Inhalt

VGH München, Urteil v. 23.07.2025 – 9 N 24.144
Titel:

Unwirksamkeit eines Bebauungsplans

Normenketten:
BauGB § 1 Abs. 3, Abs. 7, § 2 Abs. 3, § 34 Abs. 2
BauNVO § 3, § 18 Abs. 1
VwGO § 47
Leitsätze:
1. Voraussetzung für die Erforderlichkeit des Bebauungsplans (§ 1 Abs. 3 S. 1 BauGB) ist, dass der Planung ein realisierbares städtebauliches Konzept zugrunde liegt und der Bebauungsplan der Verwirklichung dieses Konzepts dient. Nicht erforderlich iSv § 1 Abs. 3 BauGB ist ein Bebauungsplan, der einer positiven Planungskonzeption entbehrt, der keine nachvollziehbare, in sich widerspruchsfreie städtebauliche Konzeption erkennen lässt und deswegen nicht auf eine geordnete städtebauliche Entwicklung ausgerichtet ist. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Einem Bebauungsplan oder einzelnen seiner Festsetzungen fehlt die Erforderlichkeit, wenn die verfolgten Ziele verfehlt werden, insbesondere wenn das planerische Ziel, Entwicklungen, die bereits im Gange sind, in geordnete Bahnen zu lenken oder einer sich für die Zukunft abzeichnenden Bedarfslage gerecht zu werden, nicht erreicht werden kann, wenn also etwa der Verwirklichung des Bebauungsplans auf unabsehbare Zeit rechtliche oder tatsächliche Hindernisse im Wege stehen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Bebauungsplan, der ein bereits bebautes Gebiet in großem Umfang abweichend vom vorhandenen Bestand überplant, verliert seine Chance auf Verwirklichung, wenn die geplanten Festsetzungen keine realistische Aussicht auf Umsetzung haben. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein auf die Beschränkung bestehender Baurechte gerichtetes Planungskonzept für eine ordnungsgemäße Gewichtung der einzustellenden privaten Belange setzt zwingend voraus, dass die beschließende Gemeindevertretung sowohl über den aktuellen baulichen Bestand als auch die nach § 34 BauGB mögliche bauliche Ausnutzbarkeit der jeweiligen Grundstücke informiert ist. Daraus folgt, dass eine ordnungsgemäße Umsetzung dieses Konzepts zuallererst nicht nur einer sorgfältigen Ermittlung des aktuell vorhandenen Bestandes an baulichen Anlagen und der baulichen Ausnutzung der Grundstücke im Plangebiet bedarf, sondern auch einer sorgfältigen Ermittlung der nach § 34 BauGB möglichen baulichen Ausnutzung der Grundstücke. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
5. Bei der Überplanung bereits bebauter Gebiete darf die Gemeinde zwar die bauliche Nutzbarkeit von Grundstücken ändern. Sie hat hierbei aber die privaten Eigentümerinteressen als wichtige Belange zu berücksichtigen. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
6. Eine Gemeinde ist grundsätzlich nicht gehindert, ein bereits vollständig bebautes Gebiet als ein allgemeines – und damit nicht als reines – Wohngebiet auszuweisen, was selbst dann gilt, wenn nach den tatsächlichen Verhältnissen das Gebiet ohne Planung gem. § 34 Abs. 2 BauGB als ein reines Wohngebiet iSds § 3 BauNVO zu qualifizieren wäre, wobei allerdings die Gemeinde in einem derartigen Falle keine Zielsetzung verfolgen darf, die keine Grundlage in der städtebaulichen Ordnung und Entwicklung iSd § 1 Abs. 3 BauGB hat, und sie hat die graduellen Unterschiede in der Schutzwürdigkeit zu berücksichtigen. (Rn. 55) (redaktioneller Leitsatz)
7. Festsetzungen eines Bebauungsplans müssen nicht nahtlos ineinandergreifen; sie müssen aber so aufeinander abgestimmt sein, dass das, was eine Festsetzung zulässt, nicht nach einer anderen zu einem wesentlichen Teil unzulässig ist. (Rn. 66) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Normenkontrolle eines Bebauungsplans, Überplanung eines bebauten Gebietes, Bestimmtheit einer Höhenfestsetzung, Ermittlung bestehender Baurechte, Bebauungsplan, Festsetzungen, Normenkontrollantrag, Unwirksamkeit, Erforderlichkeit, Abwägungsmängel, Ermittlungsdefizit, Planungskonzeption, Überplanung, Wohngebiet, Lärmschutz, Bezugspunkt, allgemeines Wohngebiet, reines Wohngebiet, Normenkontrollverfahren, Plangebiet, Eigentümerinteressen, Verwirklichung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 22552

Tenor

I. Der am 27. Januar 2023 ortsüblich bekanntgemachte Bebauungsplan 03/29 „Südlich B.allee – Ost“ der Antragsgegnerin ist unwirksam.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Der Antragsteller wendet sich gegen den Bebauungsplan 03/29 „Südlich B.allee – Ost“ der Antragsgegnerin, der am 17. Oktober 2022 vom Stadtrat der Antragsgegnerin als Satzung beschlossen, am 24. Januar 2023 ausgefertigt und am 27. Januar 2023 ortsüblich bekanntgemacht wurde.
2
Das ca. 12,9 ha große Plangebiet betrifft den östlichen Siedlungsabschnitt des bereits bestehenden Siedlungsgebiets am „Godelsberg“ und umfasst die Flächen zwischen B.allee, Y. straße und G. straße sowie die Grundstücke, die zwischen Y. straße und K. straße liegen und südlich vom verbindenden Fußweg begrenzt werden, und die östlich sowie südöstlich an die Straße Lug ins Land anliegenden Grundstücksflächen. Das Plangebiet war zu einem überwiegenden Teil durch den übergeleiteten Baulinienplan Nr. 43 (vom 28.4.1958, einfacher Bebauungsplan nach § 30 Abs. 3 BauGB) überplant. Dieser Baulinienplan setzt entlang der B.allee, der Gneisenau-, der Schwarzenberg-, der Arndt-, der Yorck- und der K. straße sowie am nördlichen Beginn der Straße Lug ins Land Straßenbegrenzungslinien, Baugrenzen und Baulinien fest. Im Unterschied zum bisher geltenden Baulinienplan sieht der Bebauungsplan 03/29 hintere Baugrenzen vor und definiert innenliegende, nicht überbaubare Grundstücksflächen. In den beiden nordwestlichen Teilbaugebieten werden straßenseitig Baulinien festgesetzt, wobei nach Nr. I.9 der textlichen Festsetzungen Baulinien ausnahmsweise um bis zu 1 m unterschritten werden dürfen; im Übrigen werden straßenseitig Baugrenzen festgesetzt.
3
Der Bebauungsplan 03/29 weist im durch Wohnnutzung geprägten Plangebiet fünf Teilbaugebiete als „Allgemeines Wohngebiet“ (WA) unter Ausschluss von Betrieben des Beherbergungsgewerbes, von Gartenbaubetrieben und Tankstellen aus (Nr. I.1 der textlichen Festsetzungen). Für die beiden nordwestlichen Teilbaugebiete wird jeweils eine GRZ von 0,35 und eine GFZ von 0,8 bei einer maximalen Gebäudegrundfläche von 350 m² („GR <350 m²“) festgesetzt; als Höchstmaß der Zahl der Vollgeschosse wird „II+D“ bestimmt. In den beiden nordöstlichen Teilbaugebieten gelten eine GRZ von 0,3 bei GFZ 0,7, die Anzahl der Vollgeschosse „II+D“ und laut Planzeichen „GR <300 m²“. Im südlichen Teilbaugebiet (östlich der Straße Lug ins Land) wird ausweislich des Planzeichens eine GRZ von 0,3 und eine GFZ von 0,5 bei einer maximalen Zahl von zwei Vollgeschossen „II“ und mit dem Planzeichen „GR <350m²“ eine Begrenzung der Gebäudegrundfläche auf 350 m² ausgewiesen. Nr. I.2 setzt als bauliche Höhe fest, dass Geschosse von Gebäuden eine Höhe von höchstens 4 m aufweisen dürfen (gemessen von der Oberkante der Rohdecke des Geschosses). Gemäß Nr. I.5 der Festsetzungen darf „die Grundflächenzahl bzw. die zulässige Grundfläche nach § 19 Abs. 1-2 BauNVO“ durch die nach § 19 Abs. 4 Satz 1 BauNVO bezeichneten Anlagen um höchstens 30% überschritten werden. Gemäß Nr. I.6 der textlichen Festsetzungen ist die zulässige Zahl der Wohnungen beschränkt; es gilt eine Wohnungszahl als Höchstmaß je Gebäude sowie gleichzeitig eine Wohnungszahl als Höchstmaß in Relation zur Baugrundstücksfläche. In den westlichen Teilbaugebieten sollen mit den Planzeichen „6 Wo/Gebäude“ und „1 Wo/150m²“ bei einer je Wohnung verpflichtenden Mindest-Baugrundstücksfläche von 150 m² je Wohngebäude höchstens 6 Wohnungen zulässig sein. Beim mittleren Teilbaugebiet lautet der Planeinschrieb „5 Wo/Gebäude“ und „1 Wo/150 m²“, im nordöstlichen Teilbaugebiet „5 Wo/Gebäude“ und „5 Wo/250 m²“ und im südöstlichen Teilbaugebiet „3 Wo/Gebäude“ und „1 Wo/500 m²“. Tiefgaragen, Garagen oder Carports sollen nur innerhalb der festgesetzten überbaubaren Flächen zulässig sein (Nr. I.7.). Nach Nr. I.14 sind die nicht überbauten Grundstücksflächen zu begrünen, zu unterhalten und zu pflegen. Unter Nr. II.1 wird als bauordnungsrechtliche Festsetzung (örtliche Bauvorschrift) abweichend von Art. 6 BayBO eine Tiefe der Abstandsflächen vor seitlichen Außenwänden von 0,5 H, mindestens 3 m angeordnet.
4
Nach der Begründung des Bebauungsplans ist Hauptziel der Bauleitplanung am Godelsberg insgesamt und für das Plangebiet „Südlich B.allee – Ost“ im Besonderen der Erhalt der Bestandsstruktur bei Gewährung einer „moderaten Nachverdichtung“ (S. 27 der Begründung). Als Zielsetzungen werden die vorrangige Wohnnutzung im Gebiet, eine Orientierung der baulichen Ausnutzbarkeit der Grundstücke am vorhandenen baulichen Bestand, die Sicherung von innenliegenden Grünflächen und von „Großgrün“ sowie von privaten Grünflächen und Wald am Siedlungsrand, die Festsetzung von Baufenstern zur Begrenzung der Bautiefe und zum Erhalt einer Vorgartenzone sowie die Offene Bauweise bei Einhaltung von Abstandsflächen genannt. In der Grundtendenz verringere sich die (tatsächliche und zulässige) bauliche Dichte in den Baugebieten „Südlich B.allee“ von West nach Ost. Die bauliche Ausnutzung der Grundstücke werde durch Festsetzung der überbaubaren Grundstücksflächen, Baugrenzen und Baulinien sowie Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung beschränkt. Die jeweils hinteren Baugrenzen würden so bemessen und in der Planzeichnung verortet, dass sie grundstücksbezogen eine Bautiefe von etwa 3/5 der jeweiligen Grundstückstiefe, zumindest 15 m abbildeten. Mit seinen Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung und zu den überbaubaren Flächen gehe der Bebauungsplan hinter den Zulässigkeitsmaßstab des § 34 BauGB zurück. Viele Grundstücksbebauungen wichen bereits mit ihrem Bestand in einem oder mehreren Punkten von den Bebauungsplanregelungen ab. Der Erhalt eines aufgelockerten und durchgrünten Siedlungsmusters mit relativ geringer Dichte, überwiegend Wohngebäuden mit geringer Wohnungsanzahl und zusammenhängenden Grün- und Freiflächen im Inneren der einzelnen Baublocks werde höher gewichtet als die Möglichkeit der Nachverdichtung durch Ausschöpfung des vormals nach § 34 BauGB gegebenen Zulässigkeitsmaßstabs oder gar durch Ausdehnung des Baurechts. Nachverdichtungsmöglichkeiten in Form einer geschlossenen anstelle der offenen Bauweise sowie eine „Hinterlandbebauung“ auf den rückwärtigen Grundstücksflächen sollten weitestgehend ausgeschlossen werden. Die Möglichkeit zur Überschreitung der festgesetzten Grundflächenzahl durch die in § 19 Abs. 4 Satz 1 BauNVO bezeichneten Anlagen dürfe höchstens 30% betragen; dieser Vorgabe unterworfen seien sämtliche auf einem Grundstück befindliche oberirdische und unterirdische bauliche Anlagen, Versiegelungen und Befestigungen. Bei der festgesetzten maximalen Gebäudegrundfläche (GR) handle es sich nicht um eine maximale Gesamtausnutzung eines Baugrundstückes, sondern um die maximale Grundfläche eines Gebäudes (Begründung S. 30).
