Inhalt

OLG München, Beschluss v. 05.09.2025 – 33 Wx 332/24 e
Titel:

Isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung im Erbscheinseinziehungsverfahren

Normenketten:
FamFG § 81
GNotKG § 21
Leitsätze:
1. Die Überprüfung des nachlassgerichtlichen Kostentscheidung in de Beschwerdeinstanz beschränkt sich darauf, ob das Gericht erster Instanz von dem ihm eingeräumten Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat (Anschluss an OLG Düsseldorf, I-3 Wx 97/12, FGPrax 2014, 44; Fortsetzung von Senat 33 Wx 157/23 e, ErbR 2023, 867). (Rn. 11)
2. Die unterbliebene Hinzuziehung eines Beteiligten im Erbscheinserteilungsverfahren, der nach dem Inhalt einer Verfügung von Todes wegen als Erbe in Betracht kommt, stellt einen Verfahrensfehler dar. (Rn. 14)
3. Es kann daher gerechtfertigt sein, gerichtliche Kosten für ein daraufhin initiiertes Einziehungsverfahrens nicht zu erheben, wenn der nicht hinzugezogene Beteiligte in diesem Verfahren erstmals Gelegenheit hatte, sich zur Sache zu äußern. (Rn. 15)
Schlagworte:
Erbscheinsverfahren, Einziehungsverfahren, Kostenentscheidung, Ermessen, Verfahrensfehler, unterbliebene Anhörung
Vorinstanz:
AG München, Beschluss vom 22.08.2024 – 608 VI 17795/22
Fundstelle:
BeckRS 2025, 23194

