Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 11.09.2025 – 206 StRR 227/25
Titel:

Anforderungen an die Beweiswürdigung bei fehlender persönlicher Einvernahme des tatbeteiligten Belastungszeugen

Normenkette:
StPO § 261
Leitsatz:
Die Anforderungen an die Sorgfalt und Vollständigkeit der darzulegenden Gesamtwürdigung der Beweisergebnisse sind dann erhöht, wenn - wie hier -, ein nicht geständiger Angeklagter überwiegend durch die Angaben eines Zeugen überführt werden soll, dessen Bekundungen nur mittelbar über eine Vernehmungsperson oder durch die Verlesung eines Vernehmungsprotokolls in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind. Dies gilt erst recht, wenn der Belastungszeuge selbst Tatbeteiligter ist.(Rn. 15 – 31) (red. LS Alexander Kalomiris)
Schlagworte:
Beweiswürdigung, Darstellungsmangel, Belastungszeuge, tatbeteiligter Zeuge, persönliche Vernehmung, Protokollverlesung, Vernehmungsperson
Vorinstanz:
LG München I, Urteil vom 05.03.2025 – 15 NBs 306 Js 168724/23
Fundstelle:
BeckRS 2025, 23573

Tenor

I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 5. März 2025 mit den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben.
II. Das Urteil wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts München I zurückverwiesen.

Gründe

I.
1
Mit Strafbefehl des Amtsgerichts München vom 9. August 2023 wurden dem Angeklagten „vierzehn sachlich zusammentreffende Vergehen der Steuerhinterziehung“ auf der Grundlage zur Last gelegt, dass er die Haupttaten des gesondert Verfolgten T. [Anm. des Senats: des Steuerpflichtigen], Steuerhinterziehung in vierzehn Fällen, gefördert habe. Festgesetzt war eine Gesamtgeldstrafe von 200 Tagessätzen, gebildet aus vierzehn Einzelgeldstrafen.
2
Das Amtsgericht München hat den Angeklagten mit Urteil vom 17. September 2024 der „Beihilfe zur Steuerhinterziehung in vierzehn tatmehrheitlichen Fällen“ schuldig gesprochen und eine „Geldstrafe“ von 270 Tagessätzen verhängt. In den Urteilsgründen ist ausgeführt, es liege eine Beihilfehandlung für „vierzehn Haupttaten der Steuerhinterziehung“ vor, hinsichtlich der Beihilfehandlung liege „Tateinheit“ vor.
3
Auf die Berufung des Angeklagten gegen dieses Urteil hat das Landgericht München I mit Urteil vom 5. März 2025 das Urteil des Amtsgerichts „mit der Maßgabe […] aufrechterhalten“, dass es den Angeklagten zu einer „Gesamtgeldstrafe von 200 Tagessätzen“ (zu je 80,00 Euro) verurteilt hat. In den Urteilsgründen wird zur Frage der Anzahl der Einzeltaten und zu etwaigen Konkurrenzen nichts ausgeführt. Einzelgeldstrafen sind nicht bestimmt.
4
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten. Mit ihr rügt er Fehler im sachlichen Recht, wobei Einzelausführungen namentlich Rechtsfehler in der Beweiswürdigung geltend machen. Ferner wird mit einer Verfahrensrüge beanstandet, ein in der Berufungshauptverhandlung gestellter Beweisantrag auf Vernehmung zweier Zeugen sei fehlerhaft abgelehnt worden.
5
Die Generalstaatsanwaltschaft M. beantragt mit Stellungnahme vom 30. Juni 2025, den Tenor des Berufungsurteils dahin zu berichtigen, dass der Angeklagte wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen zu je 80,00 Euro verurteilt werde und ihm ferner nachgelassen werde, die Geldstrafe – unter näher ausgeführten Konditionen – in Raten zu begleichen. Mit weiterer Stellungnahme vom 25. Juli 2025 führt sie aus, die erhobene Verfahrensrüge sei unzulässig, im Übrigen aber jedenfalls unbegründet.
