Inhalt

VG München, Urteil v. 05.02.2025 – M 5 K 23.4964
Titel:

Dienstliche Beurteilung, Wesentliche Verschlechterung, Begründungserfordernis

Normenketten:
GG Art. 19 Abs. 4
GG Art. 20 Abs. 3
GG Art. 33 Abs. 2
LlbG Art. 54
LlbG Art. 59
BUBek-Pol/VS
Schlagworte:
Dienstliche Beurteilung, Wesentliche Verschlechterung, Begründungserfordernis
Fundstelle:
BeckRS 2025, 2320

Tenor

I. Die dienstliche Beurteilung des Klägers vom 1. Juni 2023 für den Beurteilungszeitraum vom 1. Juni 2020 bis 31. Mai 2023 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, den Kläger für den Beurteilungszeitraum vom 1. Juni 2020 bis 31. Mai 2023 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu beurteilen.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.  

Tatbestand

1
Der 1983 geborene Kläger steht als Beamter in Diensten des Beklagten und wendet sich gegen seine dienstliche Beurteilung. Er ist im Beurteilungszeitraum zum Polizeihauptmeister mit Amtszulage befördert worden (Besoldungsgruppe A 9 + AZ).
2
In der periodischen dienstlichen Beurteilung für den Beurteilungszeitraum vom 11. Juni 2020 bis 31. Mai 2023 erhielt der Kläger ein Gesamturteil von 10 Punkten. In den ergänzenden Bemerkungen der streitgegenständlichen Beurteilung wird ausgeführt: „Das Gesamturteil beruht auf einer wertenden Gesamtschau insbesondere der doppelt gewichteten Einzelmerkmale, ohne dass einem dieser Merkmale im Verhältnis zu den anderen ein überragendes Gewicht zugemessen wird. Der Beamte wurde im Beurteilungszeitraum befördert und im Vergleich mit den anderen Beamtinnen und Beamten seiner Besoldungsgruppe und der neuen Vergleichsgruppe bewertet. Der Beamte nimmt am Dienstsport regelmäßig teil. Der Beamte ist ausgebildeter Drogenmultiplikator und übt diese Funktion aus“
3
Ein Widerspruchsverfahren wurde – soweit nach Aktenlage und Vortrag der Beteiligten ersichtlich – nicht durchgeführt. Ein Überprüfungsverfahren wurde durchgeführt und mit dem Vermerk „Einverstanden“ auf der dienstlichen Beurteilung am 25. September 2023 abgeschlossen.
4
In der periodischen Beurteilung für den Beurteilungszeitraum 1. Juni 2017 bis 31. Mai 2020 erhielt der Kläger im Statusamt Polizeihauptmeister (Besoldungsgruppe A 9) im Gesamturteil 14 Punkte.
5
Eine Gegenüberstellung der Einzelmerkmale der aktuellen periodischen Beurteilung zur Vorbeurteilung ergibt folgendes Bild:

