Titel:
Normenkontrolle eines Bebauungsplans, Überplanung eines bebauten Gebietes, Bestimmtheit einer Höhenfestsetzung, Ermittlung bestehender Baurechte, Ermittlung einer bestehenden Verkehrslärmvorbelastung
Normenketten:
VwGO § 47
BauGB § 1 Abs. 3
BauGB § 1 Abs. 7
BauNVO § 18
BauNVO § 19
Schlagworte:
Normenkontrolle eines Bebauungsplans, Überplanung eines bebauten Gebietes, Bestimmtheit einer Höhenfestsetzung, Ermittlung bestehender Baurechte, Ermittlung einer bestehenden Verkehrslärmvorbelastung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 22563
Tenor
I. Der am 27. Januar 2023 ortsüblich bekanntgemachte Bebauungsplan 03/29 „Südlich B...allee – Ost“ der Antragsgegnerin ist unwirksam.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Antragsteller wenden sich gegen den Bebauungsplan 03/29 „Südlich B.allee – Ost“ der Antragsgegnerin, der am 17. Oktober 2022 vom Stadtrat der Antragsgegnerin als Satzung beschlossen, am 24. Januar 2023 ausgefertigt und am 27. Januar 2023 ortsüblich bekanntgemacht wurde.
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Das ca. 12,9 ha große Plangebiet betrifft den östlichen Siedlungsabschnitt des bereits bestehenden Siedlungsgebiets am „Godelsberg“ und umfasst die Flächen zwischen B.allee, Y. straße und G. straße sowie die Grundstücke, die zwischen Y. straße und K. straße liegen und südlich vom verbindenden Fußweg begrenzt werden, und die östlich sowie südöstlich an die Straße Lug ins Land anliegenden Grundstücksflächen. Das Plangebiet war zu einem überwiegenden Teil durch den übergeleiteten Baulinienplan Nr. 43 (vom 28.4.1958, einfacher Bebauungsplan nach § 30 Abs. 3 BauGB) überplant. Dieser Baulinienplan setzt entlang der B.allee, der Gneisenau-, der Schwarzenberg-, der Arndt-, der Yorck- und der K. straße sowie am nördlichen Beginn der Straße Lug ins Land Straßenbegrenzungslinien, Baugrenzen und Baulinien fest. Im Unterschied zum bisher geltenden Baulinienplan sieht der Bebauungsplan 03/29 hintere Baugrenzen vor und definiert innenliegende, nicht überbaubare Grundstücksflächen. In den beiden nordwestlichen Teilbaugebieten werden straßenseitig Baulinien festgesetzt, wobei nach Nr. I.9 der textlichen Festsetzungen Baulinien ausnahmsweise um bis zu 1 m unterschritten werden dürfen; im Übrigen werden straßenseitig Baugrenzen festgesetzt.
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Der Bebauungsplan 03/29 weist im durch Wohnnutzung geprägten Plangebiet fünf Teilbaugebiete als „Allgemeines Wohngebiet“ (WA) unter Ausschluss von Betrieben des Beherbergungsgewerbes, von Gartenbaubetrieben und Tankstellen aus (Nr. I.1 der textlichen Festsetzungen). Für die beiden nordwestlichen Teilbaugebiete wird jeweils eine GRZ von 0,35 und einer GFZ von 0,8 bei einer maximalen Gebäudegrundfläche von 350 m² („GR <350 m²“) festgesetzt; als Höchstmaß der Zahl der Vollgeschosse wird „II+D“ bestimmt. In den beiden nordöstlichen Teilbaugebieten gelten eine GRZ von 0,3 bei GFZ 0,7, die Anzahl der Vollgeschosse „II+D“ und laut Planzeichen „GR <300 m²“. Im südlichen Teilbaugebiet (östlich der Straße Lug ins Land) wird ausweislich des Planzeichens eine GRZ von 0,3 und eine GFZ von 0,5 bei einer maximalen Zahl von zwei Vollgeschossen „II“ und mit dem Planzeichen „GR <350m²“ eine Begrenzung der Gebäudegrundfläche auf 350 m²ausgewiesen. Nr. I.2 setzt als bauliche Höhe fest, dass Geschosse von Gebäuden eine Höhe von höchstens 4 m aufweisen dürfen (gemessen von der Oberkante der Rohdecke des Geschosses). Gemäß Nr. I.5 der Festsetzungen darf „die Grundflächenzahl bzw. die zulässige Grundfläche nach § 19 Abs. 1-2 BauNVO“ durch die nach § 19 Abs. 4 Satz 1 BauNVO bezeichneten Anlagen um höchstens 30% überschritten werden. Gemäß Nr. I.6 der textlichen Festsetzungen ist die zulässige Zahl der Wohnungen beschränkt; es gilt eine Wohnungszahl als Höchstmaß je Gebäude sowie gleichzeitig eine Wohnungszahl als Höchstmaß in Relation zur Baugrundstücksfläche. In den westlichen Teilbaugebieten sollen mit den Planzeichen „6 Wo/Gebäude“ und „1 Wo/150m²“ bei einer je Wohnung verpflichtenden Mindest-Baugrundstücksfläche von 150 m² je Wohngebäude höchstens 6 Wohnungen zulässig sein. Beim mittleren Teilbaugebiet lautet der Planeinschrieb „5 Wo/Gebäude“ und „1 Wo/150 m²“, im nordöstlichen Teilbaugebiet „5 Wo/Gebäude“ und „5 Wo/250 m²“ und im südöstlichen Teilbaugebiet „3 Wo/Gebäude“ und „1 Wo/500 m²“. Tiefgaragen, Garagen oder Carports sollen nur innerhalb der festgesetzten überbaubaren Flächen zulässig sein (Nr. I.7.). Nach Nr. I.14 sind die nicht überbauten Grundstücksflächen zu begrünen, zu unterhalten und zu pflegen. Unter Nr. II.1 wird als bauordnungsrechtliche Festsetzung (örtliche Bauvorschrift) abweichend von Art. 6 BayBO eine Tiefe der Abstandsflächen vor seitlichen Außenwänden von 0,5 H, mindestens 3 m angeordnet.
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Nach der Begründung des Bebauungsplans ist Hauptziel der Bauleitplanung am Godelsberg insgesamt und für das Plangebiet „Südlich B.allee – Ost“ im Besonderen der Erhalt der Bestandsstruktur bei Gewährung einer „moderaten Nachverdichtung“ (S. 27 der Begründung). Als Zielsetzungen werden die vorrangige Wohnnutzung im Gebiet, eine Orientierung der baulichen Ausnutzbarkeit der Grundstücke am vorhandenen baulichen Bestand, die Sicherung von innenliegenden Grünflächen und von „Großgrün“ sowie von privaten Grünflächen und Wald am Siedlungsrand, die Festsetzung von Baufenstern zur Begrenzung der Bautiefe und zum Erhalt einer Vorgartenzone sowie die Offene Bauweise bei Einhaltung von Abstandsflächen genannt. In der Grundtendenz verringere sich die (tatsächliche und zulässige) bauliche Dichte in den Baugebieten „Südlich B.allee“ von West nach Ost. Die bauliche Ausnutzung der Grundstücke werde durch Festsetzung der überbaubaren Grundstücksflächen, Baugrenzen und Baulinien sowie Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung beschränkt. Die jeweils hinteren Baugrenzen würden so bemessen und in der Planzeichnung verortet, dass sie grundstücksbezogen eine Bautiefe von etwa 3/5 der jeweiligen Grundstückstiefe, zumindest 15 m abbildeten. Mit seinen Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung und zu den überbaubaren Flächen gehe der Bebauungsplan hinter den Zulässigkeitsmaßstab des § 34 BauGB zurück. Viele Grundstücksbebauungen wichen bereits mit ihrem Bestand in einem oder mehreren Punkten von den Bebauungsplanregelungen ab. Der Erhalt eines aufgelockerten und durchgrünten Siedlungsmusters mit relativ geringer Dichte, überwiegend Wohngebäuden mit geringer Wohnungsanzahl und zusammenhängenden Grün- und Freiflächen im Inneren der einzelnen Baublocks werde höher gewichtet als die Möglichkeit der Nachverdichtung durch Ausschöpfung des vormals nach § 34 BauGB gegebenen Zulässigkeitsmaßstabs oder gar durch Ausdehnung des Baurechts. Nachverdichtungsmöglichkeiten in Form einer geschlossenen anstelle der offenen Bauweise sowie eine „Hinterlandbebauung“ auf den rückwärtigen Grundstücksflächen sollten weitestgehend ausgeschlossen werden. Die Möglichkeit zur Überschreitung der festgesetzten Grundflächenzahl durch die in § 19 Abs. 4 Satz 1 BauNVO bezeichneten Anlagen dürfe höchstens 30% betragen; dieser Vorgabe unterworfen seien sämtliche auf einem Grundstück befindliche oberirdische und unterirdische bauliche Anlagen, Versiegelungen und Befestigungen. Bei der festgesetzten maximalen Gebäudegrundfläche (GR) handle es sich nicht um eine maximale Gesamtausnutzung eines Baugrundstückes, sondern um die maximale Grundfläche eines Gebäudes (Begründung S. 30).
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Bezüglich der im Bebauungsplan eingezeichneten überbaubaren Flächen lägen bei ca. 19% der Bestandsgrundstücke Überschreitungen vor. In der Gesamtbetrachtung der planungsrechtlichen Kriterien „GRZ1“, „Gesamtversiegelung“ („GRZ2“) und „überbaubare Flächen“ ergebe sich, dass bei gut 40% aller Bestandsgrundstücke mindestens eines dieser Kriterien nicht eingehalten werde. Zur Wahrung der Gebietstypik solle vermieden werden, dass neu entstehende Bauwerke zukünftig unangemessen eng aufeinander rückten. Deshalb werde textlich festgesetzt, dass die Abstandsflächen vor seitlichen Außenwänden 0,5 H (H = Höhe der betreffenden Außenwand), mindestens 3 m, betragen müssten.
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Mit der Festsetzung der Art der baulichen Nutzung als Allgemeines Wohngebiet werde in enger Anlehnung an die bestehenden Nutzungen die vorrangige Wohnfunktion im Gebiet gesichert. Gleichzeitig bestehe kein zwingender Anlass, Dienstleister und Kleingewerbe jeglicher Art durch eine strikte planungsrechtliche Beschränkung auf das reine Wohnen kategorisch auszuschließen. Zudem könne die räumliche Verbindung von Wohnen und Arbeiten zukünftig auch städtebaulich an Bedeutung gewinnen. Auch seien die durch den Verkehr auf der Bismarck- und der L.allee verursachten Lärmimmissionen nicht mehr mit dem erhöhten Schutzanspruch auf Wohnruhe eines Reinen Wohngebiets vereinbar.
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Die Antragsteller erwarben im Jahr 2019 die im Plangebiet gelegenen Grundstücke mit der Anschrift … … … …, mit den damals noch ungeteilten Flurstücken Nr. … (3 061 m²) und Nr. … (2 559 m²); im Dezember 2020 erfolgte die Teilung der Grundstücke in die Flurstücke Nr … … … … … und … Die Antragsteller wandten im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung ein, dass durch die Baugrenzen die überbaubare Grundstücksfläche auf den rückwärtigen Flurstücken Nr. … … … deutlich stärker eingeschränkt werde als auf den vorderen Flurstücken. Eine weitergehende einzelfallbezogene Begründung, weshalb die Baufenster auf den Flurstücken Nr. … … … gegenüber den Baufenstern auf den Flurstücken Nr … … … deutlich geringer ausfielen, enthalte der Bebauungsplan nicht. Auf ihre Einwendung hat die Antragsgegnerin ausgeführt, dass es bauleitplanerisch nicht geboten sei, die Grundstücke Flurstück Nr. … … … als eigenständige Baugrundstücke mit separater Bebaubarkeit auszustatten.
