Inhalt

VG München, Urteil v. 03.02.2025 – M 31 K 22.5527
Titel:

Zuwendungsrecht, Überbrückungshilfe III, Nachweis der Antragsberechtigung (hier verneint), Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (hier verneint), Nachsichtgewährung (hier verneint)

Normenketten:
GG Art. 3 Abs. 1
BV Art. 118 Abs. 1
Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 5 (Überbrückungshilfe III)
BayVwVfG Art. 32
Schlagworte:
Zuwendungsrecht, Überbrückungshilfe III, Nachweis der Antragsberechtigung (hier verneint), Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (hier verneint), Nachsichtgewährung (hier verneint)
Fundstelle:
BeckRS 2025, 2317

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.  

Tatbestand

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Die Klägerin, die ein Restaurant betreibt, begehrt die Gewährung und Auszahlung einer Zuwendung im Rahmen der Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 3 (Überbrückungshilfe III)
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Unter dem 10. September 2021 beantragte die Klägerin bei der Beklagten als zuständiger Bewilligungsstelle für die Monate Januar bis Juni 2021 die Gewährung von Überbrückungshilfe III i.H.v. 329.241,44 EUR. Mit Bescheid vom 14. Juni 2022 bewilligte die Beklagte der Klägerin die beantragte Überbrückungshilfe III zunächst vorläufig dem Grunde nach zur Sicherung der beihilferechtlichen Zulässigkeit einer etwaigen späteren Auszahlung angesichts des Auslaufens des Befristeten Beihilferahmens zum 30. Juni 2022. Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 10. Oktober 2022 lehnte die Beklagte den Antrag sodann ab und verfügte, dass der Bescheid die Bestimmungen des vorläufig ergangenen Bescheids vom 14. Juni 2022 vollständig ersetzt. Zur Begründung führte sie aus, die Voraussetzungen für die Gewährung der beantragten Überbrückungshilfe seien nicht erfüllt. Die Antragsberechtigung sei nicht ausreichend dargelegt worden. Insbesondere habe die Klägerin nicht dargelegt, dass kein Unternehmensverbund vorliege.
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Hiergegen erhob die Klägerin mit Schriftsatz ihrer damaligen Bevollmächtigten vom 8. November 2022 Klage. Sie beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 10. Oktober 2022 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Überbrückungshilfe III i.H.v. 329.241,44 EUR zu gewähren.
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Zur Begründung wird mit Schriftsätzen vom 27. Oktober 2023, 27. Mai 2024, 6. August 2024 und 14. Dezember 2024 im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe mit ihrem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 30. April 2024, das dem Gericht unter dem 27. Mai 2024 vorgelegt worden sei, dargelegt und bewiesen, dass sie nicht Teil eines Unternehmensverbundes sei. Die verspätete Beantwortung der Rückfrage der Beklagten sei von der Klägerin nicht zu vertreten, da das von der Beklagten zur Verfügung gestellte Antwortfenster am letzten Tag der Frist bereits geschlossen gewesen und eine Antwort daher für den prüfenden Dritten nicht mehr möglich gewesen sei. Die Beantwortung der Anfrage sei somit aus Gründen, die allein in der Sphäre der Beklagten lägen, objektiv unmöglich gewesen. Die Klägerin und der für sie tätige prüfende Dritte seien berechtigt gewesen, die von der Beklagten bis 18. August 2022 gesetzte Frist zur Stellungnahme umfänglich auszunutzen. Eine klägerseitige Verpflichtung, wegen fehlenden technischer Möglichkeit zur Äußerung innerhalb der noch offenen Frist alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Kontaktaufnahme mit der Beklagten, insbesondere des Service-Desks zu nutzen, habe nicht bestanden. Da der technische Fehler nicht in der Sphäre der Klägerin und ihres prüfenden Dritten, sondern bei der Beklagten gelegen habe, sei es gerade bei einem ausschließlich elektronisch geführten Verwaltungsverfahren allein Obliegenheit der Beklagten gewesen, ihre technische Erreichbarkeit sicherzustellen. Wäre die Beklagte ihre Verpflichtung, das Antwortfenster bis zum Ablauf der Frist zur Verfügung zu stellen, nachgekommen, hätte die Klägerin die Nachweise bereits fristgerecht bis zu diesem Zeitpunkt vorliegen können. Hinzu komme, dass die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht der Klägerin nicht überspannt werden dürften, da sie sich in Befolgung der Zuwendungspraxis der Beklagten der Hilfe eines Dritten bedienen müsse, auf dessen ordnungsgemäße Tätigkeit sie aber keinerlei Einfluss habe. Ein Verschulden des prüfenden Dritten sei ihr daher jedenfalls nicht zuzurechnen.