5
Bezüglich der im Bebauungsplan eingezeichneten überbaubaren Flächen lägen bei ca. 19% der Bestandsgrundstücke Überschreitungen vor. In der Gesamtbetrachtung der planungsrechtlichen Kriterien „GRZ1“, „Gesamtversiegelung“ („GRZ2“) und „überbaubare Flächen“ ergebe sich, dass bei gut 40% aller Bestandsgrundstücke mindestens eines dieser Kriterien nicht eingehalten werde. Zur Wahrung der Gebietstypik solle vermieden werden, dass neu entstehende Bauwerke zukünftig unangemessen eng aufeinander rückten. Deshalb werde textlich festgesetzt, dass die Abstandsflächen vor seitlichen Außenwänden 0,5 H (H = Höhe der betreffenden Außenwand), mindestens 3 m, betragen müssten.
6
Mit der Festsetzung der Art der baulichen Nutzung als Allgemeines Wohngebiet werde in enger Anlehnung an die bestehenden Nutzungen die vorrangige Wohnfunktion im Gebiet gesichert. Gleichzeitig bestehe kein zwingender Anlass, Dienstleister und Kleingewerbe jeglicher Art durch eine strikte planungsrechtliche Beschränkung auf das reine Wohnen kategorisch auszuschließen. Zudem könne die räumliche Verbindung von Wohnen und Arbeiten zukünftig auch städtebaulich an Bedeutung gewinnen. Auch seien die durch den Verkehr auf der Bismarck- und der L.allee verursachten Lärmimmissionen nicht mehr mit dem erhöhten Schutzanspruch auf Wohnruhe eines Reinen Wohngebiets vereinbar.
7
Der Antragsteller ist Eigentümer von im Plangebiet gelegenen Grundstücken (FlNrn. … … … … …; eines der Grundstücke ist mit einem Gebäude bebaut. Der Bebauungsplan setzt im östlichen Teilbereich des Grundstücks FlNr. … eine Fläche für Wald, im Übrigen private Grünfläche fest.
8
Mit Schreiben vom 23. Januar 2024 hat der Antragsteller Normenkontrollantrag gestellt und gegenüber der Antragsgegnerin Mängelrügen geltend gemacht. Der Antragsteller sei antragsbefugt; dem Rechtsschutzbedürfnis stehe nicht entgegen, dass sich seine beiden Grundstücke vor Inkrafttreten des Bebauungsplans möglicherweise im planungsrechtlichen Außenbereich nach § 35 BauGB befunden hätten. Im Hinblick auf die Nutzungsmöglichkeiten nach § 35 Abs. 1 oder Abs. 2 BauGB stellten die Festsetzungen als private Grünfläche bzw. Wald eine erhebliche und spürbare Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten dar. Die Festsetzungen für die Grundstücke des Antragstellers stünden möglicherweise nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem übrigen Plangebiet. Für diesen Fall werde der Normenkontrollantrag im Hilfsantrag auf die den Antragsteller unmittelbar betreffenden Festsetzungen beschränkt.
9
Die städtebauliche Erforderlichkeit gemäß § 1 Abs. 3 BauGB sei jedenfalls für die Grundstücke des Antragstellers nicht gegeben. Der Begründung zum Bebauungsplan sei zu entnehmen, dass die Antragsgegnerin sich bei der Festsetzung als private Grünfläche lediglich an der entsprechenden Darstellung im Flächennutzungsplan orientiert habe. Die Festsetzung als Wald im östlichen Teil des Grundstücks FlNr. … sei Folge der Stellungnahme des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 23. Februar 2021 gewesen. Eine weitergehende städtebauliche Rechtfertigung für die Festsetzungen finde sich nicht. Dass das Grundstück FlNr. … seit Jahrzehnten mit einem Gebäude bebaut sei, werde an keiner Stelle behandelt. Durch die Festsetzung als Grünfläche und als Fläche für Wald werde die Nutzungsmöglichkeit der Grundstücke gegenüber dem bisherigen Baurecht nach § 34 BauGB oder § 35 BauGB spürbar eingeschränkt. Die Festsetzung habe zur Folge, dass die dort vorhandene Bebauung „auf den Bestand gesetzt“ werde. Hinsichtlich der Festsetzung als private Grünfläche handle es sich daher um eine bloße Negativplanung. Die Festsetzung als Waldfläche wäre städtebaulich begründbar, wenn beispielsweise die Funktion des Waldes besonders gefördert oder gesichert werden sollte. Derlei Gründe seien im Planaufstellungsverfahren nicht angeführt worden. Die Festsetzung als private Grünfläche bzw. Fläche für Wald verstoße gegen das Abwägungsgebot gemäß § 1 Abs. 6, Abs. 7 BauGB. Die nachteiligen Auswirkungen auf die vorhandene Bebauung und die zukünftig mögliche bauliche Nutzbarkeit der Grundstücke des Antragstellers seien bereits nicht ermittelt worden. Die Antragsgegnerin habe die tatsächlichen Folgen für das Eigentumsrecht des Antragstellers nicht erkannt. Den Planunterlagen sei lediglich die Erwägung zu entnehmen, die entsprechenden Flächenfestsetzungen aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln bzw. der Stellungnahme des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu entsprechen. Darin sei ein Abwägungsausfall als beachtlicher Abwägungsfehler zu sehen. Als Folgefehler ergebe sich aus dieser unzureichenden Ermittlung der Betroffenheit der Eigentumsbelange des Antragstellers auch eine offensichtlich falsche Gewichtung der Eigentumsbelange. Das bestehende Gebäude auf dem Grundstück FlNr. … sei ursprünglich als Bestandteil der Bebauung des früheren Grundstücks FlNr. … genehmigt worden. Die Trennung der Grundstücksteile ändere nichts am genehmigungsrechtlichen Status der Bebauung. Die Antragsgegnerin habe sich keine Gedanken darüber gemacht, ob die Grundstücke des Antragstellers dem planungsrechtlichen Außenbereich oder dem unbeplanten Innenbereich zuzuordnen seien. Der Eingriff in die bestehende wie auch in die mögliche Nutzung der Grundstücke infolge der Festsetzung des Bebauungsplanes wiege eigentumsrechtlich schwer. Für die Rechtfertigung dieses Eingriffs bedürfe es des Vorliegens städtebaulicher Belange von besonderem Gewicht. Für derartig einschneidende Eingriffe seien keine öffentlichen Belange benannt oder ersichtlich. Die Abwägungsmängel hätten Einfluss auf das materielle Abwägungsergebnis, da anzunehmen sei, dass die Antragsgegnerin bei Ermittlung bzw. Berücksichtigung der Nutzungsmöglichkeiten auf die Festsetzungen ganz oder teilweise verzichtet hätte.
10
Der Bebauungsplan sehe die Festsetzung einer Grundflächenzahl in Kombination mit einer maximalen Grundfläche „des Gebäudes als Höchstmaß“ vor. Bereits aus dem Wortlaut des § 16 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO sei jedoch zu entnehmen, dass im Bebauungsplan entweder eine Grundflächenzahl oder die Größe der Grundflächen der baulichen Anlagen festgesetzt werden könne. Eine Kombination beider Festsetzungen scheide aus regelungstechnischen Gründen aus (unter Verweis auf BayVGH, U.v. 21.10.2014 – 1 N 11.1456). Unwirksam sei auch die textliche Festsetzung I.5., wonach die Grundflächenzahl bzw. die zulässige Grundfläche nach § 19 Abs. 1 und Abs. 2 BauNVO durch die in § 19 Abs. 4 BauNVO bezeichneten Anlagen um höchstens 30% überschritten werden dürfe. Lasse § 19 Abs. 4 BauNVO eine Überschreitung der festgesetzten GRZ auch abweichend zur gesetzlichen Regelung des Satzes 2 zu, so sei eine derartige Kombination im Verhältnis zur zulässigen Grundfläche schon deshalb nicht möglich, weil nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO die Grundflächenzahl oder die Größe der Grundfläche der baulichen Anlagen nur alternativ festgesetzt werden könne. Hinzu komme, dass diese Regelung in der festgesetzten Form nicht vollziehbar sei. Eine Regelung, wonach die Grundflächenzahl bzw. die zulässige Grundfläche gleichermaßen durch Anlagen nach § 19 Abs. 4 Satz 1 BauNVO überschritten werden könnten, sei mangels Eindeutigkeit der Bezugsgröße (GR oder GRZ) nicht vollziehbar. Unzulässig sei die Festsetzung Nr. I.4., wonach bestimmte Tiefgaragen oder andere Gebäudeteile unterhalb der Gebäudeoberfläche nicht in die „Grundfläche des Gebäudes“ eingerechnet werden müssten, wenn sie mit einer mindestens 50 cm starken Schicht von bepflanztem Bodensubstrat überdeckt und intensiv begrünt seien. Eine solche Regelung sei mit dem im Rahmen der Festsetzung der Grundfläche zu beachtenden Rechtsgedanken des § 19 Abs. 2 BauNVO nicht zu vereinbaren, wonach zulässige Grundfläche der Anteil des Baugrundstücks ist, der von baulichen Anlagen überdeckt werden darf (Summenmaß). Die Grundflächenzahl bestimme folglich die zulässige Grundfläche für alle baulichen Anlagen; § 19 Abs. 4 BauNVO lasse lediglich zu, die Grundfläche für bestimmte Anlagen zu überschreiten. Daraus könne aber keine Ermächtigung des Satzungsgebers abgeleitet werden, entgegen § 19 Abs. 2, 4 BauNVO bestimmte Anlagen bei der zulässigen Grundfläche nicht einzurechnen. Unwirksam sei weiter die Festsetzung zur Höhe baulicher Anlagen (Nr. I.2), da sie nicht von der Rechtsgrundlage des § 18 Abs. 1 BauNVO gedeckt sei. Es genüge nicht, als Bezugspunkt einen bestimmten Teil der baulichen Anlagen zu bestimmen, dessen Höhe seinerseits nicht hinreichend bestimmt oder bestimmbar sei. Auf welcher Höhe sich die Oberkante des Rohfußbodens befinden solle, lasse sich dem Bebauungsplan nicht entnehmen. Daher fehle es an einem unteren Bezugspunkt für die Festsetzung (unter Verweis auf BayVGH, U.v. 23.6.2020 – 1 N 17.972). Aus einer solchen Festsetzung ergebe sich zudem nicht zwingend die bauliche Höhe der Anlage selbst, auch nicht in Kombination mit der Festsetzung der zulässigen Anzahl der Vollgeschosse. Unwirksam, weil von der Festsetzungsgrundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB nicht gedeckt, sei die vorgesehene Beschränkung der Zahl der Wohnungen (Nr. I.6). Die Festsetzungsgrundlage lasse die Festsetzung der höchstzulässigen Zahl der Wohnungen in „Wohngebäuden“ zu. Eine generelle Bezugnahme auf „Gebäude“ sei demgegenüber nicht möglich. Zulässig sei zudem nur eine Höchstzahl, entweder als absolute Zahl oder als Verhältniszahl. § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB lasse keine kombinierte Festsetzung einer absoluten Höchstzahl und gleichzeitig einer Verhältniszahl als Höchstmaß zu. Für die Festsetzung Nr. IX zur Begrenzung der Anzahl offener Stellplätze findet sich eine Rechtsgrundlage weder in § 9 BauGB noch in Art. 81 BayBO. Die Festsetzung Nr. I.11., wonach in den Baugebieten Nebenanlagen gemäß § 14 BauNVO nur außerhalb der Vorgartenflächen zulässig seien, sei von der Festsetzungsgrundlage des § 23 Abs. 5 BauNVO nicht gedeckt. Wenn die allgemeine Zulässigkeit bestimmter Anlagen des § 23 Abs. 5 BauNVO festgesetzt werden solle, so sei die in Betracht kommende Fläche in die überbaubare Grundstücksfläche nach § 23 BauNVO einzubeziehen. Dies sei vorliegend nicht geschehen, was zur Unwirksamkeit der Festsetzung führe. Die gerügten Mängel seien beachtlich und führten zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans.
