Inhalt

VG München, Urteil v. 27.06.2025 – M 1 K 21.2226
Titel:

Landwirtschaftlicher Betrieb, Dienlichkeit (verneint)

Normenketten:
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1
BauGB § 35 Abs. 2 und 3
Schlagworte:
Landwirtschaftlicher Betrieb, Dienlichkeit (verneint)
Fundstelle:
BeckRS 2025, 22916

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Stallgebäudes mit Heuballenlager.
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Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. 925/5, Gem. B. (Vorhabengrundstück). Das Grundstück befindet sich im Biotopbereich H. Moos im Außenbereich. Es ist bislang bebaut mit einer Maschinenhalle, einer Miststätte mit Jauchegrube und einem Heulager. Nördlich des Grundstücks auf der FlNr. 927, ca. 130 Meter vom Vorhaben entfernt, befindet sich die derzeit unbewohnte Hofstelle. Ca. 30 Meter westlich des Vorhabenstandorts befindet sich eine Eisenbahnanlage.
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Im Januar 2017 beantrage der Kläger eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Stallgebäudes für bis zu 10 Mutterkühe mit Nachzucht und bis zu 20 Schafe mit Heuballenlager mit den Maßen 26,30 m x 14,40 m auf dem Vorhabengrundstück. Nicht ausdrücklich beantragt aber im Eingabeplan eingezeichnet ist zudem eine Güllegrube mit einer Kapazität von 50 m3.
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Die Gemeinde B. sprach am ... März 2017 ihr Einvernehmen aus unter der Voraussetzung, dass das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) die Privilegierung des Vorhabens bestätige.
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Unter Bezugnahme auf ein Schreiben vom … Juni 2017 äußerte sich das Wasserwirtschaftsamt (WWA) zum Vorhaben und bezog dahingehend Stellung, dass sich das geplante Bauvorhaben im Bereich einer unzulässigen Aufschüttung befinde, deren Rückbau vom WWA T. seit längerem gefordert werde. Zudem habe eine unrechtmäßige Verrohrung des Hallthurmgrabens stattgefunden. In der südöstlichen Ecke derselben Flurstücknummer befinde sich ferner ein zumindest nach Wasserrecht genehmigungspflichtiges, jedoch aufgrund der Gewässernähe nicht genehmigungsfähiges Stall- und Maschinengebäude. Das Vorhaben könne vor Klärung der wasserwirtschaftlichen Anforderungen nicht positiv beurteilt werden.
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Mit Schreiben vom ... August 2017. Januar 2018 und mit E-Mail vom … November 2018 teilte das AELF T. mit, dass es sich bei dem klägerischen Betrieb um einen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb im Sinne der §§ 201 und 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB handle. Der Kläger bewirtschafte 23,27 ha landwirtschaftliche und 4,13 ha forstwirtschaftliche Flächen. Im Jahresdurchschnitt 2016 habe die Tierhaltung 2 Mutterkühe, 6 Stück weibliches und männliches Jungvieh, 24 Schafe, 7 Ziegen und 4 Pensionspferde umfasst. Der Standort des Stalls sei so gewählt worden, dass die Miststätte westlich des neuen Stalls bereits vorhanden sei, was die arbeitswirtschaftlichen Verhältnisse durch kurze Wege verbessere. Zudem sei die Geländeform für die geplante Stallart „Tretmiststall“ sehr gut geeignet und ein direkter Weidezugang sei gegeben. Das Stallgebäude „verschwinde“ zudem teilweise im Gelände. An der Hofstelle selbst sei kein Platz für das Vorhaben bzw. verlaufe dort südlich eine Hochdruckgasleitung. An der Hofstelle befinde sich ein niedriger alter Stall, in dem Pensionspferde gehalten werden. Der Stall könne aufgrund der baulichen Gegebenheiten nicht maschinell entmistet werden und sei daher für die Mutterkuhhaltung ungeeignet. Außerdem biete er nicht ausreichend Platz. Der notwendige Abstand zum Wald nach TA Luft könne eingehalten werden. Der Betrieb befinde sich gerade im Aufbau, bei den derzeitigen betrieblichen Gegebenheiten sei die ständige Anwesenheit des Betriebsleiters bzw. eines Familienmitglieds auf dem Gelände nicht erforderlich. Das Bauvorhaben sei demnach sinnvoll und dienlich.