6
Der Revisionsführer hat Gegenerklärungen, eingegangen am 17. Juli 2025 und am 11. August 2025, abgegeben.
II.
7
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge zumindest vorläufigen Erfolg.
8
Zwar nötigt, wie die Generalstaatsanwaltschaft zu Recht darlegt, nicht bereits der fehlerhafte Urteilstenor zur Urteilsaufhebung, denn dieser wäre wegen der für alle Verfahrensbeteiligten offensichtlichen Formulierungsversehen einer Berichtigung zugänglich. Nach den unmissverständlichen Urteilsgründen ist der Angeklagte einer einheitlichen Tat der Beihilfe zu Steuerhinterziehung für schuldig befunden worden und deshalb gegen ihn auf eine Einzel-Geldstrafe (entgegen der unzutreffenden Formulierung „Gesamtgeldstrafe“) erkannt worden.
9
Das Urteil hält revisionsrechtlicher Prüfung jedoch deshalb nicht stand, weil sich die vorgenommene Beweiswürdigung und deren Darlegung in den Urteilsgründen als lückenhaft erweisen. Auf Zulässigkeit und Begründetheit der erhobenen Verfahrensrüge kommt es daher nicht mehr an.
10
1. Das Landgericht hat, soweit entscheidungserheblich, festgestellt, der Angeklagte habe dem Geschäftsführer T. der „ST Gastronomie GmbH“ (nachfolgend: ST) zur Steuerhinterziehung wissentlich und willentlich Hilfe geleistet. Der Angeklagte sei als Techniker bei der Firma „W-GmbH“ (nachfolgend: W) angestellt gewesen, bei welcher T. ein Kassensystem erworben habe, das es erlaubt habe, Manipulationen vorzunehmen, nämlich getätigte Umsätze im Kassensystem so zu verändern, dass diese in der Buchhaltung nicht erfasst wurden, um in der Folge Steuern zu verkürzen. Die Steuerverkürzungen durch T. hätten in 14 Fällen durch unrichtige monatliche Umsatzsteuervoranmeldungen im Zeitraum von Januar 2016 bis Februar 2017 stattgefunden. Insgesamt sei Umsatzsteuer in Höhe von 90.097,00 Euro hinterzogen worden. Der Angeklagte habe zu diesen Taten dadurch Hilfe geleistet, dass er das entsprechende Kassensystem bei T. installiert habe, an nicht mehr genau feststellbaren Tagen „zwischen Dezember 2015 bis Februar 2016“. Er habe T. außerdem darin geschult, wie Manipulationen im Kassensystem vorgenommen werden könnten. Der Angeklagte habe gewusst, dass die Manipulationsmöglichkeiten der Steuerhinterziehung gedient hätten, die tatsächlich eingetretene Größenordnung habe er für „real“ gehalten.
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2. Der Angeklagte hat die Tatvorwürfe bestritten. Er sei erst seit 16. Dezember 2015 bei der Firma W. angestellt gewesen und habe erst im Februar 2016, vielleicht Januar 2016, erstmals Kontakt mit T. gehabt. Er habe diesen zu keinem Zeitpunkt in der Handhabung der Manipulationssoftware geschult.
12
Das Landgericht hat seine Überzeugung vom festgestellten Tathergang im Wesentlichen auf die Verlesung des Protokolls über die Vernehmungen des T. als Beschuldigten durch eine Ermittlungsperson der Steuerfahndung am 20. Juli 2017 und am 8. August 2017 sowie auf die zeugenschaftliche Vernehmung dieser Vernehmungsperson (Zeuge H.) gestützt. T. selbst habe, da er unbekannten Aufenthalts sei, nicht geladen werden können. T. habe in dieser Vernehmung angegeben, der Angeklagte habe am 10. Dezember 2015 die Software bei ihm, T., installiert und am selben Tag ihn, T., geschult, auch in den Manipulationsmöglichkeiten. Vor einer Betriebsprüfung im April 2016 habe der Angeklagte geraten, die Funktion der Umbuchung „blind“ zu stellen, nach der Betriebsprüfung habe er sie wieder sichtbar gemacht.
