Titel:
Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, Klagebefugnis von Umweltverbänden, Abschuss und Abfang von Bibern, Artenschutz, Ausnahme durch Allgemeinverfügung
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
BNatSchG § 63
BayNatSchG Art. 45
BNatSchG § 45 Abs. 7
AAV § 2 Abs. 3
Schlagworte:
Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, Klagebefugnis von Umweltverbänden, Abschuss und Abfang von Bibern, Artenschutz, Ausnahme durch Allgemeinverfügung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 23549
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 12. Februar 2025 gegen die Allgemeinverfügung des Landratsamts, bekanntgemacht im Amtsblatt des Landkreises ... Nr. I. vom 11. Februar 2025, wird wiederhergestellt.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich als anerkannte Umweltvereinigung gegen eine Allgemeinverfügung des Antragsgegners, mit der gestattet wird, Biber in der Zeit vom 1. September bis 15. März nachzustellen, zu fangen und zu töten.
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Ausweislich einer Zusammenstellung in der Behördenakte kam es im Landkreis ... seit dem Jahr 2017 vermehrt zu Vorfällen durch Aktivitäten von Bibern, die zu Einzelausnahmegenehmigungen führten, mit denen Dammentnahmen, Bibertötungen und Biberumsiedelungen genehmigt wurden. Zudem kam es zur Anwendung von Biberschutzmitteln und Gewährung von Schadensausgleich (vgl. Aufstellung Bl. 78 und 886 der Behördenakte).
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Mit Schreiben vom 23. Mai 2024 wies das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz die unteren Naturschutzbehörden des Freistaats Bayern darauf hin, dass diese nach § 2 Abs. 3 der artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung (AAV) vom 3. Juni 2008 (GVBl. S. 327, BayRS 791-1-11-U) zuletzt geändert durch Verordnung vom 30. Juli 2023 (GVBl. S. 335) weitere Bereiche festsetzen sollen, in denen Biber aus den nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AAV genannten Gründen ohne weitere Genehmigung entnommen werden dürfen. Im Hinblick auf die Formulierung „soll“ seien die unteren Naturschutzbehörden bei Erfüllung aller gesetzlichen Voraussetzungen in der Regel verpflichtet, entsprechende Bereiche durch Allgemeinverfügung festzusetzen. Es werde gebeten, in den einschlägigen Fällen von der Möglichkeit Gebrauch zu machen.
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In einem Aktenvermerk der unteren Naturschutzbehörde vom 27. August 2024 zur Mitwirkung von anerkannten Naturschutzvereinigungen wurde festgehalten, dass durch den Erlass einer Allgemeinverfügung zur Entnahme von Bibern an Fischteichanlagen in A. , B. und W. sowie im 30 Meter-Bereich von Bundes-, Staats- und Kreisstraßen keine erheblichen Auswirkungen auf die Natur, insbesondere auf die Biberpopulation des Landkreises . zu erwarten seien. Es handele sich bei der beabsichtigten Allgemeinverfügung um einen Fall mit geringer Tragweite, die den Aufwand für eine Mitwirkung der anerkannten Naturschutzvereinigungen nicht erforderlich mache. Im Landkreis sei eine große und stabile Biberpopulation vorhanden, die nach den aktuellen Daten auf mindestens 800 bis 1.000 Tiere geschätzt werde. Die Entnahme solle im 30 Meter-Bereich von Bundes-, Staats- und Kreisstraßen und Schienenanlagen zulässig sein; häufig würden Biberreviere jedoch deutlich weiter entfernt liegen, so dass die Allgemeinverfügung ohnehin nur in einem relativ überschaubaren Bereich Anwendung finde. Biber dürften schon nach § 2 Abs. 1 AAV ohne Erlass einer Allgemeinverfügung getötet werden. Das Mitwirkungsrecht der Naturschutzvereinigungen bezwecke grundsätzlich, die Sachkunde und das Engagement der Vereinigungen nutzbar zu machen. Die untere Naturschutzbehörde sei jedoch mit qualifizierten Naturschutzfachkräften ausgestattet. Es sei nicht zu erwarten, dass seitens der anerkannten Naturschutzvereinigungen ein anderer nennenswerter Beitrag geliefert werde könne, der die Qualität der behördlichen Entscheidung im Rahmen des Bibermanagements verbessere. Es könne daher von der Beteiligung der anerkannten Naturschutzvereinigungen abgesehen werden.
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Im Amtsblatt des Landkreises ... vom 11. September 2024 machte das Landratsamt ... eine „Allgemeinverfügung Biber gemäß § 2 der artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung“ vom 2. September 2024 bekannt, mit der abweichend von § 44 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) gestattet wird, an Bundes-, Staats- und Kreisstraßen sowie Schienenanlagen im Landkreis . im Abstand von 30 Metern zum Fahrbahnrand bzw. den Schienenanlagen, ausgenommen von Bereichen in Naturschutzgebieten nach § 23 BNatSchG, FFH-Gebieten und europäischen Vogelschutzgebieten gemäß der Bayerischen Natura 2000-Verordnung, in der Zeit vom 1. September bis 15. März nachzustellen, zu fangen und zu töten. Nachdem der Antragsteller gegen diese Allgemeinverfügung am 9. Oktober 2024 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg Klage erhoben hatte (Au 9 K 24.2459), wurde die Allgemeinverfügung mit Bescheid vom 14. Oktober 2024 für sofort vollziehbar erklärt. Diese Anordnung wurde im Amtsblatt Nr. II. des Landratsamts . vom 15. Oktober 2024 veröffentlicht.
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Am 21. Oktober 2024 stellte der Antragsteller einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, dem mit Beschluss vom 8. November 2024 (Au 9 S 24.2604) stattgegeben wurde, da der Antragsteller als anerkannte Umweltvereinigung bei Erlass der Allgemeinverfügung nicht beteiligt worden war.
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Am 22. November 2024 führte der Antragsgegner ein Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren durch. Dem Anhörungsschreiben war die Allgemeinverfügung vom 2. September 2024 einschließlich Lagepläne beigefügt.
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Im Rahmen des Beteiligungsverfahrens äußerte sich der Antragsteller mit Schreiben vom 13. Dezember 2024 und machte im Wesentlichen eine unzureichende Beteiligung geltend, da eine sachgerechte Verbändebeteiligung mangels ausreichender Unterlagen nicht möglich sei. Für eine alle Straßen und Schienenanlagen umfassende Allgemeinverfügung fehle es an einer Rechtsgrundlage. Eine sachliche Begründung für den 30 m – Abstand gebe es nicht. Eine Prüfung, ob die Allgemeinverfügung die Biberpopulation erheblich beeinträchtigen könnte, sei nicht durchgeführt worden.
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Im Amtsblatt des Landkreises . Nr. I. vom 11. Februar 2025 machte das Landratsamt . erneut eine „Allgemeinverfügung Biber gemäß § 2 der artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung“ bekannt, in der unter Ziffer I. die Allgemeinverfügung vom 2. September 2024 aufgehoben wurde. Die Allgemeinverfügung hat im weiteren folgenden Inhalt:
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Zur Abwendung erheblicher wirtschaftlicher Schäden, im Interesse der Gesundheit des Menschen sowie aus Gründen der öffentlichen Sicherheit wird nach Maßgabe der Nummern III. bis VI. der Allgemeinverfügung abweichend von § 44 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BNatSchG gestattet, Bibern (Castor fiber) in der Zeit vom 01. September bis 15. März nachzustellen, sie zu fangen und zu töten.
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Maßnahmen nach Ziffer. II. sind erlaubt
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1. an Bundes-, Staats- und Kreisstraßen im Landkreis . im Abstand von 30 Metern zum Fahrbahnrand (siehe Anlage 1). Ausgenommen hiervon sind Bereiche in Naturschutzgebieten nach § 23 BNatSchG, FFH-Gebieten und europäischen Vogelschutzgebieten gemäß der Bayerischen Natura 2000-Verordnung,
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2. an Abschnitten von Schienenanlagen im Abstand von 30 Metern zum Gleisbett (siehe Anlage 1). Ausgenommen hiervon sind Bereiche in Naturschutzgebieten nach § 23 BNatSchG, FFH-Gebieten und europäischen Vogelschutzgebieten gemäß der Bayerischen Natura 2000-Verordnung.
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Zu Maßnahmen nach Ziffer II. ist berechtigt, wer
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1. die erforderlichen Kenntnisse nachweisen kann und
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2. von der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt ... hierzu bestellt ist. Ein Abschuss erfolgt im Benehmen mit dem jagdausübungsberechtigten Revierinhaber und dem jeweiligen Grundstückseigentümer.