Einzelmerkmal

Punktwert Beurteilungszeitraum 1.6.2017 bis 31.5.2020

Punktwert Beurteilungszeitraum 1.6.2020 bis 31.5.2023

Arbeitsmenge

16

11

Arbeitsgüte

15

10

Eigeninitiative, Selbstständigkeit

15

11

Organisationsvermögen

14

9

Teamverhalten

14

10

Verhalten nach außen

13

9

Auffassungsgabe, Urteilsvermögen

14

9

geistige Beweglichkeit

14

10

Entschlusskraft, Entscheidungsfreude, Verantwortungsbereitschaf

14

9

Einsatzbereitschaft

16

11

Führungspotential

13

11

Fachkenntnisse

14

10

mündliche Ausdrucksfähigkeit

13

11

schriftliche Ausdrucksfähigkeit

13

10

Verhandlungsgeschick/Vernehmungsgeschick

16

12

6
Mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2023 hat der Kläger Klage erhoben und beantragt,
I.
7
Die Beurteilung des Klägers vom 1. Juni 2023 für den Beurteilungszeitraum 1. Juni 2020 bis 31. Mai 2023 wird aufgehoben.
II.
8
Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger für die Zeit vom 1. Juni 2020 bis 31. Mai 2023 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu beurteilen.
9
Es sei nicht plausibel, warum der Kläger gerade mit 10 Punkten beurteilt worden sei. Insbesondere erkläre eine Beförderung im Beurteilungszeitraum nicht eine Zurückstufung um vier Punkte gegenüber der Vorbeurteilung. Das ordnungsgemäße Beurteilungsverfahren werde bestritten. Außerdem sei unklar, welcher Maßstab der Beurteilung zugrunde liege.
10
Das Polizeipräsidium ... hat für den Beklagten beantragt,
11
die Klage abzuweisen.
12
Es läge bereits keine wesentliche Verschlechterung vor, da sich aus den Verwaltungsvorschriften ergebe, dass nach einer Beförderung im Beurteilungszeitraum – wie sie beim Kläger erfolgt sei – nicht von einer wesentlichen Verschlechterung auszugehen sei. Jedenfalls rechtfertige eine Beförderung eine Verschlechterung und in der Beurteilung sei in den ergänzenden Bemerkungen angeführt, dass der Kläger befördert worden sei und an einer anderen Vergleichsgruppe zu messen sei.
13
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten sowie das Protokoll vom 5. Februar 2025 verwiesen.

