Titel:
Widerruf einer Gaststättenerlaubnis, Strohmannverhältnis, kein bestimmender Einfluss auf die Geschäftsführerin einer GmbH, Nichtanmeldung von Arbeitnehmern zur Sozialversicherung, Schwarzlohnzahlungen, Rechtswidrigkeit der Androhung unmittelbaren Zwangs, ohne dass vorher Zwangsgeld angedroht wurde
Normenketten:
GastG §§ 15 Abs. 1, 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
§§ 31 GastG i.V.m. 15 Abs. 2 S. 1 GewO
VwZVG Art. 34
Schlagworte:
Widerruf einer Gaststättenerlaubnis, Strohmannverhältnis, kein bestimmender Einfluss auf die Geschäftsführerin einer GmbH, Nichtanmeldung von Arbeitnehmern zur Sozialversicherung, Schwarzlohnzahlungen, Rechtswidrigkeit der Androhung unmittelbaren Zwangs, ohne dass vorher Zwangsgeld angedroht wurde
Fundstelle:
BeckRS 2025, 22742
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Androhung unmittelbaren Zwangs in Ziffer 3 des Bescheids des Landratsamts … vom 9.5.2025 (Gesch.-Z.: …*) wird angeordnet.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin 4/5 und der Antragsgegner 1/5.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen einen Bescheid des Antragsgegners, mit dem dieser eine der Antragstellerin erteilte Gaststättenerlaubnis sofortvollziehbar widerrufen und die Betriebsfortführung unter Androhung unmittelbaren Zwangs untersagt hat.
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Mit am 22.4.2024 unterzeichnetem Formblatt beantragte Frau X* … beim Landratsamt … (im Folgenden: Landratsamt) die Erteilung einer Gaststättenerlaubnis für die Fortführung des Betriebs der Schank- und Speisewirtschaft „A* …“ in der … Straße, …, B* … Da noch verschiedene Antragsunterlagen fehlten, erhielt sie am 16.5.2024 gemäß § 11 Abs. 1 des Gaststättengesetzes (GastG) zunächst eine vorläufige Erlaubnis zum Betrieb der Gaststätte. Da diese mit Ablauf des 15.8.2024 endete und noch immer nicht alle Genehmigungsunterlagen beim Landratsamt vorlagen, wurde ihr am 13.8.2024 erneut eine vorläufige und befristete Erlaubnis erteilt.
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Die endgültige Gaststättenerlaubnis gemäß § 2 Abs. 1 GastG wurde dann am 30.10.2024 der Antragstellerin – der „…GmbH“ – erteilt, deren alleinige Geschäftsführerin Frau X* … war. Nach Erteilung der zweiten vorläufigen Erlaubnis änderte Frau X* … den Antrag dahingehend ab, dass nicht mehr sie selbst, sondern die GmbH Betreiberin sein soll. In einer E-Mail vom 5.8.2024 an den Markt B* … gab sie an, dass ihr Vater, Y* …, „stiller Inhaber“ sei. Die Prozentanteile seien in einem Vertrag zwischen ihrem Vater und ihr geregelt. „In der GmbH“ solle nur ihr Name erwähnt werden.
4
Gegenüber der Vermieterin der Gaststättenimmobilie übernahm Herr Y* … die selbstschuldnerische Bürgschaft für Mietrückstände und für sonstige aus dem Mietverhältnis resultierende Zahlungsansprüche der Vermieterin. Herr Y* … war in der Vergangenheit ebenfalls im Gastronomiebereich tätig. Ihm wurde am 30.9.2015 die Erlaubnis zum Betrieb der Schank- und Imbisswirtschaft „C* …“, …, D* … wegen Unzuverlässigkeit widerrufen. Der Widerruf erfolgte unter anderem, weil sich in seinem Führungszeugnis vier Einträge wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 39 tatmehrheitlichen Fällen, Unterschlagung, Untreue sowie Ausbeutung von Prostituierten befanden. Außerdem war er mit 15 Einträgen im Schuldnerverzeichnis erfasst.
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Am 7.4.2024 fanden durch das Hauptzollamt E* … zeitgleiche Durchsuchungen im „C* …“ in D* … sowie im „…“ in B* … wegen eines gegen Y* … und X* … gerichteten Verdachts von Vergehen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt nach § 266a des Strafgesetzbuchs (StGB) statt. Im Objekt in D* …, in dem sich das „C* …“ befindet, wohnt auch Herr Y* … Zum Zeitpunkt des Eintreffens der Einsatzkräfte gegen 13:30 Uhr war niemand vor Ort. Für das „C* …“ war damals Frau F* … – die ehemalige Freundin von Herrn Y* … – im Besitz einer Gaststättenerlaubnis. Das „C* …“ wurde zum Zeitpunkt der Kontrolle offenbar nur privat genutzt.
6
Im „…“ wurde Frau X* … im Thekenbereich angetroffen, während sich ihr Vater im dortigen Büro/Aufenthaltsraum aufhielt. Dort befand sich ein Spielautomat, der aktiv war, aber keine Kennung aufwies. Herr Y* … gab an, dass der Automat einem „Spezi“ gehöre und ausschließlich privat genutzt werde. Im Büro/Aufenthaltsraum wurde darüber hinaus eine Plastikbox vorgefunden, in der sich zahlreiche geöffnete bzw. teils ungeöffnete Plastiktüten mit Shisha-Tabak ohne deutsches Steuerzeichen befanden. Herr Y* … gab dazu an, dieser diene nur dem Eigenverbrauch. Ein vorhandener Schlafraum werde nach den gewonnenen Eindrücken der Beamten des Hauptzollamts von Herrn Y* … genutzt, der jedoch angegeben habe, dass der Schlafraum Aushilfsköchen zur Verfügung gestellt werde. Schließlich wurden Arbeitnehmer angetroffen, die nicht zur Sozialversicherung gemeldet waren.
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Am 10.4.2025 teilte das Hauptzollamt E* … dem Landratsamt per E-Mail mit, dass im „A* …“ bei der Kontrolle drei Mitarbeiter angetroffen und vernommen worden seien. Zu einem Strohmannverhältnis hätten diese unterschiedliche Angaben gemacht. Eine Arbeitnehmerin habe Herrn Y* … als Chef bezeichnet, während die anderen beiden Frau X* … als Chefin bezeichnet hätten. Ein in D* … angetroffener Arbeitnehmer habe wiederum Herrn Y* … als Chef sowohl im „C* …“ als auch im „…GmbH“ benannt.
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Mit Schreiben vom 15.4.2025 an Frau X* … wurde diese zum Widerruf der Gaststättenerlaubnis angehört. Die Geschäftsführerin der GmbH könne oder wolle sich dem Einfluss ihres Vaters nicht entziehen, weshalb ein Strohmannverhältnis vorliege, das den Widerruf der Gaststättenerlaubnis rechtfertige. Bezüglich des Vaters sei dessen Unzuverlässigkeit bestandskräftig festgestellt. Die Annahme eines Strohmannverhältnisses stütze sich auf folgende Sachverhalte:
- Im Impressum (bezieht sich wohl auf den Internetauftritt der Gaststätte, Anm. d. G.) werde Herr Y* … als einzige Kontaktperson namentlich angegeben. Nur seine Mobilnummer sei im Impressum sowie auch für die Kontaktaufnahme hinterlegt. Er stehe als Ansprechpartner für die Gäste und auch bei den Kontrollen vor Ort zur Verfügung. Von Mitarbeitern werde er als Chef bezeichnet.
- Gegenüber der Vermieterin der Immobilie habe er eine Mietbürgschaft abgegeben.
- Bei der Durchsuchung des Gasthauses sei der Vater der Geschäftsführerin vor Ort gewesen und habe sich im Büro/Aufenthaltsraum aufgehalten. Außerdem nutze er wohl den vorhandenen Schlafraum.