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Die Energienetze … GmbH & Co. KG äußerte mit Schreiben vom ... August 2018 keine Einwände, wies jedoch darauf hin, dass keine Zustimmung erteilt werden könne bzgl. des „nicht antragsgegenständlichen (und auch nicht hinreichend konkretisierten), aber auf Bitte des Antragsstellers mit in die Prüfung einzubeziehenden ‚Alternativstandorts‘, da es hierbei durch Überbauungen zu technisch unzulässigen Beeinträchtigungen unserer dinglich gesicherten Leitungsrechte kommen würde.“
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Mit Bescheid vom … März 2021 lehnte der Beklagte nach Anhörung den Bauantrag ab. Trotz der Annahme einer Landwirtschaft im Sinne des § 201 BauGB könne mit dem geplanten Vorhaben im Gesamtbild nicht mehr von einem landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB gesprochen werden. Die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen im Umgriff der „Hofstelle“ seien nicht ausreichend, um darauf eine nachhaltige bewirtschaftete Landwirtschaft zu betreiben, da es sich hierbei weitgehend um Biotopflächen handle, die zu einem deutlichen Anteil Moosflächen seien, auf denen eine Tierhaltung oder ein Futteranbau nicht zielführend möglich sei. Zu den übrigen im Eigentum des Klägers stehenden Flächen sei nicht bekannt, wie diese in den Betrieb integriert seien. Insbesondere stelle das bestehende Gebäude in der R. Straße 128 (alte Hofstelle) keine Hofstelle dar. Der Wohnteil sei mindestens seit 2017 nicht (mehr) vom Kläger bewohnt. Der geplante Einbau von 3-4 Ferienwohnungen in das Bestandsgebäude würde daraus keine Hofstelle machen. Die Herstellung der Bewohnbarkeit des Gebäudes sei wohl nur mit erheblichem Aufwand möglich und könne in nächster Zeit daher nicht sichergestellt werden. Im Wirtschaftsteil seien vier Pensionspferde untergestellt. Das Gebäude sei umgeben von Ablagerungen, die nicht der Landwirtschaft zuzuordnen seien, wie Anhäufungen von Pflastersteinen, Kies, Steinbrocken, Paletten und Mischgut, sowie diverse Bauschuttcontainer, einem Bauwagen und Erdhügel. Zudem bestünde ein Reitplatz, der baurechtswidrig errichtet worden sei. Ein erheblicher Flächenanteil im Umfeld des Hauptgebäudes sei damit landwirtschaftsfremd genutzt, insbesondere auch durch das gewerbliche Tiefbauunternehmen, dessen Mitinhaber und -gesellschafter der Kläger sei. Vom Hauptgebäude abgesetzt befänden sich diverse bauliche Anlagen: Gegen eine Lagerhütte werde nach Bestandskraft des Bescheids gesondert bauaufsichtlich eingeschritten. Gegen eine Miststätte, die seinerseits als verfahrensfrei eingestuft worden sei und gegen eine Hütte im südöstlichen Grundstücksteil bestünden wasserrechtliche Einwendungen. Selbst wenn man von einem landwirtschaftlichen Betrieb ausginge, würde das Vorhaben diesem nicht dienen. Ein vernünftiger Landwirt, der die größtmögliche Schonung des Außenbereichs berücksichtige, würde den Stall nicht in einer Entfernung von 130-140 m von der alten Hofstelle errichten. Eine Errichtung direkt an der Hofstelle erscheine möglich. Der Nichtwohnteil habe eine Fläche von ca. 270 m2. Zu der südlich an der Hofstelle verlaufenden Erdgasleitung, die laut Kläger und AELF einer Stallerrichtung am dortigen Standort entgegenstünden, bestünde ausreichend Abstand. Die Leitung verlaufe zur Hofstelle in vergleichbarer Entfernung wie zum geplanten Standort für den Stall. Ein Stall in Hofnähe wäre für den Betrieb im Hinblick auf Hörweite (bspw. bei Schwierigkeiten bei Geburtsvorgängen) und betriebliche Abläufe sinnvoll. Bei einer Stallerrichtung in derartiger Entfernung zum unbewohnten Hauptgebäude sei eine Verlagerung der Hofstelle an den Standort des neuen Stalls zu befürchten, ohne dass ein Konzept zu einer sinnvollen und nachhaltigen Folgenutzung der vorhandenen Hofstelle erkennbar sei. Ein räumlich-funktionaler