Inhalt

VG München, Urteil v. 20.08.2025 – M 26b K 24.3508
Titel:

Anspruch des Arbeitgebers auf Erstattung verauslagter Verdienstausfallentschädigung (verneint), Arbeitnehmer symptomlos mit SARS-CoV-2 infiziert, aber arbeitsfähig, Absonderungsanordnung, kein Verdienstausfall bei Anspruch auf Entgeltfortzahlung

Normenketten:
IfSG § 56
EFZG § 3
Schlagworte:
Anspruch des Arbeitgebers auf Erstattung verauslagter Verdienstausfallentschädigung (verneint), Arbeitnehmer symptomlos mit SARS-CoV-2 infiziert, aber arbeitsfähig, Absonderungsanordnung, kein Verdienstausfall bei Anspruch auf Entgeltfortzahlung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 22931

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt als Arbeitgeberin die Erstattung einer Verdienstausfallentschädigung für einen Beschäftigten, der sich wegen einer Infektion mit SARS-CoV-2 auf behördliche Anordnung in häusliche Absonderung begeben musste und daher seine Arbeitsleistung nicht erbringen konnte.
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Die Klägerin betreibt ein Bewachungsgewerbe, in dem sie Herrn … … als Sicherheitskraft beschäftigt. Die Tätigkeit kann nur in Präsenz, d.h. nicht etwa im Homeoffice, ausgeübt werden. Der Arbeitnehmer befand sich nach einem positiven Testergebnis auf SARS-CoV-2 im Zeitraum vom 28. März 2022 bis 4. April 2022 in häuslicher Absonderung und konnte seine Arbeitsleistung nicht erbringen.
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Am 7. März 2024 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Erstattung der für den Absonderungszeitraum dem Arbeitnehmer ausgezahlten Verdienstausfallentschädigung in Höhe von 305,54 EUR sowie die Erstattung der auf diesen Zeitraum entfallenden Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 840,81 EUR, somit eine Gesamterstattung von 1146,35 EUR (Bl. 1 ff. der Behördenakte). Mit dem Antrag vorgelegt wurde das positive Testergebnis, das einen Absonderungsvermerk für den Zeitraum ab 30. März 2022 trägt (Bl. 34 der Behördenakte), sowie die den Absonderungszeitraum betreffenden Entgeltabrechnungen für den Arbeitnehmer (Bl. 32 f. der Behördenakte). Im Antrag ist angegeben, der Arbeitnehmer sei im Absonderungszeitraum „nicht krankgeschrieben oder arbeitsunfähig erkrankt“ gewesen.
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Mit Bescheid vom 15. Mai 2024, Zustellungsdatum nicht bekannt, lehnte der Beklagte den Antrag vollumfänglich ab. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erstattung einer Entschädigung eines Verdienstausfalls nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG) seien nicht erfüllt, da es an einem Verdienstausfall des Arbeitnehmers fehle. Ein Verdienstausfall liege nur dann vor, wenn der Arbeitgeber während der Absonderung nicht nach arbeitsvertraglichen, tarifvertraglichen oder gesetzlichen Vorschriften zur Zahlung der Vergütung verpflichtet sei. Bei der Entschädigung nach § 56 IfSG handele es sich um eine auf dem Billigkeitsgedanken beruhende Sondervorschrift, die im Verhältnis zu den arbeitsrechtlichen Entgeltfortzahlungspflichten des Arbeitgebers nur nachrangig Anwendung finde. Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (U.v. 20.3.2024 – 5 AZR 234/23) bestehe ein vorrangiger Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) selbst dann, wenn lediglich eine symptomlose Infektion mit SARS-CoV-2 vorliege. Diese stelle eine Krankheit dar, die zur Arbeitsunfähigkeit führe, wenn es dem Arbeitnehmer infolge einer behördlichen Absonderungsanordnung rechtlich unmöglich sei, die geschuldete Tätigkeit beim Arbeitgeber zu erbringen und eine Erbringung in der häuslichen Umgebung nicht in Betracht komme. Dies bedeute, dass bei einer SARS-CoV-2-Infektion kein Raum mehr für eine subsidiäre Entschädigung nach § 56 IfSG verbleibe.