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Die negative Zuverlässigkeitsprognose lasse sich schließlich auch darauf stützen, dass es Arbeitnehmer gebe, die nicht zur Sozialversicherung gemeldet seien. Frau X* … wurde eine Äußerungsfrist von zwei Wochen, gerechnet ab Zustellung des Schreibens, die am 17.4.2025 erfolgte, eingeräumt.
10
Mit E-Mail an das Landratsamt vom 7.5.2025 teilte das Hauptzollamt E* … mit, dass zum Stand 6.5.2025 im Zeitraum von 5/2024 bis 4/2025 acht Personen im „A* …“ nicht gemeldet gewesen seien (zum Teil nur Vornamen oder Spitznamen), sechs Personen seien zu spät gemeldet worden und eine Person sei über das Wirtshaus gemeldet gewesen, habe aber im „C* …“ in D* … gearbeitet. Es seien jedoch noch nicht alle Unterlagen ausgewertet, sodass sich die Zahl wohl noch ändern werde. Die Zahlen könnten auch weniger werden, sofern neue Erkenntnisse gewonnen werden könnten. Mit E-Mail vom 8.5.2025 führte das Hauptzollamt aus, dass es bezüglich des vorgefundenen Tabaks keine Nachweise dahingehend gebe, dass im Wirtshaus Tabak verkauft worden sei. Insoweit müssten noch Zeugenvernehmungen abgewartet werden.
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Mit Bescheid vom 9.5.2025, zugestellt am 10.5.2025, widerrief der Antragsgegner die der Antragstellerin am 30.10.2024 erteilte Gaststättenerlaubnis für das „A* …“ (Ziffer 1). Die Fortsetzung des Gaststättenbetriebs wurde untersagt, wobei für die Abwicklung des Betriebs eine Frist von drei Wochen ab Zustellung des Bescheids eingeräumt wurde (Ziffer 2). Für den Fall, dass der Ziffer 2 nicht innerhalb der Frist von drei Wochen nachgekommen werde, werde die Schließung im Wege des unmittelbaren Zwangs durch Versiegelung der Räumlichkeiten angedroht (Ziffer 3). Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 des Bescheids wurde angeordnet (Ziffer 4). Die Verfahrenskosten habe die Antragstellerin zu tragen. Für den Bescheid wurden eine Gebühr von 200,00 EUR sowie Auslagen in Höhe von 3,45 EUR erhoben (Ziffer 5).
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Zur Begründung wurde ausgeführt, dass von einem Strohmannverhältnis auszugehen sei. Insoweit werden die Umstände vorgetragen, die schon im Anhörungsschreiben genannt wurden. Auch seien X* … und Y* … in einem Zeitungsartikel, der anlässlich der Eröffnung des Lokals erschienen sei, als neue Pächter bezeichnet. Die eigentlich für den ordnungsgemäßen Betrieb verantwortliche Geschäftsführerin werde durch den Hintermann – ihren Vater – umfassend beherrscht. Sie könne oder wolle sich dessen Einfluss nicht entziehen. Herr Y* … sei im Betrieb faktisch als Geschäftsführer aktiv. Darüber hinaus lasse sich die Unzuverlässigkeitsprognose auf die aktuellen weiteren Ermittlungen bezüglich dem Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt nach § 266a StGB stützen.
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Die Androhung unmittelbaren Zwangs zur Durchsetzung der Schließungsanordnung stütze sich auf Art. 34 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG). Aufgrund der von Frau X* … gezeigten Einstellung und ihrer Missachtung der rechtlichen Anforderungen sei die gewünschte Wirkung zur Schließung mit der Anordnung von Zwangsgeld nicht zu erreichen, weshalb die Schließung im Wege des unmittelbaren Zwangs angedroht worden sei. Die Androhung von Zwangsgeld verspreche keinen zweckentsprechenden und rechtzeitigen Erfolg, da es sich gezeigt habe, dass die bestimmende und handelnde Person der Vater von Frau X* … als Hintermann sei. Der Sofortvollzug sei angeordnet worden, obwohl dadurch in die Berufsfreiheit nach Art. 12 des Grundgesetzes (GG) eingegriffen werde. Bei einem fortgesetzten Betrieb der Gaststätte sei weiterhin mit Verstößen gegen gaststättenrechtliche und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften wegen des Strohmannverhältnisses zu rechnen. Es liege nahe, dass Frau X* … auch weiterhin nicht die verantwortliche Betriebsführung übernehmen werde, sondern als Strohfrau für den Vater auftreten werde. Es würden jegliche konkreten Anhaltspunkte dafür fehlen, dass sich aktuell oder in naher Zukunft die Situation grundsätzlich ändern werde. Vielmehr sei weiterhin zu befürchten, dass der Hintermann maßgeblichen Einfluss ausüben werde.
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Am 28.5.2025 ließ die Antragstellerin Klage erheben, die unter dem Aktenzeichen RN 5 K 25.1290 geführt wird. Zugleich ließ sie um vorläufigen Rechtsschutz gemäß § 80 Abs. 5 VwGO in Bezug auf den Widerruf der Gaststättenerlaubnis nachsuchen. Zur Begründung lässt sie im Wesentlichen vortragen, mit der seitens des Antragsgegners gegebenen Begründung seien lediglich Gründe für den Widerruf der Gaststättenerlaubnis mitgeteilt worden, nicht jedoch die Gründe für die Anordnung der sofortigen Vollziehung, was nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO erforderlich sei. Der Antragsgegner habe nicht dargetan, woraus sich das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung begründen solle. Ein überwiegendes Vollziehungsinteresse der Öffentlichkeit bestehe nicht. Gefahren durch den Weiterbetrieb der Gaststätte bis zum Abschluss des Rechtsmittelverfahrens seien weder dargetan noch erkennbar. Das behauptete Strohmannverhältnis sei hierfür nicht ausreichend.
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Nicht zutreffend sei es außerdem, dass die Geschäftsführerin der Antragstellerin dem Einfluss ihres Vaters unterliege. Der Antragsgegner gehe hier von falschen Tatsachen aus. Im Einzelnen sei zu den Vorwürfen wie folgt auszuführen:
- Das Impressum der Antragstellerin sei durch ein Reservierungsportal eingerichtet worden. Dieses Portal sei angewiesen worden, als Kontaktperson die Geschäftsführerin anzugeben. Dies sei aus Versehen offenbar nicht erfolgt. Mittlerweile sei das Impressum geändert.
- Gegenüber dem Markt B* … habe die Geschäftsführerin ihren Vater auch nicht als „stillen Inhaber“ genannt. Es müsse sich hier um eine falsche Wiedergabe eines Gesprächs handeln.
- Der Zeitungsartikel zur Eröffnung der Gaststätte, in dem die Geschäftsführerin und ihr Vater als neue Pächter genannt worden seien, sei falsch. Der Vater habe gegenüber dem Reporter lediglich mitgeteilt, dass er seine Tochter im Betrieb unterstütze.
- Der Umstand, dass der Vater der Geschäftsführerin eine Mietbürgschaft gestellt habe, sei kein Beleg dafür, dass er bestimmenden Einfluss auf die Firma habe. Damit habe er lediglich seine Tochter finanziell unterstützt.
- Bei dem vorgefundenen Spielautomaten habe es sich lediglich um einen privaten Gegenstand gehandelt. Dieser könne nicht dem Geschäftsbetrieb zugeordnet werden.
- Den Schlafraum im Wirtshaus benutze der Vater nur ausnahmsweise, wenn kurzfristig Unterstützung im Wirtshaus notwendig sei.