Zusammenhang sei – auch durch die vermutlich gewerblichen, jedenfalls nicht landwirtschaftlichen Lagerungen auf dem Grundstück zu verneinen. Die Stellungnahmen des AELF könnten die obigen Punkte nicht entkräften. Das Argument zur Standortwahl, der Stall befände sich so in der Nähe zu den betrieblichen Abläufen, sei nicht zielführend, da die Miststätte und die bestehenden Hütten gegen öffentliches Recht verstoßen. Standortalternativen seien nicht ernsthaft geprüft worden. Das somit nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilende Vorhaben beeinträchtige öffentliche Belange. Die natürliche Eigenart der Landschaft als Erholungsgebiet würde beeinträchtigt. Landwirtschaftliche Bauten seien der Umgebung zwar nicht wesensfremd. Vorliegend läge jedoch kein landwirtschaftlicher Betrieb vor, dem der Stall zugeordnet werden könne, zudem sei der Stall vom bestehenden Hauptgebäude durch die nichtlandwirtschaftlichen, wesensfremden Ablagerungen wie durch eine Zäsur getrennt, sodass ein außenstehender Betrachter keine Zugehörigkeit erkennen könne. Zudem sei durch das Vorhaben die Entstehung einer Splittersiedlung zu befürchten.
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Hiergegen hat der Kläger am 23. April 2021 Klage erhoben. Er beantragt,
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I. Der Bescheid des Beklagten vom … März 2021, zugestellt am … März 2021, Az. AB … … …, wird aufgehoben.
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II. Der Beklagte wird verpflichtet, die beantragte Baugenehmigung zu erteilen.
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Es liege ein landwirtschaftlicher Betrieb vor. Im Unterschied zum Jahr 2017 hätten sich 2021 8 Ochsen, 20 Mutterschafe mit Nachzucht und insgesamt 40 bis 60 Schafe auf der Hofstelle befunden. Für die Futtergewinnung würden die im Eigentum des Klägers stehenden Grundstücke ausreichen. Die Landwirtschaft werde von der Familie bereits seit 1993 betrieben. Die Voraussetzungen für das Tatbestandsmerkmal „Betrieb“ sei durch diese Nachhaltigkeit und Dauerhaftigkeit gegeben. Auch das Merkmal des Dienens sei gegeben. Mit dem neuen Stall sollen statt der aktuell vorhandenen 6 Ochsen 10 Mutterkühe mit Nachzucht kommen. Die Anzahl der Schafe solle gleichbleiben. Das AELF halte das Vorhaben samt Standortwahl für sinnvoll und dienlich. Auch die Entfernung des Vorhabens zur Hofstelle sei vom AELF berücksichtigt worden. Der Standort sei in der Nähe der Miststätte und des Weidezugangs gewählt, die Geländeform sei für den Tretmiststall sehr gut geeignet. Die Entwicklungs- und Erweiterungsfähigkeit der Tierhaltung bleibe aufrechterhalten, da keine Einschränkung durch Gasleitung und Wasserleitung entgegenstünde. Mit 140 m Abstand liege keine große Entfernung zwischen Stall und Betriebsstätte vor, eine funktionelle Zuordnung könne bejaht werden. Ein landwirtschaftlicher Betrieb setze nicht zwingend eine Hofstelle voraus. Die alte Hofstelle solle saniert und dann vom Kläger und dessen Sohn bewohnt werden, sobald die streitgegenständliche Genehmigung vorliege. Zudem sollen ca. 3-4 Ferienwohnung eingebaut werden. Die gelagerten Paletten gehören zum landwirtschaftlichen Betrieb. Der Erdhügel auf dem Grundstück sei Abraum, der wieder auf das Grundstück aufgebracht werde. Direkt an der Hofstelle könne kein Stall gebaut werden, da dort eine unterirdische Erdgashochdruckleitung verlaufe, von der gehöriger Abstand zu halten sei. Die Begründung, mit der sich der Beklagte über die fachliche Stellungnahme der Fachbehörde hinwegsetze, sei nicht tragfähig. Das Vorhaben beeinträchtige auch nicht die natürliche Eigenart der Landschaft. Das Grundstück befinde sich nämlich im Geltungsbereich des Flächennutzungsplans und sei dort als landwirtschaftliche Fläche dargestellt. Dort könne ein Stallgebäude schon nicht wesensfremd sein.