Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 10.09.2025 – Verg 6/25 e
Titel:

Antragsgegner, Zuschlagskriterien, Vergabeverfahren, Vergabeunterlagen, Dienstleistungen, Nachprüfungsverfahren, Entscheidungen der Vergabekammer, Verfahren vor der Vergabekammer, Bauleistungen, Leistungsverzeichnis, Nachprüfungsantrag, Gesamtvergabe, Sofortige Beschwerde, Losaufteilung, Antragsbefugnis, Entscheidung des Oberlandesgerichts, Beschlüsse, Kostenentscheidung, OLG Düsseldorf, Öffentlicher Auftraggeber

Schlagworte:
Vergabeverfahren, Losaufteilung, Bauauftrag vs. Lieferauftrag, Schwellenwertberechnung, Zuschlagskriterien, Nachprüfungsantrag, Funktionszusammenhang
Vorinstanz:
Vergabekammer Ansbach, Beschluss vom 16.04.2025 – RMF-SG21-3194-10-7
Fundstelle:
BeckRS 2025, 23261

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer Nordbayern vom 16. April 2025, Az. RMF-SG21-3194-10-7 in den Ziffern 1. und 2. aufgehoben.
II. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Auftrag bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht nur nach vorheriger Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union und nach Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens nach den Vorschriften des 4. Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu vergeben.
III. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich des Verfahrens nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin.
Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer wird für notwendig erklärt.
IV. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 65.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragsgegnerin schrieb am 16. Januar 2025 die als „Baumaßnahme“ bezeichnete Beschaffung eines Parkleitsystems im Wege einer öffentlichen Ausschreibung nach Abschnitt 1 VOB/A national aus. Den Auftragswert schätzte die Antragsgegnerin zunächst auf 1.390.000,00 € (Stand 10. Oktober 2024). Das Leistungsverzeichnis enthält einen Titel „Tiefbau“ und einen Titel „Anzeigeelemente und Steuerung“. Nach der „Baubeschreibung“ dient das Parkleitsystem, in das neun Parkplätze und zwei Parkhäuser eingebunden werden sollen, dazu, die Parksuchverkehre auf dem Straßenring aus übergeordneten Straßen um die Altstadt zu bündeln. An sieben der Parkierungsanlagen seien Detektionssysteme zur Erfassung der Belegung zu installieren.
2
Zuschlagskriterien waren neben dem Preis (70%) das Konzept (20%) und der Energieverbrauch (10%). Eine losweise Vergabe war nicht vorgesehen. Ablauf der Angebotsfrist war der 20. Februar 2025.
3
Das (Datenerfassungs-)Konzept wird – nach den Vergabeunterlagen – mit maximal 20 (von insgesamt 100) Punkten bewertet und zwar auf Basis der Einschätzung der Auftraggeberin, wie hoch die Langzeitgenauigkeit (Abweichungen bei der Anzahl freier Stellplätze) ist und wie hoch der gegebenenfalls erforderliche Aufwand zur Nachkalibrierung des Ergebnisses ist. Aus den Hinweisen zum Bewertungsvorgehen ergibt sich, dass Angebote nur dann zuschlagsfähig sind, wenn bei diesem Kriterium eine Mindestpunktzahl von 10 Punkten erreicht wird.
4
Die Antragstellerin, ein Unternehmen, das Elektro-Verlegesysteme vertreibt und montiert, rügte am 17. Februar 2025, sie sehe sich durch die Gestaltung der Vergabeunterlagen daran gehindert, sich an dem Vergabeverfahren zu beteiligen, sowie am 19. Februar 2025, es hätte eine europaweite Ausschreibung erfolgen müssen.
5
Nachdem der Rüge vom 17. Februar 2025 nicht abgeholfen worden war, hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 20. Februar 2025 einen Nachprüfungsantrag gestellt und gerügt, die von der Antragsgegnerin gestalteten Vergabeunterlagen verletzten sie in ihren Rechten gemäß § 97 Abs. 6 GWB, weil gegen das Gebot der europaweiten Ausschreibung und der losweisen Vergabe verstoßen werde. Der Nachprüfungsantrag sei zulässig. Maßgeblich sei der Schwellenwert für Liefer- und Dienstleistungen, weil der Hauptgegenstand des Auftrags bei der Beschilderung, der Software, der Zentrale und der Pflege des Parkleitsystems liege. Die Bauleistung, das Erstellen der Fundamente, stelle demgegenüber den geringeren Leistungsanteil dar. Die im Titel 01 des Leistungsverzeichnisses aufgeführten Tiefbauarbeiten hätten als eigenes Fachlos ausgeschrieben werden müssen. Das Zuschlagskriterium 2 (Datenerfassungskonzept) und das Zuschlagskriterium 3 (Energieverbrauch) seien vergaberechtswidrig.
6
Die Antragstellerin hat beantragt,
1.
die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Vergabe sowie die Vergabeunterlagen gemäß den gesetzlichen Vorgaben durchzuführen und zu erstellen,
2.
festzustellen, dass die Antragstellerin durch das vergaberechtswidrige Verhalten der Antragsgegnerin in ihren Rechten verletzt wird.