- Es sei nicht zutreffend, dass Arbeitnehmer nicht oder nicht richtig angemeldet worden seien. Lediglich eine Arbeitnehmerin sei zu spät über die eingeschaltete Personaldienstleistungsfirma angemeldet worden. Dies habe auf einem Irrtum beruht. Nachdem dieser bemerkt worden sei, habe die Dienstleistungsfirma dies sofort behoben.
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Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 9.5.2025 wiederherzustellen bzw. anzuordnen.
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Der Antragsgegner beantragt,
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Der Antragsgegner weist unter Wiederholung des Vorbringens in den Gründen des angegriffenen Bescheids erneut darauf hin, dass die Geschäftsführerin der Antragstellerin als „Strohfrau“ fungiere und der wahre Gewerbetreibende deren Vater, Herr Y* …, sei. Außerdem gebe es neue Erkenntnisse über die Betriebsführung der Geschäftsführerin X* … Diese habe am 5.5.2025 einen Pachtvertrag für den Gastronomiebetrieb „G* …“ in der … in H* … beim Landratsamt vorgelegt. Dieser Betrieb sei unter ihrer Führung Ende Mai eröffnet worden, ohne dass hierfür eine Gaststättenerlaubnis vorgelegen habe. Ihr sei nicht bewusst gewesen, dass – wie bei der Antragstellung für den Betrieb in B* … – weitere Unterlagen zur Überprüfung ihrer Zuverlässigkeit erforderlich seien. Bei der Vorlage des Pachtvertrages sei sie auf diese Notwendigkeit sowie auf das Erfordernis einer weiteren Antragstellung hingewiesen worden. Obwohl sie auf das laufende Widerrufsverfahren bezüglich des „A* …“ hingewiesen worden sei, habe sie kein Interesse an einem Gespräch gezeigt. Sie habe angegeben, künftig beide Betriebe allein führen zu wollen. Nach Erhalt des Widerrufsbescheids habe sie beim Landratsamt einen neuen Gaststättenantrag für das weitere Lokal in H* … abgegeben. Im Rahmen eines dazu geführten Gesprächs sei deutlich geworden, dass sie kaum Kenntnisse und keinen Überblick über die Abwicklung des Betriebes, die laufenden Ermittlungen durch das Zollamt und den Widerruf für die Gaststätte in B* … habe. Es sei ferner über die Schwierigkeit der Führung von zwei größeren Betrieben ohne Stellvertretung gesprochen worden. Im Rahmen einer polizeilichen Kontrolle am 15.6.2025 sei festgestellt worden, dass Frau X* … im neuen Lokal „G* …“ als Geschäftsführerin ohne eine Erlaubnis und mit vier angemeldeten Arbeitnehmern im laufenden Betrieb tätig gewesen sei. Nach Angaben der PI D* … habe sich bei einer parallelen Kontrolle in der Gaststätte „A* …“ ein Herr I* … als Verantwortlicher ausgegeben. Für diese verantwortliche Person sei keine Stellvertretererlaubnis erteilt. Frau X* … sei am 21.5.2025 in die neue Betriebsstätte in H* … umgezogen und habe sich dort auch angemeldet. Sie habe damit den Schwerpunkt ihrer Arbeit nach H* … verlagert. Bislang sei für den Betrieb in H* … schon deshalb keine gültige Gaststättenerlaubnis erteilt worden, weil nicht alle Antragsunterlagen vorhanden seien. Dieses Verhalten zeige sehr deutlich, dass bei der Geschäftsführerin der Antragstellerin die innere Einstellung und die Bereitschaft, Vorschriften einzuhalten, nicht vorhanden seien. Nach dem Gesamtbild sei somit die Geschäftsführerin der Antragstellerin unzuverlässig und biete nicht die Gewähr, das Gaststättengewerbe in Zukunft ordnungsgemäß zu betreiben. Es sei auch bereits ein Gewerbeuntersagungsverfahren eingeleitet worden.
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Sofern die Antragstellerin vortragen lasse, dass im “A* …“ keine nicht oder nicht richtig angemeldeten Arbeitnehmer beschäftigt worden seien, werde auf die aktuellen Ermittlungen durch das Hauptzollamt E* … verwiesen. Dieses habe zum aktuellen Stand (17.6.2025) mitgeteilt, dass in einem Zeitraum von 5/2024 bis 4/2025 16 Arbeitnehmer festgestellt worden seien, die nicht, zu spät oder nicht richtig gemeldet gewesen seien. Davon seien sechs Arbeitnehmer nicht zur Sozialversicherung gemeldet gewesen und 10 Arbeitnehmer seien zu spät zur Sozialversicherung gemeldet worden. Zusätzlich seien nachweislich schwarze Lohnzahlungen an mehrere Arbeitnehmer geleistet worden, wobei die genaue Anzahl der Arbeitnehmer bzw. die Summe der Zahlungen aktuell noch nicht bekannt sei. Bei den Arbeitnehmern des Betriebs in B* … sei auch eine Person gemeldet, die bei der Durchsuchung durch das Zollamt am 7.4.2025 im Betrieb „C* …“ in D* … eingesetzt gewesen sei. Dies zeige, dass die Geschäftsführerin keinen Einblick in die Geschäftsführung habe.
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Aus den im Hauptsacheverfahren seitens des Antragsgegners mit Schreiben vom 12.8.2025 vorgelegten Akten (Stand: 12.8.2025) ergibt sich, dass nunmehr auch Herr I* …, der Freund von Frau X* …, neben dieser Geschäftsführer der “ …GmbH“ ist (vgl. Handelsregisterauszug, S. 298 der Behördenakten, Stand: 12.8.2025). Ferner wurde der GmbH, vertreten durch Herrn I* …, mit Bescheid vom 3.7.2025 die vorläufige Erlaubnis zum Betrieb der Schank- und Speisewirtschaft „G* …“ in H* … erteilt. Die Erlaubnis gilt bis längstens …2025 und erlischt mit der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung der endgültigen Erlaubnis nach § 2 Abs. 1 GastG.
21
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten im Hauptsachesowie im Eilrechtschutzverfahren und der Behördenakten, die dem Gericht vorgelegen haben, Bezug genommen.
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Der zulässige Antrag (vgl. dazu 1.) ist begründet, soweit er sich gegen die Androhung unmittelbaren Zwangs in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids richtet (vgl. dazu 2. b) cc)). Im Übrigen ist er unbegründet (vgl. dazu 2. a), 2. b) aa), 2. b) bb) und 2 b) dd)).
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Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung einer Klage ganz oder teilweise anordnen, wenn ein Verwaltungsakt gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3a VwGO kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist, bzw. wiederherstellen, wenn die Behörde den Sofortvollzug gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat.
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1. Der Antrag ist zulässig. Er ist insbesondere statthaft.
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Bezüglich der Nrn. 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheids hat der Antragsgegner den Sofortvollzug in Nr. 4 des Bescheids angeordnet. Im Hinblick auf die Androhung unmittelbaren Zwangs in Nr. 3 des Bescheids ergibt sich die sofortige Vollziehbarkeit aus Art. 21a VwZVG. Die Kostenentscheidung in Nr. 5 des Bescheids teilt als Nebenentscheidung zur Sachentscheidung deren rechtliches Schicksal, weshalb sich die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs insoweit nach der Wirkung des Rechtsbehelfs gegen die Sachentscheidung richtet. Daher entfällt auch insoweit die aufschiebende Wirkung der Klage (so BayVGH, B.v. 8.11.2013 – 22 CS 13.1186 – juris str.; vgl. zum Streitstand: Schoch in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht – VwGO, 46. EL August 2024, § 80 VwGO Rn. 140 ff.).
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2. Der Antrag ist weitestgehend unbegründet.