Entscheidungsgründe

14
Die zulässige Klage ist begründet.
15
Der Kläger hat einen Anspruch auf Aufhebung seiner periodischen Beurteilung vom 1. Juni 2023 für den Beurteilungszeitraum 1. Juni 2020 bis 31. Mai 2023 und Erstellung einer neuen periodischen Beurteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Die streitgegenständliche Beurteilung ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO analog, da einer dienstlichen Beurteilung keine Verwaltungsaktsqualität zukommt).
16
1. Dienstliche Beurteilungen sind ihrem Wesen nach persönlichkeitsbedingte Werturteile, die verwaltungsgerichtlich nur beschränkt überprüfbar sind (BVerwG, U.v. 13.5.1965 – II C 146.62 – BVerwGE 21, 127/129; U.v. 26.6.1980 – II C 8/78 – BVerwGE 60, 245 ständige Rechtsprechung). Nach dem erkennbaren Sinn der Regelung über die dienstliche Beurteilung soll nur der Dienstherr oder der für ihn handelnde Beurteiler ein persönliches Werturteil darüber abgeben, ob und inwiefern der Beamte den vom Dienstherrn zu bestimmenden, zahlreichen fachlichen und persönlichen Anforderungen des konkreten Amtes entspricht. Bei einem derartigen, dem Dienstherrn vorbehaltenden Akt wertender Erkenntnis steht diesem eine der gesetzlichen Regelung immanente Beurteilungsermächtigung zu. Demgegenüber hat sich die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle darauf zu beschränken, ob der Beurteiler den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, oder ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen hat, ist vom Gericht auch zu prüfen, ob die Richtlinien eingehalten sind und ob sie mit den gesetzlichen Regelungen über die dienstliche Beurteilung und auch sonst mit gesetzlichen Vorschriften in Einklang stehen (BVerwG, U.v. 15.12.2021 – 2 A 1/21 – juris Rn. 18 m.w.N.).
17
Zugrunde zu legen sind vorliegend die Art. 54 ff. des Gesetzes über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetz/LlbG), die Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 13. Juli 2009, VV-BeamtR, FMBl. S. 190, Abschnitt 3: Dienstliche Beurteilung – materielle Beurteilungsrichtlinien), in der Fassung der Änderung durch Bekanntmachung vom 19. Oktober 2017 (FMBl S. 510), sowie die Richtlinien für die dienstliche Beurteilung, Leistungsfeststellungen nach Art. 30 und 66 des Bayerischen Besoldungsgesetzes/BayBesG – i.V.m. Art. 62 LlbG für die Beamtinnen und Beamten der Bayerischen Polizei und des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz vom 12. Dezember 2017 (Beurteilungsbekanntmachung Polizei und Verfassungsschutz – BUBek-Pol/VS). Maßgebend ist, welches Beurteilungssystem und welche Regelungen zum Beurteilungsstichtag (hier: 31.5.2023) gegolten haben (vgl. BVerwG, U.v. 2.3.2000 – 2 C 7/99 – NVwZ-RR 2000, 621 unter Hinweis auf BVerwG, B.v. 14.2.1990 – 1 WB 181/88 – BVerwGE 86, 240).
18
2. Die Regelbeurteilung des Klägers vom 1. Juni 2023 ist rechtswidrig. Die Kammer ist der Auffassung, dass trotz Beförderung im Beurteilungszeitraum beim Kläger eine wesentliche Verschlechterung in einer Vielzahl von Einzelmerkmalen sowie des Gesamtprädikates gegenüber der vorangegangenen Regelbeurteilung vorliegt und die dienstliche Beurteilung keine (hinreichende) Begründung des Gesamturteils oder der Einzelmerkmale im Hinblick auf die wesentliche Verschlechterung enthält.
19
a) Die Pflicht zur Begründung einer Regelbeurteilung folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland – Grundgesetz/GG, Art. 3 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Bayern/BV), dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) sowie der Funktion der dienstlichen Beurteilung, als tragfähige Grundlage für eine an den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG, Art. 116 BV orientierte Auswahlentscheidung zu dienen.
20
Eine konkrete Begründung bereits in der Regelbeurteilung ist insbesondere dann geboten, wenn das Gesamturteil der aktuellen Regelbeurteilung wesentlich von dem Gesamturteil der vorhergehenden Regelbeurteilung abweicht (BVerwG, B.v. 21.12.2016 – 2 VR 1.16 – juris Rn. 33; U.v. 9.9.2021 – 2 A 3.20 – juris Rn. 35; VGH BW, B.v. 27.1.2021 – 4 S 2364/20 – juris Rn. 11). Nur auf diese Weise ist die Einhaltung gleicher Maßstäbe gewährleistet und kann das Gesamturteil nachvollzogen und einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden (BVerwG, U.v. 12.10.2023 – 2 A 7/22 – juris Rn. 34).
21
