Inhalt

OLG München, Beschluss v. 02.09.2025 – 34 Wx 189/25 e
Titel:

Bodenrichtwertzone, Brandversicherungswert, Sicherheitsabschlag, Grundbuchamt, Festsetzung des Geschäftswerts, Pauschalabschlag, Bayerisches Oberstes Landesgericht, Geschäftswertfestsetzung, Grundstücksübertragung, Grundstückswert, Verkehrswert, Gutachterausschuß, OLG Brandenburg, Grundstückspreise, Kostenentscheidung, Gleichbehandlungsgrundsatz, Grundstücksverkehr, Grundstücksfläche, Beschwerdeverfahren, Beschwerdevorbringen

Normenkette:
GNotKG § 46
Leitsatz:
Wird im Rahmen der Geschäftswertfestsetzung der Verkehrswert von übertragenem Grundbesitz anhand des Bodenrichtwerts bestimmt, so ist es nicht sachgerecht, in Gebieten mit großer Grundstücksnachfrage einen pauschalen Abschlag vorzunehmen, wenn konkrete wertmindernde Umstände nicht ersichtlich sind (Bestätigung von OLG München Beschluss vom 11.7.2018 – 34 Wx 115/18 Kost, BeckRS 2018, 14880).
Schlagworte:
Grundstücksübertragung, Geschäftswertfestsetzung, Bodenrichtwert, Sicherheitsabschlag, Verkehrswert, Brandversicherungswert, Grundstücksnachfrage
Fundstelle:
BeckRS 2025, 22953

Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Ebersberg – Grundbuchamt – vom 29.10.2024 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Der Beteiligte zu 1 wendet sich gegen die Festsetzung des Geschäftswerts im Zusammenhang mit einer Grundstücksübertragung.
2
Im Grundbuch des Amtsgerichts Ebersberg waren die Eltern des Beteiligten zu 1 als Eigentümer von Grundbesitz eingetragen. Sie übertrugen den Grundbesitz mit notariellem Vertrag vom 8.3.2024 auf ihre Kinder. Der Vollzugsantrag ging beim Grundbuchamt am 19.3.2024 ein. Die Umschreibung erfolgte am 2.4.2024.
3
Mit Anwaltsschriftsatz vom 27.7.2024 beantragte der Beteiligte zu 1, den Geschäftswert auf 580.000 € festzusetzen. Bei einem Verkauf des Vertragsobjekts wäre maximal dieser Preis zu erzielen. In der Folge des Überfalls Russlands auf die Ukraine am 24.2.2022 sei der Immobilienmarkt zusammengebrochen und habe sich seitdem nicht mehr erholt. Seit dem Sommer 2022 fänden grundsätzlich keine regulären Käufe mehr am Immobilienmarkt statt. Sofern es vereinzelt zu Transaktionen komme, lägen ihnen Besonderheiten zugrunde wie der Erwerb eines Grundstücks durch ein Kind, das sich neben dem Grundstück seiner Eltern ansiedle, um deren Pflege leisten zu können. Vor diesem Hintergrund beantrage er, weder die Bodenrichtwerte noch die Brandversicherungssummen zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Grundbuchamtsgebühren zu berücksichtigen.
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Nach Einholung einer Stellungnahme des Bezirksrevisors, des Beteiligten zu 2, setzte das Grundbuchamt mit Beschluss vom 29.10.2024, zugestellt am 9.11.2024, den Geschäftswert auf 1.096.248 € fest. Der amtlich festgestellte Bodenrichtwert betrage zum 1.1.2024 gemäß Gutachterausschuss für Grundstückswerte im Bereich Ebersberg für die Bodenrichtwertzone 11001010 1.200 €/m². Bei einer Grundstücksfläche von 736 m² ergebe sich ein Grundstückswert von 883.200 €. Für das Gebäude ergebe sich aus der der Grundakte zu entnehmenden Brandversicherungssumme von 19.800 €, dem Multiplikator aus der Tabelle von 10,76, der Gebäudeart „Wohnhäuser“ und einem Gebäudealter von 50 Jahren ein Betrag von 213.048 €.