7
Die Antragsgegnerin ist der Argumentation der Antragstellerin entgegengetreten und hat sämtliche im Nachprüfungsverfahren vorgebrachten Punkte zurückgewiesen. Der Schwerpunkt des Auftrags liege bei den erforderlichen Bauleistungen, ohne die das Parkleitsystem nicht betrieben werden könne. In der aktuellen Kostenberechnung vom 7. Januar 2025 (bepreistes Leistungsverzeichnis) gehe sie von einem Nettogesamtauftragswert von 908.737,55 € aus, davon entfielen 378.487,55 € netto auf den Titel 01 „Tiefbau“. Im Schriftsatz vom 2. April 2025 hat sie eine detailliertere Aufstellung vorgenommen, nach der sich der Wert der in beiden Titeln des Leistungsverzeichnisses enthaltenen Bauleistungen auf insgesamt 448.587,55 € netto beläuft.
8
Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag mit Beschluss vom 16. April 2025, der der Antragstellerin am 17. April 2025 zugestellt worden ist, abgelehnt. Der Nachprüfungsantrag sei unzulässig. Bei dem streitgegenständlichen Auftrag über die Errichtung eines Parkleitsystems handele es sich um einen Bauauftrag und der geschätzte Auftragswert von 908.737,55 € liege unter dem für Bauaufträge geltenden Schwellenwert. Die vom Auftrag umfassten Bauleistungen seien im Rahmen einer Gesamtbetrachtung als Schwerpunkt und Hauptgegenstand des Auftrags anzusehen. Auch wenn dem bepreisten Leistungsverzeichnis zu entnehmen sei, dass die Kosten für die Bauleistungen nicht den überwiegenden Anteil ausmachten, so liege der Wertanteil jedenfalls deutlich über 25%. Daher könne allein anhand des Wertanteils der Bauleistungen nicht direkt auf eine bloße Nebenleistung geschlossen werden. Der Wertanteil der Bauleistungen mache nach dem bepreisten Leistungsverzeichnis mit ca. 42% und nach den Ausführungen der Vergabestelle im Schriftsatz vom 2. April 2025 mit ca. 49% fast die Hälfte der Gesamtkosten aus. Bei der Ermittlung des Hauptgegenstands seien insbesondere der Umfang und die Bedeutung der Bauleistungen zu berücksichtigen. Die Bauleistungen stellten vorliegend einen prägenden Teil des Auftrags dar und seien nicht nur von untergeordneter Bedeutung. Sie umfassten das Herstellen von Fundamenten der Schilderstandorte, das Herstellen von Kabelgräben zum Verlegen von Energieanschlusskabeln, das Wiederherstellen der Oberflächen, den Rückbau von bestehenden Schilderstandorten, die erforderlichen Tiefbauleistungen im Rahmen der Herstellung der Detektionssysteme an den Parkierungsanlagen sowie die erforderliche Verkehrssicherung zur Durchführung dieser Arbeiten. Die Bauleistungen, insbesondere die Herstellung der Fundamente und die Tiefbauarbeiten für den Energieanschluss, seien wesentlich, ohne sie könne das Parkleitsystem nicht errichtet werden. Den Ausführungen der Antragstellerin zur funktionalen Betrachtungsweise, wonach die Masten für sich genommen ohne die Schilder und die darauf laufende Software keinerlei Funktion hätten, könne entgegengehalten werden, dass auch die Schilderelemente und die Software ohne Masten, Fundamente und Energieanschluss für die Vergabestelle keinerlei Funktion hätten. Der Sachverhalt, der der Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig (Beschluss vom 28. März 2024, 54 Verg 9/23) zugrunde gelegen habe, sei mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar.
9
Dagegen richtet sich die am 28. April 2025 eingegangene sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihr bisheriges Vorbringen vertieft und insbesondere rügt, durch die Entscheidung sei ihr die Chance auf Beteiligung am Vergabeverfahren ohne den Einsatz von Unterauftragnehmern genommen. Die Vergabekammer habe ihren Nachprüfungsantrag zu Unrecht als unzulässig angesehen. Bei dem streitgegenständlichen Auftrag handele es sich nicht um einen Bauauftrag, da der Hauptgegenstand der Leistung auf der Liefer- und Dienstleistung liege. Die Argumentation der Vergabekammer, warum die Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig (Az.: 54 Verg 9/23) nicht einschlägig sein solle, überzeuge nicht. Auch die Antragsgegnerin wolle Detektionssysteme installieren, die Echtzeitdaten liefern sollten, weil ein Parkleitsystem anders gar nicht zu betreiben sei. Sensoren, also Detektionssysteme, seien nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig keine bauliche Anlage. Bei der von der Antragsgegnerin zu vergebenden Leistung betrage der Bauanteil nach dem bepreisten Leistungsverzeichnis 378.487,55 € netto und der Liefer- und Dienstleistungsanteil 530.250,00 € netto. Der Wert der Bauleistung liege damit noch weit unter 50%. Selbst wenn, wie die Vergabekammer behaupte, der Wert der Bauleistung annähernd 49% betrüge – was bestritten werde –, wäre das Vergabeverfahren dennoch nicht als Bauleistung einzustufen, da der Hauptgegenstand der Leistung auf der Liefer- und Dienstleistung liege. Das von der Antragsgegnerin gewünschte Parkleitsystem könne nur über die 43 elektronischen dynamischen Anzeigetafeln und das damit verbundene Detektionssystem ermöglicht werden. Ein zwingender Funktionszusammenhang zwischen der Erstellung der Fundamente und dem Aufbau und der Installation eines Parkleitsystems bestehe nicht. Aus der Leistungsbeschreibung ergebe sich, dass nicht für alle dynamischen Schilderstandorte noch Kabelgräben und Leerrohre eingezogen werden müssten, denn es seien insgesamt 900 m Kabel ausgeschrieben, aber nur 200 m Rohrverlegung. Kabelgräben und Leerrohre könnten zudem auch anderweitig verwendet werden. Dass keine Bauleistung vorliege, zeige sich an dem von der Antragsgegnerin festgelegten Zuschlagskriterium des Energieverbrauchs, der nur für die dynamischen Tafeln, die Datenverarbeitung etc. von Bedeutung sei. Das Vergabeverfahren hätte europaweit ausgeschrieben werden müssen. Es sei zudem aus weiteren Gründen fehlerhaft. Insbesondere rechtfertigten die von der Antragsgegnerin in der Rügeerwiderung vorgetragenen Gründe eine Ausnahme vom Gebot der losweisen Vergabe gemäß § 97 Abs. 4 GWB nicht. Der Einwand der Antragsgegnerin, dass aufgrund der statischen Nachweise eine losweise Vergabe ausscheide, sei unzutreffend. Allein der Zusammenhang zwischen Leistungen, die ein Auftraggeber beschaffe, begründe noch keine Notwendigkeit der Gesamtvergabe.