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Grundsätzlich ist im Rahmen der Begründetheitsprüfung eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO eine eigenständige Interessenabwägung durch das Gericht vorzunehmen, im Rahmen derer zu ermitteln ist, ob das Suspensivinteresse der Antragstellerin oder das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt. Dabei sind maßgeblich die bereits überschaubaren Erfolgsaussichten einer Klage im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen: Während dem Interesse an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer voraussichtlich unzulässigen oder unbegründeten Klage kein hohes Gewicht zukommt, ist die aufschiebende Wirkung im Regelfall anzuordnen, wenn der in der Hauptsache erhobene bzw. noch zu erhebende Rechtsbehelf bei summarischer Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein wird (vgl. nur BayVGH, B.v. 25.10.2021 – 20 CS 20.3147 – juris Rn. 2; B.v. 27.3.2019 – 8 CS 18.2398 – juris Rn. 25 m.w.N.). Sind die Erfolgsaussichten hingegen als offen anzusehen, ist die Entscheidung des Gerichts auf der Grundlage einer reinen Interessenabwägung zu treffen, wobei die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen an einer Herstellung des Suspensiveffekts den öffentlichen Interessen an einem Vollzug schon vor Bestandskraft des Verwaltungsakts gegenüberzustellen sind (vgl. Hoppe in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 93 m.w.N.).
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a) Ordnet eine Behörde den Sofortvollzug gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VwGO an, so muss sie in formeller Hinsicht gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich begründen. Die Pflicht zur Begründung soll der Behörde den bestehenden Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes Vollziehungsinteresse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Diese vom Gesetzgeber beabsichtigte „Warnfunktion“ beruht letztlich auf dem besonderen Stellenwert, den die Verfassung der aufschiebenden Wirkung beimisst (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 30. Aufl. 2024, § 80 Rn. 84 m.w.N.). Dem Erfordernis einer schriftlichen Begründung ist nicht bereits genügt, wenn überhaupt eine Begründung gegeben wird. Es bedarf vielmehr einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat (BVerwG, B.v. 18.9.2001 – 1 DB 26.01 – juris m.w.N. aus Rspr. und Lit). Nicht ausreichend sind dagegen formelhafte Begründungen, die nicht auf den konkreten Einzelfall abstellen (BayVGH, B.v. 7.3.2016 – 10 CS 16.301 – juris Rn. 3; B.v. 9.12.2013 – 10 CS 13.1782 – juris Rn. 16; Kopp/Schenke, VwGO, 30. Aufl. 2024, § 80 Rn. 85 m.w.N.). Auf die materielle Richtigkeit der Begründung kommt es an dieser Stelle nicht an, da das Gericht insofern eine eigene Abwägungsentscheidung zu treffen hat (BayVGH, B.v. 8.2.2021 – 6 CS 21.111 – juris Rn. 29; B.v. 19.8.2014 – 22 CS 14.1597 – juris Rn. 14; B.v. 15.8.2008 – 19 CS 08.1471 – juris Rn. 3). Entscheidend ist allein, dass die gegebene Begründung erkennen lässt, dass sich die Behörde des Ausnahmecharakters der sofortigen Vollziehung bewusst war und dennoch aufgrund konkreter Erwägungen zum Einzelfall ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung bejaht hat (VG Augsburg, B.v. 9.10.2009 – Au 6 S 09.1495 – juris Rn. 54).
29
Diesen Anforderungen genügt die auf Seite 5 des streitgegenständlichen Bescheids gegebene Begründung. Dort ist sinngemäß ausgeführt, dass der Antragsgegner eine Abwägung zwischen dem durch den Sofortvollzug bewirkten Eingriff in die Berufsfreiheit des Art. 12 des Grundgesetzes (GG) und den durch eine Weiterführung des Betriebs verursachten Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter vorgenommen hat. Unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sei er zum Ergebnis gelangt, dass der Schutz öffentlicher Interessen den Sofortvollzug rechtfertige. Es würden konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass bei einer Fortsetzung des Betriebs schon während eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens aufgrund des weiterhin bestehenden Strohmannverhältnisses zu befürchten sei, dass die irreguläre Betriebsführung fortgesetzt werde, was im öffentlichen Interesse verhindert werden müsse. Diese Begründung genügt dem formellen Begründungserfordernis noch. Auf die materielle Richtigkeit der gegebenen Begründung kommt es an dieser Stelle nicht an; denn § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO normiert eine formelle und keine materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung (vgl. nur BayVGH, B.v. 5.5.2022 – 11 CS 22.927 – juris Rn. 18 m.w.N.; B.v. 7.6.2021 – 8 CS 21.720 – juris Rn. 25 m.w.N.). Hinsichtlich der Tragfähigkeit der gegebenen Begründung hat das Gericht eine eigene Interessenabwägung vorzunehmen, im Rahmen derer die für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Umstände gegeneinander abzuwägen sind (vgl. dazu unten 2. b) aa) (2)).
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b) Der Antragsgegner stützt den Widerruf der Gaststättenerlaubnis auf § 15 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG. Danach ist die Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die die Versagung der Erlaubnis rechtfertigen würden. Es handelt sich dabei um eine gebundene Entscheidung, sodass der zuständigen Behörde kein Ermessen eingeräumt ist. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG ist die Erlaubnis zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Gewerbetreibende die für den Betrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Der Begriff der Unzuverlässigkeit im Sinne des Gaststättengesetzes stimmt mit dem des § 35 Abs. 1 der Gewerbeordnung (GewO) überein (BVerwG, B.v. 23.9.1991 – 1 B 96.91 – juris Rn. 4). Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Gewerbetreibender unzuverlässig, wenn er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 14 m.w.N.).
31
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids (BVerwG, B.v. 25.1.1994 – 1 B 212.93 – juris Rn. 6; B.v. 16.12.1987 – 1 B 144.87 – juris Rn. 6). Bei der Beurteilung der Unzuverlässigkeit ist eine Prognose anzustellen, im Rahmen derer aus den vorhandenen tatsächlichen Umständen auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten der Gaststättengewerbetreibenden zu schließen ist (Metzner/Thiel, Gaststättenrecht, 7. Aufl. 2023, GastG § 4 Rn. 15). Hier kommt es somit darauf an, ob die Antragstellerin als juristische Person des Privatrechts zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses unzuverlässig im eben beschriebenen Sinn war. Dabei muss sie sich ein Verhalten oder Unterlassen ihrer zum maßgeblichen Zeitpunkt alleinigen Geschäftsführerin zurechnen lassen (Marcks/Heß in: Landmann/Rohmer, GewO, 92. EL Dezember 2023, § 35 GewO Rn. 65).
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aa) Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erforderlichen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage ist es überwiegend wahrscheinlich, dass der Widerruf der Gaststättenerlaubnis in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids rechtmäßig erfolgt ist. Zwar lässt sich nach derzeitiger Aktenlage nicht hinreichend sicher feststellen, dass die Geschäftsführerin X* … lediglich als „Marionette“ ihres Vaters Y* … fungiert und somit ein Strohmannverhältnis vorliegt – wie dies der Antragsgegner meint – oder dass dieser zumindest einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftsführung ausübt, was ebenfalls zur Unzuverlässigkeit der Geschäftsführerin und damit zugleich zur Unzuverlässigkeit der Antragstellerin führen würde. Allerdings haben die Ermittlungen des Hauptzollamts aufgrund der Durchsuchung am 7.4.2025 ergeben, dass sechs Arbeitnehmer nicht zur Sozialversicherung gemeldet und 10 Arbeitnehmer zu spät zur Sozialversicherung gemeldet waren. Hinzu kommt, dass Schwarzlohnzahlungen an mehrere Arbeitnehmer geleistet worden sind. Aufgrund der vom Hauptzollamt mit Schreiben vom 17.6.2025 mitgeteilten Ermittlungsergebnisse steht dies zur Überzeugung des Gerichts fest. Alleine aus diesen Umständen folgt die Unzuverlässigkeit von Frau X* …, die auf die Antragstellerin durchschlägt (vgl. 2 b) aa) (1)). Obwohl der Widerruf einen erheblichen Eingriff in die Berufsfreiheit darstellt, fällt die vorzunehmende Interessenabwägung zulasten der Antragstellerin aus, da die sofortige Untersagung dem Schutz überragend wichtiger Gemeinschaftsgüter dient (vgl. 2 b) aa) (2)).
