Inhalt

VG München, Urteil v. 20.08.2025 – M 26b K 24.2911
Titel:

Anspruch des Arbeitgebers auf Erstattung verauslagter Verdienstausfallentschädigung (verneint), Arbeitnehmerin symptomlos mit SARS-CoV-2 infiziert, aber arbeitsfähig, Absonderungsanordnung, kein Verdienstausfall bei Anspruch auf Entgeltfortzahlung

Normenketten:
IfSG § 56
EFZG § 3
Schlagworte:
Anspruch des Arbeitgebers auf Erstattung verauslagter Verdienstausfallentschädigung (verneint), Arbeitnehmerin symptomlos mit SARS-CoV-2 infiziert, aber arbeitsfähig, Absonderungsanordnung, kein Verdienstausfall bei Anspruch auf Entgeltfortzahlung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 22923

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt als Arbeitgeberin die Erstattung einer Verdienstausfallentschädigung für eine Beschäftigte, die sich wegen einer Infektion mit SARS-CoV-2 auf behördliche Anordnung in häusliche Absonderung begeben musste und daher ihre Arbeitsleistung nicht erbringen konnte.
2
Die Klägerin betreibt ein Klinikum, in der sie die Arbeitnehmerin Frau … … als examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin in der Intensivstation in Vollzeit (40 St./ Woche) beschäftigt. Die Tätigkeit kann nur in Präsenz in der Klinik, d.h. ohne die Möglichkeit zum Homeoffice, ausgeübt werden. Mit Bescheid des Landratsamts ... (Landratsamt) vom 19. März 2022 wurde die Arbeitnehmerin der Klägerin für den Zeitraum vom 21. Februar 2022 bis 3. März 2022 als positiv auf SARS-CoV-2 getestete Person zur häuslichen Absonderung verpflichtet.
3
Im August 2022 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Erstattung der für den Absonderungszeitraum der Arbeitnehmerin ausgezahlten Verdienstausfallentschädigung in Höhe von 868,49 Euro sowie die Erstattung der auf diesen Zeitraum entfallenden Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 673,19 Euro, somit eine Gesamterstattung von 1.541,68 Euro (Bl. 1 ff. der Behördenakte). Mit dem Antrag vorgelegt wurden die behördliche Absonderungsanordnung (Bl. 30 der Behördenakte) sowie die den Absonderungszeitraum betreffenden Entgeltabrechnungen für die Arbeitnehmerin (Bl. 24 ff. der Behördenakte). Im Antrag ist angegeben, die Arbeitnehmerin sei im Absonderungszeitraum „nicht krankgeschrieben oder arbeitsunfähig erkrankt“ gewesen.
4
Mit Bescheid vom 29. April 2024 lehnte der Beklagte den Antrag vollumfänglich ab. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erstattung einer Entschädigung eines Verdienstausfalls nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG) seien nicht erfüllt, da es an einem Verdienstausfall der Arbeitnehmerin fehle. Ein Verdienstausfall liege nur dann vor, wenn der Arbeitgeber während der Absonderung nicht nach arbeitsvertraglichen, tarifvertraglichen oder gesetzlichen Vorschriften zur Zahlung der Vergütung verpflichtet sei. Bei der Entschädigung nach § 56 IfSG handele es sich um eine auf dem Billigkeitsgedanken beruhende Sondervorschrift, die im Verhältnis zu den arbeitsrechtlichen Entgeltfortzahlungspflichten des Arbeitgebers nur nachrangig Anwendung finde. Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (U.v. 20.3.2024 – 5 AZR 234/23) bestehe ein vorrangiger Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) selbst dann, wenn lediglich eine symptomlose Infektion mit SARS-CoV-2 vorliege. Diese stelle eine Krankheit dar, die zur Arbeitsunfähigkeit führe, wenn es dem Arbeitnehmer infolge einer behördlichen Absonderungsanordnung rechtlich unmöglich sei, die geschuldete Tätigkeit beim Arbeitgeber zu erbringen und eine Erbringung in der häuslichen Umgebung nicht in Betracht komme. Dies bedeute, dass bei einer SARS-CoV-2-Infektion kein Raum mehr für eine subsidiäre Entschädigung nach § 56 IfSG verbleibe.