10
Die Antragstellerin beantragt,
1.
den Beschluss der Vergabekammer Nordbayern vom 16. April 2025 (Az.: RMF-SG21-3194-10-7) aufzuheben,
2.
der Antragsgegnerin aufzugeben, das Parkleitsystem europaweit auszuschreiben,
3.
der Antragsgegnerin aufzugeben, die Tiefbauleistungen als eigenständiges Los zu vergeben und die Vergabeunterlagen rechtskonform zu erstellen,
11
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Anträge der Beschwerdeführerin abzuweisen.
12
Sie verteidigt die Entscheidung der Vergabekammer. Der Schwerpunkt liege im vorliegenden Fall bei den Bauleistungen, die das Anbringen der mitzuliefernden Anzeigetafeln und Detektionssysteme erst ermöglichten. Entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin seien sämtliche Fundamente und Kabelgräben neu zu bauen; Infrastruktur, auf die man zurückgreifen könnte (wie z. B. Fundamente, Leerrohre, Masten), seien nicht vorhanden. Deshalb seien diese Leistungen ebenso ausgeschrieben worden wie der Rückbau vorhandener, aber nicht mehr benötigter Schilderstandorte und die Wiederherstellung von Oberflächen etc. An den Standorten für dynamische Anzeigetafeln seien alle Kabel in neuen Kanälen im Erdreich zu verlegen, nur an den Querungen sei der Einbau von Leerrohren vorgesehen, in die die Kabel gezogen würden. Selbst wenn die Schätzung der Kostenanteile beider Komponenten des Auftrags in etwa gleich hoch sei, folge daraus nicht, dass die Entscheidung, eine baurechtliche Ausschreibung zu wählen, rechtswidrig gewesen sei. Das zu beschaffende Parkleitsystem werde mit seiner Installation Teil einer „Anlage“, nämlich der dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßen und (Park-)Plätze i. S. d. Art. 1 BayStrWG. Auf sie als Gesamtanlage bezögen sich ihre Straßenbaulast nach Art. 9 Abs. 1 BayStrWG und die Aufgaben als untere Straßenverkehrsbehörde (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung über Aufgaben der Großen Kreisstädte [GrKrV] i. V. m. Art. 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Zuständigkeiten im Verkehrswesen). Diese Gesamtanlage bestehe zum weit überwiegenden Teil aus Elementen, die den (vor allem Tief-) Bauleistungen zuzurechnen seien. Auch bei dieser Betrachtungsweise zeige sich, dass die Anzeigeelemente und Steuerung nur einen kleinen Teil der „Anlage“ darstellten. Die Antragstellerin habe im Übrigen keinen Anspruch auf Losaufteilung. Nachdem es den Bietern im vorliegenden Verfahren freigestellt worden sei, sich für ein einheitliches oder für verschiedene, situationsangepasste Detektionssysteme zu entscheiden, hätten die entsprechenden Bauleistungen mit in diese Ausschreibung aufgenommen werden müssen. Nur so könne entschieden werden, welches Angebot das wirtschaftlichste sei. Bei einer Aufteilung wäre es dagegen möglich, dass Anzeigeelemente und Steuerung (Titel 02 des Leistungsverzeichnisses) für sich genommen preisgünstig seien, aber so hohe Kosten bei den Tiefbauarbeiten mit sich brächten, dass in der Gesamtschau dem Auftraggeber eine unwirtschaftlichere Ausführung aufgezwungen würde.
13
Der Senat hat mit Beschluss vom 13. Mai 2025 die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde einstweilig und mit Beschluss vom 21. Mai 2025 bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde verlängert.
14
Ergänzend wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30. Juli 2025 Bezug genommen.
II.
15
1. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht nach § 172 Abs. 1 bis Abs. 3 GWB eingelegt und auch im Übrigen zulässig.
16
2. Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist zulässig und begründet.
17
a) Entgegen der Ansicht der Vergabekammer ist der Nachprüfungsantrag zulässig.