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Es dürfen für den Fang von Bibern nur geeignete Fallen verwendet werden. Beim Abschuss müssen Büchsenpatronen verwendet werden, deren Kaliber mindestens 6,5 mm beträgt. Im Kaliber 6,5 mm und darüber müssen die Büchsenpatronen eine Auftreffenergie auf 100 m (E 100) von mindestens 2000 Joule haben. Beim Töten von in Fallen gefangenen Bibern mit Pistolen oder Revolvern sowie bei der Abgabe von Fangschüssen mit Pistolen und Revolvern muss die Mündungsenergie der Geschosse mindestens 200 Joule betragen. Die Bestimmungen über verbotene Fangmethoden, Verfahren und Geräte (§ 4 Abs. 7 Bundesartenschutzverordnung – BArtSchV) bleiben unberührt.
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Der Fang- und Abschussort, wie Gewässer oder Gewässerabschnitt und Gewässertyp, sowie Fang- und Abschussdatum, die Anzahl der jeweils gefangenen und getöteten Biber sowie Informationen über die Entsorgung bzw. den Verbleib der getöteten Tiere sind der Unteren Naturschutzbehörde unverzüglich mitzuteilen.
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Für die Ziffern II. bis VI. wird die sofortige Vollziehung angeordnet.
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Ziffer VIII. enthält den Hinweis, dass gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 AAV Biberdämme, soweit besetzte Biberburgen nicht beeinträchtigt werden, und nicht besetzte Biberburgen abweichend von § 44 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 BNatSchG beseitigt werden dürfen.
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Bei Maßnahmen nach Ziffer VIII. ist folgendes zu beachten:
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1. Die Dammentnahmen dürfen nicht bei Frost durchgeführt werden.
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2. Falls sich im Aufstaubereich des Biberdamms Frosch- oder Krötenlaich befindet, darf der Damm nur nach Umsetzen des Laichs in ein anderes Stillgewässer entfernt werden
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Der Widerruf der Allgemeinverfügung wird ganz oder teilweise vorbehalten, sofern sich nachteilige Auswirkungen auf die Biberpopulation zeigen sollten.
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Die Allgemeinverfügung tritt am Tag nach ihrer Bekanntmachung in Kraft. Sie tritt mit Ablauf des 15.03.2027 außer Kraft.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, im Landkreis . befinde sich das Hauptvorkommen der Biber im Bereich der I. mit Nebengewässern und Seen. Derzeit werde von einem Bestand von 800 bis 1000 Tieren ausgegangen, der jährliche Zuwachs belaufe sich auf etwa 200 Jungbiber. Annähernd alle verfügbaren Biberreviere seien belegt. Die Regulation der Bestandsdichte über innerartliche Konkurrenz spreche für eine Population an der Grenze der Lebensraumkapazität. Durch die flächige Ausbreitung der Tiere seien in der Vergangenheit bereits mehrere Gefahrensituationen entstanden. Im Jahr 2023 hätten Biber den Bahndamm an der Strecke S. – O. massiv unterhöhlt und dadurch die Standsicherheit des Bahndamms erheblich beeinträchtigt. Die Schäden hätten nur mit aufwändigen Baumaßnahmen behoben werden können. Umfangreiche Sicherungs- und Instandsetzungsmaßnahmen bei gleichzeitiger Streckensperrung seien auch im Jahr 2024 dringend notwendig. Die Deutsche Bahn habe dargelegt, dass sie aus Sicht der Instandsetzung und der Sicherstellung eines sicheren Bahnbetriebs die dauerhafte Entnahme von Bibern für notwendig halte. Die Einholung von Genehmigungen nähme wertvolle Zeit in Anspruch, die die Reparatur- und Instandsetzungsprozesse verzögern würden. Im Jahr 2020 hätten sich Biberröhren vom angrenzenden Bachlauf auf den Bereich von Trinkwasserbrunnen erstreckt. Im Jahr 2022 seien in diesem Bereich meterlange Tunnel entdeckt worden, die dem Biber zuzurechnen seien. Im Jahr 2024 sei ein Traktor in einer der zahlreichen Biberröhren eingebrochen. Auch bei den Bundes-, Staats- und Kreisstraßen sei es in den vergangenen Jahren immer wieder zu erheblichen Gefährdungen der Sicherheit des öffentlichen Verkehrs durch Biberaktivitäten direkt im Umfeld der Straßen gekommen. Mit Aufforderung zur Stellungnahme sei am 22. November 2024 die Verbändebeteiligung durchgeführt worden. Vom Anhörungsrecht hätten der X. e.V., der Y. e.V.“, der Z. e.V. und der Q. e.V. Gebrauch gemacht.
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Der Biber sei gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. b) aa) und Nr. 14 Buchst. b) Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) i. V. m. Anhang IV der RL 92/43/EWG (FFHRichtlinie) besonders und streng geschützt. Es sei daher nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG verboten, ihm nachzustellen, ihn zu fangen, zu verletzen oder zu töten. Von diesem Verbot solle das Landratsamt als untere Naturschutzbehörde nach § 2 Abs. 3 Satz 1 AAV bei Vorliegen der entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen bestimmte Bereiche definieren, innerhalb derer der Biber nach den Bestimmungen des § 2 AAV entnommen werden dürfe. Dies gelte für erwerbswirtschaftlich genutzte Fischteichanlagen, Abschnitte von angelegten Be- und Entwässerungsgräben sowie Abschnitten von öffentlichen Straßen. Voraussetzung sei, dass es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gebe und die Populationen des Bibers in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung in einem günstigen Erhaltungszustand verweile (§ 2 Abs. 3 Satz 2 AAV).
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Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 AAV für eine Ausnahme vom Verbot des § 44 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BNatSchG lägen an Bundes-, Staats- und Kreisstraßen im Landkreis . im Abstand von 30 Meter zum Fahrbahnrand vor. Die in § 45 Abs. 7 S. 1 Nr. 4 BNatSchG enthaltene Regelung berechtige in Anknüpfung an Art. 16 Abs. 1 Buchst. c) FFH-Richtlinie und Art. 9 Abs. 1 Buchst. a) VRL zur Erteilung einer Ausnahme, wenn dies im Interesse der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Landesverteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung oder maßgeblich günstiger Auswirkungen auf die Umwelt erforderlich sei. Unter die öffentliche Sicherheit im genannten Sinne würden auch Infrastruktureinrichtungen wie die bedeutenden Straßen und Schienennetze im Landkreis . fallen. Ein Bibervorkommen in unmittelbarer Nähe zu einer solchen wichtigen Infrastruktureinrichtung stelle durch die verursachten Anstauungen in mehrfacher Hinsicht eine Gefahr dar. Anderweitige zufriedenstellende Alternativen als die Biberentnahme seien im 30 Meter-Bereich um Bundes-, Staats- und Kreisstraßen nicht gegeben und nicht zumutbar. Bauliche Sicherungsmaßnahmen stünden in keinem zumutbaren Verhältnis. Nach Abwägung der konkreten Gefahren für Infrastruktur und die öffentliche Sicherheit werde daher der Entnahme von Bibern der Vorrang eingeräumt gegenüber der Durchführung von unzumutbaren Präventionsmaßnahmen wie baulichen Maßnahmen oder Umsiedlungsprojekten. Die Wahrung eines günstigen Erhaltungszustandes der Biberpopulation sei grundsätzlich gegeben, auch wenn einzelne Tiere entnommen würden. Es würden nur kleine Teilbereiche der potentiellen Biberreviere von der vorliegenden Allgemeinverfügung abgedeckt. Es sei davon auszugehen, dass Biber durch die Beunruhigung durch Abschuss oder Fallenfang von Artgenossen die Entnahmebereiche meiden und ihre Aktivität in besser geeignete Bereiche ihres Reviers verlagern.
