Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 22.05.2025 – 101 W 136/24 e
Titel:

Auf die Verhängung eines Zwangsgelds zur Durchsetzung des gesellschaftsrechtlichen Informationsanspruchs gerichtetes Vollstreckungsverfahren – Rubrumsberichtigung auf den Insolvenzverwalter nach Insolvenzeröffnung 

Normenketten:
ZPO § 811 Abs. 1 Nr. 4, § 888
GmbHG § 51a, § 51b
InsO § 36 Abs. 2 Nr. 1, § 80 Abs. 1
Leitsätze:
1. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Gesellschaft geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter über, der als Partei kraft Amtes Prozesse über die Insolvenzmasse führt. (Rn. 7 ff.) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Informationsanspruch gem. § 51a GmbHG richtet sich gegen die Gesellschaft und betrifft die Insolvenzmasse, deren Verwaltung und Verfügung dem Insolvenzverwalter obliegt. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Zwangsvollstreckungsverfahren zur Erzwingung eines Informationsanspruchs ist der Insolvenzverwalter als Verfahrensbeteiligter kraft Amtes anstelle der Gesellschaft zu betrachten. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
4. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist der Insolvenzverwalter anstelle der Schuldnerin Beteiligter eines Zwangsvollstreckungsverfahrens bezüglich eines gesellschaftsrechtlichen Informationsanspruchs. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zwangsvollstreckung, Zwangsgeld, gesellschaftsrechtlicher Informationsanspruch, Insolvenzeröffnung, Insolvenzverwalter, Rubrumsberichtigung
Vorinstanzen:
BayObLG, Hinweisbeschluss vom 17.03.2025 – 101 W 136/24 e
LG München I, Beschluss vom 18.07.2024 – 5 HK O 12286/22 e
LG München I, Beschluss vom 08.03.2022 – 5 HK O 12286/22 e
Rechtsmittelinstanz:
BayObLG, Beschluss vom 11.09.2025 – 101 W 136/24 e
Fundstellen:
ZIP 2025, 2703
BeckRS 2025, 23702
LSK 2025, 23702
FDInsR 2025, 023702

Tenor

Das Rubrum wird auf der Passivseite dahingehend berichtigt, dass Beschwerdegegner nunmehr Rechtsanwalt … als Insolvenzverwalter über das Vermögen der M. GmbH ist.