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Unter Bezugnahme auf die Bescheidsbegründung wird insbesondere ausgeführt, dass bei einer vernünftigen Bewirtschaftung der Hofstelle auch die Flächen der illegalen Ablagerungen und rechtswidrigen Hütten als Weideflächen zur Verfügung stünden und damit auch bei einer Errichtung an der Hofstelle ein guter Weidezugang möglich wäre. Insofern erschließe sich die Begründung des Standorts teilweise aus der rechtsmissbräuchlichen Nutzung des südlichen Grundstückteils, womit ein Dienen zu verneinen sei. 2023 habe der Kläger bei der Gemeinde angefragt, ob ein Teil der alten Hofstelle als Betriebsgebäude/Lagerplatz und die bislang für Ablagerungen genutzte Fläche als Lager und Aufbereitungsfläche für den klägerischen gewerblichen Betrieb genutzt werden könne und sodann süd-östlich vom streitgegenständlichen Stall ein neues landwirtschaftliches Betriebsleitergebäude errichtet werden könne. Hierdurch werde deutlich, dass geplant sei, eine neue landwirtschaftliche Hofstelle abseits des bestehenden Gebäudes zu schaffen, die sich sodann auf die bisher unberührte Fläche ausbreite. 2024 sei vom Sohn des Klägers ein Antrag auf Vorbescheid eingereicht worden, bei dem der streitgegenständliche Stall Teil des Konzepts sei. Dies bestätige die Tendenz, vom bestehenden Gebäude abzurücken und östlich eine neue Hofstelle errichten zu wollen. Es sei weder vorgesehen, das bestehende Betriebsleitergebäude für den Betriebsleiter, noch den vermieteten Stallteil für die eigene Landwirtschaft zu nutzen. Ebenso sei auf dem Anwesen in A. eine Hofstelle vorhanden, deren Flächen nach Angaben der Kläger selbst bewirtschaftet werden. Die derzeitige Nutzung des Gebäudes sei jedoch unklar, man gehe auch dort jedenfalls nicht von einer Fortführung der eigentlich vorgesehenen Nutzung als landwirtschaftliches Betriebsleitergebäude aus.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragte Baugenehmigung. Der Bescheid vom … März 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragte Baugenehmigung, da dem Bauvorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO).
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Das Vorhaben steht nicht in Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit baulicher Anlagen nach dem Baugesetzbuch, Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BayBO. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit beurteilt sich vorliegend nach § 35 BauGB, da sich das Vorhaben unstreitig im Außenbereich befindet. Danach ist das zur Genehmigung gestellte Vorhaben nicht genehmigungsfähig, da es sich nicht um ein privilegiertes Vorhaben handelt (Nr. 1) und als sonstiges Vorhaben öffentliche Belange beeinträchtigt (Nr. 2).
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1. Bei dem Vorhaben handelt es sich nicht um ein privilegiertes Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB. Danach ist im Außenbereich ein Vorhaben zulässig, das einem landwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen und die ausreichende Erschließung gesichert ist.
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1.1. Aufgrund der Betriebsbeschreibung und der Stellungnahmen des AELF ist davon auszugehen, dass die Kriterien eines landwirtschaftlichen (Nebenerwerbs-)Betriebs im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 201 BauGB erfüllt sind, wenngleich die Ausführungen des AELF sehr knapp sind und weitergehende Informationen – die gerade bei Nebenerwerbsbetrieben gesondert zu berücksichtigten sind (vgl. Söfker/Kment in Ernst/Zinkhan/Bielenberg/Krautberger, BauGB, 157. EL November 2024, Rn. 290) – bspw. zur Gewinnerzielung und Wirtschaftlichkeitsberechnung nicht vorhanden sind. Eine endgültige Bewertung kann jedoch dahinstehen, da es jedenfalls an einer „Dienlichkeit“ des begehrten Vorhabens fehlt.
