Inhalt

OLG Bamberg, Beschluss v. 01.09.2025 – 2 WF 104/25 e
Titel:

Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit im Ordnungsmittelverfahren

Normenketten:
RVG § 23 Abs. 2, Abs. 3 S. 2, § 25 Abs. 1 Nr. 3, § 33 Abs. 1
FamFG § 86 Abs. 1, § 89 Abs. 1
ZPO § 888, § 890
Leitsätze:
1. Der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit in einem erstinstanzlichen Ordnungsgeldverfahren wegen Verstoßes gegen eine Umgangsregelung richtet sich nach § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG. Er entspricht dem Wert, den die zu erwirkende Handlung, Duldung oder Unterlassung für den Gläubiger hat und damit in der Regel dem Wert der Hauptsache. (Rn. 6)
2. Eine Beschränkung des Wertes auf einen Bruchteil des Wertes der Hauptsache aufgrund des gegenüber dem Hauptsacheverfahren geringeren Interesses an einer Vollstreckung hat nicht zu erfolgen, da dieses bereits in den geringeren Gebühren nach Nr. 3309 bis 3312 VV-RVG berücksichtigt ist. (Rn. 7)
3. Vorstehendes gilt auch für ein Beschwerdeverfahren gegen die zurückweisende Entscheidung über einen Ordnungsmittelantrag. (Rn. 9)
4. Führt aber der Schuldner Beschwerde gegen das gegen ihn festgesetzte Ordnungsgeld bestimmt sich die Geschäftsgebühr für die anwaltliche Tätigkeit im Beschwerdeverfahren sowohl auf Seiten des Schuldners als auch des Gläubigers nach § 23 Abs. 2, 3 S. 2 RVG nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Interesses des Beschwerdeführers. Maßgeblich ist hier die Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes. (Rn. 8 – 11)
Schlagworte:
Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit im Ordnungsmittelverfahren, Ordnungsgeld, Gegenstandswert, Umgangsregelung, Verfahrenswert, Gegenstandswertfestsetzung, Beschwerdeverfahren, Hauptsache, anwaltliche Tätigkeit, Ermessen
Vorinstanz:
AG Aschaffenburg vom -- – 5 F 873/24
Fundstelle:
BeckRS 2025, 23303