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Der Antragsteller beantragt,
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Der Bebauungsplan Nr. 3/29 „Südlich B.allee – Ost“, bekanntgemacht am 27. Januar 2023, ist unwirksam.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
14
den Antrag abzulehnen.
15
Die Waldeigenschaft im Sinne von Art. 2 BayWaldG für die Grundstücke FlNrn. … … … sowie für eine Teilfläche des im Eigentum des Antragstellers stehenden Grundstücks FlNr. … bilde den wesentlichen Aspekt, der für die Festsetzung als Waldfläche spreche. Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten habe im Rahmen der frühzeitigen Behördenbeteiligung in seiner Stellungnahme vom 23. Februar 2021 die Feststellung getroffen, dass diese Grundstücke „Wald“ im Sinne des Art. 2 BayWaldG seien. Dieser Feststellung sei der Antragsteller nicht substantiiert entgegengetreten. Die Festsetzung als Waldfläche entspreche darüber hinaus der Darstellung im Flächennutzungsplan. Nach der sogenannten „Widmungssperrklausel“ des § 1a Abs. 2 Satz 2 BauGB sollten landwirtschaftlich, als Wald oder für Wohnzwecke genutzte Flächen nur im notwendigen Umfang für andere Nutzungsarten umgenutzt werden. Die Grundstücke des Antragstellers würden nicht zu Wohnzwecken genutzt. Einzig vorhandene Bebauung auf dem Grundstück FlNr. … sei ein Gartenhaus. Die Bedeutung der Waldfläche sei in der Begründung des Bebauungsplans beschrieben worden (Begründung S. 8). Hiervon ausgehend stelle die Intention zur Erhaltung des Waldes und der Schutz der Waldfunktion eine ausreichende Rechtfertigung für die Ausweisung der Waldfläche dar. Diese Flächen befänden sich am äußersten Siedlungsrand und seien Teil einer großen zusammenhängenden Waldfläche am Godelsberg. Die Sicherung von „Grün“, von privaten Grünflächen und Wald am Siedlungsrand sei eines der legitimen Planungsziele des Bebauungsplans. Die Antragsgegnerin sei sich der rechtlichen Ausgangslage hinsichtlich der Grundstücke FlNrn. … … … und … als Außenbereichsgrundstücke bewusst gewesen; das Grundstück des Antragstellers sei im Rahmen der Bestandsanalyse in Augenschein genommen, die Bauakten und Luftbilder seien ausgewertet worden. Auf dieser Basis seien die Grundstücke des Antragstellers bauplanungsrechtlich dem Außenbereich im Sinne von § 35 BauGB zuzurechnen. Die Antragsgegnerin sei sich bewusst gewesen, dass infolge der Festsetzungen des Bebauungsplans bestehende Nutzungsmöglichkeiten eingeschränkt würden. Wenngleich der Antragsteller im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung keine Stellungnahme abgegeben habe, habe die Antragsgegnerin einen zumindest vormals bestehenden Bebauungswunsch des Antragstellers für eine Wohnnutzung erkannt und berücksichtigt. Bei den Festsetzungen für das Grundstückstück des Antragstellers handle es sich nicht um eine unzulässige Negativplanung. Die Antragsgegnerin habe im Bereich der Grundstücke des Antragstellers und den weiteren Grundstücken am Siedlungsrand mit den Mitteln des Bauplanungsrechts städtebauliche Ziele verfolgen dürfen, die mehr auf Bewahrung und Erhalt des Baumbestandes und von Wohnbebauung freigehaltener Flächen als auf Veränderung der vorhandenen Situation zielten.
16
Während die festgesetzte GRZ grundstücksbezogen angebe, wie viel Quadratmeter Grundfläche je Quadratmeter Grundstücksfläche zulässig sei, gebe die GR-Festsetzung vor, welche Grundfläche ein einzelner Baukörper maximal aufweisen dürfe. Es sei nicht ausgeschlossen, dass bei ausreichend großen Grundstücken mehrere Baukörper auf einem Grundstück untergebracht werden könnten, wobei als weitere zwingende Voraussetzung die GRZ eingehalten sein müsse. Die GR-Festsetzung treffe keine Aussage dazu, welche Grundfläche insgesamt auf einem Grundstück bebaut werden dürfe. Zwar hätte eine solche Gesamtfestsetzung ebenfalls auf § 9 Abs. 1 Satz 1 BauGB i.V.m. § 16 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO gestützt werden können, dies sei aber nicht erfolgt. Eine baukörperbezogene Maximalfestsetzung, wie sie hier neben der GRZ-Festsetzung getroffen worden sei, finde ihre Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 1 Satz 1 BauGB i.V.m. § 16 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO (unter Verweis auf BVerwG, U.v. 14.6.2012 – 4 CN 5.10). Die Festsetzung durch relative und absolute Maßbestimmungsfaktoren sei wahlweise und kumulativ möglich. Ein unauflösbarer Widerspruch zwischen der Festsetzung der Grundflächenzahl und der Größe der Grundflächen wie in der vom Antragsteller zitierten Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (U.v. 21.10.2014 – 1 N 11.1456 – juris) bestehe vorliegend nicht. Die Antragsgegnerin habe die kritisierte Festsetzung Nr. I.5. auf der Grundlage des § 19 Abs. 4 Satz 3 BauNVO treffen können. Gemeinden könnten auch den Katalog der anrechenbaren Anlagen modifizieren, sodass im Ergebnis eine weitgehende Nichtanrechnung der „Nicht-Hauptanlagen“ erreicht werden könne. Die festgelegte GR sei kein grundstücksbezogenes Summenmaß, sondern es werde damit die Maximalgröße der Grundfläche eines Gebäudes festgelegt. Die nach der GRZ-Festsetzung zulässige Grundfläche sei ebenso eindeutig und bestimmt wie die hierauf bezogenen Anrechnungsregeln des § 19 Abs. 4 BauNVO. Die textliche Festsetzung Nr. I.4. bezwecke eine Erleichterung in Bezug auf die GR-Festsetzung, also die maximal zulässige Grundfläche des Gebäudes als Höchstmaß. Die Fläche der Tiefgarage solle bei der Prüfung der Zulässigkeit des Vorhabens in Bezug auf die maximale Grundfläche des Gebäudes unberücksichtigt bleiben. Die Antragsgegnerin habe entsprechend ihrer Zielsetzung, die Baudichte zu beschränken und innenliegende Grünflächen und „Großgrün“ sowie private Grünflächen zu sichern, die Quote der mitzurechnenden Anlagen im Sinne des § 19 Abs. 4 Satz 1 BauNVO von 50% sogar auf 30% reduziert. In der Begründung des Bebauungsplans sei ausgeführt, dass die Pflicht zur Einbeziehung der unterirdischen Bauteile in die insgesamt bebaute bzw. versiegelte Fläche davon unberührt bleibe (S. 31/32). Damit sei klargestellt, dass es sich nicht um eine Privilegierung in Bezug auf die GRZ2, also den Grad der Versiegelung handle. Hinsichtlich der gerügten fehlerhaften Festsetzung der Höhe der baulichen Anlagen sei zu berücksichtigen, dass es sich um einen Bereich mit sehr großen topographischen Höhenunterschieden handle. Eine Bezugnahme des unteren und des oberen Bezugspunktes auf eine Höhe üNN sei nicht praktikabel. Es hätten hierfür für jedes Grundstück gesonderte Festsetzungen getroffen werden müssen. Die Antragsgegnerin sei sich dessen bewusst, dass mit der Bezugnahme auf die Zahl der Geschosse und die Bestimmung deren maximaler Höhe ein deutlicher Spielraum in Bezug auf die entstehenden Gesamthöhen bestehe, dennoch aber ein oberes Limit gesetzt sei. Die Festsetzung sei trotz der bestehenden Spielräume zur Erreichung des gesetzten Ziels geeignet. Ausgehend von der Regelungssystematik der Höhenbegrenzung über die Anzahl der Geschosse und die maximalen Geschosshöhen sei es konsequent, als Bezugspunkte baulich eindeutig definierte Teile eines Geschosses zu nennen, hier die Oberkante des Rohfußbodens und die Rohdecke des Geschosses.
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Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB könne im Bebauungsplan aus städtebaulichen Gründen die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden festgesetzt werden; Wohngebäude in diesem Sinne seien auch gemischt genutzte Gebäude. Unter Rückgriff auf die Bebauungsplanbegründung sei ersichtlich, dass der Anwendungsbereich der kritisierten Festsetzung sich im Rahmen der Rechtsgrundlage halte. Dort würden jeweils mehrfach die Begriffe „Gebäude“ und „Wohngebäude“ offenkundig in synonymer Bedeutung verwendet (S. 29-31). § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB ermögliche die Festsetzung als absolute Zahl, aber auch durch eine Verhältniszahl. Die Festsetzung einer Verhältniszahl könne in der Weise erfolgen, dass in Bezug auf eine bestimmte Grundstücksfläche eine bestimmte Zahl von Wohnungen zulässig sei. Diesen Vorgaben entspreche die Festsetzungssystematik im Bebauungsplan. Die Kombination beider Maßstäbe setze zwar engere Grenzen, weil beide limitierend wirkten. Ausgenutzt werden könne stets nur die Kombination aller Festsetzungen im Sinne des kleinsten gemeinsamen Nenners. Rechtsgrundlage für die zahlenmäßige Begrenzung der Anzahl der oberirdischen offenen Stellplätze sei § 12 Abs. 6 BauNVO. Mit der Festsetzung sollten städtebaulich unerwünschte offene Stellplatzanlagen mit vielen ebenerdigen Parkplätzen künftig ausgeschlossen werden. Die Begrenzung der Zahl zulässiger oberirdischer Stellplätze sei im Zusammenhang mit den Festsetzungen zur Zulässigkeit von Tiefgaragen zu sehen. Die textliche Festsetzung Nr. I.11. sei so zu lesen, dass Nebenanlagen in den Vorgärten und deren seitlicher Verlängerung unzulässig also ausgeschlossen seien. Dies stelle eine zulässige und von § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO gedeckte „andere Festsetzung“ dar.
