Titel:
Gebühr VV RVG Nr. 4109 bei Vorführung gemäß § 230 Abs. 2 1. Alt. StPO
Normenketten:
StPO § 230 Abs. 2
RVG §§ 2 Abs. 2, 33, 56
RVG Anlage 1 (zu § 2 Absatz 2) Nrn. 4108, 4109
Leitsatz:
Die Gebühr mit Zuschlag nach VV RVG Nr. 4109 entsteht nicht, wenn der Angeklagte nach § 230 Abs. 2 1. Alt. StPO zum Hauptverhandlungstermin vorgeführt wird
Schlagworte:
Vorführbefehl, Terminsgebühr, Zuschlagsgebühr, Hauptverhandlung, Freiheitsstatus, Kostenfestsetzung, Verteidigervergütung
Vorinstanz:
AG Nürnberg, Beschluss vom 15.01.2025 – 402 Ds 804 Js 35464/23
Fundstelle:
BeckRS 2025, 23239
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Bezirksrevisorin bei dem Amtsgericht Nürnberg wird der Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 15. Januar 2025 aufgehoben.
2. Die Vergütungsfestsetzung des Amtsgerichts Nürnberg vom 4. Oktober 2024 wird dahin abgeändert, dass die dem Verteidiger aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung auf € 1.335,54 festgesetzt wird.
3. Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.
4. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
1
Unter dem 11. Oktober 2023 erhob die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth Anklage (Bl. 97-100). Mit Beschluss vom 29. Februar 2024 wurde dem Angeklagten ein Pflichtverteidiger bestellt (Bl. 109). Am 10. April 2025 wurde das Hauptverfahren eröffnet (Bl. 113). Am gleichen Tag wurde Termin zur Hauptverhandlung auf den 10. Juni 2024 bestimmt (Bl. 114-116), zu dem der Angeklagte am 16. April 2024 geladen wurde. Zum Termin der Hauptverhandlung erschien der Angeklagte unentschuldigt nicht. Die Hauptverhandlung wurde ausgesetzt und bestimmt, der Angeklagte sei zu einem neuen Termin vorzuführen (Bl. 123-124). Am 05. August 2024 wurde Termin zur Hauptverhandlung auf den 21. August 2024 bestimmt (Bl. 126-128). Am 06. August 2024 erging Vorführbefehl (Bl. 129-129 R). Der Angeklagte konnte ergriffen werden und wurde vorgeführt. Am 21. August 2024 wurde die Hauptverhandlung unterbrochen und Termin zur Fortsetzung auf den 02. September 2024 bestimmt (Bl. 148). Am 21. August 2024 erging neuerlicher Vorführbefehl (Bl. 149). Die Vorführung gelang. Am 02. September 2024 wurde der Angeklagte wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde (Bl. 157 mit 159 bis 164). Mit Schriftsatz vom 02. September 2024 stellte der Verteidiger einen Kostenfestsetzungsantrag, in dem u. a. Gebühren wie folgt geltend gemacht wurden:
- „Terminsgebühr mit Zuschlag (1 Tag) gem. 4109, 4108 VV RVG Hauptverhandlungstag vom 21.08.2024 nach Vorführung des Angeklagten 295 €“
- „Terminsgebühr mit Zuschlag (1 Tag) gem. 4109, 4108 VV RVG 295 €“
2