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1.2. Ein Vorhaben „dient“ dem landwirtschaftlichen Betrieb, wenn es – auch äußerlich erkennbar – nach Verwendungszweck, Größe, Gestaltung, Ausstattung und sonstiger Beschaffenheit dem Betrieb zu- und untergeordnet ist. Es ist zu fragen, ob ein vernünftiger Landwirt das Vorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Größe, Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde. Es reicht nicht aus, dass das Vorhaben dem landwirtschaftlichen Betrieb nur förderlich ist; auf der anderen Seite ist eine Unentbehrlichkeit des Vorhabens für den Betrieb nicht zu verlangen (BVerwG, U.v. 22.11.1985 – 4 C 71.82 – juris Rn. 12 m.w.N.; BayVGH, U.v. 28.8.2012 – 15 B 12.623 – juris Rn. 18).
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Das Vorhaben muss insbesondere durch die Zuordnung zum konkreten Betrieb auch äußerlich erkennbar geprägt werden (vgl. BVerwG, U.v. 19.6.1991 – 4 C 11.89 – juris Rn. 22; BayVGH, U.v. 11.4.2017 – 1 B 16.2509 – juris Rn. 15). Das Gesetz lässt Bauvorhaben, die einem landwirtschaftlichen Betrieb dienen, nicht deshalb bevorzugt im Außenbereich zu, weil es die Landwirte als Personengruppe begünstigen will, sondern weil Landwirtschaft Bodenertragsnutzung auf – typischerweise weiten – Außenbereichsflächen ist und weil die möglichst nahe räumliche Zuordnung der Hofstelle zu den Betriebsflächen der landwirtschaftlichen Betriebsweise in besonderer Weise dienlich und für den Betriebserfolg im Allgemeinen von Bedeutung ist (BVerwG, U.v. 22.11.1985 – 4 C 71.82 – juris Rn. 14).
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Die Zulassungsfähigkeit eines Vorhabens kann dann zu verneinen sein, wenn es aus betriebsbezogenen Gründen – insbesondere unter Berücksichtigung sinnvoller betrieblicher Abläufe – von der räumlichen Lage abhängt, ob das Tatbestandsmerkmal des „Dienens“ erfüllt ist (BayVGH, B.v. 8.6.2017 – 15 ZB 16.2504 – juris Rn. 13; B.v. 16.4.2015 – 15 ZB 13.2647 – juris Rn. 19 m.w.N.). Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach den örtlichen und betrieblichen Gegebenheiten im Einzelfall (vgl. BVerwG, B.v. 29.9.1987 – 4 B 194.87 – juris Rn. 2 f.). Die Forderung nach der betriebswirtschaftlich sinnvollen räumlichen Zuordnung einer dem landwirtschaftlichen Betrieb dienenden baulichen Anlage – i.d.R. zu den Schwerpunkten der betrieblichen Abläufe – verfolgt dabei keine Einschränkung bei der Standortwahl im Hinblick auf ggf. entgegenstehende oder beeinträchtigte öffentliche Belange, sondern zielt allein auf die funktionale Zuordnung der Betriebsteile zueinander (vgl. BayVGH, B.v. 8.6.2017 – 15 ZB 16.2504 – juris Rn. 13).
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1.2.1. Ausgehend von diesem Maßstab ist eine funktionale Zuordnung des Vorhabens zum Betrieb des Klägers nicht gegeben. Die im Verfahren sogenannte alte Hofstelle in der R. Straße 128 ist kein relevanter Bezugspunkt. Unter Hofstelle ist ein Gebäudekomplex zu verstehen, der wesentliche Teile der Gebäude des landwirtschaftlichen Betriebs enthält und bei dem eines der Gebäude das Wohnhaus oder die Wohnung des Landwirts ist oder enthält (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 157. EL November 2024, § 35 Rn. 144; BVerwG Beschluss vom 14.3.2006 – 4 B 10.06 – juris Rn. 4 und 7). Dabei gilt in der Landwirtschaft herkömmlich der Grundsatz der Einheit von Wohnen und Arbeitsplatz (BayVGH, U.v. 25.9.1995 – 14 B 94.3676 – juris Rn. 30). Das Gebäude in der R. Straße 128 ist jedoch seit Erwerb durch den Kläger 2017 nicht (mehr) bewohnt. Für die Pflege der Tiere ist bislang immer eine gesonderte Anfahrt nötig gewesen. Im Hinblick auf die landwirtschaftliche Nebenerwerbstätigkeit ist ein Wohnen vor Ort – je nach Art der Betriebsführung – zwar nicht zwingend notwendig (BayVGH U.v. 25.9.1995 a.a.O.), auch das AELF sieht bei den aktuellen Gegebenheiten keine Notwendigkeit der ständigen Anwesenheit vor Ort. Für das „Dienen“ des Vorhabens kann jedoch auf ein bislang vom Kläger nicht genutztes, künftig gegebenenfalls erst nach (wirtschaftlicher?) Sanierung als Ferienwohnung, Betriebshelferwohnung, Lagerraum, Maschinenhalle oder Hofcafé genutztes Gebäude nicht abgestellt werden. Dass der Betriebsschwerpunkt aktuell in der R. Straße 128 liegen soll, vermag insofern nicht zu überzeugen. Eine Verknüpfung mit vorhandener Betriebsstruktur könnte somit nur im Hinblick auf die Bauten, die vom Kläger ohne Bauverfahren bzw. verfahrensfrei (und damit ohne Prüfung der eigenen Dienlichkeit für den Betrieb) errichtet wurden, gesehen werden. Insofern wird jedoch auch in den Stellungnahmen des AELF verkannt, dass diese Bauwerke baurechtlich bzw. wasserrechtlich (voraussichtlich) im Widerspruch zum öffentlichen Recht stehen. Das Argument, dass das Stallvorhaben in der Nähe dieser Bauten die arbeitswirtschaftlichen Verhältnisse durch kurze Wege verbessere, führt somit nicht weiter.