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Mit Schriftsatz vom 26. Januar 2024 haben die Antragsteller Normenkontrollantrag gestellt. Zur Begründung wird ausgeführt, der Bebauungsplan sei bereits deshalb unwirksam, weil er nicht aus dem Flächennutzungsplan entwickelt worden sei. Der Flächennutzungsplan stelle für das gesamte Grundstück der Antragsteller eine Wohnbaufläche dar. Die im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen wichen hiervon in einem Umfang ab, der sich nicht mehr als Konkretisierung der Flächennutzungsplanung rechtfertigen lasse. Die Antragsgegnerin habe den durch den Flächennutzungsplan vorgegebenen Gestaltungsrahmen überschritten. Durch den Bebauungsplan werde die im Flächennutzungsplan vorgesehene Grenze verschoben. Es würden Grundstücksflächen der Bebauung entzogen, die eigentlich für eine Bebauung vorgesehen seien. Es werde insoweit die geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt.
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Der Bebauungsplan sei auch deshalb unwirksam, weil die festgesetzten Baugrenzen – jedenfalls im Hinblick auf die Grundstücke der Antragsteller – abwägungsfehlerhaft seien. Im Rahmen der Abwägung sei zu prüfen, ob sich der konkrete Verlauf einer Baugrenze rechtfertigen lasse. Zwar müssten Baugrenzen nicht so festgesetzt werden, dass sie dem Grundstückseigentümer die volle Ausschöpfung der festgesetzten zulässigen Grundfläche ermöglichten. Würden aber Baugrenzen so gesetzt, dass eine nach Maßgabe des Bebauungsplans zulässige Grundfläche nicht voll ausgeschöpft werden könne, bedürfe es hierfür einer städtebaulichen Rechtfertigung. Die von einer Bauleitplanung betroffenen privaten Belange dürften nach dem Gebot der Gleichbehandlung im Verhältnis zueinander nicht ohne sachliche Rechtfertigung ungleich behandelt werden. Dies gelte auch für die Gestaltung einer geringeren Bebauungstiefe gegenüber benachbarten Grundstücken. Eine Festsetzung, die die Nutzbarkeit nur bestimmter Grundstücke empfindlich beschneide, genüge den Anforderungen einer gerechten Abwägung nur, wenn für die Festsetzungen gerade an dieser Stelle sachlich einleuchtende Gründe bestünden. Bei der Festsetzung der überbaubaren Grundstücksfläche müsse die Gemeinde die Größe der Flächen so bemessen, dass das Eigentumsrecht des Grundstückseigentümers nicht unverhältnismäßig eingeschränkt werde. Gemessen hieran habe es die Antragsgegnerin versäumt, die für die Abwägung erheblichen Belange ordnungsgemäß zu ermitteln. Sie habe nicht untersucht, welche legalen Bebauungsmöglichkeiten nach den Festsetzungen auf den Flurstücken Nr. … … … überhaupt bestehen würden. Die Antragsgegnerin habe sich bei der Festsetzung von einer abstrakten „3/5-Regel“ leiten lassen, ohne unter dem Gesichtspunkt der Einzelfallgerechtigkeit die Auswirkung auf die einzelnen Grundstücke zu untersuchen. Es sei zudem fraglich, ob die Antragsgegnerin den veränderten Flurstückszuschnitt der Baugrundstücke fehlerfrei bei der Bemessung der Baufenster in die Abwägung eingestellt habe. Trotz der augenfälligen Unterschiede der Größe der Baufenster enthalte die Begründung des Bebauungsplans nur eine knappe, in sich widersprüchliche Ausführung, weshalb die Baufenster auf den beiden vorderen Flurstücken wesentlich größer bemessen worden seien als auf den rückwärtigen. Zwar gehe aus der Begründung des Bebauungsplans hervor, das künftige Gebäude aufgrund des östlich benachbarten Waldes zur Sicherheit einen Mindestabstand einhalten sollten (Begründung S. 36). Gleichwohl setze sich die Antragsgegnerin durch die Festsetzung der Baufenster auf den rückwärtigen Flurstücken mit ihren Ausführungen in Widerspruch, wonach verhindert werden sollte, dass Flurstücke aufgrund schmaler Baufenster faktisch nicht mehr bebaut werden könnten. Die Antragsgegnerin nehme nicht auf die Flurstücke Nrn. … … … Bezug, obwohl beide Flurstücke gleichermaßen wie die in der Begründung explizit aufgeführten Flurstücke Nrn. … … … … von der Nähe zum östlich benachbarten Wald und einer geringen überbaubaren Grundstücksfläche betroffen seien. Die Antragsgegnerin weise darauf hin, dass östlich der Straße Lug ins Land aufgrund einer heterogenen Parzellen- und Bebauungsstruktur eine einzelfallbezogene Baufensterausweisung notwendig gewesen sei, und dass „grundsätzlich kein Baufenster auf weniger als 15 m Tiefe bemessen“ worden sei. Dem widersprechend habe sie für die neugebildeten hinteren Flurstücke der Antragsteller Baufenster mit einer deutlich geringeren Tiefe (8,57 m bei Flurstück Nr. … und 8,57 m ansteigend bis ca. 15 m bei Flurstück Nr. …) festgesetzt. Die Antragsgegnerin habe die noch ungeteilten Grundstücke oder alle Grundstücke gebündelt in den Blick genommen und nicht beachtet, dass durch den neuen Flurstückszuschnitt auf den hinteren eigenständigen Grundstücken nur eine sehr geringe bauliche Ausnutzbarkeit verbleibe. Die Antragsgegnerin habe ihre Abwägung in der Annahme getroffen, dass dem Interesse eines einzigen privaten Grundstückseigentümers Rechnung zu tragen sei. Gehe man jedoch von eigenständigen Baugrundstücken mit eigenständigen Baufenstern in der Hand unterschiedlicher Eigentümer aus, verfange diese Argumentation nicht mehr. Das Ziel, die Linienzüge der hinteren Baugrenze zu glätten, möge hier zwar erreicht werden. Für die eigenständigen Baugrundstücke FlNrn. … … … führe dies jedoch zu faktisch deutlich reduzierten Bebauungsmöglichkeiten. Für diese Flurstücke wäre gemäß dem Gebot der Gleichbehandlung gleichlautend mit den Festsetzungen für die nördlich gelegenen Flurstücke Nrn. … … … … die Ausweisung eines Baufensters mit einer Mindesttiefe von 15 m und ein entsprechendes Zurücktreten des Waldabstandes angezeigt gewesen. Die Grundstücksteilung sei zeitlich nach dem Aufstellungsbeschluss, vor dem Erlass der Veränderungssperre und vor dem Satzungsbeschluss, der maßgeblicher Zeitpunkt für eine fehlerfreie Abwägung sei, erfolgt. Es genüge für eine fehlerfreie Abwägung nicht, die Grundstücksteilung nur im Plan zu berücksichtigen, aber gleichzeitig die Rechtmäßigkeit der Festsetzungen nicht an dem neuen Flurstückszuschnitt zu messen. Die Antragsgegnerin hätte die neuen Flurstückszuschnitte und die damit verbundenen (sinnvollen) baulichen Nutzungsmöglichkeiten der jeweils neuen Baugrundstücke als private Belange hinreichend berücksichtigen müssen. Der Antragsgegnerin seien die Bebauungsabsichten der Antragsteller auch bekannt gewesen, die Grundstücksteilung sei in Abstimmung mit der Bauordnungsbehörde erfolgt. Die Baufensterausweisung für die vier zu bebauenden Baugrundstücke schaffe entgegen den ausdrücklichen Zielen der Bebauungsplanung überdies die Möglichkeit einer nah beieinander stehenden, unharmonischen und massiv wirkenden Bebauung.
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Weiterhin stehe die Festsetzung des schmalen Baufensters – insbesondere für das Flurstück Nr. … – mit der festgesetzten Grundflächenzahl (GRZ) von 0,3 in Widerspruch. Das schmale Baufenster des Flurstücks Nr. … führe bei dessen vollständiger Ausnutzung, ausgehend von geschätzt 1.270 m² Grundstücksfläche und geschätzt 170 m² Baufensterfläche, zu einer GRZ von geschätzt 0,13. Dies habe zur Folge, dass für die festgesetzte GRZ von 0,3 kein eigener funktioneller Anwendungsbereich verbleibe. Dies lasse zugleich erheblich an der Erforderlichkeit der Festsetzungen i. S. d. § 1 Abs. 3 BauGB zweifeln. Schließlich werde den Antragstellern mit der Festsetzung auf dem Flurstück Nr. … das Anbaurecht an das grenzständige Gebäude des Nachbargrundstücks FlNr … genommen. In ihrem Schreiben vom 19. Dezember 2022 argumentiere die Antragsgegnerin, dass bisher ein (Teil-)Anbaurecht bestanden haben mag, dies aber weder baurechtlich geprüft, noch in Anspruch genommen worden sei, der Grenzanbau insofern nicht ernsthaft gewollt gewesen sein könne und insofern – sinngemäß – auch bei der Baufensterausweisung hierauf keine Rücksicht hätte genommen werden müssen. Dabei lasse die Antragsgegnerin allerdings außer Betracht, dass die Erfassung und Bewertung der Bebauung im Plangebiet ein elementarer Bestandteil der Ermittlung und Bewertung der berührten Belange i.S.d. § 2 Abs. 3 BauGB sei. Auch ein bauliches Anbaurecht an ein benachbartes grenzständiges Bauwerk müsse als bauliche Nutzungsmöglichkeit des jeweiligen Baugrundstücks i.S.d. Art. 14 Abs. 1 GG in der Bestandsaufnahme im Bebauungsplanverfahren erfasst und in die Abwägung eingestellt werden. Dass eine Grenzbebauung auf dem Flurstück Nr. … „nicht ernsthaft gewollt“ gewesen sei, stelle eine bloße Mutmaßung ohne sachlich-rechtliche Begründung für eine Nichtberücksichtigung der Belange der Antragsteller dar. Abwägungserheblich sei auch jede vorhandene, aber bisher nicht ausgenutzte Nutzungsmöglichkeit. Ein Bauwerk könne auf dem Grundstück FlNr. … gegenüber der Gebäudeabschlusswand auf dem Grundstück FlNr. … nur mit räumlichem Versatz errichtet werden. Eine spürbare Verschattung von Gebäuden auf dem Flurstück Nr. … sei insofern nicht ausgeschlossen. Die Abwägungsmängel seien auch beachtlich, die unzureichende Berücksichtigung der Grundstücksteilung sei von Einfluss auf das Verfahrensergebnis gewesen.
