung einer vom Innenbereich umgebenen Baulücke mit der Lage im 60 m-Einflussbereich der … als einem Gewässer 3. Ordnung in Einklang zu bringen. Zur textlichen Festsetzung in Nr. 17 wird ausgeführt, dass ein „5 m breiter Uferrandstreifen als wichtiger Entwicklungsraum entlang der … von Bebauung, Auffüllung oder gärtnerischer Nutzung freizuhalten ist. Der in dieser Formulierung zum Ausdruck kommende Planungswille der Beigeladenen lässt deutlich erkennen, dass es sich bei dem 5-Meter-Streifen nicht lediglich eine zufällige Festsetzung handelt, sondern dieser eine wesentliche Bedeutung für die wassernahen Grundstücke haben soll. Hinzukommt, dass die Festsetzung zum 5-Meter-Streifen die im Geltungsbereich des östlich angrenzenden Bebauungsplan Nr. * korrespondierenden Festsetzungen, aus denen sich im Ergebnis ebenfalls ein von Bebauung freizuhaltender Uferrandstreifen ergibt, fortsetzt. Dass die Festsetzungen in den Geltungsbereichen der beiden Bebauungspläne nicht vollständig identisch sind, widerspricht nicht der Annahme, dass das Freihalten eines Uferrandstreifens ein wesentliches Anliegen der Plangeberin war, dem sie durch eine Abstimmung dem Grunde nach Rechnung tragen wollte (so auch VG Augsburg, U.v. 20.10.2022 – Au 5 K 22.587 – juris Rn. 66). Die Plangeberin hat damit auf die konkreten örtlichen Gegebenheiten gezielt reagiert und bestimmte Planungsziele verfolgt, die durch eine Befreiung in Frage gestellt würden (Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 31 Rn. 29).
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Dieser Grundzug der Planung wird durch die begehrten Befreiungen auch berührt, denn die Befreiung würde aus Gründen erteilt, die für alle von der Festsetzung betroffenen Grundstücken gelten (BVerwG, B.v. 8.5.1989 – 4 B 78/89 – juris Rn. 4). Insoweit ist davon auszugehen, dass bei den Eigentümern des Nachbargrundstücks FlNr. … ein vergleichbares Interesse besteht, den Uferrandstreifen zu nutzen und ihr Grundstück zumindest einzufrieden. Aber selbst, wenn nur auf dem Grundstück der Klägerin entsprechende Befreiungen umgesetzt würden, wären die Planungsziele bereits in der Hälfte der betroffenen Grundstücke nicht mehr realisierbar.
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Mangels Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB ist das Ermessen der Bauaufsichtsbehörde bereits nicht eröffnet. Insoweit kann es dahinstehen, ob auf benachbarten Grundstücken mit den von der Klägerin erstrebten Verhältnissen vergleichbare Gegebenheiten bestehen. Denn für die Bestimmung der Grundzüge der Planung ist nicht maßgeblich, wie sich die tatsächlichen Verhältnisse in der Umgebung darstellen, gerade wenn die in Bezug genommenen Grundstücke außerhalb des Geltungsbereiches des maßgeblichen Bebauungsplans liegen.
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3.4 Dahinstehen kann auch, ob den Baugenehmigungen auch andere öffentlich-rechtliche Vorschriften, die vorliegend gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO i.V.m. Art. 20 Abs. 5 BayWG und § 36 WHG von der Bauaufsichtsbehörde zu prüfen sind, entgegenstehen.
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Dahinstehen kann des Weiteren, ob die in den Bauanträgen zusammengefassten Änderungen gegenüber den ursprünglichen Baugenehmigungen vom 14. November 2019 gegebenenfalls einzeln genehmigungsfähig sind. Durch die Verbindung in einem Bauantrag hat die Klägerin deutlich gemacht, dass sie die einzelnen Abweichungstatbestände als Einheit betrachtet haben möchte. Ein gegenteiliger Wille, dass „Einzelgenehmigungen“ für ggf. genehmigungsfähige Teile des Vorhabens gewünscht sind, wurde bisher nicht geäußert. Im Hinblick darauf, dass das Vorhaben bereits vollständig unter teilweiser Abweichung von den genehmigten Plänen errichtet ist, würden Genehmigungen von Teilen des Vorhabens dessen Illegalität nicht in Gänze beseitigen.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich dadurch auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt, weshalb es der Billigkeit entspricht, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
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5. Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).