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Auch Bahnlinien dienten mit ihrer Infrastruktur dem öffentlichen Verkehr und bedürften daher besonderen Schutz. Wie aus der Stellungnahme der Deutschen Bahn hervorgehe, bestehe durch die Aktivitäten des Bibers die tatsächliche Gefahr, dass die Bahninfrastruktur beschädigt wird. Präventionsmaßnahmen seien in den genannten Bereichen entweder nicht durchführbar, nicht hinreichend erfolgversprechend oder nicht mit vertretbarem Aufwand zu erbringen. Entgegen den Befürchtungen des Q. e.V. seien nur kleine Teilbereiche der potentiellen Biberreviere von der vorliegenden Allgemeinverfügung abgedeckt. Bei den in Ziffer III.1 und III.2 geregelten Gebieten seien Naturschutzgebiete nach § 23 BNatSchG, FFH-Gebiete und europäische Vogelschutzgebiete gemäß der Bayerischen Natura 2000 Verordnung explizit ausgenommen worden. Die Allgemeinverfügung werde aus Gründen der öffentlichen Sicherheit erlassen und sei zur Umsetzung eines effizienten Bibermanagements und zur Akzeptanzförderung des Bibers erforderlich. Mildere Mittel seien nicht ersichtlich. Zugriffe auf den Biber seien von Mitte März bis Ende August aus tierschutzrechtlichen Gründen unzulässig. Davon abweichend dürften nach § 2 Abs. 1 Satz 2 AAV Biberdämme und nicht besetzte Biberburgen ohne zeitliche Beschränkung beseitigt werden. Die sofortige Vollziehung der Allgemeinverfügung liege im öffentlichen Interesse, da durch die Aktivitäten des Bibers erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bestünden. Es bestehe eine konkrete Gefährdung der Verkehrssicherheit. Die Bibervorkommen hätten bereits erhebliche Schäden an der Verkehrsinfrastruktur verursacht, insbesondere an Bahndämmen und Straßen. Die Unterhöhlung des Bahndamms an der Strecke S. – O. habe bereits 2023 zu einer wochenlangen Streckensperrung geführt. Laut einer Schätzung der Deutschen Bahn würden sich die Kosten für die Sanierung des Bahndamms auf der Strecke S. – O. auf mehrere Millionen Euro belaufen. Die Dringlichkeit der Anordnung ergebe sich aus der Notwendigkeit, weitere schwere Schäden oder Unfälle zu verhindern. Jede Verzögerung könnte potentiell lebensbedrohliche Situationen für Verkehrsteilnehmer verursachen. Angesichts der akuten Bedrohung durch Biberschäden sei die Eilbedürftigkeit evident. Der Sofortvollzug sei auch verhältnismäßig, da das öffentliche Interesse an einer Vermeidung von Gefahren für Leben und Gesundheit, der Schutz der wirtschaftlichen Existenzgrundlagen betroffener Betriebe und der Sicherstellung der öffentlichen Infrastruktur gegenüber den Auswirkungen der Biberschäden höher zu bewerten seien, als der grundrechtliche Schutz der Tiere nach Art. 20a GG.
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Der Widerrufsvorbehalt wurde auf Art. 36 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG gestützt. Anlage 1 der Allgemeinverfügung enthält eine (nicht maßstabgerechte) Kartendarstellung der Biberentnahmebereiche.
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Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Begründung der Allgemeinverfügung verwiesen.
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Am 12. Februar 2025 erhob der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg gegen die Allgemeinverfügung Klage (Au 9 K 25.360) und stellte am 24. März 2025 einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO. Er beantragt,
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Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 12. Februar 2025 gegen die Allgemeinverfügung Biber gemäß § 45 Abs. 7 Satz 4 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) i.V.m. § 2 Abs. 3 der Artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung (AAV), Art. 3 Abs. 1 und Art. 35 Satz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) des Landratsamts, mit der abweichend von § 44 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BNatSchG gestattet wird, Biber (Castor fiber) in der Zeit vom 1. September bis 15. März nachzustellen, sie zu fangen und zu töten, veröffentlicht im Amtsblatt Nr. I. des LRA . vom 11. Februar 2025, wird wiederhergestellt.
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Zur Begründung wird vorgetragen, der Antragsteller sei als anerkannte Naturschutz- und Umweltvereinigung im Sinne des § 3 UmwRG, §§ 63, 64 BNatSchG antragsbefugt. Er sei nach seiner Satzung landesweit im Freistaat Bayern tätig, mache Verstöße gegen naturschutzrechtliche Bestimmungen des nationalen Rechts und des Unionsrechts geltend und werde durch die Allgemeinverfügung in seinem von der Anerkennung umfassten satzungsgemäßen Aufgaben- und Tätigkeitsbereich berührt Die Antragsbefugnis ergebe sich auch aus § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG. Die Allgemeinverfügung verstoße gegen § 44 Abs. 1, § 45 Abs. 7 BNatSchG in Verbindung mit Art. 16 Abs. 1 RL 92/43/EWG (FFH-Richtlinie). Sie sei formell rechtswidrig, da der Geltungsbereich zu unbestimmt sei und den bayerischen Vorgaben zum Bibermanagement widerspreche. Danach seien die betroffenen Bereiche auf kartographischen Lageplänen mit dem Maßstab 1:5000 darzustellen. Der der Allgemeinverfügung beigefügte Lageplan sei jedoch nicht maßstabgetreu. Auch würden Straßen außerhalb der Landkreisgrenze dargestellt, so dass die Gefahr von Abschüssen außerhalb des Landkreises bestehe. Der Anwendungsbereich der Allgemeinverfügung sei daher nicht ohne Zweifel feststellbar. Die Allgemeinverfügung sei auch nicht ausreichend begründet. Zwar sehe § 2 Abs. 3 Satz 1 AAV intendierte Ermessen vor, angesichts der umfassenden räumlichen Erstreckung auf sämtliche Kreis-, Staats- und Bundesstraßen im Landkreis und der analogen Anwendung auf Schienenanlagen sei eine besondere Begründung für den weiten Anwendungsbereich notwendig. Die Voraussetzungen von § 2 Abs. 3 Satz 1 AAV, die von der unteren Naturschutzbehörde vollumfänglich zu prüfen seien und zwingend zusammen mit den dahinterstehenden gesetzlichen Voraussetzungen des § 45 Abs. 7 BNatSchG sowie den europarechtlichen Maßgaben von Art. 16 FFH-Richtlinie zu lesen seien, lägen nicht vor. Es sei weder ein mit § 45 Abs. 7 BNatSchG i.V.m. Art. 16 Abs. 1 lit. a) bis e) FFH-Richtlinie kompatibler Ausnahmegrund gegeben, noch habe die Behörde nachgewiesen, dass es keine zumutbaren Alternativen zu dem gestatteten Abfangen und Töten der Biber gebe. Die Regelung in Ziffer III. 2 der Allgemeinverfügung, nach der gestattet ist, auf Abschnitten von Schienenanlagen im Abstand von 30 m zum Gleisbett Biber zu fangen und zu töten, könne nicht auf § 2 Abs. 3 Satz 1 AAV gestützt werden. Dort sei abschließend festgelegt, an welchen Anlagen und Infrastruktureinrichtungen Maßnahmen nach § 2 Abs. 1 AAV erlaubt seien. Schienenanlagen seien dort nicht aufgeführt. Insbesondere falle ein Bahndamm nicht unter die Regelung in § 2 Abs. 2 Nr. 1 AAV, da diese Bestimmung nur wasserwirtschaftliche Anlagen betreffe. Als Ausnahmevorschrift sei § 2 AAV restriktiv auszulegen. § 45 Abs. 7 BNatSchG bilde ebenfalls keine taugliche Rechtsgrundlage. Eine naturschutzrechtliche Ausnahme nach dieser Vorschrift werde nur auf Antrag erteilt, der jedoch nicht vorliege. Weiterhin könne eine Ausnahme nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben seien und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtere. Dies sei vom Antragsgegner nicht substantiiert dargelegt worden. Hinsichtlich Ziffer III.1 stütze sich die Allgemeinverfügung auf Gründe der öffentlichen Sicherheit, jedoch fände sich in der Behördenakte keine Dokumentation vermeintlich zahlreicher sicherheitsrelevanter Vorfälle im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr. Auch seien Infrastrukturvorhaben allenfalls in besonders gelagerten Ausnahmefällen als der öffentlichen Sicherheit dienliche Maßnahmen zu bewerten. Dies dürfe hinsichtlich der Gesamtheit der Kreisstraßen im Landkreis . bezweifelt werden. Im Übrigen bedürfte es zwingender Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses. Der pauschale Verweis auf potentielle Gefährdungssituationen im Zusammenhang mit Bibern begründe keine konkrete Gefahr auf konkreten Straßenabschnitten. Statt einer Prüfung der strengen Tatbestandsvoraussetzungen und der Beachtung der strikten Nachweispflicht begnügte sich die angegriffene Allgemeinverfügung weitestgehend mit der Wiederholung des Wortlauts von § 2 AAV. Es sei bereits nicht ersichtlich oder von der Allgemeinverfügung dargelegt, dass es überhaupt einen einzelnen Straßenabschnitt innerhalb des räumlichen Anwendungsbereichs der Allgemeinverfügung gebe, für den sich die erforderliche Schadensprognose untermauern ließe. Offenkundig lasse sich eine solche Prognose keinesfalls für sämtliche Bundes-, Staats- und Kreisstraßen aufrechterhalten. Die bloße Behauptung einer abstrakten Gefahr durch Bibervorkommen in der Nähe von Infrastruktureinrichtungen reiche nicht aus, um die strengen Anforderungen einer Ausnahme auf der Grundlage von § 2 AAV, § 45 Abs. 