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(1) Ein Strohmannverhältnis liegt vor, wenn jemand zur Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse seinen Namen für den Gewerbebetrieb hergibt, d.h. als Gewerbetreibender vorgeschoben wird, das Gewerbe aber tatsächlich von einem anderen betrieben wird. Ein Strohmannverhältnis ist nur dann anzunehmen, wenn eine genaue Analyse der Innenbeziehungen erweist, dass ein Gewerbetreibender zur Verschleierung der wirklichen Machtverhältnisse eine natürliche oder juristische Person vorschiebt, die ohne eigene unternehmerische Tätigkeit nur als Marionette des Gewerbetreibenden am Wirtschaftsleben teilnimmt (BVerwG, U.v. 14.7.2003 – 6 C 10.03 – juris Rn. 25 m.w.N.). Ein Strohmannverhältnis ist dagegen nicht anzunehmen, wenn der Gewerbetreibende tatsächlich noch als Verantwortlicher angesehen werden kann, selbst wenn sein Entscheidungsspielraum durch den bestimmenden Einfluss eines Dritten verkleinert worden ist (Marcks/Heß in: Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, 93. EL März 2024, § 35 GewO Rn. 71 m.w.N.). Im Interesse der Wirksamkeit des gewerberechtlichen Instrumentariums muss hierbei grundsätzlich an das äußere Bild der gewerblichen Betätigung angeknüpft werden (BVerwG, B.v. 16.12.1992 – 1 B 162.92 – juris Rn. 9). Obwohl bei einem Strohmannverhältnis der Hintermann der eigentliche gewerberechtliche Verantwortliche ist, ist nach dem Schutzzweck des § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG auch eine Untersagung der Gewerbeausübung gegen den Strohmann zulässig. Denn der eigentliche Sinn der Erfassung des Strohmannverhältnisses ist es, den Hintermann in den gewerberechtlichen Ordnungsrahmen einzubeziehen, nicht aber, den Strohmann daraus zu entlassen. Das für das Strohmannverhältnis typische kollusive Zusammenwirken von Strohmann und Hintermann nötigt zur Untersagung gegen beide Personen (BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 3.81 – juris Rn. 2; Marcks/Heß in: Landmann/Rohmer, GewO, 93. EL März 2024, § 35 GewO Rn. 72 m.w.N.).
34
Von dem dargestellten „Strohmannverhältnis“ ist die Konstellation zu unterscheiden, in der ein Gewerbetreibender einem unzuverlässigen Dritten einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung einräumt oder auch nur nicht willens oder in der Lage ist, einen derartigen Einfluss auszuschalten. Auch bei einer derartigen Konstellation erweist sich der Gewerbetreibende selbst als unzuverlässig (grundlegend: BVerwG, U.v. 16.10.1959, VII C 63.59 – BverwGE 9, 222; vgl. auch: Marcks/Heß in: Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, 93. EL März 2024, § 35 GewO Rn. 69 m.w.N.). Auch wenn sich beide Fallgruppen nur gering unterscheiden, muss nach der Rechtsprechung zwischen beiden Fallgestaltungen unterschieden werden (vgl. BayVGH, B.v. 24.5.2016 – 22 ZB 16.252 – juris Rn. 11; vgl. auch VG Regensburg, U.v. 26.11.2015 – RN 5 K 14.2148 – juris Rn. 45 ff.).
35
Für die Annahme eines „Strohmannverhältnisses“ bestehen nach Aktenlage und bei summarischer Prüfung keine ausreichenden Indizien. Weder kann die Antragstellerin selbst als Strohmann angesehen werden, noch deren Geschäftsführerin. Es bestehen nach Aktenlage keine Anhaltspunkte dafür, dass Frau X* … keinen autonomen Handlungsspielraum im Rahmen der Geschäftsführung besitzt.
36
Die Antragstellerin als GmbH ist nicht als Strohmann anzusehen. Voraussetzung wäre insoweit, dass die juristische Person nur zu dem Zweck gegründet wurde und betrieben wird, um z.B. einem gegen den Hintermann ausgesprochenen Gewerbeverbot zu entgehen und bei wirtschaftlicher Betrachtung der Betrieb der juristischen Person allein für Rechnung des Dritten erfolgt. Herrn Y* … wurde zwar die ihm erteilte gaststättenrechtliche Erlaubnis mit Bescheid vom 30.9.2015 widerrufen. Allerdings ist nicht ersichtlich, dass der Betrieb der GmbH allein auf seine Rechnung erfolgt. Die Strohmanntheorie ist gerade bei juristischen Personen auf Ausnahmefälle beschränkt, deren Annahme eine genaue Analyse der Innenbeziehungen erfordert. Diese muss zu dem Ergebnis führen, dass ein Gewerbetreibender zur Verschleierung der wirklichen Machtverhältnisse eine juristische Person vorschiebt, die ohne eigene unternehmerische Tätigkeit nur als Marionette des Gewerbetreibenden am Wirtschaftsleben teilnimmt (zur Strohmanneigenschaft einer GmbH: BVerwG, U.v. 14.7.2003 – 6 C 10.03 – juris Rn. 24 ff.; VGH BW, B.v. 8.11.2004 – 6 S 593/04 – juris Rn. 5 m.w.N.).
37
Diese Voraussetzungen sind hier schon deshalb nicht gegeben, weil der Vater der Geschäftsführerin, Herr Y* …, als vermeintlicher Hintermann nach Aktenlage nicht an der Gründung der Gesellschaft beteiligt war. Alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin war zum Zeitpunkt der Gründung der Gesellschaft Frau X* …, die zwar gegenüber der Gemeinde B* … in einer E-Mail vom 5.8.2024 angab, dass Y* … „stiller Inhaber“ sein solle, und „in der GmbH nicht angegeben werden solle“ (Bl. 154 der Behördenakte). Die Aussage stammt somit von Frau X* … selbst und beruht nicht – wie in der Antragsbegründung vorgetragen – auf einer fehlerhaften Gesprächswiedergabe durch den Markt B* … Allerdings lässt allein eine stille Beteiligung noch nicht den Schluss zu, dass Herr Y* … die Fäden bei der Gesellschaft in der Hand hält. Eine stille Beteiligung ist eine Form der Unternehmensfinanzierung, bei der ein Investor (der stille Gesellschafter) Kapital in ein Unternehmen einbringt und dafür am Gewinn beteiligt ist. Kontrollrechte hat er jedoch grundsätzlich nicht (Lieder in: beck-online-Großkommentar zum GmbHG, Stand 1.1.2025, § 1 GmbHG Rn. 446ff.).
38
Ein Strohmannverhältnis liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn der Gewerbetreibende noch als Verantwortlicher für den Gewerbebetrieb angesehen werden kann, selbst wenn sein Handlungsspielraum – aus welchen Gründen auch immer – stark eingeschränkt ist. Gerade der Umstand, dass Frau X* … alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin war, spricht für eine eigenständige wirtschaftliche Betätigung der Antragstellerin im Verkehr und damit gegen eine bloße Marionettenstellung. Kriterien wie mangelnde Fachkunde oder verwandtschaftliche Beziehungen, die bei natürlichen Personen zur Feststellung der Strohmanneigenschaft herangezogen werden können, scheiden bei einer juristischen Person als solcher aus (Scheidler, GewArch 2014, 238, 241). Hinzu kommt, dass Frau X* … gegenüber dem Landratsamt stets als Vertreterin der Gesellschaft aufgetreten ist und die erforderlichen Anträge gestellt und benötigte Unterlagen vorgelegt hat. Sie hat daher die Geschicke der Gesellschaft bestimmt und nicht ihr Vater (vgl. dazu auch: VGH BW, B.v. 8.11.2004 – 6 S 593/04 – juris Rn. 5).