13
3. Dem Revisionsgericht überprüft die tatgerichtliche Beweiswürdigung lediglich anhand eines eingeschränkten Maßstabs.
14
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts, § 261 StPO. Ihm allein obliegt es, ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen ein Denkgesetz oder einen gesicherten Erfahrungssatz verstößt. Dabei müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und die vom Tatgericht gezogenen Schlüsse nicht bloße Vermutungen sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 13. April 2023, 4 StR 413/22, NStZ 2023, 697 Rn. 7 m.w.N.; s. auch Schmitt/Köhler, StPO, 68. Aufl. 2025, § 337 Rn. 26 ff.)
15
b) Gegenüber diesen allgemeinen Grundsätzen sind die Anforderungen an die Sorgfalt und Vollständigkeit der darzulegenden Gesamtwürdigung der Beweisergebnisse dann erhöht, wenn, wie hier, ein nicht geständiger Angeklagter überwiegend durch die Angaben eines Zeugen überführt werden soll, dessen Bekundungen nur mittelbar über eine Vernehmungsperson in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind (BGH a.a.O. Rn. 8; BGH, Beschluss vom 24. Februar 2021, 1 StR 489/20, BeckRS 2021, 8266 Rn. 9; st. Rspr.). Umso mehr gilt dies, wenn es sich, wie hier, um einen selbst tatbeteiligten Zeugen handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Mai 2020, 1 StR 596/19, NStZ 2021, 183 Rn. 7). Diese erhöhten Anforderungen finden ihren Grund darin, dass das Tatgericht in derartigen Fällen die Glaubwürdigkeit der unmittelbaren Beweisperson und die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben nicht originär, sondern nur vermittelt durch den Bericht der Vernehmungsperson beurteilen kann. Nichts anderes kann hier mit Blick darauf gelten, dass das Landgericht ergänzend auch das Vernehmungsprotokoll vom 8. August 2017 vollständig und dasjenige vom 20. Juli 2017 auszugsweise durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt hat, wogegen keine Verfahrensrüge erhoben ist. Der genannte Vorbehalt, dass sich das Tatgericht in einem solchen Fall keinen persönlichen Eindruck von dem Belastungszeugen verschaffen kann, gilt insoweit ebenfalls.
16
Auf die Aussage eines Zeugen vom Hörensagen kann eine Feststellung jedenfalls regelmäßig nur dann gestützt werden, wenn sie durch andere wichtige und im unmittelbaren Bezug zum Tatgeschehen stehende Gesichtspunkte bestätigt wird (vgl. BGH a.a.O., NStZ 2023, 697 Rn. 9 m.w.N.).
17
4. Diesen Maßstäben wird das Urteil nicht vollständig gerecht.
18
Zwar zeigt die Beweiswürdigung des Landgerichts eine Reihe von Umständen auf, die für die Schuld des Angeklagten sprechen können. Andererseits ist die Darstellung in mehrfacher Hinsicht lückenhaft und zum Teil auch widersprüchlich; ferner fehlt es an einer zusammenfassenden Gesamtwürdigung der dargestellten einzelnen Beweisanzeichen unter sorgfältiger Abwägung auch derjenigen, die Zweifel an der Tatbeteiligung des Angeklagten begründen können. Das Urteil kann deswegen keinen Bestand haben.