18
aa) Der Rechtsweg zu den Nachprüfungsinstanzen ist eröffnet. Die Antragsgegnerin hätte als öffentliche Auftraggeberin nach § 99 Nr. 1 GWB den Auftrag über die Beschaffung eines Parkleitsystems europaweit ausschreiben müssen, da es sich nicht um einen Bau-, sondern um einen Liefer- und Dienstleistungsauftrag handelte und die nach § 106 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GWB maßgeblichen Schwellenwerte dafür überschritten wurden.
19
Der Hauptgegenstand des Vertrags liegt trotz der nicht unerheblichen Bauleistung bei wertender Betrachtung bei den zu erbringenden Dienst- und Lieferleistungen. Der Auftraggeberin kam es – wie das Zuschlagskriterium „Konzept“ zeigt – entscheidend auf Lösungen zur Ermittlung freier Stellplätze an, die möglichst genaue Ergebnisse gewährleisten.
20
aa) Es handelt sich um einen öffentlichen Auftrag, der sowohl Bauleistungen als auch Liefer- und Dienstleistungen zum Gegenstand hat. Abzustellen ist somit nach § 110 Abs. 1 Satz 1 GWB auf den Hauptgegenstand des Auftrags.
21
Der Begriff des Bauauftrags nach § 103 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB umfasst alle Arbeiten, die für ein Bauwerk oder an einem solchen erbracht werden, mithin Bauleistungen an einem Bauwerk, die im Zusammenhang mit einer der in Anhang II der RL 2014/24/EU genannten Tätigkeiten stehen und einem Bauvorhaben gelten (vgl. BayObLG, Beschluss vom 26. April 2023, Verg 16/22, juris Rn. 29). Der streitgegenständliche Auftrag umfasst Erdbewegungsarbeiten (Ziffer 45.11 des genannten Anhangs), Straßenbaumaßnahmen (Ziffer 45.23), Tiefbaumaßnahmen (Ziffer 45.25) und die Installation von Kommunikationssystemen (Ziffer 45.31).
22
Daneben umfasst der Auftrag auch Elemente eines Liefer- und Dienstleistungsauftrags.
23
bb) Die Wertanteile haben bei der Ermittlung des Hauptgegenstands des Vertrags nur eine Orientierungs- und Kontrollfunktion, maßgeblich ist der anhand der rechtlichen und wirtschaftlichen Gesamtumstände zu ermittelnde Schwerpunkt des Vertrags. Dabei ist auf die wesentlichen, vorrangigen Verpflichtungen abzustellen, die den Auftrag als solche prägen, und nicht auf die Verpflichtungen bloß untergeordneter oder ergänzender Art, die zwingend aus dem eigentlichen Gegenstand des Vertrags folgen (vgl. EuGH, Urt. v. 26. Mai 2011, C-306/08, juris Rn. 90 f.; BayObLG, Beschluss vom 26. April 2023, Verg 16/22, juris Rn. 30 m. w. N.).
24
(1) Der Wert der Bauleistungen beträgt nach der Schätzung der Auftraggeberin im Schriftsatz vom 2. April 2025, der die Antragstellerin nicht substanziiert entgegentreten ist, fast die Hälfte des geschätzten Auftragswerts.
25
Eine vergleichbare Konstellation, in der der Wert der Bauleistungen etwa die Hälfte des Auftragsvolumens ausmacht, war – soweit ersichtlich – noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung der Vergabesenate. Insbesondere bei den Entscheidungen, denen ähnliche Liefer- und Dienstleistungen zugrunde lagen, war das Wertverhältnis nicht vergleichbar. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat einen Auftrag zur Errichtung eines digitalen Alarmierungssystems für die nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr nicht als Bau-, sondern als Liefer- bzw. Dienstauftrag qualifiziert (Beschluss vom 16. Oktober 2019, Verg 66/18, NZBau 2020, 184 Rn. 25 ff. [juris Rn. 33 ff.]) und zur Begründung insbesondere ausgeführt, Schwerpunkt des Auftrags und dessen prägender Teil sei die Bereitstellung eines flächendeckenden digitalen Funk-Netzes. Die hierfür erforderliche Infrastruktur an Alarmierungstechnik umfasse die Lieferung der benötigten Hard- und Software, die nahezu 40% des Auftragswerts ausmache. Demgegenüber machten die Bauleistungen und die Dienstleistungen wertmäßig nur jeweils einen Anteil von 10% am Gesamtauftragswert aus. Die vom Auftragnehmer zu erbringenden Montageleistungen mit ihren geringfügigen Eingriffen in die Bausubstanz sowie die Elektroleistungen stellten nur Nebenleistungen dar, die lediglich zum Funktionieren des digitalen Funk-Netzes beitrügen und bloß untergeordnete Bedeutung hätten. Der Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig (Beschl. v. 28. März 2024, 54 Verg 9/23), das die Auftragswertschätzung als nicht nachvollziehbar angesehen hat (juris Rn. 51), lassen sich keine Angaben zum Wertverhältnis entnehmen.
26
Ein Vorrang zugunsten einer Einordnung als öffentlicher Bauauftrag ergibt sich nach der Kommentarliteratur auch dann nicht, wenn der Wert der Bauleistungen – wie hier – über 40% des Auftragsvolumens ausmacht (vgl. Jahn in Summa/Schneevogl, jurisPK-Vergaberecht, 7. Aufl. 2024, GWB § 110 Rn. 10; Mohr in Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2022, GWB § 110 Rn. 9-11.) Feste Wertgrenzen existieren nicht (Ruhland in BeckOK VergabeR, 36. Ed., Stand: 1. Februar 2023, GWB § 110 Rn. 9). Es kommt vielmehr auf eine wertende qualitative und quantitative Gesamtschau der vertragsprägenden Verpflichtungen an (Hüttinger in Burgi/Dreher/Opitz, Beck‘scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, GWB § 110 Rn. 29).