39
Eine gaststättenrechtliche Unzuverlässigkeit der Antragstellerin ergibt sich ferner auch nicht daraus, dass deren Geschäftsführerin X* … als Strohfrau für Herrn Y* … agiert. Es liegen hier zwar Indizien vor, die eine Beeinflussung der Frau X* … nahelegen. Diese reichen aber nicht aus, um den besonderen Nachweis für ein Strohmannverhältnis zu erbringen, bei dem die Geschäftsführerin keinen eigenen Entscheidungsspielraum im Hinblick auf die Geschicke der GmbH hat. Insoweit spielt es aus Sicht der entscheidenden Kammer eine Rolle, dass Frau X* … bei der Stellung des Antrags auf Erteilung der gaststättenrechtlichen Erlaubnis stets selbst gegenüber dem Landratsamt aufgetreten ist. Sie selbst hat Telefonate mit den zuständigen Sachbearbeitern geführt und entsprechende Unterlagen vorgelegt. Bei der Durchsuchung am 7.4.2025 war sie selbst in der Wirtschaft anwesend und hat hinter der Theke gearbeitet. Von einigen Mitarbeitern wird sie auch als Chefin bezeichnet, was nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Rechtslage stark gegen ein Strohmannverhältnis spricht. Abgesehen von dem Umstand, dass auch ihr Vater, Herr Y* …, vor Ort war und in einem Zeitungsartikel zusammen mit Frau X* … als Pächter bezeichnet worden ist, spricht nichts dafür, dass die Geschäftsführerin keinen eigenständigen Entscheidungsspielraum in der Gesellschaft hat. Nach alledem ist die entscheidende Kammer nach den im Moment vorliegenden Erkenntnissen nicht davon überzeugt, dass ein Strohmannverhältnis gegeben ist.
40
Ferner bestehen derzeit auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass Herr Y* … als unzuverlässiger Dritter einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftsführung ausübt. Diesbezüglich liegen zwar Indizien vor, die dies nahelegen. Diese reichen jedoch nicht aus, um die Annahme zu rechtfertigen, die Geschäftsführerin räume ihrem unzuverlässigen Vater einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung ein oder sie sei nicht willens oder in der Lage, einen derartigen Einfluss auszuschalten.
41
Der Antragsgegner führt hierfür nur wenige tatsächliche Umstände an, die nicht ausreichen, um eine derartige Einflussnahme annehmen zu können. So wurde bereits dargestellt, dass allein der Umstand, dass der Vater der Geschäftsführerin als „stiller Gesellschafter“ fungieren soll, nicht ausreichend ist, um einen derartigen Einfluss annehmen zu können. Ein stiller Gesellschafter legt Kapital in die Gesellschaft ein und erhofft sich hiervon eine Dividende. Einen Einfluss auf die Geschäftsführung kann er allein aufgrund seiner Stellung als stiller Gesellschafter grundsätzlich nicht ausüben. Ebenso verhält es sich mit dem antragsgegnerseits ins Feld geführten Umstand, dass Herr Y* … gegenüber der Eigentümerin des Geschäftslokals eine Mietbürgschaft abgegeben hat. Auch insoweit handelt es sich um ein Rechtsgeschäft, das Eltern häufig vornehmen, um ihren Kindern einen beruflichen Start zu ermöglichen. Allein hieraus kann nicht der Schluss gezogen werden, dass der Vater einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausübt. Auch der Umstand, dass Herr Y* … von Mitarbeitern der GmbH teilweise als „Chef“ bezeichnet worden ist, genügt hierfür nach Überzeugung des Gerichts nicht. Dass Familienangehörige eines Gewerbetreibenden von Angestellten und Mitarbeitern als „Chef“ angesprochen werden, dürfte nicht unüblich sein. Allein hieraus ist jedenfalls nicht zu schließen, dass die so bezeichnete Person auch maßgeblichen Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen hat und den eigentlichen Geschäftsführer „dominiert“. Insoweit wäre näher zu eruieren gewesen, ob sich der Vater der Geschäftsführerin tatsächlich als Chef geriert hat, indem er etwa selbst für den Betriebsablauf grundlegende Arbeitsanweisungen gegeben oder das „Kerngeschäft“ des Gastronomiebetriebs maßgeblich beeinflusst hat. Diesbezüglich finden sich jedoch keinerlei belastbare Anhaltspunkte in den Behördenakten (vgl. dazu auch VG Schwerin, U.v. 11.6.2002 – 7 A 502/01 – juris Rn. 34). Auch die Tatsache, dass Herr Y* … und seine Tochter in der Presse als Pächter des „A* …“ bezeichnet worden sind, ist kein belastbarer Umstand, aufgrund dessen von einem bestimmenden Einfluss des Herrn Y* … ausgegangen werden könnte. Schon aus dem sich in den Akten befindlichen Mietvertrag über die Räumlichkeiten des Gastronomiebetriebs ergibt sich, dass Mieter die „Firma A* …“, vertreten durch die Geschäftsführerin X* …, ist. Der Vertrag ist auf Mieterseite auch nur von einer Person – wohl von Frau X* … – unterzeichnet. Dass die Gaststätte dann letztendlich von einer GmbH betrieben wird, wurde offenbar erst später entschieden. Erst nach Erteilung der zweiten vorläufigen Gaststättenerlaubnis für den Betrieb in B* … am 13.8.2024 stellte Frau X* … den Genehmigungsantrag um, sodass letztendlich die GmbH die gaststättenrechtliche Genehmigung erhielt. Hier wird deutlich, dass allein aufgrund der Bezeichnung des Vaters der Geschäftsführerin als Mitpächter in der Presse keine Schlussfolgerungen zu einem möglichen bestimmenden Einfluss des Vaters auf die Geschäftsführung gezogen werden können. Ein bestimmender Einfluss des Vaters mag zwar nicht auszuschließen sein, aufgrund der bisherigen Erkenntnisse fehlen jedoch hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dies tatsächlich der Fall ist. Ein konkreter Hinweis der Einflussnahme von Herrn Y* … auf die Geschäftsführung ergibt sich schließlich auch nicht aus dem Umstand, dass Herr Y* … offenbar regelmäßig im Betrieb anwesend ist und dort zum Teil auch im vorhandenen Schlafraum übernachtet. Allein dieser Umstand besagt nicht, dass er maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft nimmt. Auch insoweit könnte lediglich – wie von Herrn Y* … angegeben – eine bloße Unterstützung der Tochter vorliegen.
42
Zuletzt lassen sich auch aus der alleinigen Nennung des Herrn Y* … im Impressum des Lokals keine belastbaren Schlüsse ziehen. Unabhängig davon, ob die Benennung von Herrn Y* … im Impressum nur versehentlich erfolgte – wie dies die Antragstellerin vortragen lässt –, oder ob dies mit Willen der Geschäftsführerin erfolgte, bedeutet dies noch nicht, dass der Dritte – also Herr Y* … – maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführerin ausübt. Auch insoweit hätten nähere Ermittlungen angestellt werden müssen, um die Kompetenzen des Herrn Y* … näher zu ermitteln.