7 Satz 4 BNatSchG zu begründen. Die pauschale Freigabe zum Abschuss und Abfangen des Bibers an sämtlichen Bundes-, Staats- und Kreisstraßen im Landkreis . im Abstand von 30 m zum Fahrbahnrand verstoße auch gegen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage in § 2 Abs. 3 Satz 1 AAV. Diese Vorschrift beziehe sich nur auf einzelne Abschnitte von Straßen, was auch in den Richtlinien zum Bibermanagement unter Ziffer 2.3.2.3 Satz 6 und 7 eindeutig zum Ausdruck komme. Wenn letztlich alle Bundes-, Staats- und Kreisstraßen im Landkreis . erfasst sein, handle es sich um eine abstrakt-generelle Regelung, die lediglich in Verordnungsform getroffen werden könne. Gemäß § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG dürfe eine Ausnahme nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben seien. Eine solche Alternativenprüfung fehle. Es werde lediglich pauschal ohne nachvollziehbare Prüfung behauptet, dass anderweitige zumutbare und zufriedenstellende Alternativen aus naturschutzfachlicher Sicht nicht erfolgversprechend seien. Es sei nicht ersichtlich, warum die in den Richtlinien zum Bibermanagement für Beeinträchtigung von Verkehrswegen genannte Abhilfemaßnahmen pauschal bei allen Bundes-, Staats- und Kreisstraßen im Landkreis . nicht in Betracht kommen sollen. Die angegriffene Allgemeinverfügung könne auch nicht sicherstellen, dass sich der Erhaltungszustand der Population der Art Biber nicht verschlechtere, zumal die Allgemeinverfügung keine zahlenmäßige Begrenzung vornehme. Hierfür trage der Antragsgegner die Beweislast. Der Allgemeinverfügung lägen bereits keine fachlich belastbaren Datengrundlagen über den Erhaltungszustand zugrunde. Eine Natura-2000-Verträglichkeitsprüfung sei ebenfalls nicht erfolgt.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Die Allgemeinverfügung sei formell rechtmäßig. Die Regelung in Ziffer II.2. der Allgemeinverfügung sei inhaltlich hinreichend bestimmt. Es sei ohne Weiteres – auch ohne zusätzliche detaillierte Lagepläne – erkennbar, welche Straßenkategorien im Landkreis . betroffen sind. Eine Unbestimmtheit der Allgemeinverfügung lasse sich auch nicht durch Verweis auf die Richtlinien zum Bibermanagement begründen, da es sich hierbei um rein interne Verwaltungsvorschriften handele. Die Allgemeinverfügung enthalte auch eine ausreichende Begründung, da auf acht Seiten die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe dargelegt würden. Die Allgemeinverfügung sei auch materiell rechtmäßig. Sie könne sich auf § 2 Abs. 3 AAV stützen. Eine Einschränkung, dass nur „einzelne“ Abschnitte von öffentlichen Straßen festgesetzt werden sollen, enthalte die AAV nicht. Die erforderlichen Gründe der öffentlichen Sicherheit lägen vor. In der Rechtsprechung sei mehrfach entschieden worden, dass im Zusammenhang mit der Zulassung bedeutender Infrastrukturvorhaben eine erweiternde Auslegung des Begriffs der öffentlichen Sicherheit geboten ist. Im vorliegenden Fall gehe es um die bedeutenden Straßen und Schienennetze im Landkreis . . Vor dem Hintergrund, dass Ausnahmen auch zur Abwendung erheblicher wirtschaftlicher Schäden möglich sind, müsse die Abwendung von Gefahren für Menschen erst recht möglich sein. Ein Bibervorkommen in unmittelbarer Nähe zu einer wichtigen Infrastruktureinrichtung stelle in mehrfacher Hinsicht eine Gefahr dar. Anderweitige zufriedenstellende Lösungen als die Biberentnahme seien im 30m Bereich um Bundes-, Staats- und Kreisstraßen nicht gegeben. Bei hoher innerartlicher Konkurrenz um Lebensraum seien Vergrämungen nicht erfolgversprechend. Inwiefern für diese Feststellung eine Prüfung im jeweiligen Einzelfall erforderlich sein solle, erschließe sich nicht. Der günstige Erhaltungszustand von Bibern im . werde durch die Entnahmen an Bundes-, Staats- und Kreisstraßen nicht gefährdet. Die jährliche Zuwachsrate bei Biberpopulationen in Bayern liege bei etwa 20-25%, d.h. vorliegend etwa 200 Bibern. Die Annahme des Bestands gehe auf eine Erhebung von Biberrevieren im . in Kooperation von Q. und der unteren Naturschutzbehörde . im Frühjahr 2019 zurück. Dass diese Erhebung nicht von einem Fachgutachter, sondern einem Studenten im Rahmen einer Bachelor-Arbeit durchgeführt wurde, ändere nichts an der Erhebung als solcher. Eine vollständige Kartierung aller Biber sei nicht zwingend erforderlich. Die Regelung für den Bereich von Schienenanlagen könne auf § 2 Abs. 3 AVV gestützt werden. Dass das Schienennetz als wesentlicher Bestandteil des Verkehrsnetzes nicht in die AAV aufgenommen wurde, stelle nach Auffassung des Antragsgegners eine planwidrige Regelungslücke dar, die durch die analoge Anwendung geschlossen werde. Hilfsweise stelle § 45 Abs. 7 BNatSchG eine alternative Rechtsgrundlage für den Erlass der Anordnung dar. Zur Ergänzung werde auf die Ausführungen in der Allgemeinverfügung verwiesen. Eine Natura-2000 Verträglichkeitsprüfung sei nicht erforderlich. Bei den in Ziffer III.1 und III.2 geregelten Gebieten seien Naturschutzgebiete nach § 23 BNatSchG, FFH-Gebiete und europäische Vogelschutzgebiete gemäß der Bayerischen Natura 2000 Verordnung explizit ausgenommen worden. Inwiefern die Entnahme einzelner Biber außerhalb von FFH-Gebieten sich auf die Erhaltungsziele der FFH-Gebiete auswirken könnte, sei nicht nachvollziehbar. Entlang von Hauptverkehrswegen oder Bahnlinien seien auch in der Vergangenheit keine großen Dammbauwerke geduldet worden. Diese hätten in der Vergangenheit durch Einzelgenehmigungen bearbeitet werden müssen. Es sei gewünscht, dass in diesen Bereichen neue Dämme frühzeitig und unbürokratisch entnommen werden können. Das nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) für die Anordnung der sofortigen Vollziehung notwendige öffentliche Interesse sei im Bescheid ausführlich begründe worden. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen im Schriftsatz des Antragsgegners verwiesen.
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Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten im Übrigen wird auf die in der Gerichtsakte enthaltenen Schriftsätze und die beigezogene Behördenakte verwiesen.
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A. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Allgemeinverfügung, bekanntgemacht im Amtsblatt des Landkreises . Nr. I. vom 11. Februar 2025, hat Erfolg.
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1. Der Antrag ist zulässig.
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a) Da der Antragsgegner unter Ziffer VII. die sofortige Vollziehung der Ziffern II. bis VI. der Allgemeinverfügung vom 11. Februar 2025 angeordnet hat, entfaltet die am 12. Februar 2025 durch den Antragsteller erhobene Anfechtungsklage (Au 9 K 25.360) keine aufschiebende Wirkung. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist somit statthaft.
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b) Der Antragsteller ist als eine in Bayern anerkannte Naturschutzvereinigung, die nach ihrer Satzung landesweit tätig ist, nach § 63 Abs. 2 BNatSchG i.V.m. § 3 des Gesetzes über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-RL 2003/35/EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz – UmwRG) gemäß § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Er kann einen aus dem Beteiligungsrecht nach § 63 Abs. 2 BNatSchG folgenden Aufhebungsanspruch hinsichtlich der streitgegenständlichen, für sofort vollziehbar erklärten Allgemeinverfügung geltend machen, ohne in eigenen Rechten verletzt zu sein.
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Nach § 63 Abs. 2 Nr. 4b BNatSchG ist einer nach § 3 UmwRG anerkannten Naturschutzvereinigung vor der Zulassung einer Ausnahme nach § 45 Abs. 7 Satz 1 durch Rechtsverordnung oder Allgemeinverfügung Gelegenheit zur Stellungnahme sowie zur Einsicht in die einschlägigen Sachverständigengutachten zu geben, soweit sie durch das Vorhaben in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt wird. Mit dieser Vorschrift ist nicht lediglich eine objektive Pflicht der zuständigen Behörde geschaffen worden, den anerkannten Verband im Rahmen ihres Verfahrens zum Zwecke der umfassenden Information und der Beschaffung verbesserter Entscheidungsgrundlagen anzuhören und zu beteiligen. Der Antragsteller kann unter den in § 64 Abs. 1 BNatSchG genannten Voraussetzungen Rechtsbehelfe einlegen, ohne in eigenen Rechten verletzt zu sein.
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Darüber hinaus ist der Antragsteller als anerkannte Vereinigung im Sinn des § 3 UmwRG nach § 2 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG antragsbefugt, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen (vgl. BayVGH, U.v. 30.4.2024 – 14 N 23.1502, 14 N 23.1657 – juris Rn. 40). Der Antragsteller macht Verstöße gegen naturschutzrechtliche Bestimmungen des nationalen Rechts und des Unionsrechts geltend. Auch wird er durch die streitgegenständliche Allgemeinverfügung in seinem satzungsgemäßen Aufgaben- und Tätigkeitsbereich berührt.