Die Kostenfestsetzung erfolgte am 4. Oktober 2024 antragsgemäß (Bl. 168). Mit Verfügung vom 11. Oktober 2024 legte die Bezirksrevisorin bei dem Amtsgericht Nürnberg hiergegen Erinnerung ein (Bl. 171-171R) und führte aus, die Terminsgebühren vom 21. August 2024 und 2. September 2024 seien ohne Zuschlag angefallen. Der Angeklagte sei weder inhaftiert noch untergebracht gewesen. Es habe nur ein „Vorführbefehl“ vorgelegen und kein „Vorführhaftbefehl“. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Erinnerung verwiesen. Die Kostenbeamtin regte unter dem 15. Oktober 2024 gegenüber dem Verteidiger die Rücknahme des Kostenfestsetzungsantrages mit der Begründung an, der Haftzuschlag sei nur dann zu gewähren, wenn der Mandant nicht auf freiem Fuß sei. Die Terminsgebühr sei lediglich in Höhe von € 242 angefallen (Bl. 175). Der Verteidiger nahm unter dem 16. Oktober 2024 Stellung und führte aus, die Gebühr 4108 VV RVG sei angefallen, da ein Vorführbefehl gemäß § 230 Abs. 2 StPO erlassen und zweimal vollstreckt worden sei. Mit Verfügung vom 29. Oktober 2024 legte die Kostenbeamtin die Erinnerung dem nach § 56 Abs. 1 Satz 1 RVG zuständigen Gericht vor (Bl. 176), welches mit Verfügung vom 14. November 2024 die Erinnerung dem Verteidiger zur Stellungnahme zuleitete (Bl. 176). Mit Beschluss vom 15. November 2024 wies das Amtsgericht Nürnberg die Erinnerung zurück (Bl. 177 bis 179). Wegen der Einzelheiten wird auf diesen Beschluss verwiesen, der der Bezirksrevisorin bei dem Amtsgericht Nürnberg formlos zugeleitet wurde (Bl. 180). Mit Verfügung vom 4. Februar 2025 legte die Bezirksrevisorin gegen diesen Beschluss Beschwerde ein (Bl. 182 bis 183). Wegen der Einzelheiten zur Begründung wird auf diese Verfügung verwiesen. Der Beschwerde wurde am 4. Februar 2025 nicht abgeholfen (Bl. 184 R) und sie wurde am 11. Februar 2025 durch die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth mit dem – ohne Begründung gestellten – Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, dem Landgericht Nürnberg-Fürth vorgelegt.
3
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Der Verteidiger hat keinen Anspruch auf die Gebühr VV RVG Nr. 4109, weil diese nicht entsteht, wenn der Angeklagte nach § 230 Abs. 2 1. Alt. StPO zum Hauptverhandlungstermin vorgeführt wird.
4
1. Die Beschwerde ist gemäß den §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt mit € 106 zwar nicht € 200 (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, hat die Beschwerde jedoch zugelassen (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG). Die Beschwerdefrist von 2 Wochen (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG) wurde nicht in Lauf gesetzt, da das Amtsgericht die angefochtene Entscheidung nicht zustellte. Die Beschwerdekammer entscheidet über die Beschwerde durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter (vgl. §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 1 RVG).
5
2. Die Beschwerde ist begründet.
6
Die Gebühr mit Zuschlag nach VV RVG Nr. 4109 entsteht nicht, wenn der Angeklagte nach § 230 Abs. 2 1. Alt. StPO zum Hauptverhandlungstermin vorgeführt wird.
7
a) Die Terminsgebühr je Hauptverhandlungstag in Verfahren im ersten Rechtszug vor dem Amtsgericht betrug nach Nr. 4108 VV RVG in der bis zum 31. Mai 2025 geltenden Fassung € 242, die Gebühr mit Zuschlag € 295 (Nr. 4109 VV RVG).
8
aa) Die Gebühr mit Zuschlag entsteht, wenn sich der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß befindet (Vorbemerkung Abs. 4 zu Teil 4 VV RVG).