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a) Keinen Bedenken begegnen zunächst die Feststellungen dazu, dass der – bereits gesondert verurteilte – Haupttäter T. in der zweiten Jahreshälfte 2015 für die von der ST betriebene Gastronomie (wobei nicht näher bezeichnet ist, um welche Betriebsstätte/n es sich handelte) bei der Firma W. bzw. bei den für sie handelnden Personen ein Kassensystem bestellt hat, welches, so wurde es zwischen den Vertragsparteien vereinbart, die Möglichkeit von Manipulationen zu dem Zweck bot, Steuern zu verkürzen, ohne dass dies bei einer Kontrolle durch das Finanzamt auffallen würde. Bedenkenfrei festgestellt ist auch, dass der Angeklagte nicht rechtsgeschäftlich für die Firma W. handelte, sondern bei ihr – seit einem in den Urteilsgründen nicht genau festgestellten Zeitpunkt – als Techniker angestellt war. Festgestellt ist auch, dass T. für den Anmeldezeitraum von Januar 2016 bis Februar 2017 Umsatzsteuer in beträchtlichem Umfang hinterzogen hat.
20
b) Der Angeklagte hat in Abrede gestellt, T. in der Handhabung der Manipulationssoftware geschult zu haben. Er habe erstmals im Februar 2016, vielleicht auch schon im Januar 2016, mit ihm Kontakt gehabt. Aus der Einlassung des Angeklagten ergibt sich nicht, ob er überhaupt das System bei T. (erst-)installiert hat. Es ist nur ersichtlich, dass er sich bei ihm „etwa alle 2 bis Wochen“ um „Computer-Dinge“ gekümmert habe. Er will dabei Manipulationsmöglichkeiten durch Kellner technisch ausgeschlossen haben (UA S. 8). Hinweise auf die Förderung von Manipulationen des Kassensystems zum Zweck der Steuerhinterziehung ergeben sich aus der Einlassung nicht.
21
c) Laut den Angaben des T. vom 8. August 2017 gegenüber dem Vernehmungsbeamten H. habe der Angeklagte am 10. Dezember 2015 bei T. die gegenständliche manipulationsfähige Software installiert. Der Angeklagte habe ihn, T., vormittags in die Software und in die Umbuchungsmöglichkeit [gemeint wohl: die Manipulationsmöglichkeiten zum Nachteil der Steuerbehörden] eingearbeitet (UA S. 12, S. 15) .
22
Dies stellt sich im Gesamtkontext der Angaben des T., soweit sie im Urteil wiedergegeben sind, als die zentrale, den Angeklagten belastende Behauptung dar, zumal sich die erste Haupttat (Umsatzsteuervoranmeldung vom 24. Mai 2016) auf den Monat Januar 2016 bezieht (UA S. 7) und sich aus der wiedergegebenen Vernehmung des T. ergibt, er habe die Manipulationen im Kassensystem Tag für Tag vorgenommen und dann für einen Monat gesammelt, nach Erledigung eines kompletten Monats sei „der Tag nicht mehr änderbar gewesen“ (UA S. 14). Dies deutet zumindest darauf hin, dass die Manipulationsmöglichkeiten im Kassensystem bereits im Januar 2016 eingerichtet waren. Damit ließe sich aber nicht vereinbaren, wenn der Angeklagte, wie an anderer Stelle der Urteilsgründe ausgeführt ist (UA S. 22), die Installation und Schulung erst im Februar 2016 ausgeführt hätte. Soweit T. ferner angegeben hat, der Angeklagte habe im April 2016 „die „Funktion Umbuchung“ im Hinblick auf eine anstehende Betriebsprüfung „blind gestellt“, sagt das nichts über den Zeitpunkt der Installation der Software aus. Ob (spätestens) darin eine Beihilfehandlung gemäß § 27 StGB zu nachfolgenden Kassenmanipulationen zum Zweck der Ermöglichung unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen liegen kann, hat das Landgericht nicht erörtert.