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Die Antragsteller beantragen,
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Der Bebauungsplan Nr. 3/29 „Südlich B.allee – Ost“, bekanntgemacht am 27. Januar 2023, ist unwirksam.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Die überbaubare Grundstücksfläche werde durch Baugrenzen gemäß § 23 Abs. 1, 3 BauNVO definiert. Bezüglich der Grundstücke der Antragsteller sei ein grundstücks- bzw. flurstücksübergreifendes Baufenster festgesetzt, das straßenseitig einen Abstand von 7 m und rückwärtig von 42 m bzw. 45 m zur Straßenbegrenzungslinie aufweise (Bautiefe), d. h. das Baufenster habe eine Tiefe von 35 m bzw. 38 m. Anlass und Ziel der Bebauungsplanung sei die Steuerung der Nachverdichtung im Siedlungsgebiet „Am Godelsberg“. Der Bauleitplanung sei eine ausführliche Bestandsanalyse vorausgegangen. Im behördlichen Aktenvermerk über den Ortstermin vom 2. April 2020 sei als Ergebnis festgehalten, der erforderliche Waldabstand sei noch zu definieren; eine abschließende behördliche Äußerung sei nicht getätigt worden. Den Antragstellern habe klar sein müssen, dass die Behördenvertreter in Bezug auf den Erlass des Bebauungsplans keinerlei bindende Aussage oder Zusagen treffen konnten. Die Antragsteller hätten die Zerlegung der beiden Baugrundstücke im Nachgang zum Ortstermin nach ihren eigenen Vorstellungen auf eigenes Risiko vorgenommen. Sie hätten wissen müssen, dass ein Baufenster erst mit dem Inkrafttreten des Bebauungsplans ausgewiesen werde und der rückwärtige Grundstücksbereich ohne Erlass eines Bebauungsplans nicht bebaubar sei. Im Rahmen der Behördenbeteiligung sei das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in seiner Stellungnahme von einem erforderlichen Mindestabstand zwischen Wald und Baugrenze von 25 m ausgegangen.
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Die Antragsteller könnten bei einer Unwirksamkeit der Baugrenzenfestsetzung für ihre Grundstücke oder des Bebauungsplans im gesamten keine Verbesserung ihrer Rechtsposition erzielen. Die Bebaubarkeit würde sich bei Unwirksamkeit des Bebauungsplans straßenseitig nach § 34 BauGB und für die rückwärtigen Grundstücksbereiche nach § 35 BauGB richten. Es bestünden daher Zweifel an der Zulässigkeit des Normenkontrollantrags unter dem Aspekt eines fehlenden Rechtsschutzinteresses.
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Es liege kein Verstoß gegen das Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB vor; ein Widerspruch zwischen den Festsetzungen des Bebauungsplans und der Darstellung des Flächennutzungsplanes bestehe nicht. Die Festsetzung von Baufenstern zur konkretisierenden Festlegung der überbaubaren Grundstücksfläche stelle die Ausweisung als allgemeines Wohngebiet insgesamt nicht infrage.
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Hinsichtlich der gerügten unzureichenden Berücksichtigung des veränderten Grundstückszuschnitts sei es unzutreffend, dass die Grundstücksteilung „in enger Abstimmung“ mit der Antragsgegnerin erfolgt sei. Der katastermäßigen Zerlegung der beiden Grundstücke mit einer Gesamtfläche von 5600 m² komme nicht die Bedeutung zu, welche die Antragsteller ihr für das Planaufstellungsverfahren beimesse. Es müsse zwischen der nur katastermäßigen Teilung und der rechtlichen Grundstücksteilung unterschieden werden. Eine rechtliche Teilung sei vorliegend nicht erfolgt, vielmehr seien die Antragsteller unverändert Eigentümer von zwei im Grundbuch geführten Buchgrundstücken. Die von den Antragstellern kritisierte Anwendung der 3/5-Regelung sei unter dem Aspekt der Einzelfallgerechtigkeit abwägungsgerecht. Raum für Überlegungen zu Einzelfallgerechtigkeit bestünde regelmäßig auf der Ebene der Vorhabengenehmigung namentlich bei Prüfung der Erteilung einer Befreiung nach § 31 BauGB. Den Antragstellern werde durch den Bebauungsplan insgesamt ein „Mehr“ an Bebaubarkeit eingeräumt, als es ihnen vormals auf der Basis der Anwendung von §§ 34, 35 BauGB zugestanden habe. Ob dies eventuell nicht alle Aspekte der Bebaubarkeit oder Nutzungsmöglichkeiten betreffe, sei nicht entscheidend. Der Vorhalt einer abwägungsfehlerhaften Baugrenzenfestsetzung sei ungerechtfertigt. Die Orientierung der östlichen Grundstücksgrenze basiere auf sachgerechten städtebaulichen Überlegungen und sei mit Blick auf den gebotenen Waldabstand nachvollziehbar. Das Baufenster sei ausreichend groß bemessen, um jeweils zwei Baukörper auf jedem der beiden Grundstücke errichten zu können, insgesamt also vier Bauplätze unterzubringen. Eine Bebauung in zweiter Reihe werde durch den Bebauungsplan nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Die Baufenster auf den Grundstücken der Antragsteller gäben dies jedenfalls her. Die Antragsteller hätten den Flurstückszuschnitt – nicht den Grundstückszuschnitt – in Kenntnis eines laufenden Bebauungsplanverfahrens geändert. Sie seien sich der Tatsache bewusst gewesen, dass Restriktionen der Bebaubarkeit aus den tatsächlichen Gegebenheiten (Ortsrandlage, unmittelbar angrenzender Wald) und den vom Satzungsgeber im Planentwurf formulierten Planungszielen resultieren könnten. Es sei unzutreffend, dass die Antragsgegnerin die bisher bestehenden Bebauungsmöglichkeiten unzutreffend ermittelt habe. Im Bericht über das Ergebnis der Öffentlichkeitsbeteiligung (S. 1108 der Verfahrensakte) habe sich die Antragsgegnerin eingehend mit dem Vortrag der Antragsteller und deren Bebauungswünschen auseinandergesetzt (Einwender B 130 und B 131, S. 1139-1149). Hieraus sei ersichtlich, dass die Antragsgegnerin sich der neuen Flurstückszuschnitte bewusst gewesen sei, hieraus jedoch kein Anspruch auf eigenständige Bebaubarkeit der neu zugeschnittenen rückwärtigen Flurstücke geltend gemacht werden könne. Das Interesse der Antragsteller an der von ihnen gewünschten noch weitergehenden Ausnutzungsmöglichkeiten ihrer Grundstücke habe die Plangeberin mit den öffentlichen Belangen abgewogen. Die für die Planung sprechenden Belange habe sie nicht zugunsten der Wünsche der Antragsteller zurückstellen müssen. Es sei in Anbetracht des von den Antragstellern während des Bauleitplanungsverfahrens selbst initiierten katastermäßigen Neuzuschnitts kein Raum dafür, die Ungeeignetheit des Baufensters bezogen auf die rückwärtig neu gebildeten Flurstücke zu rügen. Es sei fehlerhaft, die Geeignetheit der Baufenster am Maßstab der neuen Flurstückszuschnitte zu beurteilen. Eine Grundstücksneuordnung sei das vom Gesetzgeber vorgesehene Instrument des Planvollzugs nach einer Bauleitplanung. Würde man der Auffassung der Antragsteller folgen, würde diese Reihenfolge umgekehrt, d. h. die Planung hätte sich den Grundstücksverhältnissen anzupassen. Bezugsgröße bei der GRZ-Ermittlung sei das „Baugrundstück“, nicht das katastermäßige Flurstück. Zweifel an der Erforderlichkeit der Baugrenzenfestsetzung im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB ergäben sich hieraus nicht. Es liege auch keine Ungleichbehandlung unter dem von den Antragstellern angeführten Gesichtspunkt einer gegenüber Nachbargrundstücken geringeren Bebauungstiefe vor. Es werde eine Bebauungstiefe von 42 m bzw. 45 m zugestanden. Die Bebauungstiefe werde maßgeblich vom erforderlichen Waldabstand bestimmt. Die Bestimmung der Bebauungstiefe durch die rückwärtige Baugrenze beruhe auf einem in sich schlüssigen Konzept. Nur wo flächenmäßig kleine Baugrundstücke bestünden, gebe es kleinflächige Baufenster, deren rückwärtige Baugrenze dichter an die Grenze zum Außenbereich heranrückte. Eine Ungleichbehandlung mit den benachbarten Grundstücken liege nicht vor, das den Antragstellern eingeräumte Baufenster lasse eine zweireihige Bebauung (straßenseitig und rückwärtig) ihres Grundeigentums zu.
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Dieselben städtebaulichen Gründe, die eine Baugrenzenfestsetzung in Richtung Osten rechtfertigten, seien geeignet, eine etwaige – bisher nicht genutzte – Anbaumöglichkeit an das Gebäude Lug ins Land 9 durch den Bebauungsplan künftig auszuschließen. Die Möglichkeit einer bauordnungsrechtlich zulässigen Grenzbebauung sei ebenso wie ein zivilrechtliches Anbaurecht ungeeignet, die sich aus § 35 BauGB ergebende weitreichende Schranke für Außenbereichsvorhaben zu überwinden. Es sprächen städtebaulich legitime Gründe dafür, ein weiteres Heranrücken von Bebauung an den Wald in den Außenbereich hinein durch eine Baugrenzenfestsetzung auszuschließen.
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Ergänzend trägt die Antragsgegnerin vor, wegen der Besonderheiten der konkreten Planungssituation hätten hinsichtlich der bestehenden Verkehrslärmbelastung keine weitergehenden Ermittlungen angestellt werden müssen, weil schon eine grobe Abschätzung habe erkennen lassen, dass wegen des ersichtlich geringen Ausmaßes zusätzlicher planbedingter Verkehrsbewegungen beachtliche nachteilige Lärmbeeinträchtigungen offensichtlich ausschieden. Zwei nachträglich eingeholte fachgutachterliche Stellungnahmen bestätigten die Richtigkeit und Vertretbarkeit der Vorgehensweise der Antragsgegnerin. Gehe es ausnahmsweise um weitestgehend bereits bebaute Gebiete oder eine Lärmbeaufschlagung nur im Randbereich eines Baugebiets mit wenigen betroffenen Grundstücken, sei aus fachgutachterlicher Sicht ein Hinweis im Bebauungsplan auf die Lärmsituation in diesem Bereich und die Abarbeitung in nachfolgenden Genehmigungsverfahren ausreichend. Die Antragsgegnerin sei sich bewusst gewesen, in welcher Größenordnung die Plangebiete Verkehrslärm ausgesetzt seien, und habe darauf abgestellt, dass nur in sehr geringem Umfang mit planbedingt relevantem Zusatzverkehr zu rechnen sei. Die Vorbelastung durch Verkehrslärm bestehe auch ohne Bauleitplanung. Es liege kein Ermittlungs- und Bewertungs- oder Abwägungsdefizit hinsichtlich der Verkehrslärmimmissionen vor, die auf das Plangebiet einwirkten; die Verkehrslärmthematik habe nicht durch Festsetzungen im Bebauungsplan bewältigt werden müssen. Aus der am 30. Juni 2025 erfolgten Vorlage von Präsentationen im Stadtrat ergebe sich eine umfassende Ermittlung der Bestandssituation einschließlich der Einhaltung des Kriteriums Grundfläche der Gebäude (GR). Zweifel an der Abwägungsgerechtigkeit einer 30%-igen Überschreitung der GRZ seien ausgehend von der Grundstücksstruktur, die von großflächigen Grundstücken geprägt sei, ungerechtfertigt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Behördenakten sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Der Normenkontrollantrag der Antragsteller hat Erfolg.