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Im Rahmen der Abwägung sei sich die Antragsgegnerin der Ausgangssituation betreffend die Grundstücke des Antragstellers und dessen Eigentumsposition bewusst gewesen. Sie habe den für die Planung sprechenden Belangen jedoch gegenüber den Eigentumsbelangen den Vorrang eingeräumt. Das Grundstück des Antragstellers sei von wertvollem Baumbestand sowie der Lage am äußersten Siedlungsrand zu einem großflächigen Waldgebiet am Godelsberg geprägt. Die abwägende Entscheidung, unter diesen Voraussetzungen ein Außenbereichsgrundstück auch weiterhin von einer dauerhaften Wohnnutzung freizuhalten, d. h. den Siedlungsbereich nicht in den Außenbereich hinein zu erweitern, genüge den Anforderungen des § 1 Abs. 7 BauGB. Die bauplanungsrechtliche Einordnung der Grundstücke des Antragstellers und der Genehmigungsstatus der dort befindlichen Bebauung seien zutreffend ermittelt und in die Abwägung mit dem ihm zukommenden Gewicht eingestellt worden. Ein vom Antragsteller geltend gemachtes Ermittlungsdefizit in Bezug auf die Bebauungsmöglichkeiten der Grundstücke im Plangebiet bestehe nicht. Die Antragsgegnerin habe sich umfassend mit der Bestandssituation einschließlich der auf der Grundlage des status quo („Vorplanungszustand“) gegebenen Bebauungsmöglichkeiten befasst. Dies zeige die ausführliche städtebauliche Analyse, wie sie in der Begründung dokumentiert sei.
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Ergänzend trägt die Antragsgegnerin vor, wegen der Besonderheiten der konkreten Planungssituation hätten hinsichtlich der bestehenden Verkehrslärmbelastung keine weitergehenden Ermittlungen angestellt werden müssen, weil schon eine grobe Abschätzung habe erkennen lassen, dass wegen des ersichtlich geringen Ausmaßes zusätzlicher planbedingter Verkehrsbewegungen beachtliche nachteilige Lärmbeeinträchtigungen offensichtlich ausschieden. Zwei nachträglich eingeholte fachgutachterliche Stellungnahmen bestätigten die Richtigkeit und Vertretbarkeit der Vorgehensweise der Antragsgegnerin. Gehe es ausnahmsweise um weitestgehend bereits bebaute Gebiete oder eine Lärmbeaufschlagung nur im Randbereich eines Baugebiets mit wenigen betroffenen Grundstücken, sei aus fachgutachterlicher Sicht ein Hinweis im Bebauungsplan auf die Lärmsituation in diesem Bereich und die Abarbeitung in nachfolgenden Genehmigungsverfahren ausreichend. Die Antragsgegnerin sei sich bewusst gewesen, in welcher Größenordnung die Plangebiete Verkehrslärm ausgesetzt seien, und habe darauf abgestellt, dass nur in sehr geringem Umfang mit planbedingt relevantem Zusatzverkehr zu rechnen sei. Die Vorbelastung durch Verkehrslärm bestehe auch ohne Bauleitplanung. Es liege kein Ermittlungs- und Bewertungs- oder Abwägungsdefizit hinsichtlich der Verkehrslärmimmissionen vor, die auf das Plangebiet einwirkten; die Verkehrslärmthematik habe nicht durch Festsetzungen im Bebauungsplan bewältigt werden müssen. Aus der am 30. Juni 2025 erfolgten Vorlage von Präsentationen im Stadtrat ergebe sich eine umfassende Ermittlung der Bestandssituation einschließlich der Einhaltung des Kriteriums Grundfläche der Gebäude (GR). Zweifel an der Abwägungsgerechtigkeit einer 30%-igen Überschreitung der GRZ seien ausgehend von der Grundstücksstruktur, die von großflächigen Grundstücken geprägt sei, ungerechtfertigt.
20
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Behördenakten sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

21
Der Normenkontrollantrag des Antragstellers hat Erfolg.
I.
22
Der Antrag ist zulässig. Er wurde innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt. Der Antragsteller ist antragsbefugt, da er Eigentümer im Plangebiet liegender Grundstücke ist und sich gegen bauplanerische Festsetzungen wendet, die seine Grundstücke unmittelbar betreffen (vgl. BVerwG, B.v. 31.1.2018 – 4 BN 17.17 – juris Rn. 5 m.w.N.).
II.
23
Der Normenkontrollantrag ist auch begründet. Der Bebauungsplan 03/29 „Südlich B.allee – Ost“ der Antragsgegnerin leidet an beachtlichen Fehlern, die zu seiner Unwirksamkeit führen (§ 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Er widerspricht §§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 9a Abs. 1 BauGB i.V.m. § 18 Abs. 1 BauNVO und verstößt gegen § 2 Abs. 3 BauGB.
24
1. Die städtebauliche Planung ist trotz weitgehender Abweichungen der Festsetzungen vom vorhandenen Baubestand vollzugsfähig und städtebaulich gerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB; sie erweist sich entgegen der Rüge des Antragstellers nicht als reine Negativplanung.
25
Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Dem Kriterium der Erforderlichkeit kommt in der gemeindlichen Bauleitplanung die Funktion zu, die Planung, die ihre Rechtfertigung nicht in sich selbst trägt, im Hinblick auf die damit verbundenen Rechtseinwirkungen in Einklang mit den gesetzlich zulässigen Planungszielen zu bringen und auf diese Weise grundsätzlich zu rechtfertigen. Was i.S. von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB erforderlich ist, bestimmt sich maßgeblich nach der jeweiligen planerischen Konzeption. Welche städtebaulichen Ziele die Gemeinde sich setzt, liegt in ihrem planerischen Ermessen. Der Gesetzgeber ermächtigt sie, die „Städtebaupolitik“ zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht. Für die Erforderlichkeit der Planung i.S. von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist entscheidend, ob die Planung zu einer städtebaulichen Entwicklung und Ordnung beiträgt. In dieser Auslegung setzt § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB der Bauleitplanung eine erste, wenn auch strikt bindende Schranke, die lediglich grobe und einigermaßen offensichtliche Missgriffe ausschließt. Für die Einzelheiten einer konkreten planerischen Lösung ist demgegenüber das Abwägungsgebot maßgeblich, das gemäß § 1 Abs. 7 BauGB darauf gerichtet ist, die von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen und unverhältnismäßige oder gleichheitswidrige Belastungen zu vermeiden (BVerwG, B.v. 25.7.2017 – 4 BN 2.17 – juris Rn. 3; U.v. 10.9.2015 – 4 CN 8.14 – BVerwGE 153, 16 = juris Rn. 11; B.v. 11.5.1999 – 4 BN 15.99 – NVwZ 1999, 1338 = juris Rn. 4; BayVGH, U.v. 30.7.2021 – 9 N 18.1995 – juris Rn. 18; U.v. 9.6.2021 – 15 N 20.1412 – juris Rn. 60; U.v. 5.8.2020 – 1 N 18.1480 – juris Rn. 22).
26
Voraussetzung für die Erforderlichkeit des Bebauungsplans (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB) ist, dass der Planung ein realisierbares städtebauliches Konzept zugrunde liegt und der Bebauungsplan der Verwirklichung dieses Konzepts dient (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 10.7.2018 – 1 N 15.938 – BayVBl 2019, 307 = juris Rn. 20 m.w.N.). Nicht erforderlich im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB ist ein Bebauungsplan, der einer positiven Planungskonzeption entbehrt, der keine nachvollziehbare, in sich widerspruchsfreie städtebauliche Konzeption erkennen lässt und deswegen nicht auf eine geordnete städtebauliche Entwicklung ausgerichtet ist (zum Ganzen vgl. BVerwG, B.v. 11.5.1999 – 4 BN 15.99 – NVwZ 1999, 1338 = juris Rn. 5; U.v. 5.5.2015 – 4 CN 4.14 – NVwZ 2015, 1537 = juris Rn. 10 m.w.N.; U.v. 10.9.2015 – 4 CN 8.14 – BVerwGE 153, 16 = juris Rn. 11; BayVGH, U.v. 9.6.2021 – 15 N 20.1412 – juris Rn. 60; U.v. 28.4.2017 – 9 N 14.404 – juris Rn. 24). Einem Bebauungsplan oder einzelnen seiner Festsetzungen fehlt die Erforderlichkeit, wenn die verfolgten Ziele verfehlt werden, insbesondere wenn das planerische Ziel, Entwicklungen, die bereits im Gange sind, in geordnete Bahnen zu lenken oder einer sich für die Zukunft abzeichnenden Bedarfslage gerecht zu werden, nicht erreicht werden kann, wenn also etwa der Verwirklichung des Bebauungsplans auf unabsehbare Zeit rechtliche oder tatsächliche Hindernisse im Wege stehen (vgl. BVerwG, B.v. 11.5.1999 – 4 BN 15.99 – juris Rn. 4 f.; U.v. 5.5.2015 – 4 CN 4.14 – juris Rn. 10; BayVGH, U.v. 12.12.2022 – 15 N 22.1064 – juris Rn. 17).
27
Ein Bebauungsplan, der ein bereits bebautes Gebiet in großem Umfang abweichend vom vorhandenen Bestand überplant, verliert seine Chance auf Verwirklichung, wenn die geplanten Festsetzungen keine realistische Aussicht auf Umsetzung haben. Bei der Überplanung bereits bebauten Gebiets fehlt es an der Erreichbarkeit des Planungsziels bzw. der Verwirklichungsfähigkeit der Planungskonzeption allerdings nicht schon dann, wenn die beabsichtigten planerischen Festsetzungen nicht mit der tatsächlichen baulichen Nutzung im Plangebiet übereinstimmen. Die Gemeinde ist bei der Überplanung bereits bebauter Flächen nicht darauf beschränkt, den vorgefundenen Bestand festzuschreiben. Sie kann sich vielmehr das planerische Ziel setzen, einen vorhandenen Ortsteil fortzuentwickeln, was nur dann möglich ist, wenn ihre Planungsbefugnis das Recht umfasst, sich gegebenenfalls über die tatsächlichen Verhältnisse hinwegzusetzen (OVG LSA, U.v. 21.2.2018 – 2 K 87/16 – juris Rn. 51). Der Zweck eines Bebauungsplans kann auch darin bestehen, eine vorhandene Bebauung – gegebenenfalls auf längere Sicht – zu verändern (BVerwG, B.v. 11.12.2000 – 4 BN 58.00 – juris Rn. 3; OVG Berl-Bbg, U.v. 16.3.2023 – OVG 10 B 12.18 – juris Rn. 57). Von einer Verhinderungsplanung ist erst auszugehen, wenn der Bebauungsplan keine positive Planungskonzeption hat oder eine positive Zielsetzung nur vorgeschoben wird, um eine in Wahrheit auf bloße Verhinderung gerichtete Planung zu verdecken. Ein solcher Fall ist aber nicht schon dann gegeben, wenn der Hauptzweck der Festsetzungen in der Verhinderung bestimmter städtebaulich relevanter Nutzungen oder Entwicklungen besteht (BVerwG, B.v. 15.3.2012 – 4 BN 9/12 – BauR 2012, 1067).