43
Auch wenn daher viele Indizien dafür sprechen mögen, dass Herr Y* … über seine Tochter einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausübt, so fehlen doch konkrete objektive Anhaltspunkte dafür, dass dies tatsächlich der Fall ist. Allein aus den geschilderten Umstände lässt sich ein entsprechender Einfluss jedenfalls nicht herleiten. Sollte es insoweit hierauf ankommen, wären in einem Hauptsacheverfahren noch weitere Ermittlungen anzustellen. Deshalb kommt es im Ergebnis auch nicht darauf an, ob Herr Y* … im gaststättenrechtlichen Sinn unzuverlässig ist, weshalb dem hier nicht näher nachgegangen werden muss.
44
Die Unzuverlässigkeit der Geschäftsführerin der Antragstellerin ergibt sich jedoch daraus, dass sie es veranlasst oder zumindest zugelassen hat, dass sechs Beschäftigte über einen längeren Zeitraum nicht zur Sozialversicherung angemeldet wurden. Bei weiteren zehn Beschäftigten wurde die Anmeldung zu spät erstattet. Darüber hinaus gab es nach den Ermittlungen des Hauptzollamts E* … auch Schwarzlohnzahlungen an mehrere Arbeitnehmer. Nach übereinstimmender Ansicht in der Rechtsprechung und in der Literatur führen Verstöße gegen die Abführung von Beiträgen für die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung zur Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden. Die Einhaltung dieser Pflichten ist von jedem Gewerbetreibenden zu erwarten. Da bei Nichteinhaltung der Versicherungsanspruch der Arbeitnehmer beeinträchtigt und das Vermögen des Trägers der Versicherung geschädigt wird, führt ein beharrlicher Verstoß gegen diese Verpflichtungen zur Unzuverlässigkeit. (ständige obergerichtliche Rspr. und h.M. in der Lit., vgl. Marcks/Heß in: Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, 93. EL März 2024, § 35 GewO Rn. 55 mit m.w.N.). Die Verstöße erstreckten sich nach einer E-Mail des Hauptzollamtes vom 7.5.2025 über einen Zeitraum von einem Jahr, nämlich vom Mai 2024 bis zum April 2025 (vgl. Bl. 258 der Behördenakte, Stand: 12.8.2025), weshalb von einem zielgerichteten Verhalten der Verantwortlichen der GmbH – also von Frau X* … – ausgegangen werden muss. Selbst wenn die Geschäftsführerin von den Verstößen nichts gewusst haben sollte, so ist ihr dieses Fehlverhalten zuzurechnen, da sie als Geschäftsführerin der Gesellschaft dafür verantwortlich ist, dass die sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen zu jedem Zeitpunkt eingehalten werden. Sie hat insoweit die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden (vgl. § 43 Abs. 1 GmbHG). Tut sie dies nicht, erfüllt sie ihre Obliegenheiten nicht und ist deshalb als unzuverlässig anzusehen.
45
Dass die Prognose der Unzuverlässigkeit der Geschäftsführerin der Antragstellerin, die auf letztere durchschlägt, zutrifft, hat im Übrigen das Verhalten der Geschäftsführerin nach Bescheidserlass eindrucksvoll gezeigt. Sie hat nach Aktenlage in der zweiten Maihälfte 2025 einen weiteren Gaststättenbetrieb – den „G* …“ in H* … – im Namen der Antragstellerin eröffnet und diesen dann auch betrieben, ohne im Besitz einer gaststättenrechtlichen Genehmigung hierfür gewesen zu sein. Spätestens bei einer Vorsprache im Landratsamt am 21.5.2025 hatte sie erfahren, dass auch für diesen Betrieb eine Gaststättenerlaubnis erforderlich ist. Obwohl sie darauf hingewiesen wurde, dass der Betrieb zweier Gaststätten der vorhandenen Größe ohne Stellvertreter kritisch zu beurteilen ist, Genehmigungsunterlagen fehlen und aufgrund des Widerrufs der Gaststättenerlaubnisse für das „A* …“ die Erteilung einer weiteren Gaststättenerlaubnis problematisch ist, eröffnete sie den neuen Betrieb bereits im Mai 2025. Bei einer polizeilichen Kontrolle am 15.6.2025 war der „G* …“ nach wie vor geöffnet, obwohl hierfür keine Erlaubnis bestand und der Geschäftsführerin aufgrund der Informationen, die sie vom Landratsamt erhalten hatte, bewusst war, dass eine gaststättenrechtliche Erlaubnis erforderlich ist. Erst am 3.7.2025 wurde der Antragstellerin, vertreten durch den neuen zweiten Geschäftsführer, Herrn I* …, eine vorläufige Erlaubnis erteilt. Mit diesem Verhalten hat Frau X* … sehr deutlich gezeigt, dass sie nicht willens ist, die für ein Gaststättengewerbe geltenden rechtlichen Vorgaben einzuhalten, was die Prognose ihre Unzuverlässigkeit bestätigt.
46
(2) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der Gaststättenerlaubnis nach § 15 Abs. 2 GastG setzt im Hinblick auf die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG, auf die sich die Antragstellerin als juristische Person des Privatrechts nach Art. 19 Abs. 3 GG berufen kann, zusätzlich zur voraussichtlichen Rechtmäßigkeit des Widerrufs weiter voraus, dass die Fortsetzung der Berufstätigkeit des Erlaubnisinhabers während der Dauer des Rechtsstreits konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lässt. Darüber hinaus gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG effektiven Rechtsschutz durch die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs und einen Anspruch darauf, dass eine hoheitliche Maßnahme vor ihrem Vollzug einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt wird. Die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ist daher verfassungsrechtlich wie einfachgesetzlich nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Regel und der Sofortvollzug die Ausnahme. Die Anordnung des Sofortvollzugs kann daher nur ausnahmsweise durch kollidierende Verfassungsgüter wie die Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter gerechtfertigt sein (vgl. zum Ganzen: BVerfG, B.v. 12.8.2003 – 1 BvR 1594/03 – juris Rn. 15 f; B.v. 24.10.2003 – 1 BvR 1594/03 – juris Rn. 14 f; BayVGH, B.v. 16.10.2020 – juris Rn 40; B.v. 28.4.2014 – 22 CS 14.182 – juris Rn. 19; B.v. 2.7.2014 – 22 CS 14.1186 – juris Rn. 11; B.v. 3.5.2013 – 22 CS 13.594 – juris Rn. 27). Dabei ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, d.h. die Gründe für den Sofortvollzug müssen in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Eingriffs stehen und ein Zuwarten bis zur Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung ausschließen (SächsOVG, B.v. 5.3.2024 – 6 B 93/23 – juris Rn. 34; B.v. 31.8.2021 – 6 B 245/21 – juris Rn. 9 m.w.N.). Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist diesbezüglich der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung; denn die Frage, ob aufgrund konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter ein Bedürfnis für einen sofortigen Vollzug besteht, stellt sich spezifisch nur im Eilverfahren; sie ist Bestandteil des vom Gericht im Eilrechtsschutzverfahren auszuübenden eigenen Ermessens (vgl. dazu etwa Schoch in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht – VwGO, Stand August 2024, § 80 VwGO Rn. 418 f., 422; Hoppe in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 105 f.; OVG NW, B.v. 20.10.2016 – 4 B 1094/16 – juris Rn. 5 f. m.w.N.).