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Die Beklagte erwiderte mit Schriftsätzen ihrer Bevollmächtigten vom 4. September 2023 und 12. Juni 2024. Sie beantragt
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Klageabweisung.
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Den Antrag der Klägerin auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vom 4. Oktober 2024 mit dem sinngemäßen Ziel, die Beklagte im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu verpflichten, der Klägerin die beantragte Überbrückungshilfe III zu gewähren und auszuzahlen, hat das Gericht mit Beschluss vom 16. Oktober 2024, M 31 E 24.5993, abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Klägerin hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 9. Dezember 2024, 21 CE 24.1854, verworfen.
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Mit Beschluss vom 13. Juni 2024 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in diesem wie im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes M 31 E 24.5993, und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Mit Zustimmung der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 101 Abs. 2 VwGO.
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Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Sie ist unbegründet.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagte den von ihr geltend gemachten Anspruch, gerichtet auf Verpflichtung zur Bewilligung einer Überbrückungshilfe III in Höhe von 329.241,44 EUR für die Monate Januar bis Juni 2021, nicht inne (§ 113 Abs. 5 VwGO).
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1. Bei der streitgegenständlichen Überbrückungshilfe III handelt es sich um eine freiwillige Leistung, die auf der Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinien im billigen Ermessen der Behörde und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel erfolgt (vgl. Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 3 – vom 18.2.2021, BayMBl. Nr. 132 vom 19.2.2021, hier i.d.F der Änderung vom 21.12.2021, BayMBl. 2022 Nr. 25 vom 12.1.2022). Ein Rechtsanspruch besteht nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung der jeweiligen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt oder der Rahmen, der durch die gesetzliche Zweckbestimmung im zugrundeliegenden Haushaltsgesetz/Haushaltsplan gezogen ist, nicht beachtet worden ist. Entscheidend ist allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht – wie Gesetze oder Rechtsverordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 16.6.2015 – 10 C 15.14 – juris Rn. 24; BayVGH. B.v. 3.8.2022 – 22 ZB.1151 – juris Rn. 17; VG München, U.v. 31.5.2022 – M 31 K 22.661 – juris Rn. 21).
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Nur entsprechend den vorgenannten Grundsätzen kann ein Anspruch auf Förderung im Einzelfall bestehen. In der hier einschlägigen Zuwendungsrichtlinie wird zudem auch ausdrücklich klargestellt, dass die Förderung ohne Rechtsanspruch im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel im Ermessenswege erfolgt (vgl. Satz 2 und 3 der Präambel zur Zuwendungsrichtlinie).