5
Am 29. Mai 2024 ließ die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht München erheben mit dem Antrag:
6
Die Beklagte wird verpflichtet, den zum Geschäftszeichen … erlassenen Bescheid vom 29.04.2024, zugegangen am 02.05.2024 aufzuheben und der Klägerin eine an Frau … … gezahlte Verdienstausfallentschädigung einschließlich Sozialabgaben in Höhe von insgesamt 1.541,68 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu erstatten.
7
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Ablehnung des Antrags sei zu Unrecht erfolgt. Die Klägerin habe einen Anspruch aus § 56 Abs. 5 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 IfSG auf Erstattung der Entschädigung, die sie der Arbeitnehmerin für den Verdienstausfall im Absonderungszeitraum gezahlt habe, sowie aus § 57 IfSG auf Erstattung der auf den Absonderungszeitraum entfallenden Sozialversicherungsbeiträge. Die Arbeitnehmerin habe einen Verdienstausfall erlitten, da kein vorrangiger Anspruch nach § 3 EFZG auf Entgeltfortzahlung bestehe. Die Annahme, dass eine SARS-CoV-2-Infektion, auch wenn sie symptomlos verlaufe, als Krankheit im Sinne des § 3 Abs. 1 EFZG zu werten sei, sei unzutreffend. Die Arbeitnehmerin sei nicht als Kranke oder Krankheitsverdächtige (§ 2 Nr. 4 bzw. § 2 Nr. 5 IfSG) ausgesondert worden, sondern als Ausscheiderin (§ 2 Nr. 6 IfSG). Eine symptomlose SARS-CoV-2-Infektion stelle keine gesundheitliche Beeinträchtigung dar, da der Betroffene keine gesundheitlichen Einschränkungen aufweise. Vielmehr resultiere die Arbeitsunfähigkeit in diesem Fall nicht aus einer gesundheitlichen Störung, sondern aus der behördlichen Absonderungsanordnung. Es sei ungerecht, die rechtliche Unmöglichkeit, die Arbeitsleistung zu erbringen, mit einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit gleichzusetzen. Insbesondere Arbeitgeber in systemrelevanten Bereichen, wie Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, würden dadurch benachteiligt. Sie müssten ihre Mitarbeiter aufgrund behördlicher Absonderungsanordnungen freistellen, obwohl keine Krankheit im klassischen Sinne vorliege. Angesichts der zentralen gesellschaftlichen Bedeutung des Gesundheitswesens sei es unangemessen, den Arbeitgebern die gesamte finanzielle Last der Entgeltfortzahlung aufzubürden. Der Gesetzgeber solle sicherstellen, dass Arbeitgeber in diesen systemrelevanten Bereichen durch die staatliche Entschädigungsregelung des § 56 IfSG angemessen entschädigt werden, um die finanzielle Belastung nicht einseitig auf die Arbeitgeber zu verlagern.
8
Der Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 25. Juni 2025,
9
die Klage abzuweisen.
10
Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung einer ausgezahlten Verdienstausfallentschädigung, da es sich bei der von ihr an die Arbeitnehmerin geleisteten Zahlung nicht um eine erstattungsfähige Entschädigung gehandelt habe. Die Arbeitnehmerin sei nicht entschädigungsberechtigt gewesen, da sie keinen Verdienstausfall im Sinne des § 56 Abs. 1 IfSG erlitten habe. An einem Verdienstausfall fehle es, wenn dem betroffenen Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber ein Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gemäß § 3 Abs. 1 EFZG zustehe. Die Entschädigungsansprüche nach §§ 56 ff. IfSG seien eine Billigkeitsentschädigung der Allgemeinheit für Notfälle und gegenüber dem Anspruch auf Entgeltfortzahlung subsidiär. Das Bundesarbeitsgericht habe in zwei Urteilen am 20. März 2024 (5 AZR 234/23 und 5 AZR 235/23) festgestellt, dass jede mit dem Corona-Virus infizierte Person unabhängig vom Vorliegen von Symptomen einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach dem EFZG habe. Die Infektion und der damit eingetretene regelwidrige (pathologische) Gesundheitszustand sei der Grund für die Unmöglichkeit der Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung. Die behördliche Absonderung begründe keine weitere Ursache, sondern beruhe gleichfalls auf der Infektion. Angesichts dieser Monokausalität habe das Bundesarbeitsgericht festgestellt, dass der Anspruch auf Lohnfortzahlung auch dann bestehe, wenn die zuständige Behörde zum Zwecke der Gefahrenabwehr auf der Grundlage des IfSG eine Pflicht zur Absonderung erlassen habe. Im Falle eines positiven Nachweises der Infektion durch eine molekularbiologische Untersuchung (PCR-Test) sei der Nachweis einer Infektion und somit der Eintritt einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit unzweifelhaft erbracht. Dem Arbeitgeber stehe somit auch kein Leistungsverweigerungsrecht wegen fehlender Vorlage einer Bescheinigung über die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit gemäß § 7 EFZG zu.