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Der Antrag ist zulässig. Er wurde innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt. Die Antragsteller sind antragsbefugt, da sie Eigentümer im Plangebiet liegender Grundstücke sind und sich gegen bauplanerische Festsetzungen wenden, die ihre Grundstücke unmittelbar betreffen (vgl. BVerwG, B.v. 31.1.2018 – 4 BN 17.17 – juris Rn. 5 m.w.N.).
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Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin kann den Antragstellern das Rechtsschutzbedürfnis nicht abgesprochen werden. Wird die Hürde der Antragsbefugnis genommen, ist regelmäßig auch das für den Normenkontrollantrag erforderliche allgemeine Rechtsschutzinteresse gegeben (BVerwG, U.v. 23.4.2002 – 4 CN 3.01 – juris Rn. 10; OVG NW, U.v. 24.2.2016 – 7 D 87/14.NE – juris Rn. 28 f.; OVG Berlin-Bbg, U.v. 21.11.2019 – OVG 10 A 12.16 – juris Rn. 33 m.w.N.). Es fehlt erst dann, wenn sich die Inanspruchnahme des Normenkontrollgerichts als nutzlos erweist, weil der Antragsteller seine Rechtsstellung mit der begehrten Entscheidung (aktuell) nicht verbessern kann (BayVGH, B.v. 10.12.2020 – 2 N 18.632 – juris Rn. 12 m.w.N.). Mit dem Erfordernis soll nur vermieden werden, dass die Gerichte in eine Prüfung eintreten müssen, deren Ergebnis für den Rechtsschutzsuchenden wertlos ist. Um ein Rechtsschutzinteresse anzunehmen, reicht es daher aus, dass sich nicht ausschließen lässt, dass die gerichtliche Entscheidung für die Antragsteller von Nutzen sein kann (BVerwG, U.v. 23.4.2002 – 4 CN 3.01 – juris Rn. 10; OVG NW, U.v. 24.2.2016 – 7 D 87/14.NE – a.a.O. m.w.N.), wobei keine abschließende Klärung ihrer Rechtsstellung im Fall des Obsiegens erfolgen muss (vgl. BVerwG, B.v. 9.2.1989 – 4 NB 1.89 – juris Rn. 6). Ebenso wenig ist es erforderlich, dass die begehrte Erklärung einer Norm als unwirksam unmittelbar zum eigentlichen Rechtsschutzziel führt (BVerwG, B.v. 29.1.2019 – 4 BN 15.18 – juris Rn. 5 m.w.N.; OVG Berlin-Bbg, U.v. 21.11.2019 – OVG 10 A 12. 16 – a.a.O.). Unnütz wird das Normenkontrollgericht erst dann in Anspruch genommen, wenn der Antragsteller unabhängig vom Ausgang des Normenkontrollverfahrens keine reale Chance hat, sein eigentliches Ziel zu erreichen (BVerwG, U.v. 23.4.2002 – 4 CN 3.01 – juris Rn. 10 m.w.N.; BayVGH, B.v. 10.12.2020 – 2 N 18.632 – a.a.O.; OVG Berlin-Bbg U.v. 21.11.2019 – OVG 10 A 12. 16 – a.a.O.). Dies ist nicht der Fall.
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Der Normenkontrollantrag ist auch begründet. Der Bebauungsplan 03/29 „Südlich B.allee – Ost“ der Antragsgegnerin leidet an beachtlichen Fehlern, die zu seiner Unwirksamkeit führen (§ 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Er widerspricht §§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 9a Abs. 1 BauGB i.V.m. § 18 Abs. 1 BauNVO und verstößt gegen § 2 Abs. 3 BauGB.
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1. Die städtebauliche Planung ist trotz weitgehender Abweichungen der Festsetzungen vom vorhandenen Baubestand vollzugsfähig und städtebaulich gerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB; sie erweist sich nicht als reine Negativplanung.
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Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Dem Kriterium der Erforderlichkeit kommt in der gemeindlichen Bauleitplanung die Funktion zu, die Planung, die ihre Rechtfertigung nicht in sich selbst trägt, im Hinblick auf die damit verbundenen Rechtseinwirkungen in Einklang mit den gesetzlich zulässigen Planungszielen zu bringen und auf diese Weise grundsätzlich zu rechtfertigen. Was i.S. von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB erforderlich ist, bestimmt sich maßgeblich nach der jeweiligen planerischen Konzeption. Welche städtebaulichen Ziele die Gemeinde sich setzt, liegt in ihrem planerischen Ermessen. Der Gesetzgeber ermächtigt sie, die „Städtebaupolitik“ zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht. Für die Erforderlichkeit der Planung i.S. von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist entscheidend, ob die Planung zu einer städtebaulichen Entwicklung und Ordnung beiträgt. In dieser Auslegung setzt § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB der Bauleitplanung eine erste, wenn auch strikt bindende Schranke, die lediglich grobe und einigermaßen offensichtliche Missgriffe ausschließt. Für die Einzelheiten einer konkreten planerischen Lösung ist demgegenüber das Abwägungsgebot maßgeblich, das gemäß § 1 Abs. 7 BauGB darauf gerichtet ist, die von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen und unverhältnismäßige oder gleichheitswidrige Belastungen zu vermeiden (BVerwG, B.v. 25.7.2017 – 4 BN 2.17 – juris Rn. 3; U.v. 10.9.2015 – 4 CN 8.14 – BVerwGE 153, 16 = juris Rn. 11; B.v. 11.5.1999 – 4 BN 15.99 – NVwZ 1999, 1338 = juris Rn. 4; BayVGH, U.v. 30.7.2021 – 9 N 18.1995 – juris Rn. 18; U.v. 9.6.2021 – 15 N 20.1412 – juris Rn. 60; U.v. 5.8.2020 – 1 N 18.1480 – juris Rn. 22).
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Voraussetzung für die Erforderlichkeit des Bebauungsplans (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB) ist, dass der Planung ein realisierbares städtebauliches Konzept zugrunde liegt und der Bebauungsplan der Verwirklichung dieses Konzepts dient (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 10.7.2018 – 1 N 15.938 – BayVBl 2019, 307 = juris Rn. 20 m.w.N.). Nicht erforderlich im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB ist ein Bebauungsplan, der einer positiven Planungskonzeption entbehrt, der keine nachvollziehbare, in sich widerspruchsfreie städtebauliche Konzeption erkennen lässt und deswegen nicht auf eine geordnete städtebauliche Entwicklung ausgerichtet ist (zum Ganzen vgl. BVerwG, B.v. 11.5.1999 – 4 BN 15.99 – NVwZ 1999, 1338 = juris Rn. 5; U.v. 5.5.2015 – 4 CN 4.14 – NVwZ 2015, 1537 = juris Rn. 10 m.w.N.; U.v. 10.9.2015 – 4 CN 8.14 – BVerwGE 153, 16 = juris Rn. 11; BayVGH, U.v. 9.6.2021 – 15 N 20.1412 – juris Rn. 60; U.v. 28.4.2017 – 9 N 14.404 – juris Rn. 24). Einem Bebauungsplan oder einzelnen seiner Festsetzungen fehlt die Erforderlichkeit, wenn die verfolgten Ziele verfehlt werden, insbesondere wenn das planerische Ziel, Entwicklungen, die bereits im Gange sind, in geordnete Bahnen zu lenken oder einer sich für die Zukunft abzeichnenden Bedarfslage gerecht zu werden, nicht erreicht werden kann, wenn also etwa der Verwirklichung des Bebauungsplans auf unabsehbare Zeit rechtliche oder tatsächliche Hindernisse im Wege stehen (vgl. BVerwG, B.v. 11.5.1999 – 4 BN 15.99 – juris Rn. 4 f.; U.v. 5.5.2015 – 4 CN 4.14 – juris Rn. 10; BayVGH, U.v. 12.12.2022 – 15 N 22.1064 – juris Rn. 17).
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Ein Bebauungsplan, der ein bereits bebautes Gebiet in großem Umfang abweichend vom vorhandenen Bestand überplant, verliert seine Chance auf Verwirklichung, wenn die geplanten Festsetzungen keine realistische Aussicht auf Umsetzung haben. Bei der Überplanung bereits bebauten Gebiets fehlt es an der Erreichbarkeit des Planungsziels bzw. der Verwirklichungsfähigkeit der Planungskonzeption allerdings nicht schon dann, wenn die beabsichtigten planerischen Festsetzungen nicht mit der tatsächlichen baulichen Nutzung im Plangebiet übereinstimmen. Die Gemeinde ist bei der Überplanung bereits bebauter Flächen nicht darauf beschränkt, den vorgefundenen Bestand festzuschreiben. Sie kann sich vielmehr das planerische Ziel setzen, einen vorhandenen Ortsteil fortzuentwickeln, was nur dann möglich ist, wenn ihre Planungsbefugnis das Recht umfasst, sich gegebenenfalls über die tatsächlichen Verhältnisse hinwegzusetzen (OVG LSA, U.v. 21.2.2018 – 2 K 87/16 – juris Rn. 51). Der Zweck eines Bebauungsplans kann auch darin bestehen, eine vorhandene Bebauung – gegebenenfalls auf längere Sicht – zu verändern (BVerwG, B.v. 11.12.2000 – 4 BN 58.00 – juris Rn. 3; OVG Berl-Bbg, U.v. 16.3.2023 – OVG 10 B 12.18 – juris Rn. 57). Von einer Verhinderungsplanung ist erst auszugehen, wenn der Bebauungsplan keine positive Planungskonzeption hat oder eine positive Zielsetzung nur vorgeschoben wird, um eine in Wahrheit auf bloße Verhinderung gerichtete Planung zu verdecken. Ein solcher Fall ist aber nicht schon dann gegeben, wenn der Hauptzweck der Festsetzungen in der Verhinderung bestimmter städtebaulich relevanter Nutzungen oder Entwicklungen besteht (BVerwG, B.v. 15.3.2012 – 4 BN 9/12 – BauR 2012, 1067).
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Nach diesen Maßgaben ist der Bebauungsplan von der städtebaulichen Konzeption getragen, die Entwicklung des bestehenden, heterogenen Plangebiets in Orientierung am vorhandenen Bestand zu steuern, die bauliche Ausnutzung der Grundstücke zu beschränken und das „aufgelockerte und durchgrünte Siedlungsmuster“ zu erhalten (vgl. Begründung S. 23). Die Tatsache, dass der vorhandene Baubestand in großem Umfang nicht den Festsetzungen des Bebauungsplans entspricht (laut Begründung halten mehr als 40% der Bestandsgebäude die Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche, der GRZ1 und GRZ2 nicht ein, vgl. S. 22), steht der Vollzugsfähigkeit nicht entgegen. Da es sich bei der Bauleitplanung um eine langfristig angelegte Angebotsplanung handelt, durch die die planerischen Voraussetzungen für die bauliche und sonstige Nutzung regelmäßig für mehrere Jahrzehnte geschaffen werden, setzt eine hinreichende Verwirklichungschance nicht voraus, dass die einzelnen Festsetzungen sofort oder zeitnah umsetzbar sein müssen (vgl. VGH BW, U.v. 3.9.2019 – 8 S 2056/17 juris Rn. 95; NdsOVG, U.v. 20.04.2009 – 1 KN 9/06 – juris Rn. 51). Dass Anlass der Planung die Entstehung neuer Mehrfamilienhäuser mit einer sich abzeichnenden „Tendenz der Transformation des Wohngebiets zu einem Stadtvillen-Quartier mit Eigentumswohnungen aus dem oberen Preissegment“ darstellt, macht die Planung nicht schon zur Verhinderungsplanung; vielmehr ist es der Antragsgegnerin nicht verwehrt, auf eine von ihr als Fehlentwicklung erkannte Situation mit der Aufstellung eines Bebauungsplans zu reagieren.
