Inhalt

AG Landau, Endbeschluss v. 13.02.2025 – 003 F 331/24
Titel:

Einsatz des Taschengeldes für Kindesunterhalt

Normenkette:
BGB § 1360, § 1360a, § 1601, § 1602, § 1609
Leitsätze:
1. Der Unterhaltsverpflichtete hat sein Taschengeld zur Befriedigung der Ansprüche auf Kindesunterhalt einzusetzen. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Höhe des sich aus §§ 1360, 1360a BGB ergebenden Taschengeldanspruchs wird in der Regel mit 5 bis 7% des unterhaltspflichtigen Einkommens des Ehegatten angenommen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Macht das minderjährige Kind den Mindestunterhalt geltend, obliegt es dem Unterhaltspflichtigen, darzulegen und zu beweisen, dass er nicht leistungsfähig ist. Daher ist von Leistungsfähgkeit auszugehen, wenn das Einkommen des taschengeldpflichtigen Ehegatten nicht dargelegt wird. (Rn. 15 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kindesunterhalt, Taschengeldanspruch, Leistungsfähigkeit, Mindestunterhalt, Darlegungs- und Beweislast
Fundstelle:
BeckRS 2025, 2385

Tenor

1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an die Antragstellerin S.P., geboren am –, zu Händen des jeweiligen gesetzlichen Vertreters ab dem 01.03.2025 einen monatlichen, jeweils monatlich im Voraus fälligen Kindesunterhalt in Höhe von 100% des jeweiligen Mindestunterhalts gemäß § 1612 a Abs. 1 BGB der jeweiligen Altersstufe, derzeit dritte Altersstufe, gemindert um das hälftige Kindergeld für ein erstes Kind, derzeit 127,50 €, damit derzeit 521,50 €, zu bezahlen.
2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an die Antragstellerin S.P., geboren am –, zu Händen des jeweiligen gesetzlichen Vertreters rückständigen Kindesunterhalt für den Zeitraum vom 01.10.2023 bis 28.02.2025 in Höhe von 8.672,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.12.2024 zu bezahlen.
3. Die sofortige Wirksamkeit wird angeordnet.
4. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Beteiligten streiten um Kindesunterhaltsansprüche der am – geborenen Antragstellerin, und zwar für die Zeit ab Oktober 2023.
2
Die Antragstellerin ist Schülerin und verfügt über kein Einkommen. Die Antragsgegnerin ist die Mutter der Antragstellerin und lebt bei ihrem Vater, der mit der Antragsgegnerin verheiratet war und die Antragstellerin betreut und versorgt. Das monatliche Kindergeld bezieht der Kindsvater.
3
Die Antragsgegnerin ist wiederverheiratet und Mutter eines weiteren am 23.08.2019 geborenen Kindes. Die Mutter geht keiner Erwerbstätigkeit nach. Der Ehemann der Antragstellerin ist vollschichtig selbständig tätig.
4
Die Antragstellerseite passte ihren schriftsätzlichen Antrag vom 11.12.2024 dem Stand der mündlichen Verhandlung vom 13.02.2025 an.
5
Die Antragstellerin beantragt zuletzt
1.
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, zu Händen des gesetzlichen Vertreters der Antragsstellerin ab 01.03.2025 100% des Mindestunterhalts der 3. Altersstufe abzüglich hälftigen Kindergeldes für ein Kind, damit derzeit 649,00 € – 127,50 € = 521,50 € im Voraus fälligen Kindesunterhalt zu zahlen,
2.
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, zu Händen des gesetzlichen Vertreters der Antragstellerin rückständige Unterhaltsbeträge für die Zeit vom 01.10.2023 bis 28.02.2025 in Höhe von 8672,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5% über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
3.
Die sofortige Wirksamkeit wird angeordnet.
6
Die Antragsgegnerin beantragt
den Antrag zurückzuweisen.
7