5
Mit seiner Beschwerde vom 9.12.2024, eingegangen am selben Tag, wendet sich der Beteiligte zu 1 gegen die Nichtvornahme des Sicherheitsabschlags von 25% auf den Bodenrichtwert. Dieser sei nach der gefestigten Rechtsprechung vorzunehmen. In der Vergangenheit sei von einem solchen Abschlag abzusehen gewesen, wenn hierfür konkrete Erkenntnisse vorlagen, beispielsweise in Gebieten bzw. Ballungsräumen mit großer Grundstücksnachfrage bzw. ständig steigenden Grundstückspreisen. Diese Ausnahme sei seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine nicht mehr anwendbar. Denn seit 2022 gebe es keine große Nachfrage mehr nach Grundstücken und die Grundstückspreise seien auch nicht mehr gestiegen. Tatsächlich seien die Grundstückspreise sogar erheblich gefallen. Die Nichtvornahme des Sicherheitsabschlags von 25% auf den Bodenrichtwert verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Denn andere Amtsgerichte im Großraum München nähmen diesen Abschlag vor.
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Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 1.4.2025 nicht abgeholfen. Gemäß dem Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 11.7.2018 sei es nicht sachgerecht, in Gebieten mit großer Grundstücksnachfrage generell einen pauschalen Abschlag vorzunehmen. Dies gelte in jedem Fall für den Landkreis Ebersberg. Es sei auch nicht ersichtlich, warum der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine einen Grund für eine Wertminderung darstellen solle. Die Bodenwerte seien tatsächlich gegenüber den Werten zum 1.1.2022 bis zum Bewertungszeitpunkt 19.3.2024 gesunken. Dies könne man der Veröffentlichung der Bodenrichtwerte durch den Gutachterausschuss entnehmen. Vorliegend sei der Richtwert für das Grundstück von 1.500 €/m² auf 1.200 €/m² gesunken. Für vorhandene Bebauung sei im grundbuchamtlichen Verfahren kein Abschlag vorzunehmen. Vielmehr erfolge die Bewertung nach den Vorgaben des Justizministeriums unter Addition des Boden- und des Gebäudewerts. Durch die Heranziehung der Bodenrichtwerte zum 1.1.2024 sei den gesunkenen Bodenwerten bereits Rechnung getragen.
II.
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Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
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1. Das Rechtsmittel ist nach § 83 Abs. 1 Sätze 1 und 3 bis 5 i.V.m. § 81 Abs. 5 Sätze 1, 2 und 4 GNotKG zulässig. Gemäß § 83 Abs. 1 Satz 5 GNotKG i.V.m. § 81 Abs. 6 Satz 1 GNotKG entscheidet der Senat durch den Einzelrichter.
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2. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet. Die Festsetzung des Geschäftswerts auf 1.096.248 € ist zutreffend.
10
Der Wert einer Sache wird gemäß § 46 Abs. 1 GNotKG durch den Verkehrswert bestimmt. Steht dieser nicht fest, ist auf die Kriterien des Abs. 2 der Vorschrift zurückzugreifen, zu denen nicht nur gemäß Nr. 2 die Angaben der Beteiligten zählen, sondern gemäß Nr. 3 auch amtlich bekannte Tatsachen, insbesondere der Bodenrichtwert (OLG Karlsruhe NJOZ 2025, 554/555; Bormann/Diehn/Sommerfeldt/Diehn, GNotKG, 5. Aufl. 2025, § 46 Rn. 20; Korintenberg/Tiedtke, GNotKG, 22. Aufl. 2022, § 46 Rn. 35) und aus früheren Vorgängen bekannte Brandversicherungswerte (Bormann/Diehn/Sommerfeldt/Diehn § 46 Rn. 21; Korintenberg/Tiedtke § 46 Rn. 59). Nach dieser Maßgabe bestehen vorliegend gegen die angewandte Berechnungsmethode keine Bedenken. Der Verkehrswert steht hier nicht fest, daher ist es sachgerecht, auf den Bodenrichtwert und den Brandversicherungswert zurückzugreifen.
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a) Vorliegend bildet der zum 1.1.2024 festgestellte Bodenrichtwert den Grundstückswert zum 19.3.2024 als dem gemäß § 59 Satz 1 GNotKG relevanten Zeitpunkt zutreffend ab. Insbesondere spiegelt sich darin auch das vom Beteiligten zu 1 angeführte Sinken der Grundstückspreise seit 2022 wider. Dass infolge Fehlens aussagekräftiger Transaktionen ein Bodenrichtwert nicht zuverlässig habe gebildet werden können, überzeugt nicht. Es ist schon nicht belegt, dass im relevanten Zeitraum nur noch Übertragungen in Sonderkonstellationen erfolgt seien. Im Übrigen gibt es auch in Gebieten, in denen kein relevanter Grundstücksverkehr existiert, einen Bodenrichtwert. Erforderlichenfalls muss dieser mithilfe deduktiver Verfahren oder in anderer geeigneter und nachvollziehbarer Weise ermittelt werden (Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Kleiber, BauGB, 158. EL Februar 2025, § 196 Rn. 52 ff.). Mit Blick auf die Fachkompetenz der Mitglieder des hierfür zuständigen Gutachterausschusses kann davon ausgegangen werden, dass diese bei der Festsetzung sachgerecht verfahren sind (OLG Brandenburg NJOZ 2023, 845/846; Senat BeckRS 2018, 14880 Rn. 15).