9
(A) Die Erhöhung wird durch jede Art von persönlicher Unfreiheit ausgelöst (vgl. BeckOK RVG/Knaudt, 68. Ed. 1.6.2025, RVG VV 4109 Rn. 6). Es kann sich um Untersuchungs- oder Strafhaft, Haft nach § 230 Abs. 2 StPO, Sicherungsverwahrung, Unterbringung nach dem Psychische-Krankheitengesetz (PsychKG), Auslieferungs- oder Abschiebehaft oder Polizeigewahrsam handeln. Auch die Unterbringung nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 JGG oder nach § 72 Abs. 4 JGG i. V. m. § 71 Abs. 2 JGG zählen hierzu. Schließlich befindet sich auch der nach den §§ 127 Abs. 1, 127 b StPO vorläufig Festgenommene nicht auf freiem Fuß (vgl. Gerold/Schmidt/Burhoff, 26. Aufl. 2023, RVG VV Vorbemerkung 4 Rn. 49). Vertreten wird, auch derjenige befinde sich nicht auf freiem Fuß, gegen den ein Vorführungsbefehl nach § 230 StPO vollstreckt werde (vgl. Gerold/Schmidt/Burhoff, 26. Aufl. 2023, RVG VV Vorbemerkung 4 Rn. 49 m. w. N.; BeckOK RVG/Knaudt, 68. Ed. 1.6.2025, RVG VV Vorbemerkung 4 Rn. 62 – „Vorführbefehl“). Selbst eine vorläufige Festnahme mit alsbaldiger Freilassung des Mandanten reicht aus (vgl. Ahlmann/Kapischke/Pankatz/Rech/Schneider/Schütz/Kapischke, 11. Aufl. 2024, RVG VV VV Vorbemerkung 4 Rn. 89), z. B. die vorläufige Festnahme nach im Sinne des § 127 b Abs. 1 StPO, die einer am Folgetag durchgeführten Hauptverhandlung im beschleunigten Verfahren nach den §§ 417 ff. StPO dienen soll (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 29. Juni 2006 – 4 Ws 76/06). Ohne Belang ist, ob tatsächlich Erschwernisse entstanden sind (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 16. Juli 2008 – 1 Ws 306/08; KG Berlin, Beschluss vom 5. Dezember 2006 – 3 Ws 213/06; Gerold/Schmidt/Burhoff, 26. Aufl. 2023, RVG VV Vorbemerkung 4 Rn. 47 m. w. N.).
10
(B) Für das Entstehen der Gebühr mit Zuschlag ist es unerheblich, wann und wie lange der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß ist. Entscheidend ist, dass sich der Mandant zu irgendeinem Zeitpunkt während des fraglichen Hauptverhandlungstermins nicht auf freiem Fuß befand (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. Dezember 2010 – III-4 Ws 623/10; OLG Hamm, Beschluss vom 12. Februar 2008 – 4 Ws 541/07). Die Terminsgebühr entsteht mit Zuschlag auch, wenn ein Haftbefehl, z. B. ein Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 2. Alt. StPO, während der Hauptverhandlung aufgehoben wird. Entscheidend ist, dass der Mandant dann zumindest während eines Teils der Hauptverhandlung nicht auf freiem Fuß war (Gerold/Schmidt/Burhoff, 26. Aufl. 2023, RVG VV Vorbemerkung 4 Rn. 46 m. w. N.).
11
(C) Grund für Gebühr mit Zuschlag nach VV RVG Nr. 4109 ist es, dass dadurch die Anforderungen an den Rechtsanwalt, soweit sie durch die Haft oder Unterbringung des Mandanten bedingt sind, besser berücksichtigt werden können. Bei der Verteidigung eines Untersuchungshäftlings treten zu den allgemeinen Kommunikationserschwernissen spezifische Verrichtungen wie etwa Haftprüfungsanträge oder Haftbeschwerden sowie eine verstärkte psychologische Betreuung hinzu, die einen besonderen, durch die Pauschgebühr abzugeltenden Aufwand verursachen (vgl. Gerold/Schmidt/Burhoff, 26. Aufl. 2023, RVG VV Vorbemerkung 4 Rn. 45). Die Kontaktaufnahme ist in der Regel erschwert und mit einem erhöhten Zeitaufwand verbunden (vgl. Ahlmann/Kapischke/Pankatz/Rech/Schneider/Schütz/ Kapischke, 11. Aufl. 2024, RVG VV VV Vorbemerkung 4: Rn. 87), weil sich der Rechtsanwalt entgegen dem Geschäftsablauf im Normalfall zum Mandanten begeben muss, um mit ihm in persönlichen Kontakt treten zu können (vgl. BeckOK RVG/Knaudt, 68. Ed. 1.6.2025, RVG VV Vorbemerkung 4 Rn. 57).
