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AG München, Endurteil v. 08.09.2025 – 112 C 7280/25
Titel:

Elektronisches Dokument, Leistungsbeschreibung, Reisebüro, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Elektronischer Rechtsverkehr, Reiseveranstalter, Streitwertfestsetzung, Abschluß des Reisevertrags, Wert des Beschwerdegegenstandes, Anderweitige Erledigung, Sachurteilsvoraussetzungen, Ware, Parteivorbringen, Qualifizierte elektronische Signatur, Klageabweisung, Beschaffenheitsvereinbarung, Formlose Mitteilung, Aufgabe zur Post, Vereinbarte Beschaffenheit, Vertragsanbahnung

Schlagworte:
Reisemangel, Beschaffenheitsvereinbarung, Reisebürohaftung, Leistungsbeschreibung, Abhilfeunmöglichkeit, Vertragsauslegung, Streitwertfestsetzung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 23711

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert wird auf 657,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über eine angemessene Entschädigung nach Stornierung einer Reise durch den Kunden.
2
Der Beklagte buchte über das Reisebüro … vor Ort bei der Klägerin am 23.02.2025 eine Reise nach Ägypten für zwei Personen von 10.03.2025 bis 22.03.2025 zu einem Reisepreis von 1.915 Euro. Die Reise beinhaltete u.a. einen Hinflug von München nach Hurghada sowie einen entsprechenden Rückflug. Der Beklagte buchte eine Übernachtung in einem Junior Suite Doppelzimmer mit All-Inclusive-Verpflegung im Hotel ….
3
Die Klägerin war bei der Vertragsanbahnung nicht eingebunden. Bei der Buchung der Reise teilte der Mitarbeiter des Reisebüros dem Beklagten auf wiederholte Nachfrage mit, dass alle Zimmer des Hotels renoviert seien und die Buchung eines renovierten Hotelzimmers möglich sei. Hiervon ging der Beklagte auch auf Grund der ihm von dem Mitarbeiter des Reisebüros zur Verfügung gestellten Beispielbildern von den Hotelzimmern aus. Diese waren mit dem Hinweis „Wohnbeispiel“ gekennzeichnet. Der Beklagte gab gegenüber dem Mitarbeiter des Reisebüros an, dass er auf die Buchung eines renovierten Zimmers besonderen Wert legt. Es war schon öfter in Ägypten und weiß, dass die Hotelzimmer nicht immer renoviert sind und „abgeranzt“ aussehen.
4
Nach Abschluss des Reisevertrages im Reisebüro vor Ort, stellte der Beklagte zu Hause nach einer Internetrecherche fest, dass entgegen der Auskunft des Mitarbeiters des Reisebüros augenscheinlich nicht alle Zimmer des Hotels renoviert sind. Auf telefonische Nachfrage des Beklagten am 01.03.2025, teilte die Klägerin diesem mit, dass für den Beklagten kein renoviertes Zimmer gebucht ist und dies in dem gewählten Hotel auch nicht mehr ermöglicht werden kann. Am 03.03.2025 „stornierte“ der Beklagte die Reise und die Klägerin übersandte dem Beklagten eine Stornorechnung in Höhe von 657 Euro. Tatsächlich existierten in dem Hotel bereits einige renovierte Zimmer, diese waren jedoch bereits ausgebucht oder nicht buchbar. In der Hotel- und Zimmerbeschreibung der Klägerin, die diese dem Beklagten bei Vertragsschluss übermittelte, wird zwischen renovierten und nicht renovierten Zimmern hingegen nicht unterschieden.
5
Die Klägerin meint, dass ihr die Äußerungen des Mitarbeiters des Reisebüros nicht zuzurechnen seien und dass ein wirksamer Reisevertrag mit dem Beklagten zustande gekommen sei. Solange Ausstattung, Größe, Lage und Komfort der beschriebenen Zimmerkategorie entsprechen würden, liege kein kostenfreier Stornierungsgrund vor.
6
Die Klägerin beantragt zuletzt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin EUR 657,00 nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über den Basiszinssatz seit dem 02.05.2025 zu zahlen.
7
Der Beklagte beantragt
Klageabweisung.
8
Der Beklagte meint, die Klägerin habe sich die Äußerungen des Mitarbeiters des Reisebüros über den Renovierungszustand der Zimmer zurechnen lassen.
9
Wegen des weiteren Parteivorbringens und zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien samt Anlagen und das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 27.08.2024.