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Am 17. Juni 2024 ließ die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht München erheben mit dem Antrag:
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1. Der Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 15.5.2025 – Az** … – wird aufgehoben.
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2. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die am 7.3.2024 beantragte Verdienstausfallentschädigung in Höhe von 305,54 Euro sowie Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 840,81 Euro betreffend den Arbeitnehmer … … zu zahlen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts binde die Verwaltung nicht und sei im Ergebnis unzutreffend. Arbeitnehmer ohne Symptome seien nicht infolge der Infektion arbeitsunfähig, sondern nur gehindert, aus Gründen des Infektionsschutzes den Arbeitsort aufzusuchen. Für einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung fehle es an der Monokausalität. Der Schutz der Arbeitskollegen vor Ansteckung stelle keine Arbeitsunfähigkeit des infizierten Arbeitnehmers dar. Sähe man dies anders, widerspräche dies dem Zweck der Nachweispflicht gemäß § 5 EFZG. Der Arbeitgeber wäre dann gehalten, ohne ärztliche Befunderhebung, allein auf Grundlage eines positiven PCR-Tests, der nicht von einem Arzt stammen müsse, Entgeltfortzahlung zu leisten. Nehme man sämtliche infizierten Arbeitnehmer aus dem Anwendungsbereich des § 56 Abs. 1 Satz 2 IfSG heraus, stelle sich die Frage nach dem verbleibenden Regelungsgehalt der Vorschrift. Dies sei mit dem Grundsatz der Normenklarheit nicht zu vereinbaren. Nach der bisherigen Verwaltungspraxis, die sich aus den FAQs des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege (Stand: Januar 2022) ergebe, sei der Entschädigungsanspruch zwar gegenüber einem Anspruch auf Entgeltfortzahlung aufgrund Arbeitsunfähigkeit subsidiär, gleichwohl werde ein Anspruch für Erkrankte grundsätzlich bejaht, solange die Erkrankung nicht zur Arbeitsunfähigkeit geführt habe. Unter Arbeitsunfähigkeit verstehe der Verfasser der FAQs offensichtlich eine solche, die von einem Arzt festgestellt worden sei. Die Änderung der Verwaltungspraxis sei unverhältnismäßig, insbesondere vor dem Hintergrund der im Glauben auf eine Erstattung erfolgten Vorleistung durch die Klägerin und im Hinblick auf die Pflicht zu entsprechenden Rückstellungen in den Bilanzen.
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Der Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 18. September 2024,
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die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung einer ausgezahlten Verdienstausfallentschädigung, da es sich bei der von ihr an den Arbeitnehmer geleisteten Zahlung nicht um eine erstattungsfähige Entschädigung gehandelt habe. Der Arbeitnehmer sei nicht entschädigungsberechtigt gewesen, da er keinen Verdienstausfall im Sinne des § 56 Absatz 1 IfSG erlitten habe. An einem Verdienstausfall fehle es, wenn dem betroffenen Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber ein Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gemäß § 3 Abs. 1 EFZG zustehe. Die Entschädigungsansprüche nach §§ 56 ff. IfSG seien eine Billigkeitsentschädigung der Allgemeinheit für Notfälle und gegenüber dem Anspruch auf Entgeltfortzahlung subsidiär. Das Bundesarbeitsgericht habe in zwei Urteilen am 20. März 2024 (5 AZR 234/23 und 5 AZR 235/23) festgestellt, dass jede mit dem Corona-Virus infizierte Person unabhängig vom Vorliegen von Symptomen einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach dem EFZG habe. Die Infektion und der damit eingetretene regelwidrige (pathologische) Gesundheitszustand sei der Grund für die Unmöglichkeit der Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung. Die behördliche Absonderung begründe keine weitere Ursache, sondern beruhe gleichfalls auf der Infektion. Angesichts dieser Monokausalität habe das Bundesarbeitsgericht festgestellt, dass der Anspruch auf Lohnfortzahlung auch dann bestehe, wenn die zuständige Behörde zum Zwecke der Gefahrenabwehr auf der Grundlage des IfSG eine Pflicht zur Absonderung erlassen habe. Im Falle eines positiven Nachweises der Infektion durch eine molekularbiologische Untersuchung (PCR-Test) sei der Nachweis einer Infektion und somit der Eintritt einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit unzweifelhaft erbracht. Dem Arbeitgeber stehe somit auch kein Leistungsverweigerungsrecht wegen fehlender Vorlage einer Bescheinigung über die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit gemäß § 7 EFZG zu.