27
(2) Der Senat folgt zwar der Ansicht der Vergabekammer, dass allein anhand des Wertanteils der Bauleistung nicht darauf geschlossen werden kann, sie stellten nur eine Nebenleistung dar. Dem von der Antragsgegnerin hervorgehobenen Umstand, dass alle Vorrichtungen zur Montage des Parkleitsystems neu zu erstellen sind, kommt keine entscheidende Bedeutung zu. Dadurch unterscheidet sich die vorliegende Fallkonstellation zwar von der, die der Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig (Beschluss vom 28. März 2024, 54 Verg 9/23) zugrunde lag. Trotz des hohen Anteils der Bauleistungen am Gesamtauftrag kann der Hauptgegenstand des Vertrags angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalls aber auf den Liefer- und Dienstleistungen liegen.
28
(3) So liegt es hier. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände liegt der Schwerpunkt des Vertrags hier bei den im Titel 02 des Leistungsverzeichnisses „Anzeigeelemente und Steuerung“ aufgeführten Leistungen, die das Parkleitsystem letztlich ausmachen. Die Konzeption und die Errichtung eines Parkleitsystems prägen den Vertrag, nicht die zur Errichtung des Parkleitsystems (auch) erforderlichen Bauleistungen.
29
(a) Die Parkplätze und Parkhäuser, die in das Parkleitsystem einbezogen werden sollen, bestehen bereits. Durch die Einrichtung eines Parkleitsystems ändert sich die Nutzung der Parkplätze und Parkhäuser, die im Abstellen von Fahrzeugen besteht, nicht. Zweck des ausgeschriebenen Auftrags ist es vielmehr, die Parkplatzsuchenden über freie Kapazitäten zu informieren und dadurch insbesondere in der Altstadt Verkehr zu vermeiden, der durch die Parkplatzsuche entsteht. Entscheidend ist dafür, dass die freien Parkplätze und der Weg dorthin zutreffend angezeigt werden.
30
(b) Die Bedeutung der Detektionsgenauigkeit für die Auftragserfüllung spiegelt sich auch im Bewertungskriterium „Konzept“ wider. Ist das vorgelegte Konzept nicht geeignet, die geforderte Detektionsgenauigkeit dauerhaft zu gewährleisten, und wird es deshalb mit 0 Punkten bewertet, ist das Angebot nicht zuschlagsfähig.
31
Nach den Hinweisen zum Vergabeverfahren ist in dem Datenerfassungskonzept darzustellen, welche Detektoren vorgesehen und an welchen Positionen (inkl. Ausrichtung) diese Detektoren montiert werden sollen. Zu den verwendeten Detektoren sind Datenblätter beizufügen, aus denen u. a. die Detektionsgenauigkeit und gegebenenfalls die Klassifizierungsgenauigkeit hervorgehen. Zusätzlich ist darzustellen, nach welchem Prinzip aus den Detektionsdaten die Belegung ermittelt wird, und wie die geforderte Langzeitgenauigkeit (Abweichung bei der Bestimmung freier Stellplätze je Parkierungsanlage: max. 5) sichergestellt werden soll. Zu diesem Zweck ist u. a. darzustellen, ob und wann eine Kalibrierung der Belegungserfassung erforderlich ist (regelmäßig oder anlassbezogen) und welche Arbeitsschritte hierfür durchgeführt werden müssen.
32
Die Detektionsgenauigkeit und der Aufwand zur Nachkalibrierung werden nach Hinweisen zum Bewertungsvorgehen mit 20, 15, 10 oder 0 Punkten bewertet. Es müssen mindestens 10 Punkte erreicht werden, um den Zuschlag erhalten zu können.
33
Die Antragsgegnerin hat mit dieser Feststellung zum Ausdruck gebracht, dass ein Angebot, das nicht zumindest „eingeschränkt geeignet“ ist, die geforderte Detektionsgenauigkeit dauerhaft zu gewährleisten, nicht ihren Bedürfnissen entspricht und bei der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots nicht berücksichtigt wird (vgl. zur Festlegung von Mindestpunktzahlen: EuGH, Urt. v. 20. September 2018, C-546/16, NZBau 2018, 685 Rn. 32 – Montte; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. März 2023, Verg 24/22, juris Rn. 39).
34
(c) Damit steht im Einklang, dass die Antragsgegnerin im Verfahren betont hat, es sei kein bestimmtes Detektionssystem vorgegeben worden, sondern die Auftragnehmer könnten sich für ein einheitliches oder für verschiedene situationsangepasste Detektionssysteme entscheiden. Die Anforderungen an ein Detektionssystem seien aufgrund der Lage und baulichen Gegebenheiten der Parkplätze und Parkhäuser unterschiedlich. Es habe außerdem die Notwendigkeit bestanden, nicht nur die Zahl der Fahrzeuge zu erfassen, sondern auch, ob es sich dabei um Wohnmobile handele. Man habe sich deshalb für eine funktionale Ausschreibung der Datenerfassungssysteme entschieden, um in den Angeboten eine möglichst optimale technische Lösung für die spezifischen Anforderungen im Gesamtsystem zu erhalten. Dies unterstreicht die Bedeutung des Datenerfassungskonzepts für den Gesamtauftrag.