23
aa) Jedenfalls im Hinblick auf den möglichen Zeitraum der Kassenmanipulationen hätte das Gericht zunächst den von T. behaupteten Zeitpunkt der Schulung durch den Angeklagten besonders sorgfältig verifizieren müssen. Dem werden die Urteilsgründe nicht gerecht.
24
Die unter Vorlage eines Arbeitsvertrages erfolgte Einlassung des Angeklagten, er sei erst ab 16. Dezember 2015 bei der Firma W. angestellt gewesen und habe erst im Februar oder Januar 2016 mit T. Kontakt gehabt, hält das Landgericht nicht für bedeutsam, denn es komme „nicht selten vor, dass sich Verfahrensbeteiligte hinsichtlich eines genauen Datums irren“ (UA S. 22). Damit setzt sich das Gericht zum einen mit der eigenen Beweiswürdigung insofern in Widerspruch, als es ausführt, gemäß den Angaben des Zeugen H. habe sich T. auf den (bereits zweiten) Vernehmungstermin vorbereitet und habe Unterlagen dabeigehabt (UA S. 19); das „Datum 10.12.2015“ füge sich „in seine Darstellung ohne erkennbaren Widerspruch ein“ (UA S. 20).
25
Soweit es zu dem vom Angeklagten vorgelegten Arbeitsvertrag ausführt, es stelle sich „die Frage nach dem Beweiswert“, hätte es Anlass gehabt, dieser Frage mit den sich hierzu aufdrängenden Mitteln nachzugehen. Ferner hätte sich im Hinblick auf das von T. behauptete Datum der Schulung, bezüglich dessen das Gericht einen Irrtum des T. für möglich hält, aufdrängen müssen, weitere Angaben des T. zu Kontakten mit dem Angeklagten zu würdigen. Er hat nämlich angegeben, dass der Angeklagte bereits vor Vertragsschluss mit der Firma W., nämlich nach Erhalt eines Kostenvoranschlages im Juni 2015, an weiteren Gesprächen mit den Verantwortlichen der Firma W. teilgenommen habe (UA S. 12). Dies in die Beweiswürdigung einzubeziehen hat das Landgericht rechtsfehlerhaft unterlassen.
26
Ein weiterer innerer Widerspruch der Urteilsgründe bezüglich der Tatzeitpunkts der Beihilfehandlung liegt darin, dass das Landgericht abweichend von vorstehender Würdigung vom Installations- und Schulungsdatum „10.12.2015“ letztlich abrückt und dafür einen Zeitraum „von Dezember 2015 bis Februar 2016“ annimmt (UA S. 22). Zudem hätte das Gericht sich auf dieser Grundlage damit auseinandersetzen müssen, dass die Manipulationsmöglichkeit des Kassensystems möglicherweise bereits im Januar 2016 eingerichtet war.
27
bb) Als durchgreifend lückenhaft erweist sich die Beweiswürdigung auch insoweit, als das Landgericht die Frage einer etwaigen Motivation des T., den Angeklagten zu Unrecht zu belasten, nicht ausreichend erörtert hat.