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Dass das Grundbuchamt von dem nach Maßgabe des Obenstehenden zutreffend ermittelten Bodenrichtwert keinen Sicherheitsabschlag vorgenommen hat, ist nicht zu beanstanden. Zwar ist, da der Bodenrichtwert nach § 196 Abs. 1 Satz 1 BauGB lediglich einen durchschnittlichen Lagewert darstellt, nicht auszuschließen, dass im Einzelfall der Wert des betroffenen Grundstücks tatsächlich darunter liegt (BayObLGZ 1972, 297/302). Das Gesetz verlangt jedoch keine mit letzter Präzision vorzunehmende Wertfeststellung (OLG Nürnberg ZEV 2024, 622; OLG Brandenburg NJOZ 2023, 845/846; Senat BeckRS 2018, 14880 Rn. 11; BayObLGZ 1972, 297/301). Sind wie hier keine konkreten wertmindernden Umstände vorgetragen oder anderweitig ersichtlich, so besteht jedenfalls in Gebieten mit offenbar nach wie vor großer Grundstücksnachfrage wie dem im Großraum München gelegenen Landkreis Ebersberg kein Anlass, vom Bodenrichtwert abzuweichen. Entgegen dem Beschwerdevorbringen existiert auch keineswegs eine gefestigte Rechtsprechung, wonach regelmäßig ein Sicherheitsabschlag von 25% geboten wäre. Vielmehr hat der Senat, worauf das Grundbuchamt zutreffend hinweist, bereits im Beschluss vom 11.7.2018 explizit festgehalten, dass es nicht sachgerecht erscheint, generell und auch in Gebieten mit großer Grundstücksnachfrage einen pauschalen Abschlag vorzunehmen. Soweit im dort entschiedenen Fall gleichwohl ein Abzug vom ermittelten Bodenrichtwert erfolgte, beruhte dies gerade auf wertmindernden Umständen, die dem konkreten Grundstück anhafteten (Senat BeckRS 2018, 14880 Rn. 16). Im Übrigen sehen in jüngerer Zeit auch andere Oberlandesgerichte von der Vornahme eines pauschalen Abschlags ab (OLG Karlsruhe NJOZ 2025, 554/555; OLG Düsseldorf ErbbauZ 2025, 87; OLG Nürnberg ZEV 2024, 622; OLG Brandenburg NJOZ 2023, 845/846). Wenn demgegenüber, wie der Beteiligte zu 1 vorträgt, zumindest im Großraum München manche Grundbuchämter im Hinblick auf die frühere Rechtsprechung des vormals zuständigen Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLGZ 1972, 297/303) und auch des Senats selbst (NJW-RR 2017, 1487/1488) nach wie vor pauschal einen Sicherheitsabschlag von 25% auf den Bodenrichtwert vornehmen, beruht das auf deren Entscheidungshoheit in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich. Daraus folgt aber kein Anspruch des Beteiligten zu 1 auf eine entsprechende Sachbehandlung betreffend ein im Amtsgerichtsbezirk Ebersberg gelegenes Grundstück durch das dort zuständige Grundbuchamt. Soweit im Übrigen der Senat noch in einem Einzelrichterbeschluss vom 3.8.2020 (FGPrax 2021, 43) keine Bedenken gegen die Vornahme eines solchen pauschalen Sicherheitsabschlags erhoben hat, wird hieran nicht festgehalten.
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b) Ein Sicherheitsabschlag war nach früherer Rechtsprechung auch vom Brandversicherungswert vorzunehmen (BayObLG Rpfleger 1976, 375). In der seit 1.10.2020 angewandten Richtzahl ist dieser Abschlag jedoch bereits berücksichtigt (Korintenberg/Tiedtke § 46 Rn. 65), die zur alten Berechnungsmethode ergangene Rechtsprechung ist daher insoweit überholt. Im Übrigen erhebt der Beteiligte zu 1 im Beschwerdeverfahren keine Einwendungen gegen die Heranziehung des Brandversicherungswerts mehr; auch unabhängig hiervon bestehen insoweit keine Bedenken.
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3. Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 83 Abs. 3 GNotKG nicht veranlasst.
15
4. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 83 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 81 Abs. 4 Satz 1 GNotKG kein Rechtsmittel gegeben.