11
Der Beklagte erklärte zudem auf mündliche Verhandlung zu verzichten, ebenso erklärte die Klägerin mit Schriftsatz vom 18. Juli 2025 den Verzicht auf mündliche Verhandlung.
12
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

13
Die Klage hat keinen Erfolg.
14
1. Die Klage ist als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 Var. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig. Sie wurde insbesondere fristgerecht innerhalb der Monatsfrist (§ 74 Abs. 1 und 2 VwGO) erhoben.
15
2. Die Klage ist unbegründet, da der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auf Erstattung einer an die Arbeitnehmerin ausgezahlten Verdienstausfallentschädigung und auf Erstattung von Sozialleistungen nicht zustehen (§ 113 Abs. 5 VwGO).
16
2.1. Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Verdienstausfallentschädigung und der Sozialversicherungsbeiträge ist § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 5 Satz 1 und 3 IfSG sowie § 57 Abs. 1 und 2 IfSG. Maßgeblich für die gerichtliche Entscheidung ist die im Zeitraum der Absonderung vom 21. Februar 2022 bis 3. März 2022 gültige Gesetzesfassung vom 10. Dezember 2021 (zur Maßgeblichkeit der jeweiligen Fassung: vgl. OVG NRW, U.v. 10.3.2023 – 18 A 563/22 – juris Rn. 42 ff.; VG München, U.v. 23.1.2023 – M 26a K 21.82 – juris Rn. 15 ff.; VG Bayreuth, U.v. 21.6.2021 – B 7 K 21.110 – juris Rn. 21 ff.).
17
2.2. Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erstattung der Verdienstausfallentschädigung gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 5 Satz 1 und 3 IfSG sind nicht erfüllt.
18
Gemäß § 56 Abs. 5 Satz 3 IfSG wird einem Arbeitgeber die an seinen Arbeitnehmer nach § 56 Abs. 5 Satz 1 IfSG für die zuständige Behörde ausgezahlte Entschädigung erstattet. Der Erstattungsanspruch entsteht allerdings nur dann, wenn der an den Arbeitnehmer gezahlte Betrag eine Entschädigungsleistung im Sinne von § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG darstellt, der Arbeitnehmer seinerseits also einen Entschädigungsanspruch gegenüber dem entschädigungspflichtigen Land (§ 66 IfSG) hat. Einen solchen Anspruch hat der Arbeitnehmer gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 IfSG unter anderem dann, wenn er gemäß § 30 IfSG abgesondert wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet (BVerwG, U.v. 5.12.2024 – 3 C 8.23 – juris Rn. 11).
19
2.2.1. Im vorliegenden Fall war die Arbeitnehmerin gemäß § 30 Abs. 1 IfSG aufgrund einer behördlichen Anordnung abgesondert.
20
Auf die Rechtmäßigkeit der Absonderungsanordnung kommt es nicht an, da in jedem Fall eine wirksame (Art. 43 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG) Anordnung gegeben ist. Insbesondere sind weder Anhaltspunkte für die Nichtigkeit der Anordnung (Art. 44 BayVwVfG) von Seiten der Klagepartei vorgetragen noch sind solche für das Gericht ersichtlich.