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2. Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist ein Verstoß gegen das Entwicklungsgebot nach § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB nicht ersichtlich.
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Die Ausweisung allgemeiner Wohngebiete für das Plangebiet entspricht den Darstellungen des Flächennutzungsplans. Eine stufenweise Konkretisierung der zulässigen Raumnutzung u.a. durch Festsetzung überbaubarer Flächen steht der Darstellung im Flächennutzungsplan als Wohnbaufläche nicht entgegen.
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3. Die Festsetzung Nr. I.2 zur baulichen Höhe ist jedoch mangels Bestimmung eines eindeutigen unteren Bezugspunktes nicht mit §§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 9a Abs. 1 BauGB i.V.m. § 18 Abs. 1 BauNVO vereinbar. Dieser Mangel führt zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans.
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Nach § 18 Abs. 1 BauNVO sind bei der Festsetzung der Höhe baulicher Anlagen die erforderlichen Bezugspunkte zu bestimmen. Aus Gründen der Bestimmtheit und Vollziehbarkeit muss es sich dabei um eindeutig bestimmte oder bestimmbare feste Bezugspunkte handeln. Daran fehlt es, wenn nicht eindeutig erkennbar ist, auf welche Bereiche sich die Festsetzungen zur Rohfußbodenhöhe beziehen. Nimmt die Gemeinde auf den Erdgeschossfertigfußboden Bezug, muss erkennbar sein, auf welcher Höhe sich dieser befinden soll (vgl. BayVGH, U.v. 23.6.2020 – 1 N 17.972 – juris Rn. 17; U.v. 12.10.2020 – 15 N 19.1077 – juris Rn. 19; NdsOVG, U.v. 24.2.2021 – 1 KN 3/19 – juris Rn. 37). Bei bereits vorhandenen Erschließungsstraßen könnte beispielsweise auf vorhandene Verkehrsflächen als Bezugspunkte hingewiesen werden (vgl. BayVGH, U.v. 8.4.2025 – 15 N 23.699 – juris Rn. 25).
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Die Festsetzung Nr. I.2 lässt demgegenüber die Angabe eines bestimmten Bezugspunktes vermissen. Soweit die Antragsgegnerin geltend macht, sie sei sich bewusst gewesen, dass ein deutlicher Spielraum in Bezug auf die entstehenden Gesamthöhen bestehe, genügt dies nicht den Anforderungen nach § 18 Abs. 1 BauNVO.
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Die Unwirksamkeit der Festsetzungen zum unteren Bezugspunkt nach § 18 Abs. 1 BauNVO bewirkt die Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans. Die Unwirksamkeit eines Teils eines Bebauungsplans hat nur dann nicht die Gesamtunwirksamkeit zur Folge, wenn die restlichen Festsetzungen auch ohne den ungültigen Teil noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinn des § 1 Abs. 3 BauGB bewirken können und mit der gebotenen Sicherheit anzunehmen ist, dass die Gemeinde auch einen Bebauungsplan dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (vgl. BVerwG, B.v. 6.11.2007 – 4 BN 44.07 – juris Rn. 3; BayVGH, U.v. 12.10.2020 – 15 N 19.1077 – juris Rn. 20; U.v. 19.2.2019 – 1 N 16.350 – juris Rn. 20; U.v. 5.2.2016 – 1 N 11.766 – juris Rn. 16). Zwar kann nach § 16 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO auf die Festsetzung der Höhe baulicher Anlagen verzichtet werden, wenn ohne die Festsetzung keine Beeinträchtigung öffentlicher Belange, insbesondere des Orts- und Landschaftsbilds droht. In Anbetracht des ausdrücklichen Planungswillens zugunsten von Festsetzungen zur Höhe von baulichen Anlagen kann nicht angenommen werden, dass eine Verzichtbarkeit hier dem Willen des Satzungsgebers entsprach. Ausweislich Nr. VII.2.3 der Begründung zum Bebauungsplan ist städtebauliches Ziel, dass sich Gebäude im Siedlungsgebiet in die vorhandene höhenmäßige Silhouette einpassen und nicht unverhältnismäßig stark herausragen. Diese Zielsetzung wäre ohne die Festsetzungen zur Höhe und Höhenlage nicht zu erreichen. Eine Teilunwirksamkeit nur der Höhenfestsetzungen scheidet im vorliegenden Fall deshalb aus, weil die Festsetzung zur baulichen Höhe ein wesentlicher Bestandteil der Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung darstellt (vgl. Begründung Nr. VII.2.3 mit Skizzen hierzu) und in Anbetracht des Planungswillens der Antragsgegnerin nicht anzunehmen ist, dass sie den Bebauungsplan ohne die Festsetzungen zur Höhe beschlossen hätte.
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4. Der Bebauungsplan leidet darüber hinaus insofern an beachtlichen Ermittlungs- und Abwägungsmängeln, als über die Bestandsanalyse hinaus die nach § 34 BauGB mögliche bauliche Ausnutzbarkeit der Grundstücke nicht ermittelt sowie die vorhandenen Immissionsbelastungen durch Verkehrslärm trotz hinreichender Anhaltspunkte für eine Überschreitung der Orientierungswerte nicht erfasst wurden. Die Antragsgegnerin hat mithin Belange, die für die Abwägung bedeutsam sind, unzureichend ermittelt und gegen das rechtsstaatlich fundierte Gebot der gerechten Abwägung verstoßen. Dieses verpflichtet die Gemeinde, die für die Planung bedeutsamen öffentlichen und privaten Belange (Abwägungsmaterial) zu ermitteln und zu bewerten (§ 2 Abs. 3 BauGB) sowie sie gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen (§ 1 Abs. 7 BauGB).
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§ 1 Abs. 7 BauGB bestimmt, dass bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind; § 2 Abs. 3 BauGB ergänzt dieses materiell-rechtliche Abwägungsgebot um die Verfahrensanforderung (§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB), dass die abwägungserheblichen Belange zu ermitteln und zu bewerten sind. Zu ermitteln und zu bewerten und gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind alle Belange, die in der konkreten Planungssituation nach Lage der Dinge in die Abwägungsentscheidung eingestellt werden müssen (vgl. BVerwG, B.v. 30.6.2014 – 4 BN 38.13 – juris Rn. 6). Dementsprechend setzt eine Abwägung zuvorderst eine Zusammenstellung des relevanten Abwägungsmaterials voraus.
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Ein Ermittlungsdefizit i.S. von § 2 Abs. 3 BauGB liegt vor, wenn abwägungserhebliche Belange in wesentlichen Punkten unzureichend oder nicht zutreffend ermittelt worden sind, der Gemeinderat mithin bei der Abwägungsentscheidung einen unzureichenden oder falschen Sachverhalt zu Grunde gelegt hat (vgl. BayVGH, U.v. 18.1.2017 – 15 N 14.2033 – juris Rn. 50).
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a) Die Antragsgegnerin hat über die Erfassung des baulichen Bestandes hinaus etwaig bestehende bauliche Nutzungsrechte, die nunmehr einer Beschränkung zugeführt werden sollen, unzureichend ermittelt und gewichtet.
41
Zwar darf eine Gemeinde durch ihre Bauleitplanung die (bauliche) Nutzbarkeit von Grundstücken verändern und dabei auch die privaten Nutzungsmöglichkeiten einschränken oder gar aufheben. Eine Gemeinde, die vorhandene Baurechte mit den Mitteln der Bauleitplanung einschränkt, muss ein auf einer zutreffenden überschlägigen Ermittlung beruhendes Bild von deren Umfang haben. Dies setzt voraus, dass die planende Gemeinde Art und Ausmaß der planbedingten Nutzungsbeeinträchtigung ermittelt und bewertet (vgl. BayVGH, U.v. 22.5.2023 – 1 N 17.817 – juris Rn. 21; OVG Saarl, B.v. 25.1.2024 – 2 C 186/22 – juris Rn. 74). Nur unter dieser Voraussetzung kann sie das private Interesse am Erhalt dieser Rechte mit dem öffentlichen Interesse an einer Neuordnung des Plangebiets sachgerecht abwägen. Die Überplanung bereits bebauter Grundstücke in der Weise, dass durch die Festsetzung von Baufeldern die übrigen Grundstücksflächen jeweils als nicht überbaubare Flächen ausgewiesen werden, bedeutet eine erhebliche Beschränkung der Rechte der Grundstückseigentümer. Daher setzt ein auf die Beschränkung bestehender Baurechte gerichtetes Planungskonzept für eine ordnungsgemäße Gewichtung der einzustellenden privaten Belange zwingend voraus, dass die beschließende Gemeindevertretung sowohl über den aktuellen baulichen Bestand als auch die nach § 34 BauGB mögliche bauliche Ausnutzbarkeit der jeweiligen Grundstücke informiert ist. Daraus folgt, dass eine ordnungsgemäße Umsetzung dieses Konzepts zuallererst nicht nur einer sorgfältigen Ermittlung des aktuell vorhandenen Bestandes an baulichen Anlagen und der baulichen Ausnutzung der Grundstücke im Plangebiet bedarf, sondern auch einer sorgfältigen Ermittlung der nach § 34 BauGB möglichen baulichen Ausnutzung der Grundstücke (vgl. BayVGH, U.v. 8.11.2023 – 1 N 20.558 – juris Rn. 31; OVG MV, U.v. 5.6.2012 – 3 K 36/11 juris Rn. 125 ff.).
42
Während die Antragsgegnerin den vorhandenen Baubestand erfasst und dabei hinsichtlich der planungsrechtlichen Kriterien GRZ1, Gesamtversiegelung GRZ2 und überbaubarer Flächen bei mehr als 40% aller Bestandsgrundstücke Überschreitungen im Vergleich zu den geplanten Festsetzungen festgestellt hat, findet sich darüber hinaus keine Untersuchung, inwieweit bestehende, ggf. noch nicht ausgenutzte Baurechte auf den einzelnen Grundstücken eingeschränkt werden.
43
Zwar erscheint die für die Grundstücke der Antragsteller (FlNrn. … … … vorgenommene Erfassung und Bewertung der Antragsgegnerin, dass die grenzständige Bebauung auf dem den Antragstellern benachbarten Grundstück FINr. … weitab der Erschließungsstraße als Solitär wirke und in keinem Bebauungszusammenhang stehe (vgl. Bericht über die Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 40), nach den vorliegenden Lageplänen und Luftbildern zureichend und nachvollziehbar.