Sie gibt an, wegen der Betreuung des im Jahr 2019 geborenen Kindes nicht in der Lage zu sein, Erwerbseinkommen zu erzielen. Eine Kinderbetreuung durch Dritte sei ihr nicht möglich. Ihr Ehemann sei ihr nicht unterhaltspflichtig. Die Unterhaltsberechtigte müsse die Rollenwahl hinnehmen, wenn das Interesse der neuen Familie an dieser Rollenwahl ihr eigenes Interesse an Beibehaltung der bisherigen Unterhaltssicherung deutlich überwiegt. Der selbständig tätige Ehemann sei wegen seiner Erwerbstätigkeit, die den Familienunterhalt sicherstelle, nicht zur Betreuung in der Lage. Die Auftragslage des Ehemanns sei seit Januar 2024 stark eingebrochen. Daher müsse das zu versteuernde Einkommen von 2022 und 2023 berücksichtigt werden. Auch sei er hoch verschuldet und müsse die Krankenversicherung für sich und das Kind bezahlen. Auch müsse er selbst seine Altersvorsorge und die der Antragsgegnerin aufbauen. Wegen verschiedener Erkrankungen müsse er Teile seiner Medikamente selber bezahlen. Es liege ein Mangelfall vor.
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Da sie mehrfach wegen Depressionen in ärztlicher Behandlung stand, sei sie auch aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
9
Darüber hinaus lägen Unterhaltsrückstände des Kindsvaters vor.
10
Die Beteiligten wurden am 13.02.2025 persönlich angehört. Auf das Protokoll der Anhörung wird Bezug genommen, ebenso auf den schriftsätzlichen Vortrag nebst Anlagen.
II.
11
Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Zahlung von Kindesunterhalt gem. §§ 1601 ff BGB mindestens in Höhe des Mindestsatzes der Düsseldorfer Tabelle nach den Süddeutschen Leitlinien abzüglich hälftigen Kindergeldes, welches in den Jahren 2023 und 2024 250,- Euro betrug und ab 1.1.2025 255,- Euro beträgt.
12
Gem. § 1609 Abs. 1 BGB ist der wiederverheiratete Elternteil allen seinen minderjährigen Kindern gegenüber, also auch solchen aus erster Ehe, gleichrangig zum Unterhalt verpflichtet. Aufgrund dieser Gleichrangigkeit der Unterhaltsansprüche ist die Antragsgegnerin verpflichtet, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, soweit sie nicht aus eigenem Einkommen den Unterhalt gegenüber der Antragsgegnerin erfüllen kann.
13
Auch wenn die Antragsgegnerin vorträgt, über keinerlei Einkünfte zu verfügen, so ist ihr jedenfalls zunächst der Anspruch gegen ihren Ehemann auf Zahlung von monatlichem Taschengeld anzurechnen. Wie das BVerfG (NJW 1985, 1211ff) entschieden hat, ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, dass der Unterhaltsverpflichtete sein Taschengeld zur Befriedigung der Unterhaltsansprüche aus erster Ehe einzusetzen hat. Denn der Rückgriff auf den Taschengeldanspruch ist aufgrund der Elternverantwortung für die Antragsgegnerin für ihr Kind aus erster Ehe gerechtfertigt (AG Weilburg, NJW-RR 1998, 289).
14
Der Anspruch eines Ehegatten gegen den anderen gehört zum unterhaltsrelevanten Einkommen, soweit der jeweils zu beachtende Selbstbehalt aufgrund des verfügbaren Familieneinkommens und der innerfamiliären Leistungen gewahrt wird (BGH FamRZ 2014, 1990; FamRZ 2014, 1543). Der Taschengeldanspruch eines wiederverheirateten Ehegatten (§ 1360 BGB) stellt ein tatsächliches unterhaltsrelevantes Einkommen dar (OLG Brandenburg FamRZ 2019, 1136). Der haushaltführende Ehegatte hat, sofern nicht das Familieneinkommen schon durch den notwendigen Grundbedarf der Familienmitglieder restlos aufgezehrt wird, Anspruch auf Zahlung eines Taschengelds (std. Rspr., BGH FamRZ 2004, 1784), vgl. zum Ganzen: Born UnterhaltsR-HdB/B. Heiß/H. Heiß, 65. EL Mai 2024, 3. Kap. Rn. 622, beck-online).
15
Die Höhe des sich aus §§ 1360, 1360a BGB ergebenden Taschengeldanspruchs wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich bewertet, in der Regel aber mit 5 bis 7% angenommen (Scholz/Kleffmann FamR-HdB/Kleffmann, 46. EL Januar 2025, Teil G Rn. 108, beck-online). In der Regel ist der Unterhaltspflichtige in der neuen Ehe, in der er die Haushaltsrolle übernimmt, durch das Einkommen des neuen Ehepartners bis zur Höhe des Selbstbehalts abgesichert, so dass das Taschengeld vollumfänglich für den Unterhalt für das Kind aus erster Ehe eingesetzt werden kann (siehe BGH, FamRZ 2006, 1010ff; DIJuF-Rechtsgutachten, Familienrecht, Themengutachten TG-1120 Rn 12, beck-online).
16