21
2.2.2. Allerdings fehlt es bei der Arbeitnehmerin an einem Verdienstausfall.
22
2.2.2.1. Ein Verdienstausfall im Sinne des § 56 Abs. 1 IfSG liegt nicht vor, wenn dem Arbeitnehmer für den fraglichen Zeitraum ein gesetzlicher oder vertraglicher Anspruch auf Fortzahlung seines Entgelts gegen den Arbeitgeber zusteht. Das Nichtbestehen anderweitiger Ansprüche ist damit ein negatives Tatbestandsmerkmal für den geltend gemachten Entschädigungsanspruch aus § 56 Abs. 1 IfSG. In diesem Sinne ist der Entschädigungsanspruch nachrangig gegenüber dem Entgeltfortzahlungsanspruch (BVerwG, U.v. 5.12.2024 – 3 C 8.23 – juris Rn. 11 ff. m.w.N.; BAG, U.v. 20.3.2024 – 5 AZR 235/23 – juris Rn. 18 ff. m.w.N.; BGH, U.v. 30.11.1978 – III ZR 43/77 – NJW 1979,422 m.w.N.; BayVGH, B.v. 16.4.2025 – 20 ZB 24.1949 – juris Rn. 4; OVG Münster, U. v. 10.03.2023 – 18 A 1460/22 – juris Rn. 42 f.; OVG Lüneburg, B. v. 23.09.2021 – 13 LA 286/21 – juris Rn. 5; B. v. 2.7.2021 – 13 LA 258/21 – juris Rn. 6; Eckart/Kruse in BeckOK IfSG, 24. Edition, § 56 Rn. 37; Gerhardt, IfSG, 6. Aufl. 2022, § 56 Rn. 10; Kümper in Kießling, IfSG, 3. Aufl. 2022, Rn. 25). Anhaltspunkte für ein Zurücktreten des auf Entgeltfortzahlung gerichteten Anspruchs gegenüber dem Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG sind nicht ersichtlich. Dem Wortlaut des § 56 Abs. 1 IfSG lässt sich ein derartiger Vorrang gegenüber dem Entgeltfortzahlungsanspruch nicht entnehmen. Auch Sinn und Zweck des § 56 Abs. 1 IfSG sprechen dagegen. Die ursprünglich in § 49 BSeuchG geregelte Entschädigung sollte nach der Vorstellung des historischen Gesetzgebers eine Sicherung des von einem infektionsschutzrechtlich begründeten Berufsverbot Betroffenen vor materieller Not bewirken; eine Entlastung des Arbeitgebers war und ist nicht Regelungszweck (BT-Drs. 3/1888, S. 27 zur Vorgängervorschrift § 48 BSeuchG; BT-Drs. 19/2791, S. 61 zur aktuellen Vorschrift § 56 IfSG; BVerwG, U.v. 5.12.2024 – 3 C 8.23 – juris Rn. 12 f.; BAG, U.v. 20.3.2024 – 5 AZR 235/23 – juris Rn. 20; BGH, U.v. 30.11.1978 – III ZR 43/77 – NJW 1979,422).
23
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob ein Verdienstausfall entstanden ist, ist der Zeitraum der Absonderung. Das spätere Schicksal eines im Zeitraum der Absonderung entstandenen Entgeltfortzahlungsanspruchs, etwa aufgrund tarifvertraglicher Ausschlussfristen oder Verjährung, ist für die Beurteilung des Verdienstausfalls nicht relevant (VG München, U.v. 28.5.2025 – M 26b K 24.2609 – juris Rn. 32 m.w.N.).
24
2.2.2.2. Dies zugrundegelegt kommt es auch nicht etwa auf den subjektiven Leistungswillen des Arbeitgebers an, der die Zahlungen in der Absicht, einen (vermeintlichen) Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers zu bedienen, geleistet hat. Maßgeblich für den Erstattungsanspruch ist allein, ob tatsächlich ein Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers bestanden hat. Daran fehlt es, wenn der Arbeitnehmer im Absonderungszeitraum keinen Verdienstausfall erlitten hat, weil ein Entgeltfortzahlungsanspruch bestand.
25
2.2.2.3. Im vorliegenden Fall fehlt es an einem Verdienstausfall der Arbeitnehmerin, weil sie im Zeitraum der Absonderung einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG gegen die Klägerin hatte.