28
Nach diesen Maßgaben ist der Bebauungsplan von der städtebaulichen Konzeption getragen, die Entwicklung des bestehenden, heterogenen Plangebiets in Orientierung am vorhandenen Bestand zu steuern, die bauliche Ausnutzung der Grundstücke zu beschränken und das „aufgelockerte und durchgrünte Siedlungsmuster“ zu erhalten (vgl. Begründung S. 23). Die Tatsache, dass der vorhandene Baubestand in großem Umfang nicht den Festsetzungen des Bebauungsplans entspricht (laut Begründung halten mehr als 40% der Bestandsgebäude die Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche, der GRZ1 und GRZ2 nicht ein, vgl. S. 22), steht der Vollzugsfähigkeit nicht entgegen. Da es sich bei der Bauleitplanung um eine langfristig angelegte Angebotsplanung handelt, durch die die planerischen Voraussetzungen für die bauliche und sonstige Nutzung regelmäßig für mehrere Jahrzehnte geschaffen werden, setzt eine hinreichende Verwirklichungschance nicht voraus, dass die einzelnen Festsetzungen sofort oder zeitnah umsetzbar sein müssen (vgl. VGH BW, U.v. 3.9.2019 – 8 S 2056/17 juris Rn. 95; NdsOVG, U.v. 20.04.2009 – 1 KN 9/06 – juris Rn. 51). Dass Anlass der Planung die Entstehung neuer Mehrfamilienhäuser mit einer sich abzeichnenden „Tendenz der Transformation des Wohngebiets zu einem Stadtvillen-Quartier mit Eigentumswohnungen aus dem oberen Preissegment“ darstellt, macht die Planung nicht schon zur Verhinderungsplanung; vielmehr ist es der Antragsgegnerin nicht verwehrt, auf eine von ihr als Fehlentwicklung erkannte Situation mit der Aufstellung eines Bebauungsplans zu reagieren. Dementsprechend ist die Festsetzung einer privaten Grün- und Waldfläche für die Grundstücke des Antragstellers von der städtebaulichen Konzeption getragen, der Darstellung im Flächennutzungsplan als Grünfläche zu folgen.
29
2. Die Festsetzung Nr. I.2 zur baulichen Höhe ist jedoch mangels Bestimmung eines eindeutigen unteren Bezugspunktes nicht mit §§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 9a Abs. 1 BauGB i.V.m. § 18 Abs. 1 BauNVO vereinbar. Dieser Mangel führt zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans.
30
Nach § 18 Abs. 1 BauNVO sind bei der Festsetzung der Höhe baulicher Anlagen die erforderlichen Bezugspunkte zu bestimmen. Aus Gründen der Bestimmtheit und Vollziehbarkeit muss es sich dabei um eindeutig bestimmte oder bestimmbare feste Bezugspunkte handeln. Daran fehlt es, wenn nicht eindeutig erkennbar ist, auf welche Bereiche sich die Festsetzungen zur Rohfußbodenhöhe beziehen. Nimmt die Gemeinde auf den Erdgeschossfertigfußboden Bezug, muss erkennbar sein, auf welcher Höhe sich dieser befinden soll (vgl. BayVGH, U.v. 23.6.2020 – 1 N 17.972 – juris Rn. 17; U.v. 12.10.2020 – 15 N 19.1077 – juris Rn. 19; NdsOVG, U.v. 24.2.2021 – 1 KN 3/19 – juris Rn. 37). Bei bereits vorhandenen Erschließungsstraßen könnte beispielsweise auf vorhandene Verkehrsflächen als Bezugspunkte hingewiesen werden (vgl. BayVGH, U.v. 8.4.2025 – 15 N 23.699 – juris Rn. 25).
31
Die Festsetzung Nr. I.2 lässt demgegenüber die Angabe eines bestimmten Bezugspunktes vermissen. Soweit die Antragsgegnerin geltend macht, sie sei sich bewusst gewesen, dass ein deutlicher Spielraum in Bezug auf die entstehenden Gesamthöhen bestehe, genügt dies nicht den Anforderungen nach § 18 Abs. 1 BauNVO.
32
Die Unwirksamkeit der Festsetzungen zum unteren Bezugspunkt nach § 18 Abs. 1 BauNVO bewirkt die Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans. Die Unwirksamkeit eines Teils eines Bebauungsplans hat nur dann nicht die Gesamtunwirksamkeit zur Folge, wenn die restlichen Festsetzungen auch ohne den ungültigen Teil noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinn des § 1 Abs. 3 BauGB bewirken können und mit der gebotenen Sicherheit anzunehmen ist, dass die Gemeinde auch einen Bebauungsplan dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (vgl. BVerwG, B.v. 6.11.2007 – 4 BN 44.07 – juris Rn. 3; BayVGH, U.v. 12.10.2020 – 15 N 19.1077 – juris Rn. 20; U.v. 19.2.2019 – 1 N 16.350 – juris Rn. 20; U.v. 5.2.2016 – 1 N 11.766 – juris Rn. 16). Zwar kann nach § 16 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO auf die Festsetzung der Höhe baulicher Anlagen verzichtet werden, wenn ohne die Festsetzung keine Beeinträchtigung öffentlicher Belange, insbesondere des Orts- und Landschaftsbilds droht. In Anbetracht des ausdrücklichen Planungswillens zugunsten von Festsetzungen zur Höhe von baulichen Anlagen kann nicht angenommen werden, dass eine Verzichtbarkeit hier dem Willen des Satzungsgebers entsprach. Ausweislich Nr. VII.2.3 der Begründung zum Bebauungsplan ist städtebauliches Ziel, dass sich Gebäude im Siedlungsgebiet in die vorhandene höhenmäßige Silhouette einpassen und nicht unverhältnismäßig stark herausragen. Diese Zielsetzung wäre ohne die Festsetzungen zur Höhe und Höhenlage nicht zu erreichen. Eine Teilunwirksamkeit nur der Höhenfestsetzungen scheidet im vorliegenden Fall deshalb aus, weil die Festsetzung zur baulichen Höhe ein wesentlicher Bestandteil der Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung darstellt (vgl. Begründung Nr. VII.2.3 mit Skizzen hierzu) und in Anbetracht des Planungswillens der Antragsgegnerin nicht anzunehmen ist, dass sie den Bebauungsplan ohne die Festsetzungen zur Höhe beschlossen hätte.
33
3. Der Bebauungsplan leidet darüber hinaus insofern an beachtlichen Ermittlungs- und Abwägungsmängeln, als über die Bestandsanalyse hinaus der bauliche Bestand auf dem Grundstück FlNr. … des Antragstellers und die nach § 34 BauGB mögliche bauliche Ausnutzbarkeit der Grundstücke nicht ermittelt sowie die vorhandenen Immissionsbelastungen durch Verkehrslärm trotz hinreichender Anhaltspunkte für eine Überschreitung der Orientierungswerte nicht erfasst wurden. Die Antragsgegnerin hat mithin Belange, die für die Abwägung bedeutsam sind, unzureichend ermittelt und gegen das rechtsstaatlich fundierte Gebot der gerechten Abwägung verstoßen. Dieses verpflichtet die Gemeinde, die für die Planung bedeutsamen öffentlichen und privaten Belange (Abwägungsmaterial) zu ermitteln und zu bewerten (§ 2 Abs. 3 BauGB) sowie sie gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen (§ 1 Abs. 7 BauGB).
34
§ 1 Abs. 7 BauGB bestimmt, dass bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind; § 2 Abs. 3 BauGB ergänzt dieses materiell-rechtliche Abwägungsgebot um die Verfahrensanforderung (§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB), dass die abwägungserheblichen Belange zu ermitteln und zu bewerten sind. Zu ermitteln und zu bewerten und gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind alle Belange, die in der konkreten Planungssituation nach Lage der Dinge in die Abwägungsentscheidung eingestellt werden müssen (vgl. BVerwG, B.v. 30.6.2014 – 4 BN 38.13 – juris Rn. 6). Dementsprechend setzt eine Abwägung zuvorderst eine Zusammenstellung des relevanten Abwägungsmaterials voraus.
35
Ein Ermittlungsdefizit i.S. von § 2 Abs. 3 BauGB liegt vor, wenn abwägungserhebliche Belange in wesentlichen Punkten unzureichend oder nicht zutreffend ermittelt worden sind, der Gemeinderat mithin bei der Abwägungsentscheidung einen unzureichenden oder falschen Sachverhalt zu Grunde gelegt hat (vgl. BayVGH, U.v. 18.1.2017 – 15 N 14.2033 – juris Rn. 50).
36
a) Die Antragsgegnerin hat den vorhandenen Baubestand auf dem Grundstück des Antragstellers FlNr. … unzureichend ermittelt und berücksichtigt. Im übrigen Plangebiet wurden über die Erfassung des baulichen Bestandes hinaus etwaig bestehende bauliche Nutzungsrechte, die nunmehr einer Beschränkung zugeführt werden sollen, unzureichend ermittelt und gewichtet.
37
Zwar darf eine Gemeinde durch ihre Bauleitplanung die (bauliche) Nutzbarkeit von Grundstücken verändern und dabei auch die privaten Nutzungsmöglichkeiten einschränken oder gar aufheben. Eine Gemeinde, die vorhandene Baurechte mit den Mitteln der Bauleitplanung einschränkt, muss ein auf einer zutreffenden überschlägigen Ermittlung beruhendes Bild von deren Umfang haben. Dies setzt voraus, dass die planende Gemeinde Art und Ausmaß der planbedingten Nutzungsbeeinträchtigung ermittelt und bewertet (vgl. BayVGH, U.v. 22.5.2023 – 1 N 17.817 – juris Rn. 21; OVG Saarl, B.v. 25.1.2024 – 2 C 186/22 – juris Rn. 74). Nur unter dieser Voraussetzung kann sie das private Interesse am Erhalt dieser Rechte mit dem öffentlichen Interesse an einer Neuordnung des Plangebiets sachgerecht abwägen. Die Überplanung bereits bebauter Grundstücke in der Weise, dass durch die Festsetzung von Baufeldern die übrigen Grundstücksflächen jeweils als nicht überbaubare Flächen ausgewiesen werden, bedeutet eine erhebliche Beschränkung der Rechte der Grundstückseigentümer. Daher setzt ein auf die Beschränkung bestehender Baurechte gerichtetes Planungskonzept für eine ordnungsgemäße Gewichtung der einzustellenden privaten Belange zwingend voraus, dass die beschließende Gemeindevertretung sowohl über den aktuellen baulichen Bestand als auch die nach § 34 BauGB mögliche bauliche Ausnutzbarkeit der jeweiligen Grundstücke informiert ist. Daraus folgt, dass eine ordnungsgemäße Umsetzung dieses Konzepts zuallererst nicht nur einer sorgfältigen Ermittlung des aktuell vorhandenen Bestandes an baulichen Anlagen und der baulichen Ausnutzung der Grundstücke im Plangebiet bedarf, sondern auch einer sorgfältigen Ermittlung der nach § 34 BauGB möglichen baulichen Ausnutzung der Grundstücke (vgl. BayVGH, U.v. 8.11.2023 – 1 N 20.558 – juris Rn. 31; OVG MV, U.v. 5.6.2012 – 3 K 36/11 juris Rn. 125 ff.).