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Bei der Ausgestaltung eines solchen Förderprogramms kommt dem Zuwendungsgeber ein weites gestalterisches Ermessen hinsichtlich der Festlegung der Fördertatbestände, der Förderhöhe, des Kreises der Förderempfänger sowie insbesondere auch des Förderverfahrens zu (sog. verfahrensseitige Dimension des Zuwendungsermessens, vgl. dazu aktuell VG München, B.v. 9.1.2025 – M 31 E 24.537 – juris Rn. 25 m.w.N.). Gerade im Zuwendungsverfahren, in dem grundsätzlich kein Rechtsanspruch auf eine Förderung besteht, kommt der Grundsatz des Art. 10 BayVwVfG besonders zum Tragen. Es ist in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass maßgeblich auf die tatsächliche Handhabung der einschlägigen Förderrichtlinien abzustellen ist und es dabei grundsätzlich unerheblich ist, ob dem Zuwendungsantragsteller die entsprechende Verwaltungspraxis vorher bekannt gegeben war und wie er sich hierauf einstellten konnte (BVerwG, B.v. 11.11.2008 – 7 B 38/08 – juris Rn. 10 m.w.N.; HessVGH, B.v. 1.11.2010 – 11 A 686/10 – juris Rn. 29; aktuell VG München, U.v. 31.5.2022 – M 31 K 20.1730 – juris Rn. 24). Den Zuwendungsantragsteller trifft dabei über die allgemeine Mitwirkungspflicht nach Art. 26 Abs. 2 BayVwVfG hinaus eine (erhöhte) Sorgfaltspflicht im Hinblick auf die Vollständigkeit und Richtigkeit von Angaben, die im Zuwendungsverfahren zu berücksichtigen sind (vgl. BayVGH, B.v. 20.7.2022 – 22 ZB 21.2777 – juris Rn. 16). Dies gilt gerade auch für die Erreichbarkeit des Zuwendungsantragstellers für Mitteilungen der Zuwendungsbehörde in einem ausschließlich elektronisch geführten Verwaltungsverfahren und deren fristgerechte Beantwortung (vgl. aktuell VG München, GB.v. 9.7.2024 – M 31 K 22.5360 – juris Rn. 15). Hierbei ist maßgeblich in den Blick zu nehmen, dass es gerade im Zuwendungsverfahren in der Sphäre und Verantwortung des Zuwendungsempfängers liegt, die Voraussetzungen für die Gewährung einer Zuwendung bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (fristgerecht) darzulegen und nachzuweisen (vgl. z.B. VG München, U.v. 10.10.2022 – M 31 K 22.661 – juris Rn. 28 m.w.N.). Da die streitige Zuwendung eine freiwillige staatliche Leistung darstellt, ist ihre Gewährung entscheidend von einer Mitwirkung des Antragstellers im Rahmen des Zuwendungsverfahrens, insbesondere von der Mitteilung und Substantiierung zutreffender, zur Identifikation und für die Förderfähigkeit notwendiger (qualifizierter) Angaben abhängig.
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2. Auch bei einer hier zugunsten der Klägerin unterstellten (analogen) Anwendbarkeit von Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG im Vollzug der Corona-Wirtschaftshilfen durch die Beklagte (vgl. dazu aktuell ausführlich und unter Annahme einer materiell-rechtlichen Ausschlussfrist ablehnend VG Würzburg, U.v. 8.7.2024 – W 8 K 24.111 – juris Rn. 44 ff.) ist der Klägerin keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Klägerin hat ihrer Sorgfaltspflicht nicht in ausreichender Weise genügt. Sie war nicht ohne Verschulden gehindert, die ihr von der Beklagten zuletzt am 18. August 2022 gesetzte Frist einzuhalten.
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Die Versäumung einer Frist ist in diesem Sinne grundsätzlich dann verschuldet, wenn der Betroffene die Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Verfahrensbeteiligten im Hinblick auf eine Fristwahrung geboten ist und ihm nach den jeweiligen Gesamtumständen zuzumuten war. Auch leichte Fahrlässigkeit schadet. Eine unverschuldete Fristversäumnis liegt nur dann vor, wenn den Betroffenen nach den Umständen des Einzelfalls kein Vorwurf an der Versäumnis trifft. Bei Berufsberatern wie Rechtsanwälten und Steuerberatern sind hierbei grundsätzlich höhere Anforderungen zu stellen. Die für einen gewissenhaften Verfahrensbeteiligten nach objektiven Maßstäben gebotene Sorgfalt muss folglich eingehalten werden. Auch ein etwaiges behördliches Mitverschulden ist grundsätzlich unbeachtlich (vgl. statt vieler Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 25. Auflage 2024, § 32 Rn. 20 ff.). Der Maßstab der erforderlichen Sorgfalt bestimmt sich mithin danach, welche Anstrengungen den Beteiligten im konkreten Fall zumutbar sind, wobei ein beruflich tätiger Bevollmächtigter, insbesondere gerade auch ein Steuerberater, bei der Überwachung, Berechnung und Wahrung von Fristen eine besondere Sorgfalt walten lassen muss.