Gründe

I.
1
Das Verfahren betrifft die Vollstreckung eines im Auskunftserzwingungsverfahren nach § 51b GmbHG erwirkten Titels über den in § 51a GmbHG geregelten gesellschaftsrechtlichen Informationsanspruch.
2
Der Antragsteller ist Mit-Gesellschafter der M. GmbH (nachfolgend auch: Gesellschaft).
3
Mit rechtskräftigem Beschluss des Landgerichts München I vom 8. März 2022 (Az. 5 HK O 12286/22) wurde die Gesellschaft auf der Grundlage des in § 51a GmbHG geregelten mitgliedschaftlichen Informationsrechts der Gesellschafter dazu verpflichtet, dem Antragsteller durch ihren Geschäftsführer Einsicht in näher bezeichnete Geschäftsunterlagen zu gewähren.
4
Aus diesem Titel betreibt der Antragsteller die Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO. Nachdem die Parteien den Vollstreckungsantrag vom 30. November 2023 übereinstimmend teilweise für erledigt erklärt und sich im Übrigen umfangreich darüber ausgetauscht hatten, auf welche Art und Weise weitere Informationen zu geben seien, hat das Landgericht München I mit Beschluss vom 18. Juli 2024 den Antrag auf Verhängung eines Zwangsgelds zurückgewiesen.
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Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit der er weiterhin die Verhängung von Zwangsmitteln zur Erzwingung der der Gesellschaft nach dem Beschluss des Landgerichts München I vom 8. März 2022 obliegenden Verpflichtung zur Gewährung von Einsicht in näher bezeichnete Bücher und Schriften der Gesellschaft erstrebt.
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Noch vor einer Entscheidung über das Rechtsmittel ist mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 5. Dezember 2024 über das Vermögen der Gesellschaft (fortan: Schuldnerin) das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt … zum Insolvenzverwalter bestellt worden.
II.
7
Das Rubrum des Verfahrens ist zu berichtigen, weil seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin an deren Stelle der Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes am Verfahren beteiligt ist.
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1. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist nur noch der Insolvenzverwalter befugt, Prozesse über die Insolvenzmasse zu führen.
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Zwar bleibt die Insolvenzschuldnerin Inhaberin der in die Insolvenzmasse (§§ 35, 36 Abs. 2 InsO) fallenden Rechte. Ihre Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis geht jedoch gemäß § 80 Abs. 1 InsO mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Verwalter über. Dessen Handeln wirkt materiell- und prozessrechtlich für und gegen die Rechtsinhaberin, soweit es das verwaltete Vermögen betrifft. Allein der Insolvenzverwalter ist befugt, als Partei kraft Amtes die Insolvenzmasse betreffende Prozesse zu führen. Die Insolvenzschuldnerin hingegen verliert im selben Umfang die Befugnis, Anträge zu stellen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Insolvenzverwalter – etwa durch Aufnahme eines unterbrochenen Rechtsstreits – in den Rechtsstreit eintritt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2008, IX ZB 232/08, WM 2009, 332 Rn. 16; ebenso zum Konkursverwalter: Urt. v. 16. Januar 1997, IX ZR 220/96, NJW 1997, 1445 [juris Rn. 9]). In massebezogenen gerichtlichen Erkenntnis- und Zwangsvollstreckungsverfahren wird deshalb mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Insolvenzverwalter als Rechtsnachfolger der Insolvenzschuldnerin Verfahrensbeteiligter kraft Amtes (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 2021, XI ZB 23/20, ZIP 2022, 75 Rn. 14; Beschluss vom 12. Dezember 2007, VII ZB 108/06, WM 2008, 411 Rn. 7; Beschluss vom 28. März 2007, VII ZB 25/05, BGHZ 172, 16 Rn. 7; Urt. v. 26. Januar 2006, IX ZR 282/03, ZInsO 2006, 260 Rn. 6; so bereits für den Konkursverwalter: BGH NJW 1997, 1445 [juris Rn. 9]; Beschluss vom 27. Oktober 1983, I ARZ 334/83, BGHZ 88, 331 [juris Rn. 10]; Jaspersen in BeckOK ZPO, 56. Edition Stand: 1. März 2025, § 240 Rn. 2; Riewe/Kaubisch in BeckOK Insolvenzrecht, 39. Edition Stand: 1. Mai 2025, InsO § 80 Rn. 20, 38; Loyal in Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl. 2022, vor § 50 Rn. 24 f.; Mock in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 60, 167). 
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2. Das vorliegende Verfahren ist ein solches massebezogenes gerichtliches Verfahren. 
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a) Vollstreckungsschuldnerin aus dem Titel ist die Gesellschaft, nicht deren Geschäftsführer.
12
Gegenstand des Titels ist ein Informationsanspruch gemäß § 51a GmbHG. Dieser richtet sich trotz des missverständlichen Wortlauts der Vorschrift gegen die Gesellschaft. Dem in der Vorschrift genannten Geschäftsführer obliegt es lediglich, als organschaftlicher Vertreter der operativ tätigen Gesellschaft diesen Anspruch zu erfüllen (vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 1997, II ZB 4/96, BGHZ 135, 48 [juris Rn. 5]; BayObLG, Beschluss vom 8. April 2005, 3Z BR 246/04, ZIP 2005, 1087 [juris Rn. 18]; K. Schmidt in Scholz, GmbHG, 13. Aufl. 4/2024, § 51a Rn. 16).
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b) Die titulierte Verpflichtung der Schuldnerin betrifft die Insolvenzmasse.