26
Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG hat ein Arbeitnehmer für die Dauer von bis zu sechs Wochen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn er durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
27
Die Arbeitnehmerin war im Zeitraum ihrer Absonderung an einer Infektion mit SARS-CoV-2 arbeitsunfähig erkrankt, auch wenn sie nicht an Krankheitssymptomen gelitten haben sollte. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich das Gericht anschließt, stellt eine SARS-CoV-2-Infektion auch bei einem symptomlosen Verlauf eine Krankheit im Sinne von § 3 Abs. 1 EFZG dar, die zur Arbeitsunfähigkeit führt, wenn es dem Arbeitnehmer infolge einer behördlichen Absonderungsanordnung rechtlich unmöglich ist, die geschuldete Tätigkeit bei dem Arbeitgeber zu erbringen und eine Arbeitsleistung in der häuslichen Umgebung nicht in Betracht kommt (BAG, U.v. 20.3.2024 – AZR 234/23 – juris Rn. 10 ff.). Im vorliegenden Fall wurde bei der Arbeitnehmerin durch einen positiven Test auf SARS-CoV-2 eine Infektion mit dem Coronavirus festgestellt. Die Infektion stellt einen regelwidrigen körperlichen Zustand und damit eine Krankheit im Sinne des § 3 Abs. 1 EFZG dar. Auf das Vorliegen von Krankheitssymptomen kommt es für den hier maßgeblichen arbeitsrechtlichen Krankheitsbegriff des § 3 EFZG nicht an. Insoweit unterscheidet sich der arbeitsrechtliche von dem infektionsschutzrechtlichen Krankheitsbegriff nach § 2 Nr. 4 IfSG, der Symptome voraussetzt, aber im Kontext des Entgeltfortzahlungsrechts nicht einschlägig ist. Infolge der Krankheit wurde die Arbeitnehmerin zur häuslichen Absonderung verpflichtet und war, da die Arbeitsleistung in häuslicher Umgebung nicht möglich war, aus rechtlichen Gründen an der Erbringung der Arbeitsleistung gehindert. Der unmittelbare Kausalzusammenhang zwischen Krankheit und Arbeitsunfähigkeit im Sinne einer Monokausalität ist erfüllt, weil die Absonderungsanordnung unmittelbare Folge der Infektion ist und nicht etwa auf einem davon unabhängigen weiteren Umstand beruht. Somit bestand eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Krankheit.
28
Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitnehmerin die Krankheit verschuldet hat, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Auf ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 7 EFZG hat sich die Klagepartei nicht berufen. Im Übrigen wäre der Nachweis der Arbeitsunfähigkeit durch die Vorlage der Absonderungsanordnung erbracht, da aus dieser hervorgeht, dass sich die Arbeitnehmerin wegen einer SARS-CoV-2-Infektion in häusliche Isolation zu begeben hatte und daher krankheitsbedingt ihre Arbeitsleistung nicht erbringen konnte (BAG, U.v. 24.3.2024 – 5 AZR 234/23 – juris Rn 32).
29
Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Arbeitnehmerin nicht als Kranke oder Krankheitsverdächtige (§ 2 Nr. 4 bzw. § 2 Nr. 5 IfSG) ausgesondert worden sei, sondern als Ausscheiderin (§ 2 Nr. 6 IfSG). Wie gezeigt kommt es auf den infektionsschutzrechtlichen Krankheitsbegriff im Kontext des Entgeltfortzahlungsgesetzes nicht an.
30
Im Zeitraum der Absonderung war daher die Klägerin zur Entgeltfortzahlung verpflichtet, so dass der Arbeitnehmerin ein Verdienstausfall nicht entstanden ist.
31
2.2.3.2. Der grundlegende Einwand der Klagepartei, die Versagung des Erstattungsanspruchs belaste sie als Klinikbetreiberin besonders schwer, kann nach geltender Rechtslage nicht zum Erfolg führen. Die gesetzliche Regelung räumt dem Entgeltfortzahlungsanspruch insoweit Vorrang vor dem Entschädigungsanspruch ein, als ein Verdienstausfall beim Betroffenen nicht eintritt, wenn er Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat. Nach dem oben erwähnten Regelungszweck der §§ 56 ff. IfSG soll der Entschädigungsanspruch eine Sicherung der von einer infektionsschutzrechtlich begründeten Arbeitsverhinderung Betroffenen vor materieller Not bewirken, nicht hingegen Arbeitgeber von ihren arbeitsrechtlichen Pflichten entlasten. Der Entschädigungsanspruch ist in diesem Sinne subsidiär zum Entgeltfortzahlungsanspruch.
32
3. Die Klägerin hat schließlich auch keinen Anspruch auf Erstattung der für die abgesonderte Arbeitnehmerin entrichteten Sozialversicherungsbeiträge nach § 57 Abs. 1 und Abs. 2 IfSG. Dieser Anspruch knüpft tatbestandlich an einen nach § 56 Abs. 1 IfSG bestehenden Entschädigungsanspruch an. Da dieser, wie vorstehend erörtert, hier jedoch nicht besteht, kann die Klägerin auch die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen nicht beanspruchen (vgl. Kruse in BeckOK IfSG, 23. Edition, § 57 Rn. 1, 6).
33
4. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
34
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).