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1.2.2. Doch selbst wenn man zugunsten des Klägers von der R. Straße 128 als relevante Hofstelle ausginge, dient das Vorhaben nicht dem Betrieb im baurechtlichen Sinn. Es fehlte auch insoweit an einer funktionalen Zuordnung. Denn das Vorhaben ist durch nicht genehmigte, landwirtschaftsfremde gewerbliche Ablagerungen wie Pflastersteine, Kies, Paletten und Bauschutt schon räumlich von der Hofstelle abgetrennt. Ohne diese ungenehmigte Nutzung der Fläche als Lagerplatz könnte das Vorhaben ohne Weiteres in unmittelbarer Hofnähe realisiert werden, was für die Betriebsabläufe in der Regel vorteilhafter ist als in ca. 130 m Entfernung. Mit Blick auf den Verlauf der Erdgasleitung (Bl. 139 der Behördenakte (BA)) überzeugt auch das Argument nicht, ein Stall in Hofnähe könne aufgrund der Leitung nicht errichtet werden. Auf die spezifische Rückfrage des Landratsamts (Schreiben vom …8.2018, Bl. 103 der BA), ob ein Standort im direkten Bereich des Anwesens R. Straße 128 aus landwirtschaftlicher Sicht ggf. in Verlängerung zur Miststätte entlang der B20 möglich und sinnvoll sei, kam vom AELF keine Antwort. Mit Mail vom …11.2018 (Bl. 137 f. der BA) wurde lediglich ein Luftbild versendet, das der Kläger zur Prüfung von Standortalternativen zur Verfügung gestellt habe. Inwieweit eine solche Prüfung stattgefunden hat, ist nicht erkennbar.
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In der Gesamtschau entsteht der Eindruck, dass mittels der ungenehmigten Bauten und dem nun geplanten Stall eine langfristige Verlagerung des landwirtschaftlichen Betriebs auf die weit abgelegene östlich angrenzende Weidefläche geplant ist, was dem Grundsatz der Schonung des Außenbereichs widerspricht.
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2. Das Vorhaben ist als sonstiges Bauvorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB im Außenbereich nicht zulässig, weil dadurch öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 2 und 3 BauGB beeinträchtigt werden.
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Insbesondere lässt das Vorhaben die Entstehung und Verfestigung einer Splittersiedlung im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB befürchten. Durch das Vorhaben würde die bereits vorhandene, ungenehmigte und unorganische Streubebauung weiter nach Osten erweitert werden. Unerheblich ist dabei, ob die Gebäude dem dauernden Aufenthalt von Menschen dienen, da eine Zersiedlungswirkung auch durch Nebengebäude eintritt. Die Zulassung des Vorhabens würde den unerwünschten Zustand einer Splitterbebauung im Außenbereich auf unabsehbare Zeit verfestigen. Daneben widerspricht das nicht privilegierte Vorhaben der natürlichen Eigenart der Landschaft und beeinträchtigt ihren Erholungswert (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB), weil die wesensfremde Bebauung der naturgegebenen Bodennutzung widerspricht und die Erholungsfunktion des Außenbereichs mindert.
II.
30
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.