28
T. war nicht als Zeuge, sondern als Beschuldigter vernommen worden, was das Landgericht jedenfalls nicht ausdrücklich gewürdigt hat. Ausgeführt ist zwar, das Gericht habe „die Möglichkeit bedacht, dass T. […] den Angeklagten zu Unrecht belastet haben könnte“ (UA S. 21). Der sich aufdrängenden Möglichkeit, dass T., gegen den als Haupttäter ein Steuerermittlungsverfahren geführt wurde, sich Vergünstigungen durch Offenbarung vermeintlicher Tatbeteiligter erhofft haben könnte, ist das Gericht jedoch nicht mit der gebotenen Sorgfalt nachgegangen. Mit der Aussage des Vernehmungsbeamten H., T. habe sich nach seinem Eindruck „reinwaschen“ wollen (UA S. 16), hat es sich nicht auseinandergesetzt. Den Umstand, dass T. „aufgrund einer Verfahrensabsprache zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt“ worden sei, sieht es lediglich als „von der Verteidigung in den Raum gestellt“ an und hat dies in den Urteilsgründen nicht verifiziert, hält es aber dennoch für „naheliegend“, dass T. unter diesen Umständen motiviert gewesen sein könnte, über sein Geständnis hinaus „weitere Aufklärungshilfe in Bezug auf den Angeklagten zu leisten“ (UA S. 21). Weitere Feststellungen zu dem Urteil gegen T. hat das Gericht, obgleich sich dies auf der Grundlage seiner jedenfalls durch die Verteidigung erlangten Kenntnis der Entscheidung sowie aufgrund seiner eigenen Einschätzung einer denkbaren Motivlage des T. aufdrängen musste, nicht getroffen. Weder ist das Datum der Verurteilung und damit einer neuerlichen Einlassung des T., noch deren Inhalt, noch der Inhalt der Absprache ersichtlich.
29
cc) Schließlich entspricht die Beweiswürdigung unter einem weiteren Gesichtspunkt nicht den dargestellten besonderen Anforderungen an die tatrichterliche Sorgfalt.
30
In einem Fall wie vorliegend, in dem die belastenden Angaben von einer tatbeteiligten Person stammen und nur mittelbar über Vernehmungspersonen in die Hauptverhandlung eingeführt werden können, ist es regelmäßig erforderlich, die Umstände der Entstehung und den näheren Inhalt der den Angekl. belastenden Aussage sowie deren Entwicklung darzustellen und zu bewerten (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Mai 2020, 1 StR 596/19, NStZ 2021, 183, Rn. 7 m.w.N.).
31
Die Urteilsgründe beschränken sich auf Ersteres; wiedergegeben und gewertet ist lediglich eine (offensichtlich erste) Einlassung des T. von Juli und August 2017, die zur Grundlage der Verurteilung des Angeklagten gemacht wurde. Zu etwaigen weiteren Vernehmungen des T., sei es in seinem eigenen oder in Verfahren gegen weitere Beteiligte, ist nichts ersichtlich. Zwar ist dem Senat auf der Grundlage einer Sachrüge der Blick in die Akten versagt, so dass er nicht feststellen kann, ob T. weitere Angaben gemacht hat, die Grundlage einer Prüfung der Aussageentwicklung, insbesondere ihrer Konstanz, hätten sein können. Aus den Urteilsgründen selbst ist aber zu entnehmen, dass das Verfahren gegen T. durch ein Sachurteil zum Abschluss gekommen ist. Nach vorstehenden Grundsätzen hätte das Landgericht sich auch aufgrund der angezeigten Prüfung der Aussagekonstanz veranlasst sehen müssen, den Inhalt des Urteils zumindest in Bezug auf die dortige Einlassung des T. in die Beweiswürdigung einzubeziehen. Insoweit leidet die Beweiswürdigung unter einer rechtserheblichen Lücke.
32
dd) Weitere Einzelheiten, die das Landgericht als für die Richtigkeit der Angaben des T. sprechend gewürdigt hat, etwa die (lediglich auszugsweise) vorhandene Chat-Kommunikation mit dem Angeklagten, erreichen weder einzeln noch in ihrer Gesamtschau ein solches Gewicht, dass sie die vorbezeichneten Defizite in der Beweiswürdigung auszugleichen vermögen.
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5. Das Urteil beruht auch auf den aufgezeigten Rechtsfehlern, § 337 Abs. 1 StPO. Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich das Landgericht bei rechtsfehlerfreiem Vorgehen nicht von einer Tatbeteiligung des Angeklagten hätte überzeugen können, oder einem etwaigen Tatbeitrag geringeres Gewicht beigemessen hätte.
34
6. Die erhobene Verfahrensrüge bedarf daher keiner Prüfung mehr.
III.