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Gleichwohl wurde insgesamt die bauliche Ausnutzbarkeit der Grundstücke unzureichend ermittelt. Das vorhandene Maß der baulichen Nutzung hat die bislang mögliche Ausnutzbarkeit der Grundstücke bestimmt (§ 34 Abs. 1 BauGB), wobei die prägende Umgebungsbebauung insoweit enger zu ziehen ist als hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung. In Anbetracht der festgestellten Überschreitungen des Maßes der baulichen Nutzung und unter Berücksichtigung dessen, dass durch die Festsetzung von Baufeldern in beachtlichem Umfang Grundstücksflächen einer baulichen Nutzung entzogen werden, hätte die bislang mögliche bauliche Ausnutzbarkeit der Grundstücke weitergehend ermittelt werden müssen. Feststellungen zu etwaig bestehenden faktischen Baugrenzen wurden nicht getroffen. Diese Anforderung gilt unabhängig von der Frage, ob der Antragsgegnerin im Hinblick auf den Entzug baulicher Nutzungsmöglichkeiten Entschädigungsansprüche drohen könnten (vgl. OVG MV, U.v. 5.6.2012, a.a.O. Rn. 127).
45
Dieses Ermittlungsdefizit stellt sich in Anbetracht der nach § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 193 BGB von dritter Seite (Antragsteller in den Parallelverfahren Az.: 9 N 23.2254 und 9 N 24.144) rechtzeitig gerügten unzureichenden Berücksichtigung der Eigentümerbelange als beachtlich gemäß § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB dar. Eine ausreichend erhobene Rüge gilt „inter omnes“, d.h. zu Gunsten von jedermann (vgl. BVerwG, B.v. 2.1.2001 – 4 BN 13.00 – ZfBR 2001, 418 = juris Rn. 5; B.v. 11.9.2019 – 4 BN 17.19 – ZfBR 2020, 268 = juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 17.7.2020 – 15 N 19.1377 – juris Rn. 49). Dass die durch die Überplanung der Grundstücke betroffenen privaten Eigentumsinteressen abwägungserheblich waren, ergibt sich aus den obigen Ausführungen; sie betreffen damit auch „wesentliche Punkte“ gemäß § 214 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Der Mangel bei der Ermittlung und Bewertung dieser Belange ist offensichtlich, denn er beruht auf objektiven Umständen (vgl. BayVGH, U.v. 27.6.2019 – 9 N 12.2648 – juris Rn. 23).
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Aus dem Ermittlungsdefizit ergeben sich beachtliche Abwägungsmängel. Bei der Überplanung bereits bebauter Gebiete darf die Gemeinde zwar die bauliche Nutzbarkeit von Grundstücken ändern; sie hat hierbei aber die privaten Eigentümerinteressen als wichtige Belange zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, B.v. 15.5.2013 – 4 BN 1.13 – juris Rn. 63; U.v. 31.8.2000 – 4 CN 6.99 – BVerwGE 112, 41-51 = juris Rn. 23; B.v. 16.1.1996 – 4 NB 1.96 – ZfBR 1996, 223). Die städtebaulich beachtlichen Allgemeinbelange müssen umso gewichtiger sein, je stärker die Festsetzungen eines Bebauungsplans die Befugnisse des Eigentümers einschränken oder Grundstücke von einer Bebauung ganz ausschließen, denn das durch Art. 14 GG gewährleistete Eigentumsrecht gehört in hervorgehobener Weise zu den von der Bauleitplanung zu berücksichtigenden Belangen. Der Satzungsgeber muss die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen; insbesondere ist er an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden (vgl. BVerfG, B.v. 19.12.2002 – 1 BvR 1402/01 – NVwZ 2003, 727). Insoweit maßgeblich sind die baulichen Nutzungsrechte (vgl. BVerwG, B.v. 13.3.2017 – 4 BN 25.16 – juris Rn. 8; BayVGH, U.v. 3.6.2025 – 9 N 22.2217 – juris Rn. 43). Ein auf überplanten Grundstücken bestehendes Baurecht muss im Rahmen der Abwägung berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, B.v. 31.8.2021 – 4 BN 4.21 – juris Rn. 5; BayVGH, U.v. 3.6.2025 – 9 N 22.2217 – juris Rn. 43; U.v. 2.6.2006 – 1 N 03.1546 – juris Rn. 15; OVG RhPf, U.v. 7.12.2022 – 8 C 10123/22 – juris Rn. 63), was hier in defizitärer Weise erfolgt ist.
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b) Die auf das Plangebiet einwirkenden Verkehrslärmimmissionen wurden entgegen § 2 Abs. 3 BauGB unzureichend ermittelt. Dies stellt sich gemäß § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB als beachtlicher Mangel dar.
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Bereits in der frühzeitigen Behördenbeteiligung hat die untere Immissionsschutzbehörde mit Schreiben vom 2. März 2021 darauf hingewiesen, dass aufgrund einer ersten Prognose gemäß RLS 90 wegen der Verkehrsbelastungen für die B.allee und L.allee die Orientierungswerte nach DIN 18005 sowohl nachts als auch tags für ein allgemeines wie für ein reines Wohngebiet überschritten würden und eine schalltechnische Beurteilung des Verkehrslärms mit Vorschlägen zum baulichen Schallschutz angeregt. Gemäß Abwägungstabelle vom 13. November 2023 (S. 563 der Aufstellungsakte) hat die Antragsgegnerin mit Verweis auf das bereits bestehende Siedlungsgebiet auf eine schalltechnische Untersuchung des Verkehrslärms mit Vorschlägen zum baulichen Schallschutz verzichtet. Da die durch den Verkehr auf der Bismarck- und der L.allee verursachten Lärmimmissionen nicht mehr mit dem erhöhten Schutzanspruch eines „Reinen Wohngebiets“ vereinbar seien, sei es aus stadtplanerischer Sicht sachgerecht, die Baugebiete am Godelsberg als „Allgemeine Wohngebiete“ auszuweisen. Eventuell verbleibende Überschreitungen der Orientierungswerte nach DIN 18005 seien aufgrund der vorbelasteten Situation hinzunehmen. In die Bebauungspläne könne ein Hinweis aufgenommen werden, dass bei Aufenthaltsräumen orientiert zu einer der betreffenden Straßen passive Schallschutzmaßnahmen empfohlen würden.
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In der nachfolgenden Behördenbeteiligung führte die Immissionsschutzbehörde unter dem 15. August 2022 aus, dass die Orientierungswerte gemäß DIN 18005 für ein allgemeines Wohngebiet mit Werten von tags 55 dB(A) und nachts 45 dB(A) aufgrund einer „überschlägigen Berechnung nach RLS 90“ unter Zugrundelegung der Verkehrszahlen sowohl für die B.allee mit Werten von tags 59,4 dB(A) und nachts 50,2 dB(A) als auch für die L.allee mit Werten tags 66,1 dB(A) und nachts 55,1 dB(A) überschritten würden. Nach der 16. BImSchV seien Werte von 64 dB(A) tags und 54 dB(A) nachts einzuhalten (wobei diese Werte gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 16. BImSchV den Immissionsgrenzwerten in Kerngebieten, Dorfgebieten, Mischgebieten und urbanen Gebieten entsprechen). Die Immissionsschutzbehörde führte aus, dass dem Hinweis III.8. für die B.allee zugestimmt werden könne, aber für die L.allee wegen der Überschreitung der Immissionsgrenzwerte an den in III.8. genannten Maßgaben „als Bedingung“ festgehalten werde. In der Abwägung führte dies zu einer Ergänzung des „Hinweises“ Nr. III.8., dass für die in nächster Nähe zur L.allee gelegenen Baugrundstücke südlich der Straße Lug ins Land voraussichtlich technische Vorkehrungen gemäß DIN 4109 – Schallschutz im Hochbau – zum Schutz vor Außenlärm notwendig seien und im Baugenehmigungs- bzw. Genehmigungsfreistellungsverfahren ein entsprechender Lärmschutznachweis zu führen sei.
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Diese Vorgehensweise genügt nicht einer hinreichenden Ermittlung der von Seiten der Immissionsschutzbehörde aufgezeigten Verkehrslärmbelastung.
51
Der Satzungsgeber muss sich als Grundlage seiner Abwägungsentscheidung in einer Weise mit der vorhandenen städtebaulichen Situation und den zu erwartenden Lärmbeeinträchtigungen vertraut machen, die es ihm ermöglicht, hieraus entstehende Konflikte umfassend in ihrer Tragweite zu erkennen (vgl. BayVGH, U.v. 24.11.2017 – 15 N 16.2158 – juris Rn. 25 m.w.N.; U.v. 27.4.2016 – 9 N 13.1408 – juris Rn. 23 ff.). Dass es sich bei den geplanten Baugebieten um weitgehend bereits bestehendes Siedlungsgebiet handelt, entbindet die Plangeberin nicht von einer Betrachtung der bestehenden Verkehrsbelastung und der planerischen Bewältigung einer damit einhergehenden Lärmproblematik. Bei der Ausweisung eines dem Wohnen bestimmten Gebietes ist die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang vorhandene und zu erwartende Immissionsbelastungen die Wohnqualität im Plangebiet beeinträchtigen, ein gewichtiger Abwägungsbelang, der dort, wo nennenswerte verkehrliche Vorbelastungen auf das Plangebiet einwirken, regelmäßig deren Ermittlung erfordert. Werden bereits lärmbelastete Bereiche überplant, ist durch Ermittlung der bestehenden Vorbelastung und Erwägung etwaiger passiver Lärmschutzmaßnahmen sicherzustellen, dass sich kein städtebaulicher Missstand etabliert oder verfestigt. Der Bebauungsplan entfaltet im Wesentlichen seine Wirkung bei Neu- oder Ersatzbebauungen. Die Existenz bestehender Wohnbebauung rechtfertigt es nicht, etwaig bereits bestehende Lärmkonflikte unbeachtet zu lassen. Als Abwägungsposten beachtlich ist das Lärmschutzinteresse nicht erst, wenn die Geräuschbeeinträchtigungen im Sinne des § 41 Abs. 1 BImSchG als schädliche Umwelteinwirkungen zu qualifizieren sind, die einen Kompensationsanspruch nach sich ziehen, oder gar die Schwelle der Gesundheitsgefährdung überschreiten, die eine absolute Planungssperre markiert (vgl. BVerwG, B.v. 8.6.2004 – 4 BN 19/04 – juris Rn. 6). Die prognostische Abschätzung von zu erwartenden Geräuschimmissionen muss hinreichend aussagekräftig sein, um die Wahrung der Zumutbarkeitsschwelle abwägungsgerecht beurteilen zu können (vgl. OVG NW, B.v. 14.6.2012 – 2 B 379/12.NE – juris Rn. 30). Je weiter die Orientierungswerte der DIN 18005 voraussichtlich überschritten werden, desto mehr hat die Gemeinde die baulichen und technischen Möglichkeiten auszuschöpfen, die ihr zu Gebote stehen, um diese Auswirkungen zu verhindern (BVerwG, U.v.22.3.2007 – 4 CN 2.06 – Rn. 15 m.w.N.). Daher sind hierfür entsprechende Ermittlungen und Abwägungsüberlegungen notwendig, in die auch mögliche Schutzmaßnahmen einzubeziehen sind.