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2. Der Antrag ist auch begründet.
54
a) Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts angeordnet ist, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen den zugrundeliegenden Bescheid ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. in den Fällen, in denen die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs kraft Gesetzes entfällt, die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anordnen. Das Gericht prüft dabei im Fall des Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind und trifft im Übrigen jeweils eine Abwägungsentscheidung. Bei der im Rahmen dieser Entscheidung gebotenen Interessenabwägung kommt den Erfolgsaussichten des Verfahrens in der Hauptsache besondere Bedeutung zu. Bleibt das Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos, so wird die Abwägung in der Regel zum Nachteil des Betroffenen ausfallen. Hat der Rechtsbehelf in der Hauptsache hingegen voraussichtlich Erfolg, so ist dessen aufschiebende Wirkung wiederherzustellen bzw. anzuordnen. Wenn sich bei der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens allein möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage dagegen weder die offensichtliche Rechtswidrigkeit noch die offensichtliche Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung feststellen lässt, hängt der Ausgang des Verfahrens vom Ergebnis einer vom Gericht vorzunehmenden weiteren Interessenabwägung ab (vgl. BayVGH, B.v. 5.3.2015 – 10 CS 14.2244 – juris).
55
b) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch Bescheid vom 11. Februar 2025 ist formell rechtmäßig.
56
aa) Soweit die Behörde die sofortige Vollziehung ausdrücklich angeordnet hat (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) hat das Gericht zunächst zu prüfen, ob sich die behördliche Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung als im Sinne des § 80 Abs. 3 VwGO ausreichend erweist; ist das nicht der Fall, hat das Gericht die Vollziehungsanordnung ohne weitere Sachprüfung aufzuheben, nicht jedoch die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wiederherzustellen (vgl. BayVGH, B.v. 9.12.2013 – 10 CS 13.1782 – juris).
57
Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen der Anordnung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Dabei reicht jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die anordnende Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet. Die Begründung muss kenntlich machen, dass sich die Behörde bewusst ist, von einem rechtlichen Ausnahmefall Gebrauch zu machen (Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2022, § 80 Rn. 55). Es müssen die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe angegeben werden, die die Behörde dazu bewogen haben, den Suspensiveffekt aus § 80 Abs. 1 VwGO auszuschließen (vgl. BayVGH, B.v. 16.2.2000 – 10 CS 99.3290 – juris Rn. 16). Es kommt hingegen nicht darauf an, ob die angeführten Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen und ob die für die sofortige Vollziehung angeführten Gründe erschöpfend und zutreffend dargelegt sind.
58
bb) Diesen Vorgaben wird die streitgegenständliche Begründung des Sofortvollzugs gerecht. Die zur Begründung der Sofortvollzugsanordnung angeführten fallbezogenen Aspekte tragen den gesetzlichen Anforderungen von § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO in ausreichender Weise Rechnung und sind geeignet, das Vollzugsinteresse nachvollziehbar zu belegen. Der Antragsgegner hat – bezogen auf die einzelnen Anordnungen – dargelegt, warum aus seiner Sicht wegen der durch Biber an Straßen und Bahndämmen verursachten Schäden die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse dringend geboten ist. Die Begründung stellt auf den vorliegenden Einzelfall ab und lässt erkennen, was den Antragsgegner zum Erlass der Anordnung bewogen hat und dass sich die Behörde des Ausnahmecharakters der Anordnung des Sofortvollzugs bewusst war. Dass hierbei im Wesentlichen dieselben Überlegungen zum Tragen kommen, die tatbestandlich den Abschuss der Biber überhaupt rechtfertigen, ergibt sich als zwingende Folge der hohen Anforderungen an eine artenschutzrechtliche Ausnahme. Ob die vom Antragsgegner angeführten Gründe inhaltlich tragen, ist hingegen keine Frage des Begründungserfordernisses des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern im Rahmen der besonderen Dringlichkeit der Vollziehung des Verwaltungsaktes und damit beim Vorliegen eines besonderen Vollzugsinteresses zu würdigen.
59
c) Die Allgemeinverfügung des Antragsgegners vom 11. Februar 2025 ist nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich rechtswidrig. Das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage überwiegt das Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung der Anordnung.
60
Das Gericht hat bei der im vorliegenden summarischen Verfahren zu treffenden eigenen Ermessensentscheidung die durch den Antragsteller vertretenen Interessen auf der einen Seite und die Interessen des Antragsgegners bzw. der Allgemeinheit auf der anderen Seite gegeneinander abzuwägen. Abzustellen ist dabei vor allem auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Je größer die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, hier der mit Schriftsatz vom 12. Februar 2025 erhobenen Klage (Au 9 K 25.360), sind, umso geringere Anforderungen sind an das Aussetzungsinteresse des den vorläufigen Rechtsschutz Begehrenden zu stellen. Je geringer umgekehrt die Erfolgsaussichten zu bewerten sind, umso höher müssen die erfolgsunabhängigen Interessen der Antragstellerseite sein, um eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zu rechtfertigen. Ergibt die Prüfung der Erfolgsaussichten des in der Hauptsache erhobenen Rechtsbehelfs, dass dieser offenkundig aussichtslos ist, so ist die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in der Regel abzulehnen. Ist dagegen der Rechtsbehelf in der Hauptsache offensichtlich erfolgreich, d.h. zulässig und begründet, so ist dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in der Regel stattzugeben. Lässt sich auch nach intensiver, wenngleich einem Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes angemessener Prüfung nicht feststellen, ob der Rechtsbehelf mit erheblicher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben oder Erfolg haben wird, so wird zur Vermeidung vollendeter Tatsachen regelmäßig die aufschiebende Wirkung anzuordnen sein (vgl. BayVGH, B.v. 14.1.1991 – 14 CS 90.3166 – NVwZ 1991, 1002).
61
Nach der im Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erweist sich die hier streitgegenständliche Allgemeinverfügung materiell als rechtswidrig, so dass nach der gebotenen Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des in der Hauptsache zulässig erhobenen Rechtsbehelfs die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen ist. Maßgebend für die Bewertung ist, dass bei der anzustellenden Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse, wie sie sich aus dem Vortrag der Beteiligten sowie aus den vorgelegten Behördenakten ergeben, im Eilverfahren nicht ausräumbare Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Allgemeinverfügung bestehen.
62
aa) Die streitgegenständliche Allgemeinverfügung stützt sich auf § 2 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 3 AAV.
63
§ 2 Abs. 1 Satz 1 AAV gestattet zur Abwendung erheblicher wirtschaftlicher Schäden, im Interesse der Gesundheit des Menschen sowie aus Gründen der öffentlichen Sicherheit nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 abweichend von den artenschutzrechtlichen Verboten in § 44 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BNatSchG, Bibern in der Zeit vom 1. September bis 15. März nachzustellen, sie zu fangen und zu töten. § 2 Abs. 2 AAV regelt, dass Maßnahmen nach Abs. 1 Satz 1 erlaubt sind (1) an Kläranlagen, an Triebwerkskanälen von Wasserkraftanlagen sowie an gefährdeten Stau- und Hochwasserschutzanlagen wie Stauwehren, Deichen und Dämmen und (2) in den gemäß Abs. 3 festgesetzten Bereichen.
64
Nach § 2 Abs. 3 AAV soll die Kreisverwaltungsbehörde als untere Naturschutzbehörde erwerbswirtschaftlich genutzte Fischteichanlagen, Abschnitte von angelegten Be- und Entwässerungsgräben sowie Abschnitte von öffentlichen Straßen festsetzen, bei denen Maßnahmen nach Abs. 1 Satz 1 aus den dort genannten Gründen erforderlich sind. Dies setzt voraus, dass es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt und die Populationen des Bibers in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen.
65
Diese Regelung ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung ergibt sich aus § 45 Abs. 7 Satz 4 BNatSchG. Weder § 2 Abs. 3 AAV noch § 45 Abs. 7 Satz 4 BNatSchG stehen in Widerspruch zu Unionsrecht, da auch die Vorschrift des Art. 16 FFH-Richtlinie den Erlass einer Allgemeinverfügung nicht ausschließt. Art. 16 FFH-Richtlinie ist als Ausnahmeregelung zwar eng auszulegen (vgl. EuGH, U.v. 14.6.2007 – C-342/05 – Slg. 2007, I-4713 Rn. 25) und erlaubt nicht die Herausnahme einer ganzen Art aus dem Schutzregime der FFH-Richtlinie (vgl. EuGH, U.v. 12.7.2007 – C-507/04 – Slg. 2007, I-5939 Rn. 90). Die Regelung in § 2 Abs. 3 AAV lässt jedoch nur die Festlegung von einzelnen Gebietsabschnitten zu, in denen Maßnahmen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AAV zulässig sind. Es ist gerade keine flächendeckende Ausnahme vom Verbot der Tötung von Bibern zugelassen. Ob die konkrete Gebietsfestsetzung nach § 2 Abs. 3 AAV diesen Vorgaben entspricht, ist im jeweiligen Einzelfall zu überprüfen.