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Die Geschäftsbücher der Schuldnerin sind gemäß § 811 Abs. 1 Nr. 4 ZPO unpfändbare Vermögenswerte und nach § 36 Abs. 2 Nr. 1 InsO dennoch Teil der Insolvenzmasse. Die in § 148 Abs. 1 InsO geregelte Verpflichtung des Insolvenzverwalters, nach der Eröffnung des Verfahrens das gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen in Besitz und Verwaltung zu nehmen, bezieht sich mithin auch auf die Geschäftsbücher der Schuldnerin (OLG Hamm, Beschluss vom 25. Oktober 2001, 15 W 118/01, NZG 2002, 178 [juris Rn. 13]; Peters in Münchener Kommentar zur InsO, 4. Aufl. 2019, § 36 Rn. 103 ff.).
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Die im Titel aufgezählten Unterlagen, in die Einsicht zu gewähren ist, gehören sämtlich zu den Geschäftsunterlagen der Schuldnerin. Denn zu den Geschäftsunterlagen gehören beispielsweise Jahresabschlüsse, Kontoauszüge, Rechnungen, Quittungen, Kunden- und Lieferantenverzeichnisse, Lohnlisten, Steuererklärungen, Geschäftskorrespondenz und -verträge, Belege des Rechnungswesens, Einnahmen- und Ausgabenaufstellungen, Steuerunterlagen, EDV-Unterlagen und der Datenbestand (vgl. Kirchner in BeckOK InsO, § 36 Rn. 27; Büteröwe in K. Schmidt, InsO, 20. Aufl. 2023, § 36 Rn. 8; Peters in Münchener Kommentar zur InsO, § 36 Rn. 101; Hirte/Praß in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 36 Rn. 46 f.; jeweils m. w. N.). Davon sind zweifelsfrei die im Titel genannten Aufzeichnungen und Dokumente umfasst ([a] Buchhaltungsunterlagen, insbesondere bestehend aus Kontoauszügen, Belegen, Summen- und Saldenlisten, betriebswirtschaftlichen Auswertungen; [b] Kundenlisten; [c] von der Gesellschaft abgeschlossene Verträge mit Lieferanten; [d] von der Gesellschaft abgeschlossene Verträge mit Kunden; [e] Kundenanfragen; [f] sämtliche bei der Gesellschaft geführten EDV-Dateien, einschließlich der windowsbasierten Outlook-Applikation; [g] EDV-Aufzeichnungen, Datenträger jedweder Art einschließlich virtueller Datenspeicher, sogenannten Clouds; [h] E-Mail-Korrespondenz einschließlich der in virtuellen Datenspeichern, sogenannten Clouds, abgelegten Mails).
16
Die zu Lasten der Schuldnerin titulierte Verpflichtung, deren Erfüllung im vorliegenden Verfahren erzwungen werden soll, betrifft daher unmittelbar die Insolvenzmasse (§ 36 Abs. 2 InsO), die der alleinigen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters untersteht. Die durch ihren Geschäftsführer vertretene Gesellschaft hat sich insoweit jeglicher Verwaltung und Verfügung, auch durch Gewährung von Einsicht, zu enthalten und die in ihrem Gewahrsam befindlichen Geschäftsunterlagen an den Insolvenzverwalter herauszugeben, § 148 Abs. 2 InsO (vgl. auch BayObLG ZIP 2005, 1087 [juris Rn. 19 f.]; KG, Beschluss vom 25. Juli 2014, 12 W 81/13, ZIP 2014, 1744 [juris Rn. 18]; Kirchner in BeckOK InsO, § 36 Rn. 28; Bäuerle in Braun, InsO, 10. Aufl. 2024, § 36 Rn. 47 f.; Büteröwe in K. Schmidt, InsO, § 36 Rn. 8 bis 10). Dem steht nicht entgegen, dass die Erteilung von Auskunft und gegebenenfalls die Gewährung von Einsicht als unvertretbare Leistung im Sinne des § 888 ZPO angesehen wird (vgl. BayObLG, Beschluss vom 25. März 1996, 3Z BR 50/96, ZIP 1996, 1039 [juris Rn. 6]; Fluck/Weber, GmbHR 2022, 729). Soweit der Insolvenzverwalter Einsicht gewährt und damit eine Verwaltungsmaßnahme erbringt, handelt er nicht nach § 887 ZPO ersatzweise für die Schuldnerin, sondern erfüllt die Verpflichtung der Schuldnerin (vgl. BGH, Urt. v. 30. Oktober 1967, VIII ZR 176/65, BGHZ 49, 11 [juris Rn. 19] zur Erfüllung eines Auskunftsanspruchs durch den Konkursverwalter).
17
Die hier streitige Frage, ob es zur (vollständigen) Erfüllung des titulierten Anspruchs der Verhängung eines Zwangsgelds bedarf und ob die Voraussetzungen für eine Zwangsvollstreckung noch vorliegen, ist daher zwischen dem Antragsteller als Gläubiger und dem Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes auszutragen. Soweit es um die Frage geht, ob oder in welchem Umfang die Schuldnerin selbst bereits vor Verfahrenseröffnung erfüllt hat, steht dem Verwalter gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1, § 98 InsO gegen die Schuldnerin ein durchsetzbarer Anspruch auf Erteilung von Auskunft zu.
18
3. Da im Streitfall die Befugnis des Geschäftsführers, die Gesellschaft bei der Erfüllung des titulierten Anspruchs zu vertreten, durch die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters gemäß § 80 Abs. 1 InsO verdrängt ist, ist an die Stelle der Titelschuldnerin der Insolvenzverwalter als Verfahrensbeteiligter kraft Amtes getreten. Dies ergibt sich aus den in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung geklärten Grundsätzen (dazu bereits unter 1.).
19
Entgegen der Ansicht des Insolvenzverwalters kommt es für die Frage der Beteiligtenstellung nicht darauf an, ob und unter welchen Voraussetzungen das Vollstreckungsverfahren gegen ihn zulässig ist und fortgeführt werden kann, ebenso wenig darauf, ob das Verfahren gemäß § 240 ZPO unterbrochen und gegebenenfalls von einer Partei aufgenommen ist (vgl. BGH WM 2009, 332 Rn. 16; missverständlich insoweit: Mock in Uhlenbruck InsO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 167).
20
Da insoweit die inmitten stehenden rechtlichen Fragen komplex sind und von den Parteien ausweislich ihrer Äußerungen zum Senatshinweis vom 17. März 2025 wohl unterschiedlich beurteilt werden, besteht auch Anlass, die Änderung der Beteiligtenstellung im Wege der förmlichen Rubrumsberichtigung durch gesonderten Beschluss auszusprechen.