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Die sich aufgrund einer überschlägigen Berechnung der Immissionsschutzbehörde ergebenden Beurteilungspegel für die Wohnbebauung an der B.allee und vor allem an der L.allee weisen deutliche Überschreitungen der Orientierungswerte nach DIN 18005 ebenso wie der Immissionsgrenzwerte nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 16. BImSchV auf. Dies hätte sich als ein hinreichender Anlass zu nähergehender Untersuchung der bestehenden Lärmsituation dargestellt. Ermittlungen durch eine schalltechnische Untersuchung hat die Antragsgegnerin mit Verweis auf das bereits bestehende Siedlungsgebiet jedoch nicht angestellt, sich letztlich nur die überschlägige Berechnung der Immissionsschutzbehörde zu eigen gemacht. Im Hinblick darauf, dass sich die gesamte Planung auf eine künftige Ersatz- bzw. Neubebauung oder auch Sanierungen bezieht, entbindet der Verweis auf die bestehende Vorbelastung die Plangeberin nicht von einer Ermittlung der Situation zur abwägenden Entscheidung über etwaige Festsetzungen zum passiven Lärmschutz. Zwar kann die Hinnahme von Überschreitungen der Orientierungswerte mit dem Gebot gerechter Abwägung vereinbar sein (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.2007 – 4 CN 2.06 – BVerwGE 128, 238-246 = juris Rn. 15); dies setzt jedoch eine zureichende Ermittlung der bestehenden Lärmbelastung voraus (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.2007 – 4 CN 2.06 – juris Rn. 24 m.w.N.).
53
Die defizitäre Ermittlung und Behandlung der Lärmschutzproblematik wurde seitens des Antragstellers im Parallelverfahren Az.: 9 N 23.2254 gerügt. Dies stellt sich als beachtliche Verletzung der Verfahrens- und Formvorschriften gemäß § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB sowie als nach § 214 Abs. 3 Satz 2, § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB beachtlicher Verstoß gegen das Abwägungsgebot dar, da jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Planung ohne den Mangel im Abwägungsvorgang anders ausgefallen wäre (vgl. dazu BVerwG, U.v. 9.4.2008 – 4 CN 1/07 – juris Rn. 22). Die insoweit unzureichende Ermittlung des Abwägungsmaterials betrifft die „äußere“ Seite des Abwägungsvorgangs und ist damit offensichtlich. Da dem Schutz des Wohngebiets erhebliches Gewicht zukommt und eine deutliche Überschreitung der Orientierungswerte nach DIN 18005 an der Ludwigs- und B.allee naheliegt, besteht die Möglichkeit, dass die Antragsgegnerin, wenn sie das Abwägungsmaterial in dem gebotenen Umfang ermittelt hätte, Schallschutzfestsetzungen vorgesehen hätte.
54
5. Ohne dass es weiter darauf ankommt, dürfte der Bebauungsplan darüber hinaus weitere erhebliche Mängel aufweisen.
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a) Es bestehen Zweifel, ob die Antragsgegnerin die bestehende faktische Gebietsart zureichend ermittelt und das Interesse der Grundstückseigentümer im Plangebiet hinreichend gewichtet hat.
56
Die Gemeinde darf durch ihre Bauleitplanung die (bauliche) Nutzbarkeit von Grundstücken verändern und dabei auch die privaten Nutzungsmöglichkeiten einschränken oder gar aufheben. Zwar gibt es keinen Planungsgrundsatz, nach dem die vorhandene Bebauung eines Gebiets nach Art und Maß bei einer Überplanung weiterhin zugelassen werden muss (vgl. BVerwG, U.v. 31.8.2000 – 4 CN 6.99 – juris Rn. 23; B.v. 5.10.2015 – 4 BN 31.15 – juris Rn. 5; B.v. 7.5.2020 – 4 BN 13.20 – juris Rn. 16). Wenngleich ein vorhandener reiner Wohnbestand der Fest- bzw. Herabsetzung des Gebietstypus auf ein Allgemeines Wohngebiet WA nicht entgegensteht, ist im Rahmen der Abwägung bei der Änderung der Gebietsart jedoch das Interesse der Grundstückseigentümer am Erhalt ihres Gebietscharakters besonders zu berücksichtigen. Bei einer Änderungsplanung darf die Gemeinde die durch die Erstplanung vorgegebene rechtliche Situation der überplanten Grundstücke nicht ignorieren und muss deshalb das Interesse der Planbetroffenen an der Beibehaltung des bisherigen Zustands in die Abwägung einstellen (BVerwG, B.v. 18.5.2016 – 4 BN 7.16 – ZfBR 2016, 589 = juris Rn. 4; B.v. 20.8.1992 – 4 NB 3.92 – juris); gleiches gilt für eine bestehende faktische Gebietsart. Der Verlust des Gebietserhaltungsanspruchs als Bestandteil von Inhalt und Schranken des Grundeigentums infolge der Änderung eines Bebauungsplans ist als abwägungserheblicher Belang i.S. von § 1 Abs. 7, Abs. 8 BauGB bei der Bauleitplanung in die Abwägung einzustellen (vgl. BayVGH, U.v. 9.6.2021 – 15 N 20.1412 – juris Rn. 52; U.v. 26.5.2008 – 1 N 07.3143 – BayVBl 2009, 86 = juris Rn. 25; U.v. 26.11.2015 – 9 N 12.2592 – juris Rn. 20, 38).
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Daher ist eine bestehende faktische Gebietsart bei der Überplanung sorgfältig zu ermitteln und eine Änderung derselben unter Berücksichtigung des Interesses der Grundstückseigentümer am Erhalt des Gebietsbewahrungsanspruchs abzuwägen. Die Ermittlung der faktischen Gebietsart ist ein zentraler Bestandteil bei der Überplanung bebauter Innenbereichslagen.
58
Explizite Feststellungen zur bestehenden faktischen Gebietsart wurden hier nicht getroffen; die Begründung des Bebauungsplans spricht hinsichtlich der vorhandenen Bebauung ausschließlich von Wohngebieten. Eine nennenswerte gewerbliche Nutzung wurde im Rahmen der Bestandsanalyse nicht erfasst. Dementsprechend sah der Vorentwurf der Bauleitplanung vom 8. Juni 2020 die Festsetzung reiner Wohngebiete vor. Auf den Hinweis der Immissionsschutzbehörde vom 2. März 2021 in der frühzeitigen Behördenbeteiligung hin, dass durch die bestehende Verkehrsbelastung für die B.allee und die L.allee die Orientierungswerte nach DIN 18005 sowohl nachts als auch tags überschritten seien, wurde die Festsetzung der Gebietsart auf ein allgemeines Wohngebiet herabgesetzt.
59
Eine Gemeinde ist grundsätzlich nicht gehindert, ein bereits vollständig bebautes Gebiet als ein allgemeines – und damit nicht als reines – Wohngebiet auszuweisen. Das gilt selbst dann, wenn nach den tatsächlichen Verhältnissen das Gebiet ohne Planung gemäß § 34 Abs. 2 BauGB als ein reines Wohngebiet im Sinne des § 3 BauNVO zu qualifizieren wäre. Allerdings darf die Gemeinde in einem derartigen Falle keine Zielsetzung verfolgen, die keine Grundlage in der städtebaulichen Ordnung und Entwicklung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB hat (BVerwG, B.v. 8.2.2000 – 4 BN 1.00 – juris Rn. 10; VGH BW, U.v. 9.12.2014 – 3 S 1227/12 – juris Rn. 92; OVG NW, U.v. 28.9.2021 – 2 D 121/20.NE – juris Rn. 40), und hat die graduellen Unterschiede in der Schutzwürdigkeit zu berücksichtigen. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann sich der Wechsel von einem reinen zu einem allgemeinen Wohngebiet als qualitativ geringfügig darstellen, selbst wenn die Änderung das gesamte Baugebiet betrifft (BVerwG, U.v. 4.8.2009 – 4 CN 4.08 – BVerwGE 134, 264-275, Rn. 14).
60
Die Antragsgegnerin verfolgt mit der Festsetzung der Gebietsart WA nicht ausschließlich, jedoch zumindest maßgeblich die Intention, die Schutzwürdigkeit im Hinblick auf eine auf der Bismarck- und der L.allee bestehende Verkehrslärmbelastung herabzusetzen. Es bestehe kein zwingender Anlass, Dienstleister und Kleingewerbe jeglicher Art kategorisch auszuschließen (Begründung S. 24). In der Begründung des Bebauungsplans wird weiter darauf hingewiesen, dass nicht dem Wohnen dienende Nutzungen aufgrund der übrigen Festsetzungen des Bebauungsplans die Ausnahme bleiben werden. Wenngleich insofern Zweifel am tatsächlichen planerischen Willen der Verwirklichung eines allgemeinen Wohngebietes bestehen dürften, erscheint die Ausweisung als allgemeines Wohngebiet im Hinblick auf die nur graduellen Unterschiede zwischen den Baugebietstypen unter Berücksichtigung des Ausschlusses von Beherbergungsbetrieben, Gartenbaubetrieben und Tankstellen zwar möglich. Im Rahmen der Abwägung ist jedoch das Interesse der Planbetroffenen und Grundstückseigentümer an der Bewahrung des Gebietscharakters als abwägungserheblicher Belang zu berücksichtigen und zu gewichten. Durch die Änderung der Gebietsart wird den Eigentümern ein anderer Lärmschutz – eine Verringerung des Schutzniveaus um 5 dB(A) – zugemutet. Dass dieser erhöhte Lärmpegel durch den Straßenlärm untergeht, kann wohl kaum für alle Bereiche des Plangebietes angenommen werden.
61
In der Begründung des Bebauungsplans findet sich weder eine Einschätzung, ob und in welchem Bebauungszusammenhang die Eigenart der Umgebung einem reinen Wohngebiet nach § 3 BauNVO entspricht, noch wird das Interesse der Planbetroffenen an einer Bewahrung der faktischen Gebietsart erkannt und gewichtet. Soweit ausgeführt wird, die Ausweisung eines allgemeinen Wohngebiets erscheine als die „passende Nutzungsart“, da die durch den Verkehr auf der Bismarck- und L.allee verursachten Lärmimmissionen nicht mehr mit dem erhöhten Schutzanspruch auf Wohnruhe eines reinen Wohngebiets vereinbar seien, wird das Interesse der Planbetroffenen, die nicht an diesen Straßen gelegen sind, am Erhalt ihrer rein wohnlich geprägten Gebietsstruktur völlig ausgeblendet. Es spricht daher vieles für ein Abwägungsdefizit hinsichtlich des Interesses der Grundstückseigentümer an der Bewahrung der tatsächlich vorhandenen Gebietsart.
62
b) Bedenken bestehen auch hinsichtlich der Festsetzung der Überschreitungsmöglichkeit der GRZ von 30% im Hinblick auf Anlagen nach § 19 Abs. 4 BauNVO bei gleichzeitiger Festsetzung einer GRZ von 0,3.
63
Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Regelung nach § 19 Abs. 4 Satz 2 BauNVO und in Anbetracht des Umstandes, dass mehr als 40% der Grundstücke die zulässige Gesamtversiegelung nicht einhalten, dürfte sich ein Festhalten an der Überschreitung der Grundflächenzahl um 30% als unverhältnismäßig und mithin abwägungsfehlerhaft erweisen. Bei einer nach § 19 Abs. 4 Satz 3 BauNVO abweichenden Bestimmung „nach unten“ ist zu berücksichtigen, dass die Anlagen nach § 19 Abs. 4 Satz 1 nach Art und Umfang in vielen Fällen für die angemessene Nutzung der Grundstücke erforderlich sind (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Stand: 11/2024, BauNVO, § 19 Rn. 21). Bei einer GRZ₁ von 0,3 und der festgesetzten Überschreitungsmöglichkeit von 30%, woraus sich in diesem Fall eine GRZ₂ von 0,39 ergibt, dürfte sich – auch in Kombination mit den Festsetzungen I.7., I.10. und I.11. – insbesondere für kleinere Grundstücke, die sich im Plangebiet ebenfalls finden lassen, eine angemessene Ausnutzung der Grundstücke als problematisch darstellen (vgl. Begründung Mitte S. 26 bzw. Ost S. 32, wonach ein Flächenbedarf von 100 bis 150 m² für Nebenanlagen zu veranschlagen ist). Der Vorschlag der Verwaltung, wegen zu geringen Spielraums für Nebenanlagen auf eine Begrenzung der zulässigen Überschreitung der Grundflächenzahl auf 30% zu verzichten und bei der gesetzlichen Überschreitung von 50% zu bleiben (vgl. Verfahrensakte S. 577), wurde ohne eine Begründung abgelehnt. Es ist mithin nicht erkennbar, aus welchen städtebaulichen Gründen die aufgezeigte Problematik in Kauf genommen wurde.