38
Während die Antragsgegnerin den vorhandenen Baubestand erfasst und dabei hinsichtlich der planungsrechtlichen Kriterien GRZ1, Gesamtversiegelung GRZ2 und überbaubarer Flächen bei mehr als 40% aller Bestandsgrundstücke Überschreitungen im Vergleich zu den geplanten Festsetzungen festgestellt hat, findet sich darüber hinaus keine Untersuchung, inwieweit bestehende, ggf. noch nicht ausgenutzte Baurechte auf den einzelnen Grundstücken eingeschränkt werden.
39
Für das Grundstück des Antragstellers FlNr. … wurde verkannt, dass ein baurechtlich genehmigter Baubestand auf dem Grundstück existiert. Ausweislich der Angaben des Antragstellers in der mündlichen Verhandlung handelt es sich bei dem Baubestand um ein ca. 40 m² großes 2-geschossiges Gebäude, in dem bereits seit 1850 gewohnt worden sei und in dem seine Tante bis 2013 ihren Zweitwohnsitz gehabt habe. Aktenkundig ist darüber hinaus eine Baugenehmigung vom 23. Januar 1985 für die Entwässerung des Gebäudes. Im Rahmen der Abwägung wurde das Grundstück ausschließlich als „mit Gehölzen bewachsen“ und im „Außenbereich“ gelegen beurteilt. Insoweit liegt eine defizitäre Ermittlung des vorhandenen Baubestandes vor.
40
Auch im Übrigen wurde die bauliche Ausnutzbarkeit der Grundstücke unzureichend ermittelt. Das vorhandene Maß der baulichen Nutzung hat die bislang mögliche Ausnutzbarkeit der Grundstücke bestimmt (§ 34 Abs. 1 BauGB), wobei die prägende Umgebungsbebauung insoweit enger zu ziehen ist als hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung. In Anbetracht der festgestellten Überschreitungen des Maßes der baulichen Nutzung und unter Berücksichtigung dessen, dass durch die Festsetzung von Baufeldern in beachtlichem Umfang Grundstücksflächen einer baulichen Nutzung entzogen werden, hätte die bislang mögliche bauliche Ausnutzbarkeit der Grundstücke weitergehend ermittelt werden müssen. Feststellungen zu etwaig bestehenden faktischen Baugrenzen wurden nicht getroffen. Diese Anforderung gilt unabhängig von der Frage, ob der Antragsgegnerin im Hinblick auf den Entzug baulicher Nutzungsmöglichkeiten Entschädigungsansprüche drohen könnten (vgl. OVG MV, U.v. 5.6.2012, a.a.O. Rn. 127).
41
Dieses Ermittlungsdefizit stellt sich in Anbetracht der nach § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 193 BGB rechtzeitig gerügten unzureichenden Berücksichtigung der Eigentümerbelange als beachtlich gemäß § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB dar. Dass die durch die Überplanung der Grundstücke betroffenen privaten Eigentumsinteressen abwägungserheblich waren, ergibt sich aus den obigen Ausführungen; sie betreffen damit auch „wesentliche Punkte“ gemäß § 214 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Der Mangel bei der Ermittlung und Bewertung dieser Belange ist offensichtlich, denn er beruht auf objektiven Umständen (vgl. BayVGH, U.v. 27.6.2019 – 9 N 12.2648 – juris Rn. 23).
42
Aus dem Ermittlungsdefizit ergeben sich beachtliche Abwägungsmängel. Bei der Überplanung bereits bebauter Gebiete darf die Gemeinde zwar die bauliche Nutzbarkeit von Grundstücken ändern; sie hat hierbei aber die privaten Eigentümerinteressen als wichtige Belange zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, B.v. 15.5.2013 – 4 BN 1.13 – juris Rn. 63; U.v. 31.8.2000 – 4 CN 6.99 – BVerwGE 112, 41-51 = juris Rn. 23; B.v. 16.1.1996 – 4 NB 1.96 – ZfBR 1996, 223). Die städtebaulich beachtlichen Allgemeinbelange müssen umso gewichtiger sein, je stärker die Festsetzungen eines Bebauungsplans die Befugnisse des Eigentümers einschränken oder Grundstücke von einer Bebauung ganz ausschließen, denn das durch Art. 14 GG gewährleistete Eigentumsrecht gehört in hervorgehobener Weise zu den von der Bauleitplanung zu berücksichtigenden Belangen. Der Satzungsgeber muss die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen; insbesondere ist er an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden (vgl. BVerfG, B.v. 19.12.2002 – 1 BvR 1402/01 – NVwZ 2003, 727). Insoweit maßgeblich sind die baulichen Nutzungsrechte (vgl. BVerwG, B.v. 13.3.2017 – 4 BN 25.16 – juris Rn. 8; BayVGH, U.v. 3.6.2025 – 9 N 22.2217 – juris Rn. 43). Ein auf überplanten Grundstücken bestehendes Baurecht muss im Rahmen der Abwägung berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, B.v. 31.8.2021 – 4 BN 4.21 – juris Rn. 5; BayVGH, U.v. 3.6.2025 – 9 N 22.2217 – juris Rn. 43; U.v. 2.6.2006 – 1 N 03.1546 – juris Rn. 15; OVG RhPf, U.v. 7.12.2022 – 8 C 10123/22 – juris Rn. 63), was hier in defizitärer Weise erfolgt ist.
43
b) Die auf das Plangebiet einwirkenden Verkehrslärmimmissionen wurden entgegen § 2 Abs. 3 BauGB unzureichend ermittelt. Dies stellt sich gemäß § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB als beachtlicher Mangel dar.
44
Bereits in der frühzeitigen Behördenbeteiligung hat die untere Immissionsschutzbehörde mit Schreiben vom 2. März 2021 darauf hingewiesen, dass aufgrund einer ersten Prognose gemäß RLS 90 wegen der Verkehrsbelastungen für die B.allee und L.allee die Orientierungswerte nach DIN 18005 sowohl nachts als auch tags für ein allgemeines wie für ein reines Wohngebiet überschritten würden und eine schalltechnische Beurteilung des Verkehrslärms mit Vorschlägen zum baulichen Schallschutz angeregt. Gemäß Abwägungstabelle vom 13. November 2023 (S. 563 der Aufstellungsakte) hat die Antragsgegnerin mit Verweis auf das bereits bestehende Siedlungsgebiet auf eine schalltechnische Untersuchung des Verkehrslärms mit Vorschlägen zum baulichen Schallschutz verzichtet. Da die durch den Verkehr auf der Bismarck- und der L.allee verursachten Lärmimmissionen nicht mehr mit dem erhöhten Schutzanspruch eines „Reinen Wohngebiets“ vereinbar seien, sei es aus stadtplanerischer Sicht sachgerecht, die Baugebiete am Godelsberg als „Allgemeine Wohngebiete“ auszuweisen. Eventuell verbleibende Überschreitungen der Orientierungswerte nach DIN 18005 seien aufgrund der vorbelasteten Situation hinzunehmen. In die Bebauungspläne könne ein Hinweis aufgenommen werden, dass bei Aufenthaltsräumen orientiert zu einer der betreffenden Straßen passive Schallschutzmaßnahmen empfohlen würden.
45
In der nachfolgenden Behördenbeteiligung führte die Immissionsschutzbehörde unter dem 15. August 2022 aus, dass die Orientierungswerte gemäß DIN 18005 für ein allgemeines Wohngebiet mit Werten von tags 55 dB(A) und nachts 45 dB(A) aufgrund einer „überschlägigen Berechnung nach RLS 90“ unter Zugrundelegung der Verkehrszahlen sowohl für die B.allee mit Werten von tags 59,4 dB(A) und nachts 50,2 dB(A) als auch für die L.allee mit Werten tags 66,1 dB(A) und nachts 55,1 dB(A) überschritten würden. Nach der 16. BImSchV seien Werte von 64 dB(A) tags und 54 dB(A) nachts einzuhalten (wobei diese Werte gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 16. BImSchV den Immissionsgrenzwerten in Kerngebieten, Dorfgebieten, Mischgebieten und urbanen Gebieten entsprechen). Die Immissionsschutzbehörde führte aus, dass dem Hinweis III.8. für die B.allee zugestimmt werden könne, aber für die L.allee wegen der Überschreitung der Immissionsgrenzwerte an den in III.8. genannten Maßgaben „als Bedingung“ festgehalten werde. In der Abwägung führte dies zu einer Ergänzung des „Hinweises“ Nr. III.8., dass für die in nächster Nähe zur L.allee gelegenen Baugrundstücke südlich der Straße Lug ins Land voraussichtlich technische Vorkehrungen gemäß DIN 4109 – Schallschutz im Hochbau – zum Schutz vor Außenlärm notwendig seien und im Baugenehmigungs- bzw. Genehmigungsfreistellungsverfahren ein entsprechender Lärmschutznachweis zu führen sei.
46
Diese Vorgehensweise genügt nicht einer hinreichenden Ermittlung der von Seiten der Immissionsschutzbehörde aufgezeigten Verkehrslärmproblematik.
47
Der Satzungsgeber muss sich als Grundlage seiner Abwägungsentscheidung in einer Weise mit der vorhandenen städtebaulichen Situation und den zu erwartenden Lärmbeeinträchtigungen vertraut machen, die es ihm ermöglicht, hieraus entstehende Konflikte umfassend in ihrer Tragweite zu erkennen (vgl. BayVGH, U.v. 24.11.2017 – 15 N 16.2158 – juris Rn. 25 m.w.N.; U.v. 27.4.2016 – 9 N 13.1408 – juris Rn. 23 ff.). Dass es sich bei den geplanten Baugebieten um weitgehend bereits bestehendes Siedlungsgebiet handelt, entbindet die Plangeberin nicht von einer Betrachtung der bestehenden Verkehrsbelastung und der planerischen Bewältigung einer damit einhergehenden Lärmproblematik. Bei der Ausweisung eines dem Wohnen bestimmten Gebietes ist die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang vorhandene und zu erwartende Immissionsbelastungen die Wohnqualität im Plangebiet beeinträchtigen, ein gewichtiger Abwägungsbelang, der dort, wo nennenswerte verkehrliche Vorbelastungen auf das Plangebiet einwirken, regelmäßig deren Ermittlung erfordert. Werden bereits lärmbelastete Bereiche überplant, ist durch Ermittlung der bestehenden Vorbelastung und Erwägung etwaiger passiver Lärmschutzmaßnahmen sicherzustellen, dass sich kein städtebaulicher Missstand etabliert oder verfestigt. Der Bebauungsplan entfaltet im Wesentlichen seine Wirkung bei Neu- oder Ersatzbebauungen. Die Existenz bestehender Wohnbebauung rechtfertigt es nicht, etwaig bereits bestehende Lärmkonflikte unbeachtet zu lassen. Als Abwägungsposten beachtlich ist das Lärmschutzinteresse nicht erst, wenn die Geräuschbeeinträchtigungen im Sinne des § 41 Abs. 1 BImSchG als schädliche Umwelteinwirkungen zu qualifizieren sind, die einen Kompensationsanspruch nach sich ziehen, oder gar die Schwelle der Gesundheitsgefährdung überschreiten, die eine absolute Planungssperre markiert (vgl. BVerwG, B.v. 8.6.2004 – 4 BN 19/04 – juris Rn. 6). Die prognostische Abschätzung von zu erwartenden Geräuschimmissionen muss hinreichend aussagekräftig sein, um die Wahrung der Zumutbarkeitsschwelle abwägungsgerecht beurteilen zu können (vgl. OVG NW, B.v. 14.6.2012 – 2 B 379/12.NE – juris Rn. 30). Je weiter die Orientierungswerte der DIN 18005 voraussichtlich überschritten werden, desto mehr hat die Gemeinde die baulichen und technischen Möglichkeiten auszuschöpfen, die ihr zu Gebote stehen, um diese Auswirkungen zu verhindern (BVerwG, U.v.22.3.2007 – 4 CN 2.06 – Rn. 15 m.w.N.). Daher sind hierfür entsprechende Ermittlungen und Abwägungsüberlegungen notwendig, in die auch mögliche Schutzmaßnahmen einzubeziehen sind.