Entscheidungsgründe

A)
10
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
11
Die Sachurteilsvoraussetzungen sind gegeben. Das Amtsgericht München ist gemäß § 1 ZPO, § 23 Nr. 1 GVG, §§ 11 f. ZPO sachlich und örtlich zuständig.
II.
12
Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht kein Anspruch auf angemessene Entschädigung nach § 651h Abs. 1 S. 3 BGB zu. Der Beklagte hatte den von ihm geschlossenen Reisevertrag wirksam nach §§ 651 i Abs. 3 Nr. 5 BGB, 6511 Abs. 1 S. 1 BGB vor Reiseantritt gegenüber der Klägerin gekündigt.
13
1. Die Pauschalreise war durch einen Reisemangel nach § 6511 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB erheblich beeinträchtigt. Die Pauschalreise beinhaltete nicht die zwischen den Parteien nach §§ 651a Abs. 2 S. 1, 145, 147 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 166 Abs. 1 BGB vereinbarte Beschaffenheit.
14
Die geschlossene Beschaffenheitsvereinbarung über das gebuchte Hotelzimmer ist der Klägerin gemäß §§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB, 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen. Dem Reiseveranstalter sind grundsätzlich auch inhaltlich unzutreffende Erklärungen zuzurechnen, die ein Mitarbeiter eines Reisebüros, das für den Reiseveranstalter Reisen vermittelt, während des gesamten Auswahl- und Buchungsprozesses macht (OLG Celle (11. Zivilsenat), Urteil vom 06.08.2020 – 11 U 113/19, BeckRS 2020, 20757, Rn. 32; einschränkend nach Abschluss des Auswahlprozesses einer bestimmten Reise BGH, Urteil vom 25.4.2006 – X ZR 198/04, NJW 2006, 2321 Rn. 11). Sind wie vorliegend mündliche Erklärungen des Reisenden für den Inhalt seines Vertragsangebotes an den Reiseveranstalter maßgeblich, trägt der Reiseveranstalter das Risiko einer fehlerhaften Weiterleitung des Angebots durch das vermittelnde Reisebüro (BGH, Urteil vom 19.11.1981 – VII ZR 238/80 (Frankfurt), NJW 1982, 377, 377).
15
Es handelt sich bei der Angabe des Mitarbeiters des Reisebüros im Vorfeld des Vertragsabschlusses, nach Festlegung des Beklagten auf eine Reise und einen Reiseveranstalter, um eine Zusage, die die Leistungsbeschreibung der Klägerin erläuternd ergänzt. Der Mitarbeiter des Reisebüros legte dabei die von der Klägerin zur Verfügung gestellten Beispielbilder zu Grunde, auf denen nach unbestrittenem Vortrag des Beklagten unrenovierte Hotelzimmer nicht zu erkennen waren. Weder stand die Zusage des Mitarbeiters des Reisebüros daher in ersichtlichem Widerspruch zur Leistungsbeschreibung der Klägerin, noch wurde die Zusage des Mitarbeiters des Reisebüros ins Blaue hinein abgegeben.
16
Auch sofern die Klägerin davon ausgeht, dass die nach außen erkennbare Verhandlungsvollmacht des Reisebüros durch deren Leistungsbeschreibung begrenzt ist, ist dies daher unbehl- flich (Tamm, VuR 2006, 329, 330 f.). Teil der Leistungsbeschreibung waren auch die von der Klägerin für die Vertragsanbahnung bereitgestellten Beispielbilder. Die Klägerin verkennt, dass sie anhand der Beispielbilder den Erklärungsgehalt abgibt, oder jedenfalls den ihr zuzurechnenden rechtsgeschäftlichen Anschein setzt, dass die Zimmer in dem betroffenen Hotel über einen vergleichbaren, renovierten Standard verfügen.
17
2. Eine Abhilfe war der Klägerin nach §§ 6511 Abs. 1 S. 1, 651k Abs. 1 S. 2 BGB nicht möglich. In dem von dem Beklagten gewählten Hotel waren die renovierten Zimmer bereits ausgebucht.
B)
18
Nachdem die Hauptforderung nicht zuzusprechen ist, sind auch Nebenforderungen nicht zuzusprechen.
C)
19
Die Kostenfolge ergibt sich aus §§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 S. 2 ZPO.
D)
20
Die Streitwertfestsetzung aus der Hauptforderung beruht auf § 63 Abs. 2 S. 1 GKG