35
(4) Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Funktionszusammenhangs (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Oktober 2019, Verg 66/18, juris Rn. 38; OLG Dresden, Beschluss vom 29. März 2012, Verg W 2/12 – Planetarium, juris Rn. 31 ff; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Dezember 2019, Verg 53/18 – Laborsterilisator, juris Rn. 38). Das Parkleitsystem ist für die Funktionsfähigkeit der bereits bestehenden Parkplätze und -häuser nicht erforderlich. Nicht gefolgt werden kann der Argumentation der Antragsgegnerin, das zu beschaffende Parkleitsystem werde mit seiner Installation Teil einer Anlage, nämlich der dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßen und (Park-)Plätze i. S. d. Art. 1 BayStrWG. Durch die Errichtung des Parkleitsystems ändert sich die Funktion der Parkplätze und -häuser nicht. Auf die Ausführungen unter (3) (a) wird Bezug genommen.
36
bb) Die Antragstellerin ist antragsbefugt, § 160 Abs. 2 GWB. Sie hat zwar kein Angebot abgegeben, aber ihr Interesse an dem ausgeschriebenen Auftrag dargetan.
37
(1) Das für die Antragsbefugnis erforderliche Interesse ist in einem solchen Fall zu bejahen, wenn der Bieter gerade durch die geltend gemachten Vergaberechtsverstöße an der Einreichung eines chancenreichen Angebots gehindert war. Es ist weder gerechtfertigt noch zumutbar, von einem Bieter die Einreichung eines Angebots zu verlangen, dessen Grundlagen der Bieter im Nachprüfungsverfahren als rechtswidrig bekämpft. Allerdings werden in diesem Fall höhere Anforderungen an die Darlegung des Interesses am Auftrag gestellt. Der Bieter muss einen „gewichtigen Vergaberechtsverstoß“ rügen und schlüssig vortragen, gerade durch den gerügten Vergaberechtsfehler an der Abgabe eines Angebots gehindert worden zu sein (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Oktober 2019, Verg 66/18, juris Rn. 42; Dicks/Schnabel in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, § 160 GWB Rn. 14 jeweils m. w. N.).
38
(2) Die Antragstellerin hat schlüssig vorgetragen, durch die unterbliebene Losaufteilung an der Abgabe eines Angebots gehindert worden zu sein, und damit einen „gewichtigen“ Vergabeverstoß gerügt (vgl. OLG Düsseldorf a. a. O. Rn. 43).
39
Gleiches gilt hinsichtlich ihrer Rügen, die Zuschlagskriterien 2 und 3 seien intransparent.
40
Ob ihr Vortrag im Übrigen den Anforderungen zur Darlegung ihrer Antragsbefugnis genügt, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Ihre Rüge, die Vergabeunterlagen entsprächen nicht den Anforderungen des § 7 EU Abs. 1 Nr. 7 VOB/A i. V. m. den Hinweisen für das Aufstellen der Leistungsbeschreibung in Abschnitt 0 der DIN 18329, hat die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren nicht weiterverfolgt. Hinsichtlich der Rüge, die Vergabeunterlagen seien intransparent, weil ihnen keiner der EVB-IT-Verträge beigefügt gewesen sei, erscheint die Antragsbefugnis zweifelhaft; diese Rüge greift jedenfalls nicht durch (s. u.).
41
c) Der Nachprüfungsantrag ist begründet. Die unterbliebene Fachlosbildung verstößt gegen § 97 Abs. 4 Satz 2 und 3 GWB und verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB.
42
aa) Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass für die Lieferung und Installation von Verkehrs- und Parkleitsystemen ein eigener Markt besteht. Für das Bestehen eines eigenen Markts spricht auch die Anforderung, eine Referenzliste bereits umgesetzter Parkleitsysteme vorzulegen (vgl. Hinweise zum Vergabeverfahren, Nachweis 11).
43
Ist aber eine Fachlosbildung möglich, weil für die Leistungen ein eigener Markt besteht, kommt eine Gesamtvergabe nur ausnahmsweise in Betracht.
44
bb) Der gesetzliche Regelfall ist die losweise Vergabe, sie ist grundsätzlich vorrangig. Der öffentliche Auftraggeber hat sich daher, wenn ihm eine Ausnahme von dem Grundsatz der losweisen Vergabe aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen im Sinne von § 97 Abs. 4 Satz 2 und 3 GWB erforderlich erscheint, mit dem Gebot einer Fachlosvergabe und den dagegensprechenden Gründen intensiv auseinanderzusetzen. Er hat eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Belange vorzunehmen, als deren Ergebnis die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden Gründe nicht nur anerkennenswert sein, sondern überwiegen müssen (OLG Rostock, Beschluss vom 10. Januar 2025, 17 Verg 4/24, juris Rn. 88; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. August 2024, Verg 6/24, juris Rn. 34; jeweils m. w. N.).
45
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 11 VgV, § 20 EU VOB-A sind die Gründe, aufgrund derer mehrere Teil- oder Fachlose zusammen vergeben wurden, im Vergabevermerk zu dokumentieren.
46
cc) Gemessen an diesen Grundsätzen genügen die von der Antragsgegnerin in Reaktion auf die Rüge der Antragstellerin vorgebrachten Erwägungen nicht.