66
Entsprechend der Vorgaben in § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG und Art. 16 FFH-Richtlinie – an denen die Ausnahmeverordnung zu messen ist, da sie dazu dient, Einzelverwaltungsakte zu ersetzen, die ihrerseits als Ausnahmen § 45 Abs. 7 Satz 1 und Satz 2 BNatSchG unterfallen – knüpft die Ausnahmeverordnung die Möglichkeit einer Allgemeinverfügung daran, dass es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt und die Populationen des Bibers in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilt (§ 2 Abs. 3 Satz 2 AAV). Die AAV greift damit die Terminologie der FFH-Richtlinie auf. Eine anderweitige zufriedenstellende Lösung ist dann gegeben, wenn die durch den Biber verursachten Schäden oder Gefahren auch auf andere Art und Weise vermieden werden können. In dieser Formulierung kommt zum Ausdruck, dass dann, wenn Präventivmaßnahmen möglich sind, diesen Vorrang vor dem Abschuss und Abfang der Tiere zukommt. Die Tötung der Biber darf lediglich als ultima ratio in Betracht gezogen werden (vgl. VG Augsburg, B.v. 13.2.2013 – Au 2 S 13.143 – juris Rn. 29). Somit steht diese Regelung in Einklang mit Art. 16 FFH-Richtlinie, der im Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art oder positiver Folgen für die Umwelt Ausnahmen von den strengen Regelungen des Artenschutzes nach Art. 12, 13, 14 und 15 FFH-Richtlinie zulässt, sofern es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt und die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen.
67
bb) Die Allgemeinverfügung ist formell rechtmäßig ergangen. Insbesondere wurden die Mitwirkungsrechte des Antragstellers nach § 63 Abs. 2 Nr. 4b BNatSchG gewahrt.
68
(1) Nach § 63 Abs. 2 Nr. 4b BNatSchG ist einer nach § 3 UmwRG von einem Land anerkannten Naturschutzvereinigung, die nach ihrer Satzung landesweit tätig ist, vor der Zulassung einer Ausnahme nach § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG durch Rechtsverordnung oder Allgemeinverfügung Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Einsicht in die einschlägigen Sachverständigengutachten zu geben. Nach § 63 Abs. 4 BNatSchG können die Länder bestimmen, dass in Fällen, in denen Auswirkungen auf Natur und Landschaft nicht oder nur in geringfügigem Umfang zu erwarten sind, von einer Mitwirkung abgesehen werden kann. Von dieser Öffnungsklausel hat der Bayerische Gesetzgeber in Art. 45 BayNatSchG Gebrauch gemacht. Dort ist – in Übereinstimmung mit der Formulierung in § 63 Abs. 4 BNatSchG – bestimmt, dass für den Fall, dass keine oder nur geringfügige Auswirkungen auf Natur und Landschaft zu erwarten sind, von einer Mitwirkung anerkannter Naturschutzvereinigungen nach § 63 Abs. 2 BNatSchG abgesehen werden kann. Wird von einer Mitwirkung abgesehen, ist dies zu begründen. Das Mitwirkungsrecht nach § 63 Abs. 2 Nr. 4b BNatSchG stellt ein qualifiziertes Anhörungsrecht dar. Um hiervon sachgerechten Gebrauch machen zu können, bedarf es in erster Linie einer Information über das mitwirkungspflichtige Vorhaben und sämtliche sich mit ihm verbindenden Aspekte (z.B. Art, Lage, Umfang), über das der zu beteiligende Verein individuell und gesondert zu unterrichten ist (vgl. Landmann/Rohmer UmweltR/Gellermann, 106. EL Januar 2025, BNatSchG, § 63 Rn. 36).
69
Dem Antragsteller wurde mit E-Mail vom 22. November 2024 Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 16. Dezember 2024 gegeben. Beigefügt war ein Anschreiben, in dem die Nachholung der Verbändebeteiligung und das beabsichtigte Vorhaben erläutert wurde, sowie die Allgemeinverfügung vom 2. September 2024 mit den zugehörigen Lageplänen. Mit diesen Unterlagen wurde der Antragsteller in die Lage versetzt, qualifiziert von seinem Anhörungsrecht Gebrauch zu machen. So hat er sich in seiner Stellungnahme vom 13. Dezember 2024 umfassend zum Vorhaben geäußert. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Antragsteller bereits aufgrund des vorangegangenen gerichtlichen Verfahrens gegen die Allgemeinverfügung vom 2. September 2024 Einsicht in die Behördenakte genommen hatte und seine Einwendungen gegen die Allgemeinverfügung vorgetragen hat. Der Antragsgegner hat im Rahmen des Erlasses der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung die Einwendungen des Antragstellers auch zur Kenntnis genommen und in der Begründung bewertet. Den Anforderungen des § 63 Abs. 1 und Abs. 2 BNatSchG wurde somit Rechnung getragen. Aus der Tatsache, dass der Antragsgegner dennoch eine nahezu inhaltsgleiche Allgemeinverfügung erlassen hat, kann nicht auf ein fehlerhaft durchgeführtes Anhörungsverfahren geschlossen werden, solange er die Einwendungen zur Kenntnis genommen und gewürdigt hat. Zudem hat der Antragsgegner davon abgesehen, eine Regelung zugunsten erwerbswirtschaftlich genutzter Fischteichanlagen zu treffen. Da nach Erlass der Allgemeinverfügung vom 2. September 2024 keine weiteren fachlichen Stellungnahmen erstellt wurden, gab es auch keine weiteren Unterlagen, die dem Antragsteller hätten zugeleitet werden können.
70
(2) Die Allgemeinverfügung ist voraussichtlich auch ausreichend begründet, Art. 39 BayVwVfG.
71
Art. 39 BayVwVfG regelt nur die formelle Begründungspflicht, d.h. die verfahrensrechtlich korrekte Wiedergabe der für die Entscheidung der Behörde maßgeblichen Gründe. Hingegen ist ohne Bedeutung, ob die Begründung Überlegungen enthält, die den Verwaltungsakt rechtlich tragen können und ob die Begründung zutreffend ist. Indem die Behörde die Gründe für ihre Entscheidung dokumentiert, ermöglicht sie den durch sie Betroffenen die Nachprüfung als notwendige Voraussetzung für die Wahrung und Durchsetzung effektiven Rechtsschutzes (vgl. Schoch/Schneider/Schuler-Harms, 6. EL November 2024, VwVfG § 39 Rn. 5 – beck-online).
72
Der Antragsgegner hat in der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung dargelegt, auf welche Rechtsgrundlage er seine Anordnung stützt und welche Erwägungen ihn zum Erlass der einzelnen Regelungen der Allgemeinverfügung bewogen haben. Auch hat er sich mit den Einwendungen der beteiligten Verbände auseinandergesetzt und die wesentlichen Gesichtspunkte seiner Entscheidung erläutert. Soweit der Antragsteller das Fehlen von Ausführungen zum Umfang des 30 m Abstands, zum landkreisweiten Geltungsbereich und der Frage eines atypischen Ausnahmefalls bzw. von Ermessenserwägungen nach § 45 Abs. 7 BNatSchG, geltend macht, führt dies nicht zu einem (formellen) Begründungsmangel. Dies ist vielmehr im Rahmen der Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit der Entscheidung zu werten. Das Fehlen einer vollständigen Begründung kann allerdings ein Indiz dafür sein, dass der Behörde ein Ermessensfehler unterlaufen ist.
73
cc) Die Allgemeinverfügung ist jedoch materiell rechtswidrig. Sie verstößt zum einen gegen das in Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG geregelte Bestimmtheitsgebot (1). Weiterhin liegen die Tatbestandsvoraussetzungen für die unter Ziffer III. Nr. 1 und 2 festgesetzten Bereiche nicht vor (2). Auch wurde das Ermessen fehlerhaft ausgeübt (3).