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Der Beklagte erklärte, auf mündliche Verhandlung zu verzichten. Ebenso erklärte die Klägerin mit Schriftsatz vom 30. Juli 2025 den Verzicht auf mündliche Verhandlung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat keinen Erfolg.
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1. Die Klage ist als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 Var. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig. Anhaltspunkte für eine Nichteinhaltung der Monatsfrist (§ 74 Abs. 1 und 2 VwGO) sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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2. Die Klage ist unbegründet, da der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auf Erstattung einer an die Arbeitnehmerin ausgezahlten Verdienstausfallentschädigung und auf Erstattung von Sozialleistungen nicht zustehen (§ 113 Abs. 5 VwGO).
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2.1. Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Verdienstausfallentschädigung und der Sozialversicherungsbeiträge ist § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 5 Satz 1 und 3 IfSG sowie § 57 Abs. 1 und 2 IfSG. Maßgeblich für die gerichtliche Entscheidung ist die im Zeitraum der Absonderung vom 21. Februar 2022 bis 3. März 2022 gültige Gesetzesfassung vom 10. Dezember 2021 (zur Maßgeblichkeit der jeweiligen Fassung: vgl. OVG NRW, U.v. 10.3.2023 – 18 A 563/22 – juris Rn. 42 ff.; VG München, U.v. 23.1.2023 – M 26a K 21.82 – juris Rn. 15 ff.; VG Bayreuth, U.v. 21.6.2021 – B 7 K 21.110 – juris Rn. 21 ff.).
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2.2. Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erstattung der Verdienstausfallentschädigung gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 5 Satz 1 und 3 IfSG sind nicht erfüllt.
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Gemäß § 56 Abs. 5 Satz 3 IfSG wird einem Arbeitgeber die an seinen Arbeitnehmer nach § 56 Abs. 5 Satz 1 IfSG für die zuständige Behörde ausgezahlte Entschädigung erstattet. Der Erstattungsanspruch entsteht allerdings nur dann, wenn der an den Arbeitnehmer gezahlte Betrag eine Entschädigungsleistung im Sinne von § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG darstellt, der Arbeitnehmer seinerseits also einen Entschädigungsanspruch gegenüber dem entschädigungspflichtigen Land (§ 66 IfSG) hat. Einen solchen Anspruch hat der Arbeitnehmer gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 IfSG unter anderem dann, wenn er gemäß § 30 IfSG abgesondert wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet (BVerwG, U.v. 5.12.2024 – 3 C 8.23 – juris Rn. 11).
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2.2.1. Im vorliegenden Fall war der Arbeitnehmer gemäß § 30 Abs. 1 IfSG aufgrund einer behördlichen Anordnung abgesondert. Dies ergibt sich aus dem mit den Antragsunterlagen vorgelegten Absonderungsvermerk (Bl. 34 der Behördenakte) in Verbindung mit Ziff. 2.1.3 der zum Absonderungszeitpunkt gültigen Allgemeinverfügung Quarantäne von Kontaktpersonen und von Verdachtspersonen, Isolation von positiv auf das Coronavirus SARS-CoV-2 getesteten Personen (AV Isolation; Konsolidierte Lesefassung, Stand 1.2.2022, abrufbar unter https://www.lra-ffb.de/fileadmin/user_upload/lra-ffb/pdf/5/51/51_AV_isolation_01-02-2022.pdf), wonach sich positiv getestete Personen unverzüglich nach Kenntniserlangung des positiven Testergebnisses in Isolation begeben mussten, ohne dass es einer individuellen behördlichen Absonderungsanordnung an den Betroffenen bedurfte.