47
Die vorzunehmende Güterabwägung fällt vorliegend zu Lasten der Antragstellerin aus. Aufgrund der lang andauernden und über den gesamten Zeitraum des Betriebs des „A* …“ erfolgenden Verstöße gegen sozialversicherungsrechtliche Verpflichtungen und der damit verbundenen Gefährdung des Versicherungsschutzes für die Arbeitnehmer sowie des Vermögens der Sozialversicherungsträger – also wichtigen Gemeinschaftsgütern – fällt die zu treffende Ermessensentscheidung zulasten der Antragstellerin aus. Es ist nach wie vor mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass Frau X* … das in der Vergangenheit an den Tag gelegte Geschäftsgebaren fortsetzt, sodass weiterhin entsprechende Verstöße zu erwarten sind. Um weiteren Schaden der Sozialversicherungsträger, der Mitarbeiter der Antragstellerin und der ordnungsgemäß arbeitenden Konkurrenten, die ihren Verpflichtungen nachkommen und durch die gesetzeswidrige Verhaltensweise der Antragstellerin einen Wettbewerbsnachteil erleiden, abzuwenden, fällt die Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin aus. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass der zwischenzeitlich eingetretene neue, zweite Geschäftsführer der Antragstellerin in der Lage sein wird, die vorhandenen Missstände kurzfristig abzustellen. Die Annahme des Antragsgegners, die Antragstellerin müsse sofort zum Schutze der Allgemeinheit vom Wirtschaftsverkehr ferngehalten werden, weil zu befürchten sei, dass es ansonsten vor Rechtskraft der Entscheidung durch sie zu weiterem gewerbeordnungswidrigen Verhalten kommt, ist jedenfalls auch im Hinblick auf das Verhalten von Frau X* … bei die Neueröffnung des „G* …“ nicht von der Hand zu weisen. Es wurde bereits dargestellt, dass die damals einzige Geschäftsführerin der Antragstellerin den neuen Gaststättenbetrieb eröffnet und betrieben hat, obwohl ihr bekannt war, dadurch gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften zu verstoßen. Hierin kommt ein beharrlicher Hang zur Missachtung der Rechtsordnung zum Ausdruck. Die Aufrechterhaltung des Sofortvollzugs erscheint nach alledem auch unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als interessengerecht.
48
bb) Gegen die Betriebsschließungsanordnung in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids bestehen keine rechtlichen Bedenken. Sie beruht auf § 31 GastG i.V.m.§ 15 Abs. 2 der Gewerbeordnung (GewO). Danach kann die zuständige Behörde ein Gewerbe – im Falle der Anwendung des Gaststättengesetzes also einen Gaststättenbetrieb –, zu dessen Ausübung eine Zulassung erforderlich ist, verhindern, wenn der Betrieb ohne diese Zulassung betrieben wird. Den dem Gericht vorliegenden Behördenakten und dem Bescheid vom 9.5.2025 lassen sich keine Anhaltspunkte für eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der Schließungsanordnung entnehmen. Insbesondere hat der Antragsgegner erkannt, dass es sich bei dieser Entscheidung um eine Ermessensentscheidung handelt, und er hat dieses Ermessen auch ausgeübt. Auch die Antragstellerin hat nicht konkret vorgetragen, dass die Anordnung aus anderen Gründen als dem Fehlen einer Zulassung für den Gaststättenbetrieb rechtswidrig sei. Ihr Vortrag beschränkt sich ausschließlich auf das Vorbringen, dass Gründe für eine Unzuverlässigkeit nicht bestünden, weshalb die Ziffer 1 und in der Folge dann auch die Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids rechtswidrig seien.
49
cc) Die Androhung unmittelbaren Zwangs in Ziffer 3 des Bescheids vom 9.5.2025 ist dagegen rechtswidrig, weshalb insoweit die aufschiebende Wirkung anzuordnen war. Die Androhung unmittelbaren Zwangs stützt sich auf Art. 34 Satz 1 VwZVG. Beim Vorliegen der allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen (vgl. Art. 18, 19, 29, 30 VwZVG) kann ein Verwaltungsakt danach durch unmittelbaren Zwang vollzogen werden, wenn die sonstigen zulässigen Zwangsmittel nicht zum Ziel führen oder dem Pflichtigen einen erheblich größeren Nachteil verursachen würden als unmittelbarer Zwang, oder wenn ihre Anwendung keinen zweckentsprechenden und rechtzeitigen Erfolg erwarten ließe.
50
Bereits nach dem Wortlaut in Art. 34 Satz 1 VwZVG handelt es sich bei dem angedrohten unmittelbaren Zwang um die Ultima Ratio im gestuften System der Zwangsmittel, wie es in Art. 29 Abs. 2 VwZVG zum Ausdruck kommt. Demnach sprechen bereits die gesetzgeberische Systematik aus Art. 34 Satz 1 VwZVG und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dafür, die Androhung unmittelbaren Zwangs grundsätzlich nur nachrangig zur Androhung insbesondere von Zwangsgeldern zuzulassen bzw. erhöhte Anforderungen an die Androhung zu knüpfen. Es ist unverhältnismäßig, unmittelbaren Zwang anzudrohen, solange vorher nicht wenigstens versucht worden ist, die umzusetzende Verpflichtung durch die Androhung von Zwangsgeld durchzusetzen. Auch liegen im hier zu entscheidenden Fall keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die Androhung von Zwangsgeldern von vorneherein keinen Erfolg versprechen würde. Nur der Umstand, dass die Geschäftsführerin der Antragstellerin offenbar einen Hang zur Missachtung der Rechtsordnung hat, genügt hierfür nicht (vgl. BayVGH, B.v. 28.8.2006 – 24 CS 06.1651, 24 CS 06.1814 – juris Rn. 49; U.v. 22.9.2014 – Au 5 K 14.687 – juris Rn. 48; U.v. 15.3.2012 – Au 5 K 11.1728, Au 5 K 11.1729 – juris Rn. 58; VG München, B.v. 14.8.2000 – M 6a S 00.3099 – juris Rn. 41). Deshalb ist es – abgesehen von Ausnahmefällen – grundsätzlich geboten, eine Schließungsanordnung vorrangig mittels Zwangsgeld zu vollstrecken. Erst wenn die Anwendung dieses Zwangsmittels keinen Erfolg zeigt oder aufgrund besonderer Umstände verspricht, kommt die Anwendung unmittelbaren Zwangs in Betracht.
51
dd) Die Kostenentscheidung in Ziffer 5 des streitgegenständlichen Bescheids ist wiederum nicht zu beanstanden. Sie beruht auf Art. 1, 2, 6, 7, 10 und 15 des Kostengesetzes und der Tarifnummer 5. III.7/21 (nicht 5. III.5/10 wie im Bescheid angegeben) des Kostenverzeichnisses zum Kostengesetz. Danach ist für den Widerruf einer Gaststättenerlaubnis ein Gebührenrahmen von 100,00 EUR bis 2.000,00 EUR vorgesehen. Die gegenüber der Antragstellerin festgesetzte Gebühr in Höhe von 200,00 EUR bewegt sich im untersten Bereich des Gebührenrahmens und ist nicht zu beanstanden. Antragstellerseits ist gegen die Höhe der Gebühr auch nichts vorgetragen. Dass der Antrag bezüglich der Androhung unmittelbaren Zwangs erfolgreich war, spielt dabei keine Rolle; denn die Androhung von Zwangsmitteln ist nach dem Kostenverzeichnisses nur dann mit einer gesonderten Gebühr verbunden, soweit die Androhung des Zwangsmittels nicht mit dem Verwaltungsakt verbunden ist (Tarif-Nr. 1.18/1 des Kostenverzeichnisses).
52
Die gerichtliche Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Antrag hat nur hinsichtlich der Zwangsmittelandrohung Erfolg, die gegenüber dem Widerruf der Gaststättenerlaubnis und der damit verbundenen Betriebsschließung nur eine untergeordnete wirtschaftliche Bedeutung hat, weshalb die Kammer die Kostenaufteilung wie geschehen vorgenommen hat.
53
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) und den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2025 (abrufbar auf der Homepage des BVerwG), denen die Kammer folgt. Für eine im Streit stehende Gaststättenerlaubnis ist nach Nr. 54.1 im Hauptsacheverfahren ein Mindeststreitwert in Höhe von 20.000,00 EUR anzusetzen, der nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren ist.