64
c) Die Beschränkung der Zahl der Wohneinheiten je Gebäude dürfte nicht im Einklang mit der gesetzlichen Ermächtigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB stehen, die eine Festsetzung der höchstzulässigen Zahl der Wohnungen in „Wohngebäuden“ vorsieht.
65
Zwar erweist sich die Begrenzung der Anzahl der Wohnungen durch zwei gleichzeitig geltende Höchstmaße als hinreichend bestimmt und im Einklang mit § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB.
66
§ 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB ermöglicht die Festsetzung der höchstzulässigen Anzahl von Wohnungen in Wohngebäuden durch eine absolute Zahl, aber auch durch eine Verhältniszahl, wobei sich mit der Angabe einer absoluten Zahl vor allem das städtebauliche Ziel einer einheitlichen Struktur des Gebiets in Bezug auf die Wohnform (z.B. Ein- und Zweifamilienhäuser), mit der Angabe einer relativen Zahl hingegen die Steuerung der Wohn- oder Besiedlungsdichte des Gebiets erreichen lässt. Die „gleichzeitige“ Festsetzung von zwei Höchstmaßen bringt zum Ausdruck, dass jeweils limitierend nur die Anzahl an Wohnungen zulässig ist, die beide Höchstmaße wahrt. Es sind jedoch städtebauliche Gründe gerade für diese Beschränkung der baulichen Ausnutzbarkeit der betroffenen Grundstücke erforderlich (BayVGH, U.v. 8.11.2023 – 1 N 20.558 – juris Rn. 22; NdsOVG, U.v. 18.9.2014 – 1 KN 123/12 – juris Rn. 40; VG Sigmaringen, U.v. 23.5.2017 – 3 K 3383/15 – juris Rn. 39). Spezifische städtebauliche Gründe sind umso mehr zu fordern, als die heterogene Bestandsbebauung vielfach der Festsetzung nicht entspricht.
67
Die Vorschrift ermöglicht es jedoch nicht, die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in anderen Gebäuden als Wohngebäuden festzusetzen (BVerwG, U.v. 8.10.1998 – 4 C 1.97 – BVerwGE 107, 256 = juris Rn. 16). Insoweit kann letztlich offenbleiben, ob in Anbetracht der abweichenden Bestandsbebauung spezifische städtebauliche Gründe für die doppelte Beschränkung der Anzahl der Wohnungen anzuerkennen sind, da sich der Bebauungsplan bereits aus den dargestellten Gründen als unwirksam erweist.
68
d) Es bestehen auch Zweifel an der Abgestimmtheit der Festsetzungen untereinander.
69
Festsetzungen eines Bebauungsplans müssen nicht nahtlos ineinandergreifen; sie müssen aber so aufeinander abgestimmt sein, dass das, was eine Festsetzung zulässt, nicht nach einer anderen zu einem wesentlichen Teil unzulässig ist (vgl. BayVGH, U.v. 14.7.2009 – 1 N 07.2977 – juris Rn. 51). Zwar müssen Baugrenzen in einem Bebauungsplan nicht so festgesetzt werden, dass sie dem Grundeigentümer die volle Ausschöpfung der festgesetzten Grundflächenzahl ermöglichen (BVerwG, B.v. 19.12.2007 – 4 BN 53.07 – juris Rn. 5; B.v. 29.7.1999 – 4 BN 24/99 – juris). Da die Festsetzung des Maßes der baulichen Nutzung (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO) und die Festsetzung der überbaubaren Grundstücksfläche durch Baugrenzen nach § 23 Abs. 1 BauNVO unterschiedlichen Zwecken dienen, ist jede dieser Festsetzungen für sich anzuwenden und nur im Rahmen der anderen ausnutzbar (vgl. BVerwG, B.v. 29.7.1999, a.a.O. Rn. 4). Allerdings hat der Plangeber die Festsetzung über die überbaubaren Grundstücksflächen mit der Festsetzung der Grundflächenzahl bzw. der Grundfläche aufeinander abzustimmen. Gleiches dürfte für Festsetzungen zur Baufensterpflicht von Garagen und Tiefgaragen und der gleichzeitigen Beschränkung oberirdischer Stellplätze (hier Nrn. 1.7 und 1.10 der Festsetzungen) gelten. Die kumulative Festsetzung von relativen und absoluten Maßbestimmungsfaktoren derselben Kategorie, namentlich zur Grundfläche, ist zwar trotz des Wortes „oder“ in § 16 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO möglich (vgl. OVG NW, U.v. 7.9.2001 – 7a D 111/99.NE – juris; a.A. BayVGH, U.v. 21.10.2014 – 1 N 11.1456 – juris Rn. 16), sie bedarf jedoch der Abstimmung untereinander, um widersprüchliche Festsetzungen zu vermeiden (vgl. BayVGH, U.v. 25.10.2010 – 1 N 08.1473 – juris Rn. 39; U.v. 14.7.2009 – 1 N 07.2977 – juris Rn. 51; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauNVO, Stand September 2024, § 16 Rn. 26).
70
Nach Auffassung des Senats bestehen in Anbetracht der mehrfachen gegenseitigen Limitierung Zweifel an der Abgestimmtheit der getroffenen Festsetzungen; einzelne Festsetzungen können die ihnen zugedachte Funktion jeweils nur mit erheblichen Einschränkungen erfüllen. Die im Bebauungsplan getroffenen Festsetzungen zum Nutzungsmaß bzw. zu Garagen, Stellplätzen sowie Nebenanlagen (insb. Nrn. I.4., I.5., I.7., I.8., I.10 und I.11 des Bebauungsplans) und den überbaubaren Flächen wirken mehrfach limitierend, weisen ein Missverhältnis zueinander auf und lassen die erforderliche Abgestimmtheit aufeinander vermissen. Es erscheint fraglich, ob die festgesetzte GFZ und die festgesetzte GRZ auf den Grundstücken angesichts der gesetzten Baugrenzen überhaupt zu verwirklichen sind, wenn gleichzeitig festgesetzt wird, dass die notwendigen Garagen, Carports und Stellplätze (das dürften nicht wenige sein) nur innerhalb der Baugrenzen zulässig sind und Tiefgaragen ebenfalls weitgehend nur innerhalb der Baugrenzen zu realisieren sind. So wird nach den Ausführungen in der Begründung des Bebauungsplans zwar erkannt, dass die Baufensterpflicht von Tiefgaragen die Möglichkeit zu deren Errichtung stark einschränkt und in den allermeisten Fällen eine Tiefgarage mit ihrer Abfahrt nicht vollständig innerhalb der überbaubaren Flächen untergebracht werden kann (Abfahrtsrampe und Abwicklungslänge von mind. 22 m erforderlich, vgl. S. 28 der Begründung). Aus der Baufensterpflicht von Tiefgaragen folgt, dass eine großflächige Unterbauung größerer Grundstücksteile außerhalb der Grundfläche des Hauptgebäudes in vielen Fällen scheitern wird, Tiefgaragen mit mehreren Stellplätzen mithin kaum möglich sein werden (vgl. S. 37 der Begründung). Die Realisierung eines nach den Planzeichen bzw. Nr. I.6. zulässigen Mehrfamilienhauses würde daher an der Baufensterpflicht für Garage oder Tiefgarage und der Begrenzung oberirdischer Stellplätze nach Nr. I.9 scheitern. Dabei wird erkannt, dass beispielsweise ein Zweifamilienhaus (bei jeweils mehr als 150 m² Wohnfläche) mit sechs notwendigen Stellplätzen wegen der Begrenzung oberirdischer Stellplätze auf drei nicht möglich sein wird (S. 37 der Begründung). Zwar wird zum Ausdruck gebracht, dass diese Härten bewusst in Kauf genommen würden. Dabei wird jedoch eine notwendige Abstimmung der Festsetzungen zu den erforderlichen Nebenanlagen bzw. Garagen/Stellplätzen mit der eröffneten baulichen Ausnutzung verkannt. Wird im Bebauungsplan eine bauliche Nutzung von mehreren (bis zu 6 bzw. 8) Wohnungen pro Gebäude ermöglicht, sind die Festsetzungen zu den hierfür erforderlichen Stellplätzen und Nebenanlagen in Abstimmung hierzu zu treffen. Die Festsetzung einer 30%-igen Überschreitung der Grundflächenzahl (Nr. I.5) und die Baufensterpflicht für Garagen (Nr. I.7) dürften hier einer Ausnutzung des Grundstücks nach den Festsetzungen GRZ, Wohneinheiten und GFZ weitgehend entgegenstehen.
71
e) Zweifel ergeben sich nach Auffassung des Senats auch, ob die Festsetzungen der überbaubaren Grundstücksfläche durch Baugrenzen und Baulinien dem Gleichheitsgrundsatz und in Anbetracht der Überschreitungen im Bestand von 19% dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. So ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund sich das Bestandsgebäude auf dem Grundstück FlNr. … nunmehr gänzlich außerhalb des Baufensters befindet. Es erscheint zweifelhaft, ob der generalisierende Maßstab „Erhalt eines aufgelockerten und durchgrünten Siedlungsmusters“ in Anbetracht der bereits vorhandenen Abweichungen des Bestandes von den Festsetzungen dem heterogenen Baubestand gerecht wird, oder ob insoweit nicht eine stärker differenzierende Betrachtungsweise einzufordern wäre, die einen rechtmäßig geschaffenen Baubestand möglichst weitgehend wahrt.
72
f) Schließlich dürfte die Festsetzung zur Baumerhaltung nach Nr. I.16 insofern im Widerspruch zu der Rechtsgrundlage § 9 Abs. 1 Nr. 25 Buchst. b) BauGB stehen, als sie sich auch auf festgesetzte Waldflächen erstreckt.
73
Die Vorschrift gestattet die Festsetzung von Bindungen für Bepflanzungen und für die Erhaltung (u.a.) von Bäumen ausdrücklich nicht für als Wald festgesetzte Flächen (vgl. NdsOVG, U.v. 24.2.2021 – 1 KN 75/18 – juris Rn. 59). Nr. I.16 erstreckt sich jedoch auf alle festgesetzten überbaubaren Flächen mit Ausnahme der Vorgärten, mithin auch für die im Bebauungsplan festgesetzten Waldflächen.
74
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 709 Satz 1 ZPO.
75
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
76
Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO muss die Antragsgegnerin die Nummer I der Entscheidungsformel nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils in derselben Weise veröffentlichen wie die angefochtene Satzung (§ 10 Abs. 3 BauGB).