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Auf die Rechtmäßigkeit der Absonderungsanordnung kommt es nicht an, da in jedem Fall eine wirksame (Art. 43 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG) Anordnung gegeben ist. Insbesondere sind weder Anhaltspunkte für die Nichtigkeit der Anordnung (Art. 44 BayVwVfG) von Seiten der Klagepartei vorgetragen noch sind solche für das Gericht ersichtlich.
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2.2.2 Allerdings fehlt es an der Voraussetzung eines Verdienstausfalls beim Arbeitnehmer.
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2.2.2.1. Ein Verdienstausfall im Sinne des § 56 Abs. 1 IfSG liegt nicht vor, wenn dem Arbeitnehmer für den fraglichen Zeitraum ein gesetzlicher oder vertraglicher Anspruch auf Fortzahlung seines Entgelts gegen den Arbeitgeber zusteht. Das Nichtbestehen anderweitiger Ansprüche ist damit ein negatives Tatbestandsmerkmal für den geltend gemachten Entschädigungsanspruch aus § 56 Abs. 1 IfSG. In diesem Sinne ist der Entschädigungsanspruch nachrangig gegenüber dem Entgeltfortzahlungsanspruch (BVerwG, U.v. 5.12.2024 – 3 C 8.23 – juris Rn. 11 ff. m.w.N.; BAG, U.v. 20.3.2024 – 5 AZR 235/23 – juris Rn. 18 ff. m.w.N.; BGH, U.v. 30.11.1978 – III ZR 43/77 – NJW 1979,422 m.w.N.; BayVGH, B.v. 16.4.2025 – 20 ZB 24.1949 – juris Rn. 4; OVG Münster, U. v. 10.03.2023 – 18 A 1460/22 – juris Rn. 42 f.; OVG Lüneburg, B. v. 23.09.2021 – 13 LA 286/21 – juris Rn. 5; B. v. 2.7.2021 – 13 LA 258/21 – juris Rn. 6; Eckart/Kruse in BeckOK IfSG, 24. Edition, § 56 Rn. 37; Gerhardt, IfSG, 6. Aufl. 2022, § 56 Rn. 10; Kümper in Kießling, IfSG, 3. Aufl. 2022, Rn. 25). Anhaltspunkte für ein Zurücktreten des auf Entgeltfortzahlung gerichteten Anspruchs gegenüber dem Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG sind nicht ersichtlich. Dem Wortlaut des § 56 Abs. 1 IfSG lässt sich ein derartiger Vorrang gegenüber dem Entgeltfortzahlungsanspruch nicht entnehmen. Auch Sinn und Zweck des § 56 Abs. 1 IfSG sprechen dagegen. Die ursprünglich in § 49 BSeuchG geregelte Entschädigung sollte nach der Vorstellung des historischen Gesetzgebers eine Sicherung des von einem infektionsschutzrechtlich begründeten Berufsverbot Betroffenen vor materieller Not bewirken; eine Entlastung des Arbeitgebers war und ist nicht Regelungszweck (BT-Drs. 3/1888, S. 27 zur Vorgängervorschrift § 48 BSeuchG; BT-Drs. 19/2791, S. 61 zur aktuellen Vorschrift § 56 IfSG; BVerwG, U.v. 5.12.2024 – 3 C 8.23 – juris Rn. 12 f.; BAG, U.v. 20.3.2024 – 5 AZR 235/23 – juris Rn. 20; BGH, U.v. 30.11.1978 – III ZR 43/77 – NJW 1979,422).