Tenor

1. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit der Antragsgegnervertreterin für das Beschwerdeverfahren wird auf 100,00 € festgesetzt.
2. Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.
1
Gegenstand des Verfahrens ist die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – Aschaffenburg vom 22.05.2025, mit welchem gegen sie ein Ordnungsgeld in Höhe von 100,00 € wegen eines Verstoßes gegen eine Umgangsregelung gemäß Beschluss vom 21.01.2025 festgesetzt wurde. Im Beschwerdeverfahren erging sodann ein Beschluss vom 04.07.2025, mit dem der Beschluss vom 22.05.2025 aufgehoben wurde bei Kostentragungspflicht der Antragstellerin für das Beschwerdeverfahren.
2
Mit Schriftsatz vom 08.07.2025 hat die Antragsgegnervertreterin beantragt,
den Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens für die anwaltliche Tätigkeit gemäß § 33 RVG auf 1.333,00 € festzusetzen. Zur Begründung führt sie an, das Amtsgericht habe erstinstanzlich den Verfahrenswert für das Vollstreckungsverfahren ebenfalls in dieser Höhe festgesetzt.
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Die Antragstellerin hat sich der Festsetzung des Gegenstandswerts in dieser Höhe mit Schriftsatz vom 11.08.2025 widersetzt.
II.
4
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit der Antragsgegnervertreterin im Beschwerdeverfahren ist gemäß § 23 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 RVG auf 100,00 € festzusetzen.
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1. Der Antrag gemäß § 33 Abs. 1 RVG ist statthaft, nachdem die Kostenvorschriften nach dem FamGKG für das Vollstreckungsverfahren keinen gerichtlich zu bestimmenden Verfahrenswert vorsehen. Sowohl im erstinstanzlichen Verfahren (Nr. 1600 bis 1603 KV-FamGKG) wie auch im Beschwerdeverfahren (Nr. 1910 bis 1912 KV-FamGKG) werden insoweit lediglich wertunabhängig Festgebühren festgesetzt. Hinsichtlich der Höhe des Gegenstandswertes gilt Folgendes:
6
a) Die Vollstreckung eines Vollstreckungstitels nach § 86 Abs. 1 FamFG in einer Umgangssache richtet sich nach § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG. Hierunter fällt auch das gemäß § 89 Abs. 1 FamFG zu vollstreckende Ordnungsgeld bei Zuwiderhandlungen gegen eine Regelung des Umgangs. Der Gegenstandswert entspricht dem Wert, den die zu erwirkende Handlung, Duldung oder Unterlassung für den Gläubiger hat. Dieser entspricht in der Regel dem Wert der Hauptsache (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss v. 16.01.2025, Az. 6 WF 164/24; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 26. Aufl., § 25 Rn. 36, 39; Ahlmann-Rech, RVG, 11. Aufl., § 25 Rn. 25; Toussaint-Toussaint, RVG, 55. Aufl., § 25 Rn. 28).
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Bei der Schätzung ist die Höhe des im Rahmen der §§ 888, 890 ZPO bzw. (hier) § 89 Abs. 1 FamFG beantragten bzw. festgesetzten Ordnungsgeldes unerheblich. Dieses ist lediglich für die anschließende Vollstreckung des Ordnungsmittels maßgeblich (§ 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG). Daher bestimmt sich auch im Ordnungsgeldverfahren der Wert nach dem Wert des Hauptanspruchs (vgl. Mayer/Kroiss-Gierl, RVG, 9. Aufl., § 25 Rn. 23). Eine Beschränkung des Wertes auf einen Bruchteil des Wertes der Hauptsache aufgrund des gegenüber dem Hauptsacheverfahren geringeren Interesses an einer Vollstreckung hat nicht zu erfolgen, da dieses bereits in den geringeren Gebühren nach Nr. 3309 bis 3312 VV-RVG berücksichtigt ist (vgl. NK-GK/Sabine Hoppe, RVG, 3. Aufl. 2021, § 25 Rn. 17). Die über die Sanktionierung vergangener Verstöße zu erwirkende Handlung besteht in Umgangssachen in der zukünftigen Gewährung des Umgangs (vgl. auch Schneider, NZFam 2021, S. 893). Dieses Ziel ist nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung des § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG zu bewerten, ohne dass wie beispielsweise in § 25 Abs. 2 RVG dem erkennenden Gericht ein Ermessen eingeräumt ist. In Umgangssachen bestimmt sich der Gegenstandswert der erstinstanzlichen anwaltlichen Tätigkeit im Verfahren auf Festsetzung eines Ordnungsmittels gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG daher regelmäßig entsprechend dem gerichtlichen Verfahrenswert nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG.
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b) Der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit in Vollstreckungssachen betreffenden Rechtsmittelverfahren ist hingegen in § 25 RVG nicht unmittelbar geregelt, sondern der allgemeinen Vorschrift des § 23 Abs. 2 RVG zu entnehmen (vgl. BGH, Beschluss v. 02.05.2024, Az. I ZB 32/23; Mayer/Kroiss-Gierl, RVG, 9. Aufl., § 25 Rn. 23). Nach § 23 Abs. 2 Satz 1 RVG ist in Beschwerdeverfahren, in denen Gerichtsgebühren unabhängig vom Ausgang des Verfahrens nicht erhoben werden oder sich nicht nach dem Wert richten, der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit unter Berücksichtigung des Interesses des Beschwerdeführers nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zu bestimmen. Nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG ist der Gegenstandswert, soweit er nicht feststeht, nach billigem Ermessen zu bestimmen.
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Im Unterschied zum erstinstanzlichen Vollstreckungsverfahren nach § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG ist somit nicht mehr das Interesse des Vollstreckungsgläubigers an der Durchsetzung des Titels für den Gegenstandswert maßgeblich, sondern das Interesse des Beschwerdeführers an der Abänderung der ihn belastenden Entscheidung. Daher ist in Bezug auf den Vollstreckungsgläubiger im Falle einer den Ordnungsmittelantrag zurückweisenden Entscheidung auch im Beschwerdeverfahren sein Erfüllungsinteresse maßgebend, womit für diesen Fall im Ergebnis ein Gleichlauf zwischen § 23 Abs. 2 RVG und § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG besteht.
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Im Rahmen der Beschwerde des Vollstreckungsschuldners gegen die Verhängung eines Ordnungsgeldes besteht sein Interesse hingegen an der Beseitigung der Beschwer durch das Ordnungsgeld, so dass sich sein Interesse nach dessen Höhe bestimmt (OLG Frankfurt a. M., Beschluss v. 01.06.2023, Az. 26 W 1/23; Schneider, NZFam 2021, S. 893; Mayer/Kroiss-Gierl, RVG, 9. Aufl., § 25 Rn. 23; Toussaint-Toussaint, RVG, 55. Aufl., § 25 Rn. 28). Dieses gilt auch für den Gebührenwert der anwaltlichen Tätigkeit des Vollstreckungsgläubigers und Beschwerdegegners, da sich dieser nach dem klaren Wortlaut des § 23 Abs. 2 Satz 1 RVG ebenfalls nach dem Interesse des Beschwerdeführers bestimmt (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss v. 11.10.2024, Az. 20 WF 83/24).
11
c) Maßgeblich für den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit im durch die Antragstellerin und Vollstreckungsschuldnerin geführten Beschwerdeverfahren ist somit die Höhe des gegen die Antragstellerin durch das Amtsgericht mit Beschluss vom 22.05.2025 verhängten Ordnungsgeldes in Höhe von 100,00 €.
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d) Soweit das Amtsgericht erstinstanzlich den Gegenstandswert lediglich mit 1/3 des Hauptsachewertes nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG bewertet hat, ist dem Beschwerdegericht im Rahmen des Antragsverfahrens nach § 33 RVG anders als in Fällen des § 55 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FamGKG eine Abänderung von Amts wegen nicht möglich (vgl. Toussaint-Toussaint, a.a.O., § 33 Rn. 20).
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2. Das Festsetzungsverfahren ist gemäß § 33 Abs. 9 RVG kostenfrei.