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat die Begründung des Gesamturteils schon in der dienstlichen Beurteilung selbst zu erfolgen (BVerwG, U.v. 7.10.2023 – 2 A 7/22 – BVerwGE 180, 292, juris Rn. 32). Sie ist materieller Bestandteil der dienstlichen Beurteilung selbst und kann nicht erst im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden (BVerwG, B.v. 21.12.2016 – 2 VR 1.16 – juris Rn. 41 und U.v. 2.3.2017 – 2 C 51.16 – juris Rn. 16 ff.). Eine Begründung der Verschlechterung im Widerspruchs- oder Überprüfungsverfahren – welche vorliegend nicht erfolgt ist – dürfte nach Ansicht der Kammer dem Begründungserfordernis wohl noch genügen.
22
Der bloße Hinweis, dass der Kläger infolge seiner Beförderung erstmals an einer starken Vergleichsgruppe zu messen sei, trägt eine wesentliche Verschlechterung nicht (BVerwG, U.v. 12.10.2023 – 2 A 7/22 – juris Rn. 43).
23
Das Erfordernis, verbale Hinweise oder Erläuterungen in die dienstliche Beurteilung aufzunehmen hat der Gesetzgeber für diejenigen Einzelmerkmale vorgesehen, deren Bewertung sich gegenüber der letzten periodischen Beurteilung wesentlich verschlechtert hat oder bei denen sich die Bewertung auf bestimmte Vorkommnisse gründet (Art. 59 Abs. 1 Satz 5 LlbG). Die für die Bildung des Gesamturteils wesentlichen Gründe sind in den ergänzenden Bemerkungen darzulegen (Art. 59 Abs. 2 Satz 2 LlbG).
24
Eine nähere Konkretisierung, ab wann von einer wesentlichen Verschlechterung auszugehen ist, nimmt der Gesetzgeber nicht vor. Auch die Gesetzesbegründung zum „Neuen Dienstrecht“ enthält keinen Hinweis darauf, ab wann von einer wesentlichen Verschlechterung auszugehen ist (LT-Drs. 16/3200 Seite 561 f.). Dementsprechend hat das Gericht den Begriff der Wesentlichkeit vor dem Hintergrund auch der aktuellen höchstgerichtlichen Rechtsprechung auszulegen.
25
Der Begriff der Wesentlichkeit wird durch Verwaltungsvorschriften ausgefüllt, die das Gericht jedoch nicht binden. Nr. 3.3 BUBek-Pol/VS sieht vor, dass verbale Hinweise oder Erläuterungen zu den einzelnen Merkmalen zulässig sind. Sie sind bezüglich des Gesamturteils und zu Einzelmerkmalen vorzunehmen, wenn dessen oder deren Bewertung sich gegenüber der letzten periodischen Beurteilung wesentlich verschlechtert hat oder sich die Bewertung auf bestimmte Vorkommnisse gründet. Von einer wesentlichen Verschlechterung wird regelmäßig dann auszugehen sein, wenn sich die Bewertung gegenüber der letzten periodischen Beurteilung um mindestens drei Punkte verschlechtert hat und diese Änderung nicht auf die Anlegung eines anderen Bewertungsmaßstabs, zum Beispiel nach einer Beförderung, zurückzuführen ist. Die Erläuterungen können auch gesammelt bei den ergänzenden Bemerkungen erfolgen. Die betroffenen Einzelmerkmale sind dabei zu nennen.
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b) Nr. 3.3 BUBek-Pol/VS sowie die Umsetzung der Nr. 3.3 BUBek-Pol/VS durch den Beklagten, dass bei einer Beförderung im Beurteilungszeitraum per se von keiner wesentlichen Verschlechterung auszugehen ist, stehen nicht in Einklang mit höherrangigem Recht, namentlich dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 BV), dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) sowie der Funktion der dienstlichen Beurteilung als tragfähige Grundlage für eine an den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG, Art. 116 BV orientierte Auswahlentscheidung. Denn der Begriff der Wesentlichkeit ist unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung sowohl zur Einordnung von Leistungen in höheren Statusämtern, als auch zum Vergleich von dienstlichen Beurteilungen in unterschiedlichen Statusämtern bei einer 16-Punkte-Beurteilungsskala der Polizei in Bayern jedenfalls ab einer Verschlechterung von vier Punkten anzunehmen.
27
Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Beförderung im Beurteilungszeitraum bei ansonsten gleichbleibenden Leistung des Beamten auf Grund der nunmehr stärken Vergleichsgruppe in der Regel zu einer schlechteren Beurteilung führt. Denn es besteht der allgemeine Erfahrungssatz, dass mit einem höheren Statusamt die Wahrnehmung höherwertiger Aufgaben verbunden ist, die im allgemeinen gegenüber einem niedrigeren Statusamt gesteigerte Anforderungen beinhalten und mit einem größeren Maß an Verantwortung verbunden sind (vgl. BVerfG, B.v. 16.12.2015 – 2 BvR 1958/13 – juris Rn. 59; BayVGH, U.v. 20.8.2020 – 6 B 18.2657 – juris Rn. 22; OVG NW, B.v. 4.8.2010 – 6 B 603/10 – juris Rn. 7 ff.). Hieraus folgt, dass im Grundsatz eine Absenkung der Leistungsbeurteilung gegenüber einer vorherigen Beurteilung im Fall einer Beförderung nicht zu beanstanden ist. Ein Automatismus, der stets zu einer Regelabsenkung führt, ist hierdurch gleichwohl nicht zulässig (ThürOVG, B.v. 30.5.2012 – 2 EO 890/11 – juris Rn. 31).