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Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob ein Verdienstausfall entstanden ist, ist der Zeitraum der Absonderung. Das spätere Schicksal eines im Zeitraum der Absonderung entstandenen Entgeltfortzahlungsanspruchs, etwa aufgrund tarifvertraglicher Ausschlussfristen oder Verjährung, ist für die Beurteilung des Verdienstausfalls nicht relevant (VG München, U.v. 28.5.2025 – M 26b K 24.2609 – juris Rn. 32 m.w.N.).
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2.2.2.2. Dies zugrundegelegt kommt es auch nicht etwa auf den subjektiven Leistungswillen des Arbeitgebers an, der die Zahlungen in der Absicht, einen (vermeintlichen) Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers zu bedienen, geleistet hat. Maßgeblich für den Erstattungsanspruch ist allein, ob tatsächlich ein Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers bestanden hat. Daran fehlt es, wenn der Arbeitnehmer im Absonderungszeitraum keinen Verdienstausfall erlitten hat, weil ein Entgeltfortzahlungsanspruch bestand.
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2.2.2.3. Im vorliegenden Fall fehlt es an einem Verdienstausfall des Arbeitnehmers, weil er im Zeitraum der Absonderung einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG gegen die Klägerin hatte.
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Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG hat ein Arbeitnehmer für die Dauer von bis zu sechs Wochen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn er durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
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Der Arbeitnehmer war im Zeitraum seiner Absonderung an einer Infektion mit SARS-CoV-2 arbeitsunfähig erkrankt, auch wenn er nicht an Krankheitssymptomen gelitten haben sollte. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich das Gericht anschließt, stellt eine SARS-CoV-2-Infektion auch bei einem symptomlosen Verlauf eine Krankheit im Sinne von § 3 Abs. 1 EFZG dar, die zur Arbeitsunfähigkeit führt, wenn es dem Arbeitnehmer infolge einer behördlichen Absonderungsanordnung rechtlich unmöglich ist, die geschuldete Tätigkeit bei dem Arbeitgeber zu erbringen und eine Arbeitsleistung in der häuslichen Umgebung nicht in Betracht kommt (BAG, U.v. 20.3.2024 – AZR 234/23 – juris Rn. 10 ff.). Im vorliegenden Fall wurde bei dem Arbeitnehmer durch einen positiven Test auf SARS-CoV-2 eine Infektion mit dem Coronavirus festgestellt. Die Infektion stellt einen regelwidrigen körperlichen Zustand und damit eine Krankheit im Sinne des § 3 Abs. 1 EFZG dar. Auf das Vorliegen von Krankheitssymptomen kommt es für den hier maßgeblichen arbeitsrechtlichen Krankheitsbegriff des § 3 EFZG nicht an. Insoweit unterscheidet sich der arbeitsrechtliche von dem infektionsschutzrechtlichen Krankheitsbegriff nach § 2 Nr. 4 IfSG, der Symptome voraussetzt, aber im Kontext des Entgeltfortzahlungsrechts nicht einschlägig ist. Infolge der Krankheit wurde der Arbeitnehmer zur häuslichen Absonderung verpflichtet und war, da die Arbeitsleistung in häuslicher Umgebung nicht möglich war, aus rechtlichen Gründen an der Erbringung der Arbeitsleistung gehindert. Der unmittelbare Kausalzusammenhang zwischen Krankheit und Arbeitsunfähigkeit im Sinne einer Monokausalität ist erfüllt, weil die Absonderungsanordnung unmittelbare Folge der Infektion ist und nicht etwa auf einem davon unabhängigen weiteren Umstand beruht. Somit bestand eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Krankheit.
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Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitnehmer die Krankheit verschuldet hat, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Auf ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 7 EFZG hat sich die Klagepartei nicht berufen. Im Übrigen wäre der Nachweis der Arbeitsunfähigkeit durch die Vorlage der Absonderungsanordnung erbracht, da aus dieser hervorgeht, dass sich die Arbeitnehmerin wegen einer SARS-CoV-2-Infektion in häusliche Isolation zu begeben hatte und daher krankheitsbedingt ihre Arbeitsleistung nicht erbringen konnte (BAG, U.v. 24.3.2024 – 5 AZR 234/23 – juris Rn 32).