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Amtsgerichts München – Nachlassgericht – vom 22.08.2024, Az. 608 VI 17795/22 wie folgt abgeändert:
Gerichtliche Kosten bezüglich des Verfahrens auf Einziehung des Erbscheins werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
1
Der ledige und kinderlose Erblasser verstarb am ... 2022 in M., seinem letzten gewöhnlichen Aufenthalt.
2
Der Erblasser errichtete am 05.08.1992 ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament. In diesem wendete er den Beteiligten zu 2) bis 5) seinen Grundbesitz in der F-str. in M. sowie seine Lebensversicherungen und Versicherungen der Sterbekasse zu gleichen Teilen zu. Der Beteiligte zu 5) soll sich zudem um die Beerdigung des Erblassers kümmern.
3
Ein weiteres Anwesen in der W-str. vermachte der Erblasser dem Beschwerdeführer unter folgender Einschränkung „sofern nicht ev. Erbstreitigkeiten mit meinem Bruder R. noch einen Verkauf notwendig machen“. Der Erblasser hat das Anwesen in der W-str. im Jahr 2003 veräußert.
4
Am 15.03.2023 beantragte der Beteiligte zu 5 einen Erbschein, welcher ihn neben den Beteiligten zu 2, 3 und 4 als Miterben zu je ¼ ausweisen sollte. Der Erbschein wurde am 20.03.2023 antragsgemäß erteilt.
5
Am 05.07.2023 wurde dem Beschwerdeführer das Testament vom 05.08.1992 übersandt. Gleichzeitig wurde er über die Erteilung des Erbscheins informiert. Mit Schreiben vom 20.07.2023 erhob er Einwendungen. Aufgrund der Wertverhältnisse der Immobilien sei er Hauptbegünstigter und damit jedenfalls Erbe. Mit Schreiben vom 31.08.2023 beantragte er die Einziehung des Erbscheins.
6
Aufgrund gerichtlichen Hinweises vom 29.05.2024 verfolgte der Beschwerdeführer seine Anregung auf Einziehung des Erbscheins nicht weiter.
7
Durch Beschluss vom 22.08.2024 hat das Nachlassgericht dem Beschwerdeführer die gerichtlichen Kosten des Einziehungsverfahrens auferlegt.
8
Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers vom 02.10.2024. Das Nachlassgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 17.12.2024 nicht abgeholfen und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
9
Der als zulässige Beschwerde auszulegende sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
10
1. Soweit es um die isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung geht, entspricht es der ständigen Rechtsprechung der Obergerichte, dass die vom Nachlassgericht getroffene Kostenentscheidung nur auf Ermessensfehler hin überprüft werden kann (OLG Düsseldorf, I-3 Wx 97/12, FGPrax 2014, 44; OLG Düsseldorf, I-3 Wx 119/15, ErbR 2016, 168; Schindler in MüKo, FamFG, 2. Aufl., § 81 Rn. 98 ff.; Sternal/Weber, 21. Aufl. 2023, FamFG § 81 Rn. 61; Krätzschel ErbR 2025, 538).
11
Nachdem die Kostenentscheidung nach § 81 FamFG im Ermessen des Gerichts steht, beschränkt sich die Überprüfung in der Beschwerdeinstanz darauf, ob das Gericht erster Instanz von dem ihm eingeräumten Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat. Der Sinn des eingeräumten Ermessens würde verfehlt, wenn das Beschwerdegericht berechtigt und verpflichtet wäre, ein vom erstinstanzlichen Gericht fehlerfrei ausgeübtes Ermessen durch eine eigene Ermessensentscheidung zu ersetzen. Das Beschwerdegericht kann die Kostenentscheidung nur auf Ermessensfehler überprüfen, also etwa darauf, ob maßgebliche Tatsachen nicht ermittelt oder unberücksichtigt gelassen worden sind (BGH, Beschluss vom 28.02.2007, XII ZB 165/06, juris zu § 93a Abs. 1 Satz 2 ZPO a.F.; OLG Hamm, II-2 UF 207/12, juris; Sternal/Weber, 21. Aufl. 2023, FamFG § 81 Rn. 61; Krätzschel ErbR 2025, 538).
12
§ 81 FamFG geht nicht von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis aus, wonach die Tragung der Kosten etwa des einhergehenden Amtsgeschäfts durch den Antragsteller die Regel darstellen würde, sondern erfordert eine Billigkeitsabwägung, ohne dass es darauf ankäme, die Hürde einer Regelwirkung zu überwinden (BGH, Beschluss vom 18.11.2015, IV ZB 35/15, juris; OLG München, a.a.O., Sternal/Weber, 21. Aufl. 2023, FamFG § 81 Rn. 18). Um einem Beteiligten Kosten auferlegen zu können, ist es auch nicht erforderlich, dass Umstände vorliegen, die nach Art und Bedeutung den Regelbeispielen des § 81 Abs. 2 FamFG entsprechen (OLG Düsseldorf, I-3 Wx 13/11, FGPrax 2011, 207), vielmehr ist allein eine Entscheidung nach billigem Ermessen zu treffen. Kriterien können die Verfahrensführung, das Vorbringen unwahrer Behauptungen, die Erkennbarkeit der Aussichtslosigkeit der Einwendung von Anfang an, sowie schuldhafte Veranlassung des Verfahrens sein (BGH, a.a.O., Rn. 16; OLG Düsseldorf, a.a.O.).
13
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Überprüfung der nachlassgerichtlichen Kostenentscheidung durch den Senat vorliegend eröffnet. Das Nachlassgericht hat den (erheblichen) Umstand der unterbliebenen Anhörung des Beschwerdeführers als Beteiligter vor Erlass des Beschlusses zur Erteilung des Erbscheins in seine Überlegungen im Rahmen der zu treffenden Kostenentscheidung nicht bzw. nicht hinreichend einbezogen.
14
Wäre dem Beschwerdeführer schon im Erteilungsverfahren rechtliches Gehör gewährt worden, hätte dieser seine Einwände gegen die Hauptsacheentscheidung schon in diesem Verfahren anbringen können. Nachdem dies unterblieben ist, konnte rechtliches Gehör erstmals nach Erteilung des Erbscheins gewährt werden; in diesem Verfahren hat der Beschwerdeführer seine Anregung, den erteilten Erbschein einzuziehen, jedoch nach gerichtlichem Hinweis zurückgenommen. Der Beschwerdeführer war testamentarisch bedacht, seine Erbenstellung war daher denkbar und jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen. Die Anregung auf Einziehung des Erbscheins war aufgrund der zuvor unterbliebenen Anhörung die einzige Möglichkeit des Beschwerdeführers, die angegriffene Entscheidung nochmals zur Überprüfung zu stellen.
15
In der Sache hält es der Senat für angebracht, gerichtliche Kosten für das Verfahren die Einziehung des Erbscheins betreffend nicht zu erheben, weil das Einziehungsverfahren nur durch den vorangegangenen Anhörungsmangel initiiert wurde (§ 21 GNotKG). Für die Anordnung der Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten sieht der Senat keine Veranlassung.
III.
16
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Gerichtliche Kosten fallen für die erfolgreiche Beschwerde nicht an (§ 25 Abs. 1 GNotKG).
17
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.