Letztlich kann das Gericht hier aber keinerlei Aussagen zur Höhe des tatsächlich zur Verfügung stehenden Taschengeldes machen. Es kommt daher zunächst gar nicht darauf an, ob die Antragsgegnerin in der Lage ist, Erwerbseinkommen zu erzielen, weil ggf. die Möglichkeit besteht, dass allein das Taschengeld für den Mindestunterhalt ausreicht. Diesbezüglich hat die Antragsgegnerin die Vortrags- und Beweislast.
17
Zur Höhe des Mindestunterhalts unterstellt das Gesetz für das einkommens- und vermögenslose Kind einen offenen Unterhaltsbedarf. Macht das minderjährige Kind lediglich den Mindestunterhalt geltend, ist es von der Darlegung eines Bedarfs in dieser Höhe entbunden (BGH NJW 2018, 3648 = FamRZ 2019, 112; NJW 2002, 1269 = FamRZ 2002, 536). Es obliegt dem Unterhaltspflichtigen, darzulegen und zu beweisen, in welchem Umfang er leistungsfähig ist, denn er ist grds. verpflichtet, den Mindestunterhalt zu zahlen (BeckOK BGB/Reinken, 72. Ed. 1.11.2024, BGB § 1612a Rn. 25, beck-online; BGH NJW-RR 2017, 449).
18
Auf diese Darlegungs- und Beweislast wurde die Antragsgegnerin vom Gericht bereits vor dem Haupttermin hingewiesen. Auch im Rahmen der Unterhaltsvorschussgewährung erfolgten entsprechende Hinweise des Jugendamtes an die Antragstellerin. Zu ihrem Einkommen und letztlich zu den Berechnungsgrundlagen des Taschengeldes, sprich dem Einkommen des neuen Ehemannes, hätte die Antragsgegnerin vortragen müssen und für die Höhe des Taschengeldes Beweis anbieten müssen. Dies ist nicht geschehen. Die Antragsgegnerin hat lediglich auf die Einkommensschwierigkeiten ihres Ehemanns hingewiesen, ohne einen einzigen konkreten Betrag zu nennen und ohne irgendwelche Belege vorzulegen. Daher war dem Antrag auf Zahlung von Kindesunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle in vollem Umfang stattzugeben. Dies gilt auch für die Rückstände. Die konkrete Höhe des Unterhalts und die Berechnung der Rückstände wurde seitens der Antragsgegnerin nicht bestritten, so dass weitere Ausführungen hierzu nicht erforderlich sind.
19
Abschließend ist anzumerken, dass neben dem bestehenden Taschengeld, welches für den Unterhalt einzusetzen ist, wohl nur noch sehr geringes Erwerbseinkommen notwendig wäre. Nach Aktenlage und den vorgelegten dürftigen ärztlichen Bescheinigungen ist es zweifelhaft, dass die Antragsgegnerin nicht wenige Stunden im Monat zur Erzielung von Einkünften für den Mindestunterhalt leisten könnte. Da ihr Selbstbehalt vollständig durch den Familienunterhalt gedeckt ist, könnte jeglicher Hinzuverdienst für den Mindestkindesunterhalt eingesetzt werden. Nur für den Fall vollständiger krankheitsbedingter Erwerbsunfähigkeit entfiele die sich aus ihrer Arbeitspflicht ergebende Unterhaltspflicht. Dann aber müsste geprüft werden, ob nicht eine Verpflichtung zur Stellung eines Rentenantrags bestünde. Aus der Erwerbsunfähigkeitsrente wäre es dann wiederum möglich, den Mindestkindesunterhalt zu bezahlen.
Kosten und Nebenentscheidungen
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Die Entscheidung zur sofortigen Wirksamkeit folgt aus § 116 Abs. 3 S. 3 FamFG. In der vorliegenden Unterhaltssache ist der Unterhalt des minderjährigen Kindes sicherzustellen, so dass eine sofortige Vollstreckung möglich sein muss. Aufgrund eines offensichtlichen Schreibversehens war die Anordnung nicht in dem am 13.2.25 enthaltenen Verkündungstext, der zum Protokoll genommen wurde, abgedruckt. Dies wurde hiermit berichtigt.
21
Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 Satz 1 und 2 Nr. 1 FamFG. Abweichend von den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Kostenentscheidung entscheidet das Gericht in Unterhaltssachen nach billigem Ermessen über die Verteilung der Kosten des Verfahrens auf die Beteiligten. Vorliegend ist hierbei insbesondere das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten einschließlich der Dauer der Unterhaltsverpflichtung zu berücksichtigen.