28
Daneben geht die Rechtsprechung zum Vergleich von dienstlichen Beurteilung im Rahmen einer Stellenbesetzung regelmäßig davon aus, dass die Einschätzung des Dienstherrn, dass die im höheren Statusamt erzielte, um einen Punkt niedrigere Gesamtbewertung eines Bewerbers in etwa gleichwertig ist mit der um einen Punkt besseren, dafür im niedrigeren Statusamt erzielten Gesamtbewertung eines anderen Bewerbers, von der dem Dienstherrn zukommenden Einschätzungsprärogative gedeckt ist (vgl. BayVGH, B.v. 1.2.2008 – 3 CE 07.3227 – juris Rn. 26; BayVGH, B.v. 10.11.2015 – 3 CE 15.2044 – juris Rn. 31; B.v. 28.5.2010 – 3 CE 10.748 – juris Rn. 62).
29
Aus diesen in der Rechtsprechung abgeleiteten Grundsätzen kann abgeleitet werden, dass eine Beförderung im Beurteilungszeitraum- bei konstanter Leistung des Beamten – in der Regel zu einem Abfall der Punktewerte in den Einzelmerkmalen sowie im Gesamturteil von einem Punkt führt. Die aus der Beförderung folgende Konsequenz, dass der Vergleich anhand einer stärkeren Vergleichsgruppe vorgenommen wird, wird regelmäßig eine Begründung dafür sein, dass der Beamte sich im Vergleich zur Vorbeurteilung im niedrigeren Statusamt in den Einzelmerkmalen sowie im Gesamturteil verschlechtert hat. Zu berücksichtigen sind jedoch stets die Umstände des Einzelfalles (BVerfG, B.v. 17.2.2017 – 2 BvR 1558/16 – juris Rn. 21). So ist insbesondere auch die individuelle Zusammensetzung und individuelle Leistungsstärke der anderen Beamten in der neuen Vergleichsgruppe maßgeblich.
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Dementsprechend kann eine Beförderung im Beurteilungszeitraum in der Regel ein nachvollziehbares Begründungselement für eine Verschlechterung darstellen. Die Annahme des Richtliniengebers sowie die Umsetzung der Richtlinie durch den Beklagten, dass bei einer Beförderung im Beurteilungszeitraum nie von einer wesentlichen Verschlechterung auszugehen ist, unabhängig davon, um viele Punkte die Verschlechterung erfolgt ist, verstößt nach Ansicht der Kammer im hier vorliegenden Fall der Verschlechterung um vier Punkte bei einer 16-Punkte-Skala im Beurteilungssystem der Polizei gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 BV), dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) sowie der Funktion der dienstlichen Beurteilung als tragfähige Grundlage für eine an den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG, Art. 116 BV orientierte Auswahlentscheidung. Die Kammer geht vorliegend von einer wesentlichen Verschlechterung aus. Anhaltspunkt hierfür ist auch die Nr. 3.3 BUBek-Pol/VS, welche eine wesentliche Verschlechterung regelmäßig dann annimmt, wenn sich die Bewertung gegenüber der letzten periodischen Beurteilung um mindestens drei Punkte verschlechtert hat.
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c) Die Formulierung in den ergänzenden Bemerkungen der streitgegenständlichen Beurteilung, dass der Beamte im Beurteilungszeitraum befördert und im Vergleich mit den anderen Beamtinnen und Beamten seiner Besoldungsgruppe und der neuen Vergleichsgruppe bewertet wurde, stellt nach Auffassung der Kammer keine hinreichende Begründung für eine wesentliche Verschlechterung dar. Diese Formulierung gibt wertneutral die Tatsache wider, dass eine Beförderung stattgefunden hat und dass der Vergleich mit den Beamten der neuen Besoldungsgruppe erfolgt ist. Dass diese Formulierung keine hinreichende Begründung für eine wesentliche Verschlechterung darstellen kann, zeigt auch die Vorbeurteilung des Klägers. Diese enthält ebenfalls diese Textpassage, obwohl der Kläger im Beurteilungszeitraum der Vorbeurteilung trotz Beförderung sich im Gesamturteil gegenüber der der Vorbeurteilung vorhergehenden Beurteilung um zwei Punkte im Gesamturteil steigern konnte. Eine inhaltliche Aussage, wie sich die Tatsache der Beförderung auf die Bewertung der gezeigten Leistungen des Beamten auswirkt, ist durch den bloßen allgemeinen Hinweis durch den Dienstherrn gerade nicht verbunden.
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3. Der Beklagte hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO).