Titel:
Ausschlagung der Erbschaft hinsichtlich des in Deutschland belegenen unbeweglichen Vermögens eines Erblassers mit US-amerikanischer Staatsangehörigkeit und Aufenthalt im Bundesstaat New York
Normenketten:
EuErbVO Art. 20, Art. 22 Abs. 2, Art. 23, Art. 31, Art. 34, Art. 83 Abs. 2, Abs. 4
BGB § 1944 Abs. 1, Abs. 2 S. 2, Abs. 3, § 1945 Abs. 1, § 1953 Abs. 1, Abs. 2, § 1954 Abs. 2, Abs. 3
Leitsätze:
1. Im Rahmen eines Qualifikationsrückverweises nach Art. 34 Abs. 1 lit. a EuErbVO ist der Anteil an einer im Grundbuch eingetragenen Erbengemeinschaft, deren Vermögen lediglich aus einer Immobilie in Deutschland besteht, als unbewegliches Vermögen zu qualifizieren. (Rn. 15)
2. Einem in der Form des Zeugentestaments verfassten Testament eines Erblassers US-amerikanischer Staatsangehörigkeit mit gewöhnlichem Aufenthalt im Bundesstaat New York, das die Bestimmung eines „beneficiary“ und eines „executor“ enthält, ist keine konkludente Rechtswahl des Erbrechts des Bundesstaates New York für das in Deutschland belegene unbewegliche Vermögen zu entnehmen, wenn keinerlei Anzeichen dafür bestehen, dass es nicht seinem Willen entsprach, dass das Recht an der Immobilie nach traditionellem Rechtsgedanken des US-amerikanischen Rechts nach dem Belegenheitsort bestimmt wird. (Rn. 29 – 37)
3. Dem Testament eines Erblassers mit US-amerikanischer Staatsangehörigkeit und letztem gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesstaat New York ist keine fingierte Rechtswahl nach Art. 83 Abs. 4 EuErbVO zugunsten des Erbrechts des Bundesstaates New York für das in Deutschland belegene unbewegliche Vermögen zu entnehmen, da nach dem Recht der Staatsangehörigkeit des Erblassers das Erbstatut nicht an die Staatsangehörigkeit angeknüpft ist. (Rn. 38 – 44)
Schlagworte:
internationales Erbrecht, konkludente Rechtswahl, fingierte Rechtswahl, Staatsangehörigkeitsprinzip, Aufenthaltsrecht, Ausschlagung der Erbschaft, unbewegliches Vermögen, Qualifikationsrückverweisung
Vorinstanz:
AG München, Beschluss vom 28.05.2024 – 621 VI 9888/19
Fundstellen:
BeckRS 2025, 23191
FDErbR 2025, 023191
Tenor
1. Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Amtsgerichts München – Nachlassgericht – vom 28.05.2024, Az. 621 VI 9888/19, wird zurückgewiesen.
2. Der Beschwerdeführer trägt die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren bleibt vorbehalten.
Gründe
1
Die Beteiligten sind Geschwister des am ... 2017 ledig und kinderlos verstorbenen Erblassers, der (ausschließlich) USamerikanischer Staatsangehörigkeit war und im Bundesstaat New York lebte. In der Zeit von 1975 bis 1977 lebte der Erblasser mit seinen Eltern in M.. Die Mutter ist am ... 1994, der Vater am ... 2000 vorverstorben.
2
Der Erblasser und seine Geschwister – neben den Beteiligten der weitere Bruder x1 – bilden die Erbengemeinschaft nach ihrem Vater, der Eigentümer der Immobilie S.-Straße in München war. Die Erbengemeinschaft ist im Grundbuch eingetragen.
3
Mit maschinenschriftlichem Testament in englischer Sprache, am 05.02.2015 in Anwesenheit von zwei Zeugen auf jeder Seite mit Initialen und auf der letzten Seite mit Vor- und Nachnamen handschriftlich unterzeichnet, bestimmte der Erblasser den Beteiligten zu 2, den Beschwerdeführer, zum „Erstbegünstigten“ („Primary remainder beneficiaries“). Der Erblasser wendete ihm sein nach der Bezahlung der Verbindlichkeiten verbleibendes bewegliches und unbewegliches Vermögen unabhängig vom Belegenheitsort zu und ernannte ihn zum Testamentsvollstrecker („executor“).
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Der Beschwerdeführer erklärte mit notariellem Erbscheinsantrag vom 03.05.2019 zum Amtsgericht Schöneberg in Berlin die Ausschlagung der Erbschaft, soweit er zum testamentarischen oder gesetzlichen Erbe berufen ist, und beantragte einen gegenständlich auf Deutschland beschränkten Erbschein hinsichtlich des inländischen unbeweglichen Nachlasses auf Grund gesetzlicher Erbfolge zu je 1/3 für die Beteiligte zu 1, den gemeinsamen Bruder x1 und seine eigene Tochter. Das Amtsgericht Schöneberg verwies das Verfahren nach § 343 Abs. 2 FamFG an das Amtsgericht München, das der Beteiligten zu 1 und dem x1 mit Verfügung vom 19.12.2019 mitteilte, dass sie hinsichtlich des Nachlasses in Deutschland Miterben zu je 1/3 sind. Die Tochter des Beschwerdeführers nahm die Erbschaft an.
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Mit Schreiben vom 10.08.2020 nahm der Beschwerdeführer den Erbscheinsantrag vom 03.05.2019 zurück und beantragte mit notariellem Erbscheinsantrag vom 15.08.2022 einen auf den in Deutschland belegenen Nachlass beschränkten Erbschein als Alleinerbe aufgrund des Testaments vom 05.02.2015. Nach seiner nunmehrigen Rechtsansicht habe der Erblasser eine konkludente Rechtswahl gemäß Art. 22 Abs. 1, Abs. 2 EuErbVO zugunsten des Erbrechts des US-Bundesstaates New York getroffen. Jedenfalls greife die Fiktion einer Rechtswahl gemäß Art. 83 Abs. 4 EuErbVO. Nach dem Recht des US-Bundesstaates New York sei eine Ausschlagung im Jahr 2019 wegen der Inbesitznahme des Nachlasses bereits im Jahr 2017 nicht mehr möglich gewesen und daher wirkungslos.
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Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 2 mit Beschluss vom 28.05.2024, dem Beschwerdeführer zugestellt am 17.06.2024, zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Ausschlagung der Erbschaft durch die notarielle Erklärung vom 03.05.2019 hinsichtlich des Spaltnachlasses in Deutschland nach § 1944 BGB wirksam erfolgt sei. Das anwendbare Recht des US-Bundesstaates New York verweise im Hinblick auf unbewegliches Vermögen auf das Recht des Belegenheitsortes. Dieser Rückverweis auf deutsches Recht sei nach Art. 34 Abs. 1 a EuErbVO wirksam. Den bindenden Verweis auf das Recht des Belegenheitsortes habe der Erblasser nicht durch Rechtswahl ändern können.
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Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 2 mit seiner Beschwerde vom 15.07.2024 und trägt unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags vor, dass jedenfalls eine Qualifikationsrückverweisung ins deutsche Recht vorliege. Nach deutschem Recht gelte der hier dem Erblasser zustehende Anteil an einer Erbengemeinschaft nach dem Vater D S sen. als bewegliches Vermögen.
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Die Beteiligte zu 1 vertritt die Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine konkludente Rechtswahl und für eine Rechtswahlvermutung nach Art. 83 Abs. 4 EuErbVO nicht erfüllt seien. Vielmehr habe der Beteiligte zu 2 wirksam nach deutschem Recht ausgeschlagen, die Ausschlagung sei nicht mehr anfechtbar. Der Beteiligte zu 2 habe eine Aufteilung der Immobilie zu 1/3, 1/3, 1/3 gewollt, es gäbe kein „Reuerecht“. Rechtssicherheit, Vertrauensschutz und dingliche Drittwirkung sprächen gegen eine rückwirkende Anwendung einer anderen Rechtsordnung. Hilfsweise sei die Ausschlagung nach dem Recht des US-Bundesstaates New York wirksam, da die Ausschlagungsfrist von den deutschen Gerichten verlängert worden sei.
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Das Nachlassgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 16.09.2024 nicht abgeholfen und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
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Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der Senat teilt im Ergebnis die Auffassung des Nachlassgerichts, dass der Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 2 zurückzuweisen ist, da dieser durch die Erklärung im Erbscheinsantrag vom 03.05.2019 nach dem hier anzuwendenden deutschen Erbrecht die Erbschaft hinsichtlich seines testamentarischen und gesetzlichen Erbrechts am Nachlass in Deutschland wirksam ausgeschlagen hat.
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1. Das Amtsgericht München – Nachlassgericht – war nach Verweisung durch das Amtsgericht Schöneberg gemäß § 343 Abs. 2 FamFG örtlich zuständig. Die von Amts wegen zu prüfende internationale Zuständigkeit ergibt sich für Erbfälle nach dem 17.08.2015 aus der EuErbVO, hier Art. 10 Abs. 2 EuErbVO, universell auch gegenüber Drittstaaten; sie verdrängt in ihrem Anwendungsbereich § 105 FamFG (vgl. Sternal/Dimmler, FamFG, 21. Aufl. 2023, § 105 Rn. 85 m.w.N.; Burandt/Rojahn/Rojahn, Erbrecht, 4. Aufl. 2022, FamFG, § 105 Rn. 2, 5 m.w.N.).
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2. Aufgrund Rückverweises aus dem nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO anwendbaren Recht des Bundesstaates New York für das Recht des Erblassers an der Nachlassimmobilie in Deutschland ist deutsches Erbrecht anwendbar.
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2.1. Nach Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Art. 83 Abs. 1 EuErbVO unterliegt die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen grundsätzlich dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Demnach ist hier das Partikularrecht des Bundesstaates New York gemäß Art. 36 Abs. 2 lit. a EuErbVO anwendbar, auch hinsichtlich internationalen Privatrechts, soweit dieses rückverweist, vgl. Art. 34 Abs. 1 lit. a EuErbVO.
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Das Erbrecht des Bundesstaates New York (Estates, Powers and Trusts Law, im Folgenden EPTL) verweist in Art. 3 – 5.1 (b) (1) für Immobiliarvermögen auf das Recht des Belegenheitsortes („law of the jurisdiction in which the land is situated“), in Art. 3 – 5.1 (b) (2) für das sonstige Vermögen auf das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers („law of the jurisdiction in which the decedent was domiciled at death“). Der Verweis auf das Recht eines anderen Rechtsgebietes schließt dessen Kollisionsrecht ein (Gesamtrechtsverweis, vgl. Hausmann, IntErbR/Frank, 131. EL März 2025, US Nr. 30. Rn. 7 m.w.N.). Gemäß Art. 3 – 5.1 (i) EPTL bestimmt das Sachrecht des Staates, in dem unbewegliches Vermögen belegen ist, ob es sich um unbewegliches Vermögen oder bewegliches Vermögen handelt („Qualifikations(rück) verweisung“).
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2.2. Der Anteil an der Erbengemeinschaft nach dem Vater des Erblassers hinsichtlich der Immobilie in München ist als unbewegliches Vermögen anzusehen, so dass wegen des Rückverweises gemäß Art. 3 – 5.1 (b) (1) EPTL i.V.m. Art. 34 Abs. 1 lit. a EuErbVO deutsches Erbrecht anwendbar ist.
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2.2.1. Bei in der EU belegenem Vermögen ist umstritten, ob sich der Qualifikationsrückverweis nach Art. 3 – 5.1 (b) (1) EPTL auf das Recht des betreffenden Mitgliedstaats oder auf autonome unionsrechtliche Kriterien bezieht.
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(1) Vor der Geltung der EuErbVO zum 17.08.2015 wurde ein Miterbenanteil an einer Immobilie in Deutschland nach deutschem Recht als Gesamthandsanteil und damit als bewegliches Vermögen qualifiziert, mit der Folge, dass aus Sicht des Kollisionsrechts des Bundesstaates New York das Recht am letzten domicile des Erblassers Anwendung findet (vgl. KG Berlin, 1 W 557/11, juris Rn. 15 unter Bezugnahme auf Eule, ZEV 2010, 508, 509; vgl. die kritische Entscheidungsanmerkung Eule, ZEV 2013, 139; zum Folgeproblem der „Belegenheit“ des als beweglich qualifizierten Vermögens und der damit verbundenen Frage der Zuständigkeit deutscher Gerichte ausführlich Eule, ZEV 2010, 508, 509; vgl. ohne weitere Begründung Burandt/Rojahn/Leithold, 4. Aufl. 2022, V. 120. Länderbericht USA Rn. 10). Dieser Qualifizierung lagen die Grundsätze zur Erbengemeinschaft gemäß §§ 2033, 2040, 2042 BGB zugrunde, wonach die ungeteilte Gesamtberechtigung am Nachlass dem einzelnen Miterben keine unmittelbare dingliche Berechtigung am einzelnen Nachlassgegenstand vermittelt, auch wenn der Nachlass nur noch aus einer Sache besteht (BGH, Beschluss vom 24.01.2001, IV ZB 24/00, BGHZ 146, 310 ff., Rn. 12 m.w.N., wo jedoch im Ergebnis auch ein für den abgespaltenen Immobiliennachlass gegenständlich beschränkter Erbschein befürwortet wird, wenn – wie auch hier – der Erblasser bereits einen gespaltenen Nachlass in Form einer Immobilie in einem anderen Rechtsgebiet – als Miterbe – erbte, a.a.O. Rn. 17).
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Zum Teil wird bereits vor Geltung der EuErbVO vertreten, dass ein Erbteil als Gesamthandsanteil zumindest dann als unbewegliches Vermögen zu qualifizieren ist, wenn das Vermögen der Erbengemeinschaft ausschließlich bzw. im Wesentlichen aus Immobilienvermögen besteht (so wohl auch für den vom KG, a.a.O., entschiedenen Fall Eule, ZEV 2013, 139, 140 m.w.N. auf Literatur zu Art. 15 und 4 EGBGB aF; vgl. ausführlich Dörner, DNotZ 1988, 67, 95 f.). Dafür sprechen pragmatische Gründe der Vereinfachung, dass Erblasser und Erbe sich bei Verfügung über inländische Grundstücke ausschließlich nach Belegenheitsrecht richten können, aber auch eine Erleichterung der registermäßigen Dokumentation. Auch dem privaten Rechtsverkehr muss daran gelegen sein, nach einem Erbfall den neuen Rechtsinhaber sowie das Ausmaß seiner Berechtigung und Verpflichtung schnell und sicher ermitteln zu können. Der Begriff des „unbeweglichen Vermögens“ sollte daher auch in Verfolgung inländischer Ordnungs- und Verkehrsinteressen möglichst weit ausgelegt werden (so bereits Dörner, DNotZ 1988, 67, 93 f. m.w.N.).
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(2) Mit Geltung der EuErbVO ist der Qualifikationsrückverweis nach Art. 3 – 5.1 (b) (1) EPTL auf autonome unionsrechtliche Kriterien zu stützen.
20
Art. 34 EuErbVO, der die Rück- und Weiterverweisung in das Recht eines Mitgliedstaates regelt, soll nach Erwägungsgrund 57 den internationalen Entscheidungseinklang gewährleisten (dies betonend BeckOGK/J. Schmidt, 01.06.2025, EuErbVO, Art. 34 Rn. 3 m.w.N.). Der europäische Entscheidungseinklang ist wesentliche Voraussetzung für eine grenzüberschreitende Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen, sonstigen Vollstreckungstiteln und öffentlichen Urkunden, wie sie in den Kapiteln IV und V der EuErbVO vorgesehen sind, vor allem aber für das Europäische Nachlasszeugnis (vgl. MüKoBGB/Dutta, 9. Aufl. 2024, EuErbVO, vor Art. 20 Rn. 2 m.w.N.). Im Sinne eines unionsweiten Entscheidungseinklangs sollte die Frage, ob es sich bei einem Nachlassgegenstand um bewegliches oder unbewegliches Vermögen handelt, für Zwecke des Teilrückverweises vor sämtlichen mitgliedstaatlichen Gerichten einheitlich beantwortet werden (so MüKoBGB/Dutta, 9. Aufl. 2024, EuErbVO, Art. 34 Rn. 9; ebenso hinsichtlich des Qualifikationsverweises Erwägungsgrund 17 zur EuGüVO für den maßgeblichen Ehebegriff, der nach Art. 17b Abs. 4 EGBGB güterkollisionsrechtlich der Ehegüterverordnung unterstellt wird; damit trägt der deutsche Gesetzgeber dort zu einem europäischen Entscheidungseinklang kraft nationalen Rechts bei, vgl. Dutta, FamRZ 2019, 1390 ff., 1397).
21
Dabei verfolgt die EuErbVO – entsprechend der Tradition der sonstigen EU-Verordnungen – nie das vorrangige Ziel, dass Gerichte der Mitgliedstaaten möglichst häufig zur Anwendung ihres eigenen Rechts kommen (Geimer/Schütze/Odersky, Int. Rechtsverkehr, 69. EL März 2025, EuErbVO, Art. 34 Rn. 16). In Erwägungsgrund 15 ist nicht allgemein vom sachenrechtlichen Numerus clausus die Rede, sondern nur von der Anzahl der innerstaatlichen dinglichen Rechte, die durch die EuErbVO nicht berührt werden soll. Erwägungsgrund 16 sieht eine Anpassung bei Rechten vor, die bereits durch Rechtsnachfolge von Todes wegen auf den Erwerber übergegangen sind.
22
Zudem regelt Art. 31 EuErbVO die Anpassung unbekannter dinglicher Rechte mit Geltung in allen anderen Mitgliedstaaten (vgl. zur Anerkennung dinglich wirkender Vermächtnisse in EuGH (2. Kammer), Urteil vom 12.10.2017, C-218/16, juris: Art. 1 Abs. 2 k und l sowie Art. 31 EuErbVO sind dahin auszulegen, dass sie der Ablehnung der dinglichen Wirkung des Vindikationslegats entgegenstehen, wenn diese Ablehnung allein auf der Begründung beruht, dass dieses Vermächtnis das Eigentum an einer Immobilie betrifft, die in einem Mitgliedstaat belegen ist, dessen Rechtsordnung das Institut des Vermächtnisses mit unmittelbarer dinglicher Wirkung im Zeitpunkt des Eintritts des Erbfalls nicht kennt). Das Gericht muss das vom Erbstatut kreierte dingliche Recht sachenrechtlich an ein „am ehesten vergleichbare[s] Recht“ dieses Mitgliedstaats anpassen, und zwar bei wirtschaftlicher Betrachtung („die mit dem besagten dinglichen Recht verfolgten Ziele und Interessen und die mit ihm verbundenen Wirkungen [sind] zu berücksichtigen“) (vgl. dazu MüKoBGB/Dutta, 9. Aufl. 2024, EuErbVO, Art. 31 Rn. 12, 14 m.w.N.).
23
Systematisch spricht für eine unionsautonome Auslegung der Begriffe bewegliches und unbewegliches Vermögen auch, dass die EuErbVO – nicht das Recht der Mitgliedstaaten – das Kollisionsrecht regelt. Die EuErbVO folgt dem Universalitätsprinzip, Art. 20 EuErbVO, d.h. sie ist auch anzuwenden, wenn der Sachverhalt nur Bezüge zu Drittstaaten aufweist (Dutta/Weber/Bauer/Fornasier, Internationales Erbrecht, 2. Aufl. 2021, EuErbVO, Art. 20 Rn. 1 f.). Im Anwendungsbereich der Verordnung bleibt mit Ausnahme des Art. 75 kein Platz für die Anwendung mitgliedstaatlichen Kollisionsrechts, da das Erbkollisionsrecht auch bei Fällen mit Berührung zu Drittstaaten umfassend vereinheitlicht ist (Hausmann/Odersky, IPR-NotGP/Odersky, 4. Aufl. 2021, § 15 Rn. 16; Dutta/Weber/Bauer/Fornasier, Internationales Erbrecht, 2. Aufl. 2021, EuErbVO, Art. 20 Rn. 4). Damit sind auch Rückverweise zurück in den Geltungsbereich der EuErbVO nach Systematik, Sinn und Zweck der Verordnung unionsrechtlich auszulegen.
24
Im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs soll eine funktionelle Qualifikation der Rechtsbegriffe erfolgen (vgl. EuGH (2. Kammer), Urteil vom 01.03.2018, C-558/16, juris zur erbrechtlichen Qualifikation des güterrechtlichen Zugewinns im Todesfall nach § 1371 BGB). Maßgeblich für die Einordnung einer Vorschrift in das Gefüge der verschiedenen Kollisionsnormen ist nicht der „Anwendungswille“ der Vorschrift, sondern der Ordnungszweck der Kollisionsnormen (so Süß, DNotZ 2018, 742, 745).
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2.2.2. Hier ist bereits nach der überzeugenden Ansicht, dass ein Erbteil als Gesamthandsanteil zumindest dann als unbewegliches Vermögen zu qualifizieren ist, wenn das Vermögen der Erbengemeinschaft ausschließlich bzw. im Wesentlichen aus Immobilienvermögen besteht, hinsichtlich des Gesamthandsanteils des Erblassers an der Immobilie in München von unbeweglichem Vermögen auszugehen. Im vorliegenden Fall ist kein weiterer Nachlass in Deutschland bzw. im Geltungsbereich der EuErbVO ersichtlich. Wie dargestellt sprechen pragmatische Gründe der Vereinfachung und die Rechtsklarheit dafür, dass Erblasser und Erbe sich bei der Verfügung über inländische Grundstücke ausschließlich nach Belegenheitsrecht richten können, aber auch inländische Ordnungs- und Verkehrsinteressen, die sich bereits im Rahmen der registermäßigen Dokumentation zeigen.
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Dafür spricht nicht zuletzt, dass die Erbengemeinschaft im Grundbuch eingetragen ist. Auch der Beteiligte zu 2 selbst geht offenbar mit seinem Erbscheinsantrag in Deutschland davon aus, dass hier ein Spaltnachlass des unbeweglichen Vermögens vorliegt. An dieser Bewertung ändert auch die Tatsache nichts, dass die gegenständliche Immobilie ein Mehrfamilienhaus mit Wohnungen ist, die an einzelne Mieter vermietet werden. Sonst könnten jegliche schuldrechtliche Beziehungen zu einer Immobilie deren Eigenschaft als Immobilie beschränken. Die Mieteinnahmen werden nicht etwa – wie der Beteiligte zu 2 andeutet – der Erbengemeinschaft getrennt von der Immobilie vererbt und stellten eigenständige Nachlassgegenstände dar. Vielmehr hängen die Mieteinnnahmen und die Mietverträge zwingend von den Rechten an der Immobilie ab.
27
Das natürliche und international verbreitete Begriffsverständnis von unbeweglichem Vermögen spricht im Ergebnis dafür, alle Rechte an Grundstücken einschließlich der eingebauten Gegenstände und des Zubehörs zum unbeweglichen Vermögen zu rechnen (vgl. Odersky in Süß, Erbrecht in Europa, 5. Auflage 2025, S. 701). Nach Maßgabe der dargestellten funktionellen, dem Ordnungszweck verschriebenen Qualifikation des EuGH, ist die Einordnung des Anteils an der Erbengemeinschaft an einer Immobilie als unbewegliches Vermögen anzusehen (vgl. auch EuGH (7. Kammer), Urteil vom 17.12.2015, C-605/14, juris zur Auslegung von Art. 22 Nr. 1 Unterabs. 1 Brüssel I-VO: die Auflösung der Miteigentümergemeinschaft an einer unbeweglichen Sache betrifft dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen, da die Zweckmäßigkeit für den Belegenheitsort spricht, die Sachnähe und das Interesse der geordneten Rechtspflege, die Beweisnähe, die Kenntnisse des Gerichts von den anzuwendenden Regeln und Gebräuchen).
28
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Ansprüchen auf Rückübertragung von Grundstücken nach dem Vermögensgesetz, die als bewegliches Vermögen eingeordnet wurden (BGH, Urteil vom 10.05.2000, IV ZR 171/99, BGHZ 144, 251 ff.), basiert auf dem Begriff des unbeweglichen Vermögens nach EGBGB (a.a.O., Rn. 11), nicht nach deutschem Sachenrecht, und steht damit einer unionsautonomen Auslegung nach der nun geltenden EuErbVO gerade nicht entgegen.
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3. Es liegt keine abweichende konkludente Rechtswahl zugunsten des Erbrechts des Bundesstaates New York durch den Erblasser vor.
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3.1. Die EuErbVO erlaubt eine Rechtswahl nur in engem Rahmen. Eine Person kann das Recht des Staates wählen, dem sie im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt ihres Todes angehört (Art. 22 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Besonderheiten für Angehörige mehrerer Staaten). Dagegen sind das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts und das Belegenheitsrecht einer Sache keine nach der EuErbVO wählbaren Rechte. Das gewählte Recht gilt für den gesamten Nachlass des Erblassers, eine Trennung zwischen beweglichen und unbeweglichen Nachlassgegenständen findet nicht statt (Frank/Leithold, Die Ermittlung des anwendbaren Erbrechts im deutsch/US-amerikanischen Erbfall nach der EuErbVO, ZEV 2014, 462, 467 m.w.N.).
31
Die Voraussetzungen an eine konkludente Rechtswahl nach Art. 22 Abs. 2 i.V.m. Art. 83 Abs. 2 EuErbVO sind unionsautonom zu beurteilen (BGH, Beschluss vom 24.02.2021, IV ZB 33/20, juris Rn. 17 ff., vorgehend OLG München, 31 Wx, 241/18, juris). An den rechtsgeschäftlichen Rechtswahlwillen und ein Rechtswahlbewusstsein sind nach Unionsrecht bei einer konkludenten Rechtswahl geringe Anforderungen zu stellen. Nach dem klaren Wortlaut des Art. 22 Abs. 2 ist es jedoch erforderlich, dass sich der Rechtswahlwille aus der Verfügung von Todes wegen „ergibt“, so dass nur solche Umstände für die Annahme einer konkludenten Rechtswahl herangezogen werden dürfen, die in der Urkunde der letztwilligen Verfügung zum Ausdruck kommen (EuGH (1. Kammer), Urteil vom 16.07.2020, Rs. C-80/19, BeckRS 2020, 16032, Rn. 88 ff.; Dutta/Weber/ Bauer/Fornasier, Internationales Erbrecht, 2. Aufl. 2021, EuErbVO, Art. 22 Rn. 20; MüKoBGB/Dutta, 9. Aufl. 2024, EuErbVO, Art. 22 Rn. 15 m.w.N.). Auch bei der konkludenten Rechtswahl muss also ein Wille des Erblassers zur Rechtswahl festgestellt werden (BeckOK BGB/Loyal, 74. Ed. 01.05.2025, EuErbVO, Art. 22 Rn. 11). Gemäß EG 39 Satz 2 EuErbVO soll eine konkludente Rechtswahl insbesondere angenommen werden können, wenn der Erblasser in seiner Verfügung Bezug auf spezifische Bestimmungen eines Rechts genommen hat oder das Recht dieses Staates in anderer Weise erwähnt hat. Die Verwendung einer bestimmten Sprache muss nicht unbedingt auf eine bestimmte Rechtsordnung hindeuten und sollte daher nur mit Vorsicht und nur als unterstützendes Indiz herangezogen werden (BeckOGK/J. Schmidt, 01.06.2025, EuErbVO, Art. 22 Rn. 25).
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Es genügt für die konkludente Rechtswahl, dass der Erblasser bei seiner letztwilligen Verfügung erkennbar von der Anwendung des Rechts seiner Staatsangehörigkeit ausgegangen ist. So wurde eine konkludente Rechtswahl des rumänischen Rechts bejaht bei einer Errichtung des Testaments in rumänischer Sprache vor einer rumänischen Notarin mit Inbezugnahme von Vorschriften des rumänischen Rechts durch einen Erblasser, der die deutsche und die rumänische Staatsangehörigkeit besaß und in Deutschland seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (OLG Köln, I-2 Wx 142/19, juris Rn. 13). Die Verwendung der Begriffe „Schlusserbe“ und die Bestimmung einer wechselseitigen Bindungswirkung sprechen für eine konkludente Rechtswahl des deutschen Erbrechts gegenüber dem österreichischen Erbrecht (BGH, Beschluss vom 24.02.2021, IV ZB 33/20, juris Rn. 14 ff., vorgehend OLG München, 31 Wx, 241/18, juris). Hinweise auf den Willen der Erblasser zur Sicherung des Pflichtteils, zur Verfügung eines „Vermächtnisses“ und zu wechselbezüglicher Bindungswirkung sprechen insgesamt für die konkludente Rechtswahl des deutschen Erbrechts hinsichtlich des Immobilienvermögens in einem anderen Mitgliedstaat (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, 5 U 8/23, juris). Allerdings kann eine konkludente Rechtswahl nur aus der Verwendung von spezifischen Bestimmungen und Rechtsfiguren abgeleitet werden, die nicht auch das sonst einschlägige Erbrecht vorsieht (vgl. Salomon, FamRZ 2024, 972, 973 zum Begriff des Pflichtteilsrechts).
33
Wenn sich dem Erblasser die Frage nach einer Rechtswahl zum Zeitpunkt der letztwilligen Verfügung überhaupt nicht stellte, etwa weil er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dem Staat hatte, dem er angehörte, ist ein Rechtswahlwille zweifelhaft (BeckOK BGB/Loyal, a.a.O., Rn. 11).
34
3.2. Nach diesen Grundsätzen liegt hier keine konkludente Rechtswahl des Erblassers zugunsten des Erbrechts des Bundesstaates New York für das unbewegliche Vermögen in Deutschland vor.
35
Aus der unproblematisch formwirksam nach dem Bundesrecht New York (Art. 3 – 2.1 EPTL i.V.m. Art. 1 Abs. 1 a Haager Übereinkommen vom 05.10.1961 über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht i.V.m. Art. 75 EuErbVO) errichteten Verfügung von Todes wegen vom 05.02.2015 ist kein Rechtswahlwille erkennbar. In dem Testament regelt der Erblasser als USamerikanischer Staatsangehöriger, wer Erbe und wer Testamentsvollstrecker sein soll, ohne dass spezifische Bestimmungen des USamerikanischen Rechts gewählt oder das Recht dieses Staates in anderer Weise erwähnt wird. Vielmehr folgt das Testament der traditionellen Regel des Common Law, wonach der bewegliche Nachlass nach dem Recht des „domicile“ des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes, der unbewegliche Nachlass nach dem Recht des jeweiligen Lageortes vererbt wird (vgl. Burandt/Rojahn/Solomon, Erbrecht, 4. Aufl. 2022, V. 120. Länderbericht England und Wales (Vereinigtes Königreich), Rn. 3; Büdding/Tolani, Der deutsch-amerikanische Erbfall – anwendbares Recht nach der EuErbVO, ZEV 2019, 613, 614). Es gibt keine Anhaltspunkte in der Urkunde, dass der Erblasser von dieser traditionellen Regel abweichen wollte. Aus der Formulierung des Testaments, dass „das gesamte restliche bewegliche und unbewegliche Vermögen meines Bruttonachlasses, wo auch immer belegen“ (Zitat nach der amtlichen Übersetzung) dem Erben zustehen soll, wird ersichtlich, dass der Erblasser die Belegenheit des unbeweglichen Vermögens bedacht und keine besonderen Regelungen in Abweichung von dem im Bundesstaat New York geltenden Recht dazu getroffen hat, obgleich er als beruflich im Immobilienbereich Tätiger (vgl. Sterbeurkunde, Bl. 53 d.A.) nicht ohne Fachkenntnisse war. Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass es nicht seinem Willen entsprach, dass das Recht an der Immobilie nach traditionellem Rechtsgedanken des USamerikanischen Rechts nach dem Belegenheitsort bestimmt wird. Vielmehr ist davon auszugehen, dass er nach den Grundsätzen seines Heimatrechts vererben wollte, dass also bewegliches Vermögen nach dem Aufenthaltsrecht und unbewegliches Vermögen nach dem Belegenheitsrecht behandelt wird.
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Dass der Erblasser in englischer Sprache und in der Form des Zeugentestaments, der am meisten verbreiteten Form nach USamerikanischen Recht (vgl. Burandt/Rojahn/Leithold, Erbrecht, 4. Aufl. 2022, V. 120. Länderbericht USA Rn. 72 ff.) verfügte, spricht noch nicht für eine konkludente Rechtswahl des Rechts des Bundesstaates New York für den gesamten Nachlass, d.h. auch für die Immobilie in Deutschland. Hinzu kommt, dass nach USamerikanischem Recht allein auf den Testamentswortlaut abzustellen ist; außerhalb der Testamentsurkunde liegende Umstände dürfen hiernach lediglich bei Mehrdeutigkeit (ambiguity) des Testamentswortlauts berücksichtigt werden (Burandt/Rojahn/Leithold, a.a.O., Länderbericht USA Rn. 104), so dass hier auch unter diesem Gesichtspunkt für die Rechtswahl Andeutungen im Testament zu erwarten wären.
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Weiter verfügte der Erblasser, dass der Nachlass der Verfügungsgewalt des „executor“ unterstehen soll, wie bei testamentarischer Erbfolge im USamerikanischen Recht typisch (vgl. Roth, Kather, „Probate“ – Das USamerikanische Nachlassverfahren, NJW-Spezial 2013, 551; Döbereiner in Krätzschel/Falkner/Döbereiner, Nachlassrecht, 12. Aufl. 2022, § 48 Rn. 71: USA). Die im Bereich „Schulden“ (S. 1 des übersetzten Testaments) und „Verschiedene Bestimmungen für den Testamentsvollstrecker“ (S. 3 des übersetzten Testaments) geregelten Vorgaben an den Testamentsvollstrecker enthalten ebenfalls keine spezifischen, von einer klassischen Testamentsvollstreckung abweichenden Rechtsmodelle, die auf die Wahl des Rechts des Bundesstaates New York auch für die Rechte an der Immobilie in Deutschland hindeuten würden. Soweit der Erblasser nur Ausdrücke verwendet, die (wie der Begriff des „Pflichtteils“) Äquivalente in vielen Sprachen bzw. Rechtsordnungen haben, ist dies grundsätzlich kein hinreichendes Indiz für die Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl (vgl. Anmerkung Sagstetter, ZEuP 2025, 187, 197 m.w.N.).
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4. Auch die Voraussetzungen für eine fingierte Rechtswahl nach Art. 83 Abs. 4 EuErbVO liegen nicht vor.
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4.1. Wurde eine Verfügung von Todes wegen vor dem 17. August 2015 nach dem Recht errichtet, welches der Erblasser gemäß dieser Verordnung hätte wählen können, so gilt dieses Recht als das auf die Rechtsfolge von Todes wegen anzuwendende gewählte Recht, Art. 83 Abs. 4 EuErbVO. Diese Übergangsvorschrift erfasst mithin Fälle, in denen eine Rechtswahl gerade unterblieben ist.
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Zu den subjektiven Voraussetzungen schweigt die Norm. Umstritten ist, ob ein bestimmtes Rechtsanwendungsbewusstsein oder ein „kollisionsrechtlicher Erwartungshorizont“ erforderlich sind. Zum Teil wird als ausreichend erachtet, dass die Verfügung von Todes wegen nach dem betreffenden Recht wirksam wäre (so BeckOGK/J. Schmidt, 01.06.2025, EuErbVO, Art. 83 Rn. 20, 22; Grüneberg/Thorn, BGB, 84. Aufl. 2025, EuErbVO, Art. 83 Rn. 7; Döbereiner in Krätzschel/Falkner/Döbereiner, NachlassR, 12. Aufl. 2022, § 47 Rn. 80; nach Köhler in Kroiß/Horn/Solomon, NachfolgeR, 3. Aufl. 2023, EuErbVO, Art. 22 Rn. 17, Art. 83 Rn. 5 sogar unabhängig davon, ob die Verfügung materiell und formell wirksam ist).
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Zum Teil wird vorausgesetzt, dass der Erblasser ein Rechtsanwendungsbewusstsein für die betreffende Verfügung von Todes wegen hat, ihm also bewusst war, dass er die Verfügung nach dem Staatsangehörigkeitsrecht errichtet (MüKoBGB/Dutta, EuErbVO, Art. 83 Rn. 13 f. m.w.N.; auch Kunz in Gebauer/Wiedmann, EurZivilR, 3. Aufl. 2021, EuErbVO, Art. 83 Rn. 10; Magnus in Hüßtege/Mansel/Dauner-Lieb/Heidel/Ring, BGB, Rom-Verordnungen, 04.2024, Art. 83 EuErbVO Rn. 36: in Abgrenzung zu Art. 22 EuErbVO soll dieser Nachweis im Wege der freien Beweiswürdigung erbracht werden und muss sich nicht „aus den Bestimmungen der Verfügung“ selbst ergeben). In der Praxis ergeben sich dabei freilich Abgrenzungsfragen zur konkludenten Rechtswahl nach Art. 22 Abs. 2 EuErbVO. Daher wird auch vertreten, auf die negative Voraussetzung abzustellen, dass kein Grund ersichtlich sei, dass der Erblasser geglaubt haben könnte, sein Staatsangehörigkeitsrecht sei nicht anwendbar (so Schleswig-Holsteinisches OLG, 3 Wx 6/23, juris Rn. 42: es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Erblasser geglaubt haben könnte, der Erbvertrag richte sich nicht nach französischem Recht, wenn er als französischer Staatsangehöriger vor einem französischen Notar über u.a. seine französische Immobilie verfüge; in diese Richtung auch Sagstetter, ZEuP 2025, 187, 205: Eine teleologische Reduktion der fiktiven Rechtswahl in subjektiver Hinsicht sei nur berechtigt, wenn sich keinerlei Anhaltspunkte für ein Bewusstsein im weitesten Sinne finden, dass nach Staatsangehörigkeitsrecht verfügt wird).
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Ratio der Norm ist, den Übergang von der Staatsangehörigkeitsanknüpfung auf die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt, Art. 21 EuErbVO, abzufedern. Staaten, in denen vor dem Stichtag ohne Wahlmöglichkeit das Staatsangehörigkeitsstatut galt, sind die deutliche Mehrheit aller Vertragsstaaten (vgl. die Darstellung bei Amann, Fiktion des früheren Erbstatuts unter der Herrschaft der EuErbVO, DNotZ 2019, 326, 330). Die Rechtswahlfiktion wurde eingeführt, um das Vertrauen der Erblasser zu schützen, dass ihre vor dem Stichtag errichteten Verfügungen von Todes wegen Bestand haben. Entsprechend nennt EG 27 der EuErbVO „Mechanismen der Verordnung, die dann greifen, wenn der Erblasser für die Regelung seines Nachlasses das Recht eines Mitgliedstaats gewählt hat, dessen Staatsangehöriger er war“ (vgl. EuGH (6. Kammer), Urteil vom 09.09.2021, Rs. C-422/20, ZEV 2021, 710, Rn. 52 ff., den bezweckten Gleichlauf von Zuständigkeit und anwendbarem Recht betonend). Die EuErbVO erlaubt – wie dargestellt – eine Rechtswahl nur in engem Rahmen: Eine Person kann das Recht des Staates wählen, dem sie im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt ihres Todes angehört (Art. 22 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Besonderheiten für Staatsangehörige mehrerer Staaten), nicht dagegen das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts oder das Belegenheitsrecht. Dementsprechend soll Art. 83 Abs. 4 EuErbVO auf die Fälle teleologisch beschränkt werden, in denen das Heimatrecht des Erblassers auch die Anknüpfung des Erbstatuts an die Staatsangehörigkeit vorsah und die Verfügung nach diesem Heimatrecht wirksam war (Dutta/Weber/Bauer/Fornasier, 2. Aufl. 2021, EuErbVO, Art. 83 Rn. 36; ebenso Amann, DNotZ 2019, 335 ff.; Köhler, in Kroiß/Horn/Solomon, NachfolgeR, 3. Aufl. 2023, Art. 83 EuErbVO Rn. 5: ohne Voraussetzung der Wirksamkeit der Verfügung; krit. Dutta, a.a.O. Rn. 13 f.: kaum mit dem Wortlaut von Abs. 4 vereinbar; krit auch Salomon, FamRZ 2024, 972, 974: Vertrauensschutz, wenn hierfür weder ein Wille noch ein Interesse des Erblassers auszumachen ist; vermittelnd Sagstetter, a.a.O., ZEuP 2025, 187, 203: Es muss nach der ratio der Norm – dem Vertrauensschutz in das Eingreifen des Staatsangehörigkeitsprinzips – auch genügen, dass der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Staat hatte, dessen Erbkollisionsrecht vor dem Stichtag dem Staatsangehörigkeitsprinzip folgte).
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Es ist demnach jedenfalls für Art. 83 Abs. 4 EuErbVO erforderlich, dass nach dem Heimatrecht (oder dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts) des Testators das Staatsangehörigenstatut galt (OLG Karlsruhe, 14 W 87/23 (Wx), juris Rn. 70).
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4.2. Hier testierte der Erblasser mit (ausschließlich) USamerikanischer Staatsangehörigkeit und gewöhnlichem Aufenthalt im Bundesstaat New York. Nach dem Recht des Bundesstaates New York greift nicht das Staatsangehörigkeitsprinzip, sondern – wie ausgeführt – das Prinzip der Nachlassspaltung, es gilt also das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts für bewegliches Vermögen und das Recht des Belegenheitsortes für Immobilien. Art. 83 Abs. 4 EuErbVO ist nach den dargestellten teleologischen Erwägungen mithin schon aus diesem Grund nicht einschlägig. Auf die umstrittene Frage, ob zudem ein Rechtsanwendungsbewusstsein – positiver oder negative Art – zum Staatsangehörigkeitsrecht vorlag, kommt es daher nicht mehr an.
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5. Gemäß dem für die Annahme und die Ausschlagung geltenden deutschen Erbrecht, Art. 23 Abs. 1, 2 e) EuErbVO, hat der Beschwerdeführer mit notarieller Erklärung vom 03.05.2019 wirksam und fristgerecht die Erbschaft ausgeschlagen, soweit die Immobilie in Deutschland betroffen ist.
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5.1. Nach § 1944 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 BGB beginnt die sechsmonatige Ausschlagungsfrist nicht vor Bekanntgabe der Verfügung von Todes wegen durch das Nachlassgericht (BeckOGK/Heinemann, 01.07.2025, BGB, § 1944 Rn. 92 m.w.N.). Für den Fristbeginn ist ohne Bedeutung, ob der Beschwerdeführer zuvor auf andere Weise von dem Erbfall und dem Testament Kenntnis erlangt hatte (BayObLG, Beschluss vom 08.09.2004, 1Z BR 059/04, juris Rn. 16). Zeitlich kann die Erbschaft frühestmöglich ausgeschlagen werden, sobald der Erbfall eingetreten ist, § 1946 BGB. Eine vor dem Erbfall erklärte Ausschlagung ist wirkungslos (MüKoBGB/Leipold, 9. Aufl. 2022, § 1946 Rn. 4).
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Trotz der grundsätzlichen Unwirksamkeit von Teil-Ausschlagungen nach § 1950 BGB ist die Ausschlagung eines Nachlassteils aufgrund Nachlassspaltung wirksam, wie auch § 1951 BGB für den Fall mehrerer Erbteile zeigt. §§ 1950, 1951 BGB gelten nicht für die gesamten Nachlassmassen, sondern nur für den dem deutschen Erbrecht unterliegenden Spaltnachlass (BeckOGK/Heinemann, 01.07.2025, BGB, § 1950 Rn. 17 m.w.N., § 1951 Rn. 18).
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Die Ausschlagungserklärung wird als form- und amtsempfangsbedürftige Erklärung mit dem Zugang beim zuständigen Nachlassgericht wirksam (Krätzschel in Krätzschel/Falkner/Döbereiner, Nachlassrecht, 12. Aufl. 2022, § 16 Rn. 18 f., § 44 Rn. 3 f.).
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5.2. Nach diesen Grundsätzen liegt hier eine wirksame Ausschlagung des in Deutschland belegenen Erbes durch den Beschwerdeführer vor.
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Die notariell beglaubigte Erklärung der Ausschlagung gegenüber dem Nachlassgericht vom 03.05.2019 erfolgte formgerecht, § 1945 Abs. 1 BGB. Sie war zu diesem Zeitpunkt – fast zwei Jahre nach dem Erbfall – wirksam möglich und noch nicht verfristet, da das Nachlassgericht die Verfügung von Todes wegen durch Mitteilung vom 19.12.2019 (Bl. 47/48 d.A.) bekanntgegeben hat. Auf eine Verbescheidung der dem zuständigen Nachlassgericht wirksam zugegangenen Ausschlagungserklärung kommt es gerade nicht an.
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Auch konnte der Beschwerdeführer die Erbschaft aus dem Berufungsgrund des Testaments und sodann aus dem dann einschlägigen Berufungsgrund des gesetzlichen Erbrechts ausschlagen, wie der Rechtsgedanke des § 1948 BGB zur Unabhängigkeit der Berufungsgründe zeigt.
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5.3. Der Wirksamkeit der Ausschlagung steht hier nicht entgegen, dass gemäß § 1943 BGB die Ausschlagung der Erbschaft nach deren Annahme durch den Erben nicht mehr möglich ist, denn hier liegt keine (konkludente) Annahme der Erbschaft vor der Ausschlagung vor.
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Die bloße Inbesitznahme des Nachlasses durch den Beschwerdeführer führt nach anwendbarem deutschen Recht nicht zur Annahme der Erbschaft. Die Annahme durch schlüssiges Verhalten setzt ein nach außen erkennbares Verhalten des Erben voraus, das gegenüber Dritten objektiv eindeutig zum Ausdruck bringt, Erbe zu sein und die Erbschaft behalten zu wollen (BayObLG, Beschluss vom 08.09.2004, 1Z BR 059/04, juris Rn. 18). Willensmängel sind allein eine Frage der Anfechtbarkeit (BeckOK BGB/Siegmann/Höger, 74. Ed. 01.02.2025, § 1943 Rn. 6; MüKoBGB/Leipold, 9. Aufl. 2022, § 1943 Rn. 4).
54
Hier ist hinsichtlich des Spaltnachlasses in Deutschland kein Verhalten des Beschwerdeführers ersichtlich, das eindeutig ein Behaltenwollen der Erbschaft zeigt. Der Beschwerdeführer trägt nur vor, den Nachlass im Jahr 2017 in Besitz genommen zu haben, womit offenbar der Nachlass in den USA, nicht der Spaltnachlass in Deutschland gemeint ist, nachdem zu einem Aufenthalt und Besitz der Immobilie in Deutschland nichts vorgetragen oder ersichtlich ist. Wie gesehen, dürfen Annahme und Ausschlagung einer Erbschaft nicht ohne Weiteres auch auf einen Spaltnachlass übertragen werden.
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5.4. Damit gilt der Anfall der Erbschaft an den Beschwerdeführer als nicht erfolgt und die Erbschaft fällt demjenigen an, welcher berufen sein würde, wenn der Ausschlagende zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte, § 1953 Abs. 1, Abs. 2 BGB. Nach dem Testament des Erblassers soll in diesem Fall der Nachlass nach der gesetzlichen Erbfolge zugewendet werden (S. 3 oben des übersetzten Testaments).
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Die Anfechtung der Ausschlagung ist nach § 1954 Abs. 2, Abs. 3 BGB sechs Monate ab Kenntnis vom Anfechtungsgrund möglich. Der Beschwerdeführer hat hier am 10.08.2020 den ursprünglichen Erbscheinsantrag zurückgenommen, aber erst am 15.08.2022 einen neuen Antrag gestellt. Ein anderer Grund als die geänderte Rechtsansicht, dass wegen (konkludenter oder fingierter) Rechtswahl das Erbrecht des Bundesstaates New York – und nicht deutsches Erbrecht – anwendbar sei, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Dies stellt schon keinen Motivirrtum für eine Anfechtung der Ausschlagung der Erbschaft hinsichtlich des deutschen Immobilienvermögens dar, denn unabhängig vom anwendbaren Recht war Motiv für die Ausschlagung, dass der Anteil des Erblassers zunächst allen Geschwistern gleichmäßig zufallen sollte. Dass dieses Motiv nachträglich durch ein etwaiges, vage vorgetragenes Zerwürfnis des Beschwerdeführers mit der Beteiligten zu 1 nicht mehr trägt, begründet keinen Irrtum über das Motiv.
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6. Auf die Ausschlagungsfrist nach dem Recht des Bundesstaates New York und deren etwaige Verlängerung durch deutsche Gerichte oder einen etwaigen Vertrauensschutz der Beteiligten zu 1 kommt es nach Vorstehendem nicht mehr an.
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1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81, 84 FamFG. Für eine Anordnung der Kostenerstattung hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1 sieht der Senat keine Veranlassung.
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2. Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren bleibt bis zur Ermittlung des Nachlasswerts durch das Nachlassgericht vorbehalten. Der Geschäftswert wird auf den noch festzustellenden Nachlasswert in Deutschland (§ 40 GNotKG) festzusetzen sein, da der Beschwerdeführer mit der Beschwerde geltend macht, hinsichtlich des in Deutschland belegenen Nachlasses Alleinerbe zu sein (§ 61 Abs. 1 GNotKG).
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3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.