74
(1) Unter Ziffer III. der Allgemeinverfügung ist geregelt, dass an Bundes-, Staats- und Kreisstraßen im Landkreis . im Abstand von 30 m zum Fahrbahnrand und an Abschnitten von Schienenanlagen im Abstand von 30 m zum Gleisbett gestattet ist, Bibern in der Zeit vom 1. September bis 15. März nachzustellen, sie zu fangen und zu töten. Ausgenommen hiervon sind Bereiche in Naturschutzgebieten nach § 23 BNatSchG, FFH-Gebieten und europäischen Vogelschutzgebieten gemäß der bayerischen Natura 2000-Verordnung. Bezüglich des Bereichs, auf den sich die artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung hinsichtlich der Bundes-, Staats- und Kreisstraßen und Schienenanlagen bezieht bzw. welche Bereiche von der Allgemeinverfügung ausgenommen sind, wird auf die in Anlage 1 enthaltene Karte verwiesen, die im Amtsblatt auf zwei DIN A4 Seiten aufgeteilt und nicht maßstabgetreu ist. Auf diesen Kartenausschnitten sind die Landkreisgrenzen, die Bundesautobahn, Bundesstraßen, Staatsstraßen, Kreisstraßen, Bahnlinie, FFH-Gebiete und Naturschutzgebiete farblich markiert. Mitumfasst auf den Kartenausschnitt ist auch der Bereich der . Stadt K. im, auf deren Gebiet die Bundesautobahn, Bundes-, Staats- und Kreisstraßen sowie die Schienenanlagen ebenfalls farblich gekennzeichnet sind.
75
Nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein, d.h. die im Bescheid getroffene Regelung muss für die Beteiligten – gegebenenfalls nach Auslegung – eindeutig zu erkennen und einer unterschiedlichen subjektiven Bewertung nicht zugänglich sein. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls, wobei Unklarheiten zu Lasten der Behörde gehen.
76
Auf der der Allgemeinverfügung beigefügten Karte, die den räumlichen Umgriff des nach § 2 Abs. 3 AAV von der Kreisverwaltungsbehörde festgesetzten Geltungsbereichs der artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung darstellen soll, ist nicht eindeutig zu erkennen, wo in welchen Bereichen die Zugriffe gestattet werden. Insbesondere wird die Darstellung nicht den Anforderungen der Richtlinien zum Bibermanagement des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 25. November 2020 (Az. 67d-U8644.31-2018/16-17) gerecht, in denen unter Ziffer 2.3.2.3 ausgeführt wird, dass die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. mit § 2 Abs. 3 AAV festgesetzten Bereiche kartographisch hinreichend bestimmt auf Lageplänen im Maßstab 1:5 000 festzulegen sind. Diese Richtlinien entfalten zwar keine unmittelbare Rechtswirkung nach außen, sie dienen der Verwaltung jedoch als Leitfaden für die Umsetzung des Biberschutzes und geben Anhaltspunkte dafür, welche Anforderungen an eine genaue Gebietsausweisung zu stellen sind.
77
Es ist auf den der Allgemeinverfügung beigefügten Kartenausschnitten weder erkennbar, wo der 30 m Abstand vom Fahrbahnrand bzw. zu den Schienenanlagen verläuft, noch sind die genauen Grenzen der Bereiche, die von der Allgemeinverfügung ausgenommen sind (Naturschutzgebiete nach § 23 BNatSchG, FFH-Gebiete und europäische Vogelschutzgebiete gemäß der Bayerischen Natura 2000-Verordnung) auszumachen – dies gilt insbesondere in den Bereichen, in denen die Bundes-, Staats- und Kreisstraßen sowie Schienenanlagen in der Nähe der von der Anordnung ausgenommenen Gebiete verlaufen. Nach Ziffer III. 2 der Allgemeinverfügung ist „an Abschnitten von Schienenanlagen im Abstand von 30 m zum Gleisbett (siehe Anlage 1)“ erlaubt, Bibern nachzustellen, sie zu fangen und zu töten. Anhand der abgedruckten Karte ist nicht nachvollziehbar, welche „Abschnitte von Schienenanlagen“ betroffen sind. Angesichts der ungenauen Darstellung der von der Allgemeinverfügung umfassten Gebiete ist für den Adressatenkreis nicht eindeutig erkennbar, in welchem Bereich die Allgemeinverfügung Geltung beansprucht. Darüber hinaus verlaufen auf der kartographischen Darstellung die als betroffene Straßen und Schienenanlagen markierten Bereiche auch über das Gebiet der . Stadt K. . Somit wird der Eindruck erweckt, dass die Allgemeinverfügung auch für diesen Bereich gilt, obwohl sich der Zuständigkeitsbereich des Landkreises . nicht auf das Stadtgebiet der . Stadt K. erstreckt. Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht aus dem Vorbringen des Antragsgegners, dass sich die Allgemeinverfügung ausschließlich an Jägerinnen und Jäger im Landkreis . richtet. Diese mögen zwar allgemein mit den örtlichen Gegebenheiten des Landkreises vertraut sein. Welche Abschnitte von Schienenanlagen erfasst werden, wo der 30 m Abstand verläuft und wo die konkreten Grenzen der von der Allgemeinverfügung ausgenommenen Schutzgebiete nahe der betroffenen Straßen und Schienenanlagen im 30-Meter-Umkreis liegen, können jedoch nicht als offensichtlich bekannt vorausgesetzt werden.
78
(2) Auch liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 3 AAV nach summarischer Prüfung weder hinsichtlich der unter Ziffer III. Nr. 1 festgesetzten Straßen noch für die in Ziffer III. Nr. 2 genannten Schienenbereiche vor.
79
(a) Die in Ziffer III.1 getroffene Regelung, nach der die Ausnahmeregelung an Bundes-, Staats- und Kreisstraßen im Landkreis . im Abstand von 30 Metern zum Fahrbahnrand – ausgenommen Bereiche in Naturschutzgebieten nach § 23 BNatSchG, FFH-Gebieten und europäischen Vogelschutzgebieten gemäß der Bayerischen Natura 2000-Verordnung – gelten soll, ist bereits tatbestandlich nicht von der Rechtsgrundlage in § 2 Abs. 3 Satz 1 AAV gedeckt. Diese sieht lediglich die Festsetzung einzelner Abschnitte von öffentlichen Straßen vor, an denen das Nachstellen, Fangen und Töten von Bibern erlaubt werden kann. Eine Regelung, die sämtliche Bundes-, Staats- und Kreisstraßen des ganzen Landkreises umfasst, überschreitet den räumlichen Anwendungsbereich von § 2 Abs. 3 Satz 1 AAV. Daran ändert auch der Einwand nichts, es werde jeweils lediglich ein 30 mBereich erfasst. Dieser weitreichende räumliche Anwendungsbereich kehrt das in § 2 Abs. 3 Satz 1 AAV normierte Regel-Ausnahme-Verhältnis um, da die artenschutzrechtliche Ausnahmeregelung nach § 2 Abs. 1 AAV an sämtlichen Bundes-, Staats- und Kreisstraßen des Landkreises gelten soll.
80
(b) Auch für die in Ziffer III. 2 festgesetzten Abschnitte von Schienenanlagen kann § 2 Abs. 3 AAV nicht als Rechtsgrundlage herangezogen werden.
81
Nach § 2 Abs. 3 AAV soll die Kreisverwaltungsbehörde als untere Naturschutzbehörde erwerbswirtschaftlich genutzte Fischteichanlagen, Abschnitte von angelegten Be- und Entwässerungsgräben sowie Abschnitte von öffentlichen Straßen festsetzen, bei denen zur Abwendung erheblicher wirtschaftlicher Schäden, im Interesse der Gesundheit des Menschen sowie aus Gründen der öffentlichen Sicherheit es erlaubt ist, Bibern in der Zeit vom 1. September bis 15. März nachzustellen, sie zu fangen und zu töten. Schienenanlagen werden nicht als möglicher Bereich einer Gebietsfestsetzung nach § 2 Abs. 3 AAV genannt. Soweit der Antragsgegner darauf abstellt, dass das Schienennetz als wesentlicher Bestandteil des Verkehrsnetzes nicht in die Allgemeinverfügung (gemeint wohl: Ausnahmeverordnung) aufgenommen wurde und dies eine planwidrige Regelungslücke darstelle, die durch die analoge Anwendung zu schließen sei, so trägt diese Erwägung die Möglichkeit einer analogen Anwendung nicht.
82
Eine analoge Anwendung kommt in den Fällen in Betracht, die nicht vom Wortlaut einer Rechtsnorm gedeckt sind, aber nach Sinn und Zweck der Norm erfasst sein sollten. Dadurch wird der Anwendungsbereich einer Norm erweitert und eine Form der Rechtsfortbildung geschaffen. Neben der Voraussetzung einer planwidrigen gesetzgeberischen Lücke und einer vergleichbaren Interessenlage ist jedoch, dass eine Vorschrift überhaupt analogiefähig ist. So gilt der Grundsatz, dass Ausnahmevorschriften generell nicht analogiefähig sind, da eine Ausnahmevorschrift eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers für eine Abweichung vom Regelfall darstellt. Da die im Wege der Rechtsverordnung eingeführten allgemeinen Ausnahmen zusammen mit den in § 45 Abs. 7 Satz 1 und 2 BNatSchG und Art. 16 FFH-Richtlinie getroffenen Regelungen gesehen werden müssen vgl. (Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 45, Rn. 38), die eine enge Auslegung der normierten Ausnahmen gebieten, ist eine Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 2 Abs. 3 AAV im Wege der Analogie durch die Kreisverwaltungsbehörde auszuschließen.