12
bb) Ist das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt, so ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen, soweit dies zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist (§ 230 Abs. 2 StPO).
13
(A) Im Falle eines Vorführbefehls (§ 230 Abs. 2 1. Alt. StPO) gilt: Sobald der Angeklagte in der Verhandlung anwesend ist, wird der Vorführungsbefehl gegenstandslos (vgl. KK-StPO/Gmel/Peterson, 9. Aufl. 2023, StPO § 230 Rn. 11; MüKoStPO/Arnoldi, 2. Aufl. 2024, StPO § 230 Rn. 22; Becker in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage 2019, § 230 StPO, Rn. 31; Schmitt/Köhler/Schmitt, 68. Auflage 2025, § 230 StPO Rn. 20). Die Befugnis, den Angeklagten festzuhalten, bestimmt sich von diesem Zeitpunkt an nach § 231 Abs. 1 StPO (vgl. Becker in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage 2019, § 230 StPO, Rn. 31; MüKoStPO/Arnoldi, 2. Aufl. 2024, StPO § 230 Rn. 22; Julius/Barrot in: Gercke/Temming/Zöller, Strafprozessordnung, 7. Auflage 2023, § 230 StPO, Rn. 13).
14
(B) Ein Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 2. Alt. StPO wird hingegen grundsätzlich erst mit dem Ende der Hauptverhandlung – dann aber ohne dass es einer weiteren Entscheidung bedarf – gegenstandslos (vgl. MüKoStPO/Arnoldi, 2. Aufl. 2024, StPO § 230 Rn. 24; KK-StPO/Gmel/Peterson, 9. Aufl. 2023, StPO § 230 Rn. 14; BeckOK StPO/Gorf, 56. Ed. 1.7.2025, StPO § 230 Rn. 20; Julius/Barrot in: Gercke/Temming/Zöller, Strafprozessordnung, 7. Auflage 2023, § 230 StPO, Rn. 13; Becker in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage 2019, § 230 StPO, Rn. 37).
15
b) Unter Würdigung dieser Vorgaben hat der Verteidiger keinen Anspruch auf die (zweifache) Gebühr VV RVG Nr. 4109. Diese Gebühr entsteht nicht, wenn der Angeklagte nach § 230 Abs. 2 1. Alt. StPO zum Hauptverhandlungstermin vorgeführt wird.
16
aa) Der Angeklagte befand sich zwar zweifach nicht auf freiem Fuß. Gegen ihn waren am 6. August 2024 und 21. August 2024 Vorführbefehle ergangen, die jeweils zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt an diesen Tagen oder kurz zuvor vollstreckt wurden. Hernach wurde er – in polizeilichem Gewahrsam befindlich – zum Amtsgericht Nürnberg transportiert. Der Zeitpunkt der Vollstreckung der Vorführbefehle ist den Akten nicht zu entnehmen. Nach dem üblichen Ablauf, von dem mangels entgegenstehender Anhaltspunkte auszugehen ist, wurde der Angeklagte nach Ingewahrsamnahme entweder direkt vom Ort des Aufgriffs zum Amtsgericht Nürnberg transportiert und befand sich dort entweder unter Bewachung bis zum Beginn der Hauptverhandlung im Sitzungssaal oder aber in einer Vorführzelle. Sofern der Aufgriff zu einem früheren Zeitpunkt erfolgt wäre, hätte er sich zuvor in einem polizeilichen Haftraum befunden. In allen Varianten befand sich der Angeklagte nicht auf freiem Fuß.
17
bb) (A) Der Angeklagte befand sich allerdings nicht zu irgendeinem Zeitpunkt während der fraglichen Hauptverhandlungstermine nicht auf freiem Fuß. Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache (§ 243 Abs. 1 Satz 1 StPO). Die Vorführbefehle wurden – den obigen Vorgaben entsprechend – mit Beginn der jeweiligen Hauptverhandlungstermine durch Aufruf der Sache um 09:00 Uhr (21. August 2024) bzw. 13:02 Uhr (2. September 2024) gegenstandslos. Im Falle eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 2. Alt. StPO hingegen hätte sich der Angeklagte auch während der Hauptverhandlung nicht auf freiem Fuß befunden, weil dieser über deren Beginn mit Aufruf zur Sache (§ 243 Abs. 1 Satz 1 StPO) hinaus fortgewirkt hätte. Die Vorführbefehle allerdings hatten nach diesem Zeitpunkt ihre Wirkung verloren. Der Angeklagte befand sich hernach ‚auf freiem Fuß‘. Er durfte sich aus der Hauptverhandlung zwar nicht entfernen (§ 231 Abs. 1 Satz 1 StPO) und die Vorsitzende konnte die geeigneten Maßregeln treffen, um die Entfernung zu verhindern, und insbesondere den Angeklagten während einer Unterbrechung der Verhandlung in Gewahrsam halten lassen (§ 231 Abs. 1 Satz 2 StPO). Es kann dahinstehen, ob hierdurch die Gebühr Nr. 4109 VV RVG ausgelöst worden wäre, weil Anordnungen in diesem Sinne nicht getroffen wurden.
18
(B) Dass die Gebühr VV RVG Nr. 4109 nicht entsteht, wenn der Angeklagte nach § 230 Abs. 2 1. Alt. StPO zum Hauptverhandlungstermin vorgeführt wird, wird auch durch folgende Erwägungen bestätigt: In VV RVG Nr. 4109 heißt es „Gebühr 4108 mit Zuschlag“. VV RVG Nr. 4108 lautet: „Terminsgebühr je Hauptverhandlungstag in den in Nummer 4106 genannten Verfahren“. Dieser Wortlaut rechtfertigt die Annahme, dass der Mandant sich – wenngleich möglicherweise auch nur kurz – während der Hauptverhandlung nicht auf freiem Fuß befunden haben muss. Unabhängig von dem Umstand, dass ohne Belang ist, ob tatsächlich Erschwernisse entstanden sind, rechtfertigt der Sinn und Zweck der Gebühr VV RVG Nr. 4109 auch nicht die Erstreckung auf Fälle einer Vorführung zur Hauptverhandlung gemäß § 230 Abs. 2 1. Alt. StPO: Die oben bezeichneten spezifischen Verrichtungen wie etwa Haftprüfungsanträge oder Haftbeschwerden kommen hier nicht in Betracht. Die geschilderten bei einer Inhaftierung entstehenden Kommunikationsprobleme sind in diesem Fall nicht zu erwarten, weil der (polizeiliche) Gewahrsam nur von kurzer Dauer sein wird. Der Zeitpunkt der Vollstreckung des Vorführbefehls ist so zu wählen, dass der Angeklagte pünktlich zum neuen Verhandlungstermin vorgeführt werden kann. Er darf, da es sich um einen einschneidenden Eingriff in seine Freiheitsrechte handelt, zur Vorführung nicht früher in Gewahrsam genommen werden, als es zur Erreichung dieses Zwecks notwendig ist (vgl. Becker in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage 2019, § 230 StPO, Rn. 29). § 135 Satz 2 StPO ist entsprechend anwendbar (Becker in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage 2019, § 230 StPO, Rn. 29; MüKoStPO/Arnoldi, 2. Aufl. 2024, StPO § 230 Rn. 22). So ist nach der Lebenserfahrung zu erwarten, dass der Angeklagte frühestens am Abend vor den Hauptverhandlungsterminen, wahrscheinlicher erst am Morgen der Hauptverhandlungstermine in Gewahrsam genommen wurde. Die Erschwernis der Kontaktaufnahme zu dem Mandanten wäre angesichts dieses Umstandes nur von kurzer Dauer gewesen.
19
Die weitere Beschwerde war nicht zuzulassen, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 6 Satz 1 RVG).
20
Die Gebühren- und Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2, Satz 3 RVG.