47
(1) Aus welchen Gründen die Antragsgegnerin eine Losaufteilung nicht für erforderlich hielt, hat sie bis zur nationalen Bekanntmachung der Ausschreibung nicht dokumentiert.
48
In der vorgelegten Vergabedokumentation ist in Ziffer 1.17 unter der Überschrift „Losweise Vergabe“ „nein“ angekreuzt. Unter Ziffer 1.13 wird zur Begründung des Abweichens von der Fach- und Teillosvergabe auf eine „Anlage 1“ verwiesen. Eine vor der Bekanntmachung erstellte „Anlage 1“ wurde dem Senat jedoch weder zusammen mit der Dokumentation mit Schriftsatz vom 2. Juni 2025 noch auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung vorgelegt. Die dem Senat vorliegende Anlage 1, die die Antragsgegnerin mit ihrer ersten Stellungnahme vom 10. März 2025 im Verfahren vor der Vergabekammer übermittelt hat, ist die Antwort auf die Rüge der Antragstellerin vom 17. Februar 2025.
49
Ein Nachschieben von Gründen im Vergabeverfahren ist aus Gründen der Beschleunigung zwar zuzulassen, wenn keine Anhaltspunkte für eine Manipulation vorliegen und die Transparenz des Vergabeverfahrens gesichert ist (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011, X ZB 4/10, juris Rn. 73; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29. April 2022, 15 Verg 2/22, juris Rn. 65 – zu einer Gesamtvergabe).
50
Eine nachträgliche Heilung ist demnach möglich, wenn die Vergabestelle ihre Erwägungen im Laufe des Nachprüfungsverfahrens lediglich ergänzt und präzisiert (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. Juli 2024, Verg 2/24, juris Rn. 84).
51
Hier hat die Antragsgegnerin bis zur Bekanntmachung ihre wesentlichen Erwägungen zur Frage einer Losaufteilung oder Gesamtvergabe dagegen gar nicht dokumentiert, sondern sich erst zu den Rügen der Antragstellerin geäußert. Ein derartiges „Nachschieben“ nicht dokumentierter und auch nicht vorab vorgenommener Ermessens- bzw. Beurteilungserwägungen birgt die Gefahr, dass die Rechtfertigung der Entscheidung im Streitfall – bewusst oder unterbewusst – die Argumentation beeinflusst, mithin nicht mehr eine ergebnisoffene, sondern eine ergebnisorientierte Bewertung der Tatsachen erfolgt (vgl. OLG München, Beschluss vom 9. März 2018, Verg 10/17, juris Rn. 56).
52
Es fehlt somit an einer Grundlage, die Ausgangspunkt für die Überprüfung sein könnte, ob die Entscheidung der Vergabestelle auf vollständiger und zutreffender Sachverhaltsermittlung und nicht auf einer Fehlbeurteilung, namentlich auf Willkür, beruht (vgl. zum Prüfungsmaßstab: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. August 2024, Verg 6/24, juris Rn. 34).
53
(2) Die im Verfahren vorgetragenen Erwägungen rechtfertigen im Übrigen eine Gesamtvergabe nicht.
54
(a) Der aus einer Losvergabe resultierende Koordinierungsaufwand sowie die sich an Schnittstellen ergebenden Risiken sind als wirtschaftliche Aspekte in die Entscheidung einzubeziehen. Technische Gründe sind solche, die eine Integration aller Leistungsschritte in einer Hand zur Erreichung des vom Auftraggeber angestrebten Qualitätsniveaus notwendig machen. Allerdings können der mit einer Fachlosvergabe allgemein verbundene Ausschreibungs-, Prüfungs- und Koordinierungsaufwand sowie ein höherer Aufwand bei der Gewährleistung eine Gesamtvergabe für sich allein nicht rechtfertigen, weil es sich dabei um einen den Losvergaben immanenten und damit typischerweise verbundenen Mehraufwand handelt, der nach dem Zweck des Gesetzes grundsätzlich in Kauf zu nehmen ist (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29. April 2022, 15 Verg 2/22, juris Rn. 58).
55
(b) Dass die Losaufteilung zu einer Verzögerung von mehreren Monaten geführt hätte, vermag eine Gesamtvergabe allein nicht zu begründen. Zwar kann auch die Gefahr einer starken zeitlichen Verzögerung des Projekts einen wirtschaftlichen Grund im Sinne des § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB darstellen, aber nur in besonderen Fallkonstellationen wie beispielsweise der, die der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Beschluss vom 13. März 2020, Verg 10/20, juris Rn. 28) zugrunde lag. Dort bestand die für den Senat nachvollziehbare naheliegende Gefahr einer Zeitverzögerung von mehreren Jahren bei der Sanierung eines Teilstücks der A 44, an dem die Ausfahrt Unna-Ost liegt, über die ein großes Gewerbegebiet und Großzentren von DHL und Amazon an das Fernstraßennetz angeschlossen werden. Damit ist die vorliegende Konstellation nicht vergleichbar.
56
(c) Auch die Argumentation, die Losaufteilung wäre mit einem Kostenrisiko verbunden, erachtet der Senat nicht als durchgreifend.