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2.1 Die Klägerin und der ihrer Sphäre zuzurechnende prüfende Dritte (vgl. zu Rolle und Funktion des prüfenden Dritten insbesondere VG München, B.v. 31.10.2022 – M 31 E 22.5178 – juris Rn. 28 sowie nachfolgend unter 2.2) haben nicht ausreichend durch geeignete Maßnahmen sichergestellt, dass die Rückfragen der Beklagten fristgerecht beantwortet wurden. Hier hätte es dem prüfenden Dritten oblegen, bei umfänglicher Ausnutzung der ihm am 18. August 2022 zuletzt gesetzten Frist zur Stellungnahme im Fall einer sodann zu verzeichnenden fehlenden technischen Möglichkeit zur Äußerung innerhalb noch offener Frist alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Kontaktaufnahme mit der Beklagten, insbesondere des Service-Desks, zu nutzen. Der prüfende Dritte hat hingegen nach eigenem Bekunden schon nicht versucht, unverzüglich Kontakt mit der Beklagten herzustellen, da er davon ausging, dass Rückfragen immer wieder gestellt würden. Damit hat die Klägerin der ihr obliegenden erhöhten Sorgfaltspflicht bei der Beantwortung der Anfragen der Beklagten vom 22. Mai 2022, 7. Juni 2022, 17. Juni 2022 und 18. August 2022 nicht ausreichend genügt.
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Zunächst durfte sie ohnehin bereits nicht davon ausgehen, dass die Beklagte Rückfragen mehrfach stellen würde. Jedenfalls mit Blick auf die eindeutige Formulierung schon in der Rückfrage vom 17. Juni 2022 hätte es bereits innerhalb der dort gesetzten Frist einer Antwort bedurft, um der Mitwirkungsobliegenheit überhaupt ohne verschuldete Säumnis in noch ausreichender Weise zu genügen. Bereits aus diesem Grund hat die Klägerin gegen die ihr im Zuwendungsverfahren gebotenen besonderen Sorgfaltspflichten schuldhaft verstoßen.
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Für die zuletzt gesetzte Frist gilt dies umso mehr – und einen Sorgfaltspflichtverstoß auch selbstständig begründend – deshalb, wenn und weil die Beklagte in ihrer letzten Aufforderung vom 18. August 2022 ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass, sofern die Frist von zehn Tagen ohne eine Antwort mit den benötigten Informationen verstreiche, nach Aktenlage entschieden werde. Zwar dürfen verfahrensrechtlich maßgebliche Fristen bis zu ihrer Grenze ausgenutzt werden. Dass ein Verfahrensbeteiligter bis zum letzten Tag der Frist abwartet, ehe er eine fristgebundene Erklärung abgibt, kann ihm daher als solches nicht vorgeworfen werden. Schöpft er allerdings ein solche Frist bis zum letzten Tag aus, hat er wegen des damit verbundenen Risikos aber erhöhte Sorgfalt aufzuwenden, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf mögliche und typischerweise gerade auch kurzfristig auftauchende Übertragungsprobleme. Der Beteiligte muss alle gebotenen und zumutbaren Maßnahmen treffen, um die Gefahr einer Fristversäumnis zu vermeiden (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 21.12.2023 – 2 B 2/23 – juris Rn. 11). Vor diesem Hintergrund von Klägerseite am 27. August 2022 auf eine nochmals ohne weiteres zu gewährende zusätzliche Fristverlängerung zu setzen und von einer sofortigen Kontaktaufnahme mit der Beklagten in offener Frist abzusehen, genügt dem ohnehin erhöhten Sorgfaltsmaßstab des Steuerberaters in seiner Funktion als prüfender Dritter im Vollzug der Corona-Wirtschaftshilfen offensichtlich nicht.