48
Die sich aufgrund einer überschlägigen Berechnung der Immissionsschutzbehörde ergebenden Beurteilungspegel für die Wohnbebauung an der B.allee und vor allem an der L.allee weisen deutliche Überschreitungen der Orientierungswerte nach DIN 18005 ebenso wie der Immissionsgrenzwerte nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 16. BImSchV auf. Dies hätte sich als ein hinreichender Anlass zu nähergehender Untersuchung der bestehenden Lärmsituation dargestellt. Ermittlungen durch eine schalltechnische Untersuchung hat die Antragsgegnerin mit Verweis auf das bereits bestehende Siedlungsgebiet jedoch nicht angestellt, sich letztlich nur die überschlägige Berechnung der Immissionsschutzbehörde zu eigen gemacht. Im Hinblick darauf, dass sich die gesamte Planung auf eine künftige Ersatz- bzw. Neubebauung oder auch Sanierungen bezieht, entbindet der Verweis auf die bestehende Vorbelastung die Plangeberin nicht von einer Ermittlung der Situation zur abwägenden Entscheidung über etwaige Festsetzungen zum passiven Lärmschutz. Zwar kann die Hinnahme von Überschreitungen der Orientierungswerte mit dem Gebot gerechter Abwägung vereinbar sein (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.2007 – 4 CN 2.06 – BVerwGE 128, 238-246 = juris Rn. 15); dies setzt jedoch eine zureichende Ermittlung der bestehenden Lärmbelastung voraus (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.2007 – 4 CN 2.06 – juris Rn. 24 m.w.N.).
49
Die defizitäre Ermittlung und Behandlung der Lärmschutzproblematik wurde seitens des Antragstellers im Parallelverfahren Az.: 9 N 23.2254 gerügt. Eine ausreichend erhobene Rüge gilt „inter omnes“, d.h. zu Gunsten von jedermann (vgl. BVerwG, B.v. 2.1.2001 – 4 BN 13.00 – ZfBR 2001, 418 = juris Rn. 5; B.v. 11.9.2019 – 4 BN 17.19 – ZfBR 2020, 268 = juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 17.7.2020 – 15 N 19.1377 – juris Rn. 49). Dies stellt sich als beachtliche Verletzung der Verfahrens- und Formvorschriften gemäß § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB sowie als nach § 214 Abs. 3 Satz 2, § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB beachtlicher Verstoß gegen das Abwägungsgebot dar, da jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Planung ohne den Mangel im Abwägungsvorgang anders ausgefallen wäre (vgl. dazu BVerwG, U.v. 9.4.2008 – 4 CN 1/07 – juris Rn. 22). Die insoweit unzureichende Ermittlung des Abwägungsmaterials betrifft die „äußere“ Seite des Abwägungsvorgangs und ist damit offensichtlich. Da dem Schutz des Wohngebiets erhebliches Gewicht zukommt und eine deutliche Überschreitung der Orientierungswerte nach DIN 18005 an der Ludwigs- und B.allee naheliegt, besteht die Möglichkeit, dass die Antragsgegnerin, wenn sie das Abwägungsmaterial in dem gebotenen Umfang ermittelt hätte, Schallschutzfestsetzungen vorgesehen hätte.
50
4. Ohne dass es weiter darauf ankommt, dürfte der Bebauungsplan darüber hinaus weitere erhebliche Mängel aufweisen.
51
a) Es bestehen Zweifel, ob die Antragsgegnerin die bestehende faktische Gebietsart zureichend ermittelt und das Interesse der Grundstückseigentümer im Plangebiet hinreichend gewichtet hat.
52
Die Gemeinde darf durch ihre Bauleitplanung die (bauliche) Nutzbarkeit von Grundstücken verändern und dabei auch die privaten Nutzungsmöglichkeiten einschränken oder gar aufheben. Zwar gibt es keinen Planungsgrundsatz, nach dem die vorhandene Bebauung eines Gebiets nach Art und Maß bei einer Überplanung weiterhin zugelassen werden muss (vgl. BVerwG, U.v. 31.8.2000 – 4 CN 6.99 – juris Rn. 23; B.v. 5.10.2015 – 4 BN 31.15 – juris Rn. 5; B.v. 7.5.2020 – 4 BN 13.20 – juris Rn. 16). Wenngleich ein vorhandener reiner Wohnbestand der Fest- bzw. Herabsetzung des Gebietstypus auf ein Allgemeines Wohngebiet WA nicht entgegensteht, ist im Rahmen der Abwägung bei der Änderung der Gebietsart jedoch das Interesse der Grundstückseigentümer am Erhalt ihres Gebietserhaltungsanspruchs besonders zu berücksichtigen. Bei einer Änderungsplanung darf die Gemeinde die durch die Erstplanung vorgegebene rechtliche Situation der überplanten Grundstücke nicht ignorieren und muss deshalb das Interesse der Planbetroffenen an der Beibehaltung des bisherigen Zustands in die Abwägung einstellen (BVerwG, B.v. 18.5.2016 – 4 BN 7.16 – ZfBR 2016, 589 = juris Rn. 4; B.v. 20.8.1992 – 4 NB 3.92 – juris); gleiches gilt für eine bestehende faktische Gebietsart. Der Verlust des Gebietserhaltungsanspruchs als Bestandteil von Inhalt und Schranken des Grundeigentums infolge der Änderung eines Bebauungsplans ist als abwägungserheblicher Belang i.S. von § 1 Abs. 7, Abs. 8 BauGB bei der Bauleitplanung in die Abwägung einzustellen (vgl. BayVGH, U.v. 9.6.2021 – 15 N 20.1412 – juris Rn. 52; U.v. 26.5.2008 – 1 N 07.3143 – BayVBl 2009, 86 = juris Rn. 25; U.v. 26.11.2015 – 9 N 12.2592 – juris Rn. 20, 38).
53
Daher ist eine bestehende faktische Gebietsart bei der Überplanung sorgfältig zu ermitteln und eine Änderung derselben unter Berücksichtigung des Interesses der Grundstückseigentümer am Erhalt des Gebietsbewahrungsanspruchs abzuwägen. Die Ermittlung der faktischen Gebietsart ist ein zentraler Bestandteil bei der Überplanung bebauter Innenbereichslagen.
54
Explizite Feststellungen zur bestehenden faktischen Gebietsart wurden hier nicht getroffen; die Begründung des Bebauungsplans spricht hinsichtlich der vorhandenen Bebauung ausschließlich von Wohngebieten. Eine nennenswerte gewerbliche Nutzung wurde im Rahmen der Bestandsanalyse nicht erfasst. Dementsprechend sah der Vorentwurf der Bauleitplanung vom 8. Juni 2020 die Festsetzung reiner Wohngebiete vor. Auf den Hinweis der Immissionsschutzbehörde vom 2. März 2021 in der frühzeitigen Behördenbeteiligung hin, dass durch die bestehende Verkehrsbelastung für die B.allee und die L.allee die Orientierungswerte nach DIN 18005 sowohl nachts als auch tags überschritten seien, wurde die Festsetzung der Gebietsart auf ein allgemeines Wohngebiet herabgesetzt.
55
Eine Gemeinde ist grundsätzlich nicht gehindert, ein bereits vollständig bebautes Gebiet als ein allgemeines – und damit nicht als reines – Wohngebiet auszuweisen. Das gilt selbst dann, wenn nach den tatsächlichen Verhältnissen das Gebiet ohne Planung gemäß § 34 Abs. 2 BauGB als ein reines Wohngebiet im Sinne des § 3 BauNVO zu qualifizieren wäre. Allerdings darf die Gemeinde in einem derartigen Falle keine Zielsetzung verfolgen, die keine Grundlage in der städtebaulichen Ordnung und Entwicklung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB hat (BVerwG, B.v. 8.2.2000 – 4 BN 1.00 – juris Rn. 10; VGH BW, U.v. 9.12.2014 – 3 S 1227/12 – juris Rn. 92; OVG NW, U.v. 28.9.2021 – 2 D 121/20.NE – juris Rn. 40), und hat die graduellen Unterschiede in der Schutzwürdigkeit zu berücksichtigen. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann sich der Wechsel von einem reinen zu einem allgemeinen Wohngebiet als qualitativ geringfügig darstellen, selbst wenn die Änderung das gesamte Baugebiet betrifft (BVerwG, U.v. 4.8.2009 – 4 CN 4.08 – BVerwGE 134, 264-275, Rn. 14).
56
Die Antragsgegnerin verfolgt mit der Festsetzung der Gebietsart WA nicht ausschließlich, jedoch zumindest maßgeblich die Intention, die Schutzwürdigkeit im Hinblick auf eine auf der Bismarck- und der L.allee bestehende Verkehrslärmbelastung herabzusetzen. Es bestehe kein zwingender Anlass, Dienstleister und Kleingewerbe jeglicher Art kategorisch auszuschließen (Begründung S. 24). In der Begründung des Bebauungsplans wird weiter darauf hingewiesen, dass nicht dem Wohnen dienende Nutzungen aufgrund der übrigen Festsetzungen des Bebauungsplans die Ausnahme bleiben werden. Wenngleich insofern Zweifel am tatsächlichen planerischen Willen der Verwirklichung eines allgemeinen Wohngebietes bestehen dürften, erscheint die Ausweisung als allgemeines Wohngebiet im Hinblick auf die nur graduellen Unterschiede zwischen den Baugebietstypen unter Berücksichtigung des Ausschlusses von Beherbergungsbetrieben, Gartenbaubetrieben und Tankstellen zwar möglich. Im Rahmen der Abwägung ist jedoch das Interesse der Planbetroffenen und Grundstückseigentümer an der Bewahrung des Gebietscharakters als abwägungserheblicher Belang zu berücksichtigen und zu gewichten. Durch die Änderung der Gebietsart wird den Eigentümern ein anderer Lärmschutz – eine Verringerung des Schutzniveaus um 5 dB(A) – zugemutet. Dass dieser erhöhte Lärmpegel durch den Straßenlärm untergeht, kann wohl kaum für alle Bereiche des Plangebietes angenommen werden.
57
In der Begründung des Bebauungsplans findet sich weder eine Einschätzung, ob und in welchem Bebauungszusammenhang die Eigenart der Umgebung einem reinen Wohngebiet nach § 3 BauNVO entspricht, noch wird das Interesse der Planbetroffenen an einer Bewahrung der faktischen Gebietsart erkannt und gewichtet. Soweit ausgeführt wird, die Ausweisung eines allgemeinen Wohngebiets erscheine als die „passende Nutzungsart“, da die durch den Verkehr auf der Bismarck- und L.allee verursachten Lärmimmissionen nicht mehr mit dem erhöhten Schutzanspruch auf Wohnruhe eines reinen Wohngebiets vereinbar seien, wird das Interesse der Planbetroffenen, die nicht an diesen Straßen gelegen sind, am Erhalt ihrer rein wohnlich geprägten Gebietsstruktur völlig ausgeblendet. Es spricht daher vieles für ein Abwägungsdefizit hinsichtlich des Interesses der Grundstückseigentümer an der Bewahrung der tatsächlich vorhandenen Gebietsart.