57
Diese Begründung zielt nicht darauf ab, dass die Aufteilung in Fachlose unverhältnismäßige Kostennachteile mit sich bringen würde (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. Mai 2022, Verg 33/21, juris Rn. 100), sondern darauf, dass es für die Antragsgegnerin bei der Vergabe des Loses „Planung und Errichtung des Parkleitsystems“ noch nicht absehbar sei, welche Kosten für die dazu notwendigen Baumaßnahmen anfielen. Es ist schon zweifelhaft, ob solche Unwägbarkeiten überhaupt einen wirtschaftlichen Grund darstellen könnten, der die Gesamtvergabe i. S. d. § 97 Abs. 4 Satz 4 GWB erfordert. Dagegen spricht, dass die Losaufteilung auch zu Kostenvorteilen führen kann. Denn bei einer getrennten Vergabe kommt der für jeden Teilbereich günstigste Anbieter zum Zuge (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 10. Januar 2025, 17 Verg 4/24, juris Rn. 108). Dem Vorbringen der Antragsgegnerin lässt sich zudem weder entnehmen, in welcher Größenordnung sie Kostennachteile befürchtet, noch, welche Maßnahmen sie in den Blick genommen hat, um etwaige Unsicherheiten hinsichtlich der Gesamtkosten zu minimieren.
58
(d) Technische Gründe, die die Gesamtvergabe erfordern könnten, führt die Antragsgegnerin nicht an. Sie hat zwar ausgeführt, die Wahl der – funktional ausgeschriebenen – Detektionstechnologie habe maßgeblichen Einfluss darauf, welche Tiefbauarbeiten auf den auszustattenden Parkierungsanlagen erbracht werden müssten. In dem Datenerfassungskonzept ist jedoch darzustellen, welche Tiefbauarbeiten zur Umsetzung notwendig werden. Dazu sind Art und Umfang der erforderlichen Tiefbauarbeiten (z. B. Verlauf und Länge notwendiger Kabelgräben, Position von Detektionsstandorten und notwendigen Aufstellvorrichtungen) für die einzelnen Parkierungsanlagen zu beschreiben. Damit wird – ebenso wie bei einem nach Ansicht der Antragsgegnerin möglichen Einsatz eines Nachunternehmers – auch bei einer Losaufteilung sichergestellt, dass die Antragsgegnerin die für die Errichtung der Detektionsanlagen notwendigen Leistungen erhält und ihr Beschaffungsbedarf in der erforderlichen Qualität befriedigt wird.
59
d) Die weiteren Rügen der Antragstellerin greifen dagegen nicht durch.
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(1) Es steht einer transparenten und wettbewerbskonformen Auftragsvergabe regelmäßig nicht entgegen, wenn der öffentliche Auftraggeber für die Erfüllung qualitativer Wertungskriterien Noten mit zugeordneten Punktwerten vergibt, ohne dass die Vergabeunterlagen weitere konkretisierende Angaben dazu enthalten, wovon die jeweils zu erreichende Punktzahl konkret abhängen soll (BGH, Beschluss vom 4. April 2017, X ZB 3/17, juris Rn. 39 und Leitsatz 1).
61
Deshalb greift die Rüge der Antragstellerin nicht durch, hinsichtlich des Zuschlagskriteriums 2 („Konzept“) sei nicht erkennbar, wie die höchste Punktzahl erreicht werde.
62
(2) Unbegründet ist die Rüge hinsichtlich des Zuschlagskriteriums 3 („Energieverbrauch“), das Kriterium sei nicht geeignet, die Leistung der Bieter vollständig zu beurteilen, da nur der Energieverbrauch für den Dauerbetrieb von einer LED-Anzeige für den Belegungsstatus bewertet werde, aber nicht der durch die Datenübermittlung verursachte Energieverbrauch. Diese Beschränkung auf Geräte, die unmittelbar Energie verbrauchen, steht im Einklang mit § 67 Abs. 3 VgV (vgl. Fandrey in Röwekamp/Kus/Marx/Portz/Prieß, VgV, 2. Aufl. 2022, § 67 Rn. 16).
63
(3) Fehl geht schließlich die Rüge, die Vergabeunterlagen seien intransparent, weil kein EVB-IT Vertrag beigefügt gewesen sei, der nach Ziffer 1.1 der Baubeschreibung nach Auftragsvergabe abgeschlossen werden solle.
64
Auf Seite 6 der Baubeschreibung wird ausgeführt, mit der Umsetzung des Parkleitsystems sei der Abschluss eines gesonderten Wartungs- und Instandhaltungsvertrags für die Instandhaltung und die Wartung der Systeme, sowie eines gesonderten Servicevertrags für den Betrieb des Systems auf Basis des entsprechenden EVB-IT-Mustervertrags verbunden. Die Anforderungen an diesen Vertrag seien in den Kapiteln 3.6 bis 3.10 beschrieben. Unter Ziffer 3.7 der Baubeschreibung (Betrieb des PLS) wird der „EVB-IT Servicevertrag“ erwähnt, der unter www.cio.bund.de abrufbar ist.
65
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich hinsichtlich des Verfahrens vor der Vergabekammer aus § 182 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 GWB. Für das Beschwerdeverfahren einschließlich des Verfahrens nach § 173 GWB folgt die Kostenentscheidung aus § 175 Abs. 2, § 71 GWB. Die Antragstellerin dringt zwar nicht mit allen Rügen durch, erreicht jedoch ihr Rechtsschutzziel einer europaweiten Ausschreibung unter Losaufteilung.
66
Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Antragstellerin für das Verfahren vor der Vergabekammer war angesichts der rechtlich schwierigen Fragen gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG für notwendig zu erklären.
67
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 50 Abs. 2 GKG.