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Auch ist es ist schließlich ohne weiteres vertretbar, wenn die Beklagte zur Wahrung der notwendigen besonderen Verfahrenseffizienz und -beschleunigung in den Massenverfahren der Corona-Wirtschaftshilfen Nachweise, die erst im Klageverfahren und damit nach dem allein maßgeblichen Zeitpunkt der zuwendungsbehördlichen Entscheidung vorgelegt werden, nicht mehr berücksichtigt. Zur Bestimmung des maßgeblichen Beurteilungszeitpunktes ist auf das materielle Recht abzustellen, das hier insbesondere der Verwaltungspraxis der Beklagten zu entnehmen ist. Aus dem Abstellen auf den Zeitpunkt der Behördenentscheidung folgt, dass neuer Tatsachenvortrag oder die Vorlage neuer Unterlagen im Klageverfahren unbeachtlich sind (stRspr, vgl. aktuell z.B. BayVGH, B.v. 9.1.2024 – 22 C 23.1773 – juris Rn. 19). Auf die insbesondere in Anlage zum Schriftsatz vom 27. Mai 2024 vorgelegten Unterlagen kommt es mithin nicht an.
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Nach alledem ist die hier maßgebliche Zuwendungspraxis der Beklagten, die Gewährung der Überbrückungshilfe III von der fristgebundenen Beantwortung von Rückfragen zu den Voraussetzungen in Nr. 2.4 der Zuwendungsrichtlinie abhängig zu machen, und vorliegend mangels fristgerechter Beantwortung die Zuwendung zu versagen, auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Dem Richtlinien- bzw. Zuwendungsgeber steht es frei, sich für eine bestimmte Verwaltungspraxis zu entscheiden und diese zu handhaben bzw. hier durch die beliehene Beklagten handhaben zu lassen. Die Willkürgrenze wird selbst dann nicht überschritten, wenn es auch für eine alternative Förderpraxis gute oder gegebenenfalls sogar bessere Gründe gäbe. Eine Verletzung des Willkürverbots liegt nur dann vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich daher der Schluss aufdrängen würde, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhten. Dies ist hier weder – wie bereits ausgeführt – verfahrensrechtsrechtlich noch materiell-rechtlich der Fall. Die Beklagte durfte, zumal im Lichte der bei ihr vorhandenen Erkenntnisse zu einem möglichen Unternehmensverbund (vgl. S. 163 f. der Behördenakte), ohne weiteres bei der Klägerin zu ihrer Antragsberechtigung nachfragen, um die entsprechenden Voraussetzungen, die sich insbesondere aus Nr. 2.4 der Zuwendungsrichtlinie ergeben, beurteilen zu können (vgl. VG München, U.v. 29.5.2024 – M 31 K 21.4947 – juris Rn. 25).
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2.2 Schließlich greift auch der klägerische Einwand, dass die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht der Klägerin nicht überspannt werden dürften, wenn diese, wie hier, keine Möglichkeit habe, diesen selbst nachzukommen, sondern sich in Befolgung der Zuwendungspraxis der Beklagten bei der Antragstellung der Hilfe eines prüfenden Dritten bedienen müsse, auf dessen ordnungsgemäße Tätigkeit sie indes keinen Einfluss habe, nicht durch. Die Klägerin muss sich das Handeln und Unterlassen des prüfenden Dritten, den sie für die Antragstellung im Vollzug des Überbrückungshilfe III (vgl. Nr. 7 der Zuwendungsrichtlinie) selbst ausgewählt und eingeschaltet hat, gemäß Art. 14, 32 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG wie eigenes Verschulden zurechnen lassen. In dieser Regelung der Verschuldenszurechnung, die gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO inhaltsgleich auch im Verwaltungsprozess gilt, spiegelt sich der allgemeine Grundsatz wieder, dass jeder, der sich am Rechtsverkehr beteiligt, für diejenigen Personen einzustehen hat, die aufgrund einer entsprechenden Beauftragung in seiner Sphäre tätig werden (vgl. z.B. Kallerhoff/Stamm in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 32 Rn. 16). Dass die Einschaltung eines prüfenden Dritten im Vollzug der Überbrückungshilfe III notwendige Voraussetzung der Antragstellung war, ändert daran nichts.