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Im Zeitraum der Absonderung war daher die Klägerin zur Entgeltfortzahlung verpflichtet, so dass dem Arbeitnehmer ein Verdienstausfall nicht entstanden ist.
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2.2.3.2. Die Einwände der Klägerin bleiben ohne Erfolg.
32
Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch nur dann angenommen werden kann, wenn eine von einem Arzt ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorliegt. Arbeitsunfähigkeit besteht nicht nur dann, wenn der Arbeitnehmer nach medizinischer Beurteilung durch einen Arzt wegen einer Krankheit seine vertraglich geschuldete Tätigkeit objektiv nicht ausüben kann oder nicht ausüben sollte, weil die Heilung nach ärztlicher Prognose hierdurch verhindert oder verzögert würde, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer wegen der Erkrankung aus rechtlichen Gründen die Arbeitsleistung nicht erbringen kann, weil er aufgrund einer ansteckenden Infektionskrankheit gemäß § 30 IfSG zur Absonderung verpflichtet ist (BAG, U.v. 20.3.2024 – 5 AZR 234/23 – Rn. 13,14 m.w.N.). In letzterem Fall spricht nichts dagegen, den Labornachweis über die Erkrankung, d.h. die bestehende SARS-CoV-2-Infektion, in Form eines PCR-Tests in Verbindung mit der behördlicherseits ausgesprochenen Absonderungsanordnung als Nachweis für die Arbeitsunfähigkeit anzuerkennen.
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Das Gericht teilt nicht die Zweifel des Klägerbevollmächtigten, ob § 56 Abs. 1 IfSG angesichts der hier vertretenen Rechtsauffassung für Kranke überhaupt noch einen relevanten Regelungsgehalt aufweist. Jedenfalls für Selbständige, die im Fall der Absonderung als Kranke in der Regel keinen Anspruch auf Ersatz für entgangenen Verdienst haben, verbleibt ein relevanter Anwendungsbereich (vgl. BVerwG, U.v. 5.12.2024 – 3 C 8.23 – juris Rn. 13). Auch für Ansteckungsverdächtige, die als Kontaktpersonen zur Absonderung (Quarantäne) verpflichtet sind, verbleibt ein Anwendungsbereich für § 56 Abs. 1 IfSG, sofern bzw. solange sie nicht positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden sind. Im Übrigen war sich der Gesetzgeber der Tatsache bewusst, dass immer ein Verdienstausfall Voraussetzung für den Entschädigungsanspruch ist und es an einem solchen fehlt, wenn eine Entgeltersatzleistung gewährt wird (vgl. BT-Drs. 19/27291, S. 61). Einen Verstoß gegen den Grundsatz der Normenklarheit vermag das Gericht daher nicht zu erkennen.
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Schließlich hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf die Beibehaltung einer Verwaltungspraxis, die bei symptomlos mit SARS-CoV-2 infizierten Personen in der Vergangenheit einen Verdienstausfall angenommen hat. Die Änderung der Verwaltungspraxis durch den Beklagten dient der Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Es besteht kein Vertrauensschutz in eine Rechtsanwendung, die mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht mehr in Einklang steht (i. Erg. ebenso VG Bayreuth, U.v. 21.10.2024 – B 7 K 24.806 – juris Rn. 66).
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3. Die Klägerin hat schließlich auch keinen Anspruch auf Erstattung der für die abgesonderte Arbeitnehmerin entrichteten Sozialversicherungsbeiträge nach § 57 Abs. 1 und Abs. 2 IfSG. Dieser Anspruch knüpft tatbestandlich an einen nach § 56 Abs. 1 IfSG bestehenden Entschädigungsanspruch an. Da dieser, wie vorstehend erörtert, hier jedoch nicht besteht, kann der Kläger auch die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen nicht beanspruchen (vgl. Kruse in BeckOK IfSG, 23. Edition, § 57 Rn. 1, 6).
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4. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).