35
Auf die Revision des Angeklagten hin ist daher das angefochtene Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen, §§ 349 Abs. 4, 353 Abs. 1, Abs. 2 StPO, aufzuheben.
36
Die Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an eine andere Strafkammer des Landgerichts München I zurückzuverweisen, § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO.
37
Für das weitere Verfahren weist der Senat noch auf folgendes hin:
38
1. Das neue Tatgericht wird zu prüfen haben, ob eine persönliche Einvernahme, nunmehr als Zeuge, des gesondert Verurteilten T. möglich ist, um Unklarheiten und Widersprüchlichkeiten aufzuklären. Die Urteilsgründe weisen zwar einerseits darauf hin, dass T. „unbekannten Aufenthalts“ sei; andererseits seien Ladungen „unter einer Anschrift in N.“ sowie „in Z.“ versucht worden (UA S. 8). Sollte ein Wohnsitz des T. im Ausland festgestellt werden, wird zu prüfen sein, ob eine Ladung bzw. eine Vernehmung im Wege der Rechtshilfe bewerkstelligt werden kann.
39
2. Für den Fall, dass es erneut zu einem Schuldspruch des Angeklagten kommt, weist der Senat vorsorglich auf folgende weitere, im neuen Urteil zu vermeidende Defizite des angegriffenen Urteils hin:
40
a) Die im Urteilsabschnitt über die tatsächlichen Feststellungen (Abschnitt IV., UA S. 6-7) eingefügte Tabelle, die lediglich die Beträge, um welche der Haupttäter T. Umsatzsteuern verkürzt habe, genügt nicht den sich aus § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO ergebenden Anforderungen. Nach dieser Norm müssen Feststellungen so beschaffen sein, dass sie eine Nachprüfung durch das Revisionsgericht ermöglichen. Dazu gehören im Fall einer Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 AO insbesondere diejenigen Parameter, die die maßgebliche Grundlage für die Steuerberechnung sind (BGH, Beschluss vom 19. Februar 2025, 1 StR 482/24, juris Rn. 6). Für die Hinterziehung von Umsatzsteuer bedeutet dies, dass der wesentliche Inhalt der abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen und zusätzlich der entsprechenden Jahreserklärungen (BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2021, 1 StR 362/21, juris Rn. 6) festzustellen ist, insbesondere also der Umfang der steuerpflichtigen Leistungen und Lieferungen sowie die Summe der geltend gemachten Vorsteuerbeträge (BGH, Beschluss vom 19. Februar 2025 a.a.O. Rn. 7) .
41
b) Für die vorzunehmende Strafzumessung gibt der Senat Folgendes zu bedenken:
42
Abweichend von den Erwägungen des angegriffenen Urteils wird nicht lediglich die lange Verfahrensdauer strafmildernd zu berücksichtigen sein, sondern auch der sehr lange zurückliegende Tatzeitpunkt. Bereits ein zeitlicher Abstand von ca. drei Jahren zwischen Tat und Aburteilung stellt regelmäßig einen gewichtigen Strafmilderungsgrund nach § 46 Abs. 2 StGB dar, der zu erörtern ist (vgl. BGH, Beschluss vom 2. März 2022, 2 StR 541/21, juris Rn. 6 m.w.N). Bei einem Tatzeitpunkt der Beihilfehandlung im Dezember 2015 werden bis zur neuerlichen Hauptverhandlung nahezu zehn Jahre verstrichen sein.
43
Für den konkreten Schuldumfang wird möglicherweise auch Bedeutung erlangen können, ob und inwieweit der Angeklagte die Tat auf Anweisung seines Arbeitgebers begangen hat. Nach dem Inhalt der Angaben des T. hatte dieser mit den Verantwortlichen der Firma W., bei welcher er das Kassensystem erworben hat und deren Angestellter der Angeklagte war, ausdrücklich den Erwerb eines mit Manipulationsmöglichkeit ausgestatteten Kassensystems vereinbart.