83
(c) § 2 Abs. 3 Satz 2 AAV verlangt darüber hinaus, dass es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung für die zu bewältigende Situation gibt und die Populationen des Bibers in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilt. § 2 Abs. 3 Satz 2 AAV greift insoweit die Terminologie des Art. 16 Abs. 1 FFH-Richtlinie auf, so dass die hierzu entwickelten Grundsätze herangezogen werden können.
84
Eine anderweitige zufriedenstellende Lösung ist dann gegeben, wenn die durch den Biber verursachten Schäden oder Gefahren auch auf andere Art und Weise vermieden werden können. In dieser Formulierung kommt zum Ausdruck, dass dann, wenn Präventivmaßnahmen möglich sind, diesen Vorrang vor dem Abschuss und Abfang der Tiere zukommt. Die Tötung der Biber darf lediglich als ultima ratio in Betracht gezogen werden.
85
Der Antragsgegner hat für die Gesamtheit der festgesetzten Bereiche nicht in ausreichender Weise dargelegt, warum an sämtlichen Bundes-, Staats- und Kreisstraßen sowie Schienenanlagen im Landkreis ... im Abstand von 30 Metern zum Fahrbahnrand keine der möglichen Präventivmaßnahmen zu einem Erfolg geführt hat bzw. führen wird. In der Begründung wird lediglich pauschal darauf verwiesen, dass bauliche Sicherungsmaßnahmen wie der Einbau von Drahtgittern in den Straßendamm, das Anbringen von Schutzplanken und die fortlaufende Entfernung der Biberdämme in keinem zumutbaren Verhältnis stünden. Die genannten Maßnahmen seien sehr kostenaufwändig und personal- und zeitintensiv. Fang und Umsiedlung scheide aufgrund fehlender freier Biberlebensräume aus, Vergrämungsmaßnahmen seien ohne nachhaltigen Erfolg geblieben. Warum an allen überörtlichen Straßen- und Schienenanlagen im Landkreis keine anderweitige zufriedenstellende Lösung möglich ist, ist weder der Behördenakte zu entnehmen noch in der Begründung der Allgemeinverfügung dargelegt.
86
Auch die Stellungnahme der Deutschen Bahn vom 22. Januar 2025, die vom Antragsgegner für die Notwendigkeit der Anordnung an den Schienenanlagen herangezogen wird, ist hierfür nicht geeignet. In der Stellungnahme wird ausgeführt, es bestehe das Bewusstsein, dass das Biberproblem langfristig nur mit einer Koexistenz gelöst werden könne, weswegen überall dort, wo es möglich sei, Biberschutzgitter errichtet und Gräben verlegt werden. Warum dieses von der Deutschen Bahn selbst vorgetragene Vorgehen an allen Schienenstrecken im Landkreis ausscheidet, ist vom Antragsgegner nicht dargelegt worden. Zudem begründet die Deutsche Bahn ihr Einverständnis mit der getroffenen Regelung mit der Notwendigkeit schnellen Handelns, das durch die Einholung einer Ausnahmegenehmigung verzögert werde. Der Behördenakte ist jedoch zu entnehmen, dass in dringlichen Fällen die beantragte Ausnahmegenehmigung binnen eines Tages erteilt werden konnte.
87
Hinsichtlich der Anordnung bezüglich sämtlicher überörtlicher Straßen im Landkreis hat der Antragsgegner ebenfalls nicht dargelegt, dass an keiner der betroffenen Straßen eine anderweitige zufriedenstellende Lösung möglich ist. Auch den Stellungnahmen in der Behördenakte ist dies nicht zu entnehmen. Es ist bereits nicht erkennbar, dass mildere Mittel umfassend geprüft wurden. Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass im gesamten Bereich der betroffenen Straßen alternative Lösungsmöglichkeiten, wie Böschungssicherungen mit Gittern, Schutzplanken oder Entfernung von Biberdämmen nicht möglich bzw. unverhältnismäßig sind und daher flächendeckend zum letzten Mittel (Nachstellen, Fang und Tötung von Bibern) gegriffen werden muss. Vielmehr wird seitens der Kreistiefbauverwaltung auf die Notwendigkeit – und Möglichkeit – von Schutzplanken verwiesen. Warum die Errichtung einer Schutzplanke eine unzumutbare Maßnahme darstellt, ist nicht nachvollziehbar. Nur ergänzend wird noch darauf hingewiesen, dass in der vom Antragsgegner herangezogenen Bachelor-Arbeit ein sogenanntes Ampelsystem für Biberreviere ausgewiesen ist (Karte A.5, Behördenakte Bl. 1217), dem zu entnehmen ist, dass lediglich ein kleiner Teil als sogenanntes Konfliktrevier mit der Priorität eines Zugriffs (rote Markierung) bewertet wurde. Warum der Antragsgegner dennoch für sämtliche Biberreviere an allen überörtlichen Straßen von einem nur durch Nachstellen, Fang und Töten zu bewältigenden Konflikt ausgeht, erschließt sich nicht.
88
(d) Die Festsetzung von Ausnahmebereichen im Rahmen von § 2 Abs. 3 Satz 1 AAV setzt ferner voraus, dass die Population des Bibers trotz der Ausnahmeregelung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilt. Ob dies angesichts der Größe des räumlichen Umgriffs der Ausnahmegenehmigung gegeben ist, ist nach summarischer Prüfung nicht nachgewiesen. Es ist schon fraglich, ob der Antragsgegner von einer aktuellen Datengrundlage ausgegangen ist. Er bezieht sich hinsichtlich der Zuwachsrate der Biberpopulation in Bayern auf eine – in der Behördenakte nicht enthaltene – Stellungnahme „. , 2019“ sowie auf eine Bestandserhebung im Rahmen einer Bachelor-Arbeit auf der Datengrundlage aus dem Jahr 2019. Ob ein sechs Jahre alter Datenbestand eine ausreichende Grundlage für die vorzunehmende Prognoseentscheidung darstellt, mag bezweifelt werden. Angesichts der Reichweite der Ausnahmegenehmigung hätte es jedoch einer konkreten Bewertung der möglichen Abschlusszahlen und dessen Auswirkungen auf die Gesamtpopulation im Landkreis bedurft. Dies gilt umso mehr, als in der Allgemeinverfügung keine zahlenmäßige Begrenzung der Abschüsse vorgesehen ist. Vorliegend hätte es einer fundierten Ermittlung bedurft, welche Anzahl von Abschüssen sich auf den Erhaltungszustand der örtlichen Population negativ auswirkt. Eine solche fehlt jedoch.
89
(3) Weiterhin ist derzeit von einem Ermessensdefizit auszugehen.
90
Auch wenn § 2 Abs. 3 AAV als Soll-Vorschrift ausgestaltet ist und damit bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 AAV das „Ob“ einer Regelung den Regelfall darstellt, so ist im Einzelfall dennoch eine Ermessensentscheidung hinsichtlich des räumlichen Geltungsbereichs und der zeitlichen Geltungsdauer zu treffen. Erwägungen zu der Tatsache, dass die Ausnahmegenehmigung auf den gesamten Landkreis erstreckt wird, zur Geltungsdauer bis März 2027 und der Auswahl eines 30 m Bereichs zur jeweiligen Fahrbahn und den Schienenanlagen fehlen jedoch.
91
dd) Da die Rechtsgrundlage des § 2 Abs. 3 AAV im Lichte der Tatbestandsvoraussetzungen in § 45 Abs. 7 Satz 1 und 2 BNatSchG und Art. 16 FFH-Richtlinie getroffenen Regelungen gesehen werden muss bzw. deren Voraussetzungen hinsichtlich der Alternativenprüfung und des Erhaltungszustands der Population deckungsgleich sind, und diese Voraussetzungen wie bereits ausgeführt nicht gegeben sind, kommt es auf die Frage, ob die Regelung hinsichtlich der Schienenanlagen ergänzend auf § 45 Abs. 7 BNatSchG gestützt werden könnte, nicht mehr entscheidungserheblich an.
92
d) Da die Klage des Antragstellers gegen die Allgemeinverfügung vom 11. Februar 2025 somit voraussichtlich erfolgreich sein wird, fällt die vom Gericht anzustellende Interessenabwägung zugunsten des Antragstellers aus. Denn ist der Rechtsbehelf in der Hauptsache erfolgreich, d.h. zulässig und begründet, so ist dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in der Regel stattzugeben. Da die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage es nicht ausschließt, in Fällen akuter Gefahrensituationen auf den konkreten Fall bezogene Einzelentscheidungen zu treffen und diese dann gegebenenfalls auch für sofort vollziehbar zu erklären, ist von einem Überwiegen der Interessen des Antragstellers auszugehen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat der Antragsgegner die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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4. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2015.