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3. Zudem scheitert eine – hier erneut i.S.d. Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG als statthaft unterstellte – Wiedereinsetzung auch an der Versäumung der Frist gemäß Art. 32 Abs. 2 BayVwVfG.
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Nach Art. 32 Abs. 2 BayVwVfG ist ein Antrag auf Wiedereinsetzung innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
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Die Klägerin hat weder einen fristgerechten Antrag auf Wiedereinsetzung bei der Beklagten gestellt noch die versäumte Verfahrenshandlung innerhalb der 2-Wochen-Frist nachgeholt. Vielmehr hat sie – soweit vorgetragen und ersichtlich – erstmals mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 30. April 2024 (vorgelegt als Anlage zum Schriftsatz vom 27.5.2024) und damit erst ca. 1½ Jahre nach Bekanntgabe des streitbefangenen Bescheids die von der Beklagten im Zuwendungsverfahren angeforderten Auskünfte zur Frage des Vorliegens eines Unternehmensverbundes gegeben und hierzu entsprechende Unterlagen beigebracht. Die versäumte Handlung wurde damit keinesfalls mehr innerhalb der 2-Wochen-Frist des Art. 32 Abs. 2 BayVwVfG nachgeholt. Bereits auch aus diesem Grund kann eine Wiedereinsetzung in die Frist – auch von Amts wegen – nicht (mehr) gewährt werden.
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4. Zugunsten der Klägerin kommt auch keine Nachsichtsgewährung in Betracht.
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In der Rechtsprechung ist zwar anerkannt, dass sich Behörden unter bestimmten engen Voraussetzungen – begründet durch den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben in Gestalt des Verbots eines venire contra factum proprium, § 242 BGB analog (vgl. BVerwG, U.v. 10.11.2016 – 8 C 11/15 – juris Rn. 21) – nicht auf den Ablauf einer die weitere Rechtsverfolgung hindernden oder die Anspruchsberechtigung vernichtenden (materiellen) Ausschlussfrist berufen dürfen. Diese Ausnahmen lassen sich nicht allgemeingültig, sondern nur vor dem Hintergrund des Regelungsbereichs, in dem die Ausschlussfrist wirkt, und mit Blick auf ihre dortige Funktion bestimmen. Eine Nachsichtgewährung in diesem Sinne kommt in Betracht, wenn die Versäumung der Frist sowohl maßgeblich auf staatliches Fehlverhalten bei der Anwendung von Rechtsvorschriften zurückzuführen ist, ohne deren korrekte Beachtung der Säumige seine Rechte nicht wahren kann, als auch durch die Berücksichtigung der Verspätung der Maßnahmezweck nicht verfehlt würde (vgl. BVerwG, aaO juris Rn. 22; OVG LSA, U.v. 9.5.2023 – 1 L 65/22.Z – juris Rn. 17 f.; VG Würzburg, U.v. 8.7.2024 – W 8 K 24.111 – juris Rn. 50 f.).
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Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Vielmehr hat die Klägerin – wie vorstehend unter 2. ausgeführt – offenkundig nicht alle ihr und dem für sie tätigen prüfenden Dritten gebotenen und zumutbaren Maßnahmen unternommen, um der Gefahr einer Fristversäumnis bestmöglich zu begegnen. Ein (zugunsten der Klägerin unterstelltes) Mitverschulden bzw. Fehlverhalten der Beklagten infolge eines vorzeitigen Schließens des Antragsportals tritt – im Lichte des erheblichen Sorgfaltspflichtverstoßes auf Klägerseite, der sich mit Blick auf den entsprechend gesteigerten Maßstab hier sowohl im Vollzug des Zuwendungsrechts als auch beim beruflichen Tätigkeitwerden eines Steuerberaters ergibt, bei notwendig anzustellender wertender Betrachtung i.S.d. Maßstäbe der vorgenannten Rechtsprechung – dahinter zurück.
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Sonach war die Klage mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.