58
b) Bedenken bestehen auch hinsichtlich der Festsetzung der Überschreitungsmöglichkeit der GRZ von 30% im Hinblick auf Anlagen nach § 19 Abs. 4 BauNVO bei gleichzeitiger Festsetzung einer GRZ von 0,3.
59
Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Regelung nach § 19 Abs. 4 Satz 2 BauNVO und in Anbetracht des Umstandes, dass mehr als 40% der Grundstücke die zulässige Gesamtversiegelung nicht einhalten, dürfte sich ein Festhalten an der Überschreitung der Grundflächenzahl um 30% als unverhältnismäßig und mithin abwägungsfehlerhaft erweisen. Bei einer nach § 19 Abs. 4 Satz 3 BauNVO abweichenden Bestimmung „nach unten“ ist zu berücksichtigen, dass die Anlagen nach § 19 Abs. 4 Satz 1 nach Art und Umfang in vielen Fällen für die angemessene Nutzung der Grundstücke erforderlich sind (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Stand: 11/2024, BauNVO, § 19 Rn. 21). Bei einer GRZ₁ von 0,3 und der festgesetzten Überschreitungsmöglichkeit von 30%, woraus sich in diesem Fall eine GRZ₂ von 0,39 ergibt, dürfte sich – auch in Kombination mit den Festsetzungen I.7., I.10. und I.11. – insbesondere für kleinere Grundstücke, die sich im Plangebiet ebenfalls finden lassen, eine angemessene Ausnutzung der Grundstücke als problematisch darstellen (vgl. Begründung Mitte S. 26 bzw. Ost S. 32, wonach ein Flächenbedarf von 100 bis 150 m² für Nebenanlagen zu veranschlagen ist). Der Vorschlag der Verwaltung, wegen zu geringen Spielraums für Nebenanlagen auf eine Begrenzung der zulässigen Überschreitung der Grundflächenzahl auf 30% zu verzichten und bei der gesetzlichen Überschreitung von 50% zu bleiben (vgl. Verfahrensakte S. 577), wurde ohne eine Begründung abgelehnt. Es ist mithin nicht erkennbar, aus welchen städtebaulichen Gründen die aufgezeigte Problematik in Kauf genommen wurde.
60
Abgesehen davon erscheint missverständlich, ob sich die Festsetzung I.5 zur 30%-igen Überschreitung lediglich auf die Grundflächenzahl oder auch auf die „Grundfläche der Gebäude“ bezieht.
61
c) Die Beschränkung der Zahl der Wohneinheiten je Gebäude dürfte nicht im Einklang mit der gesetzlichen Ermächtigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB stehen, die eine Festsetzung der höchstzulässigen Zahl der Wohnungen in „Wohngebäuden“ vorsieht.
62
Zwar erweist sich entgegen der Auffassung des Antragstellers die Begrenzung der Anzahl der Wohnungen durch zwei gleichzeitig geltende Höchstmaße als hinreichend bestimmt und im Einklang mit § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB.
63
§ 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB ermöglicht die Festsetzung der höchstzulässigen Anzahl von Wohnungen in Wohngebäuden durch eine absolute Zahl, aber auch durch eine Verhältniszahl, wobei sich mit der Angabe einer absoluten Zahl vor allem das städtebauliche Ziel einer einheitlichen Struktur des Gebiets in Bezug auf die Wohnform (z.B. Ein- und Zweifamilienhäuser), mit der Angabe einer relativen Zahl hingegen die Steuerung der Wohn- oder Besiedlungsdichte des Gebiets erreichen lässt. Die „gleichzeitige“ Festsetzung von zwei Höchstmaßen bringt zum Ausdruck, dass jeweils limitierend nur die Anzahl an Wohnungen zulässig ist, die beide Höchstmaße wahrt. Es sind jedoch städtebauliche Gründe gerade für diese Beschränkung der baulichen Ausnutzbarkeit der betroffenen Grundstücke erforderlich (BayVGH, U.v. 8.11.2023 – 1 N 20.558 – juris Rn. 22; NdsOVG, U.v. 18.9.2014 – 1 KN 123/12 – juris Rn. 40; VG Sigmaringen, U.v. 23.5.2017 – 3 K 3383/15 – juris Rn. 39). Spezifische städtebauliche Gründe sind umso mehr zu fordern, als die heterogene Bestandsbebauung vielfach der Festsetzung nicht entspricht.
64
Die Vorschrift ermöglicht es jedoch nicht, die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in anderen Gebäuden als Wohngebäuden festzusetzen (BVerwG, U.v. 8.10.1998 – 4 C 1.97 – BVerwGE 107, 256 = juris Rn. 16). Insoweit kann letztlich offenbleiben, ob in Anbetracht der abweichenden Bestandsbebauung spezifische städtebauliche Gründe für die doppelte Beschränkung der Anzahl der Wohnungen anzuerkennen sind, da sich der Bebauungsplan bereits aus den dargestellten Gründen als unwirksam erweist.
65
d) Es bestehen auch Zweifel an der Abgestimmtheit der Festsetzungen untereinander.
66
Festsetzungen eines Bebauungsplans müssen nicht nahtlos ineinandergreifen; sie müssen aber so aufeinander abgestimmt sein, dass das, was eine Festsetzung zulässt, nicht nach einer anderen zu einem wesentlichen Teil unzulässig ist (vgl. BayVGH, U.v. 14.7.2009 – 1 N 07.2977 – juris Rn. 51). Zwar müssen Baugrenzen in einem Bebauungsplan nicht so festgesetzt werden, dass sie dem Grundeigentümer die volle Ausschöpfung der festgesetzten Grundflächenzahl ermöglichen (BVerwG, B.v. 19.12.2007 – 4 BN 53.07 – juris Rn. 5; B.v. 29.7.1999 – 4 BN 24/99 – juris). Da die Festsetzung des Maßes der baulichen Nutzung (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO) und die Festsetzung der überbaubaren Grundstücksfläche durch Baugrenzen nach § 23 Abs. 1 BauNVO unterschiedlichen Zwecken dienen, ist jede dieser Festsetzungen für sich anzuwenden und nur im Rahmen der anderen ausnutzbar (vgl. BVerwG, B.v. 29.7.1999, a.a.O. Rn. 4). Allerdings hat der Plangeber die Festsetzung über die überbaubaren Grundstücksflächen mit der Festsetzung der Grundflächenzahl bzw. der Grundfläche aufeinander abzustimmen. Gleiches dürfte für Festsetzungen zur Baufensterpflicht von Garagen und Tiefgaragen und der gleichzeitigen Beschränkung oberirdischer Stellplätze (hier Nrn. 1.7 und 1.10 der Festsetzungen) gelten. Die kumulative Festsetzung von relativen und absoluten Maßbestimmungsfaktoren derselben Kategorie, namentlich zur Grundfläche, ist zwar trotz des Wortes „oder“ in § 16 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO möglich (vgl. OVG NW, U.v. 7.9.2001 – 7a D 111/99.NE – juris; a.A. BayVGH, U.v. 21.10.2014 – 1 N 11.1456 – juris Rn. 16), sie bedarf jedoch der Abstimmung untereinander, um widersprüchliche Festsetzungen zu vermeiden (vgl. BayVGH, U.v. 25.10.2010 – 1 N 08.1473 – juris Rn. 39; U.v. 14.7.2009 – 1 N 07.2977 – juris Rn. 51; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauNVO, Stand September 2024, § 16 Rn. 26).
67
Nach Auffassung des Senats bestehen in Anbetracht der mehrfachen gegenseitigen Limitierung Zweifel an der Abgestimmtheit der getroffenen Festsetzungen; einzelne Festsetzungen können die ihnen zugedachte Funktion jeweils nur mit erheblichen Einschränkungen erfüllen. Die im Bebauungsplan getroffenen Festsetzungen zum Nutzungsmaß bzw. zu Garagen, Stellplätzen sowie Nebenanlagen (insb. Nrn. I.4., I.5., I.7., I.8., I.10 und I.11 des Bebauungsplans) und den überbaubaren Flächen wirken mehrfach limitierend, weisen ein Missverhältnis zueinander auf und lassen die erforderliche Abgestimmtheit aufeinander vermissen. Es erscheint fraglich, ob die festgesetzte GFZ und die festgesetzte GRZ auf den Grundstücken angesichts der gesetzten Baugrenzen überhaupt zu verwirklichen sind, wenn gleichzeitig festgesetzt wird, dass die notwendigen Garagen, Carports und Stellplätze (das dürften nicht wenige sein) nur innerhalb der Baugrenzen zulässig sind und Tiefgaragen ebenfalls weitgehend nur innerhalb der Baugrenzen zu realisieren sind. So wird nach den Ausführungen in der Begründung des Bebauungsplans zwar erkannt, dass die Baufensterpflicht von Tiefgaragen die Möglichkeit zu deren Errichtung stark einschränkt und in den allermeisten Fällen eine Tiefgarage mit ihrer Abfahrt nicht vollständig innerhalb der überbaubaren Flächen untergebracht werden kann (Abfahrtsrampe und Abwicklungslänge von mind. 22 m erforderlich, vgl. S. 36 der Begründung). Aus der Baufensterpflicht von Tiefgaragen folgt, dass eine großflächige Unterbauung größerer Grundstücksteile außerhalb der Grundfläche des Hauptgebäudes in vielen Fällen scheitern wird, Tiefgaragen mit mehreren Stellplätzen mithin kaum möglich sein werden (vgl. S. 37 der Begründung). Die Realisierung eines nach den Planzeichen bzw. Nr. I.6. zulässigen Mehrfamilienhauses würde daher an der Baufensterpflicht für Garage oder Tiefgarage und der Begrenzung oberirdischer Stellplätze nach Nr. I.9 scheitern. Dabei wird erkannt, dass beispielsweise ein Zweifamilienhaus (bei jeweils mehr als 150 m² Wohnfläche) mit sechs notwendigen Stellplätzen wegen der Begrenzung oberirdischer Stellplätze auf drei nicht möglich sein wird (S. 37 der Begründung). Zwar wird zum Ausdruck gebracht, dass diese Härten bewusst in Kauf genommen würden. Dabei wird jedoch eine notwendige Abstimmung der Festsetzungen zu den erforderlichen Nebenanlagen bzw. Garagen/Stellplätzen mit der eröffneten baulichen Ausnutzung verkannt. Wird im Bebauungsplan eine bauliche Nutzung von mehreren (bis zu 6 bzw. 8) Wohnungen pro Gebäude ermöglicht, sind die Festsetzungen zu den hierfür erforderlichen Stellplätzen und Nebenanlagen in Abstimmung hierzu zu treffen. Die Festsetzung einer 30%-igen Überschreitung der Grundflächenzahl (Nr. I.5) und die Baufensterpflicht für Garagen (Nr. I.7) dürften hier einer Ausnutzung des Grundstücks nach den Festsetzungen GRZ, Wohneinheiten und GFZ weitgehend entgegenstehen.
68
e) Zweifel ergeben sich nach Auffassung des Senats auch, ob die Festsetzungen der überbaubaren Grundstücksfläche durch Baugrenzen und Baulinien dem Gleichheitsgrundsatz und in Anbetracht der Überschreitungen im Bestand von 19% dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. So ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund sich das Bestandsgebäude auf dem Grundstück FlNr. … nunmehr gänzlich außerhalb des Baufensters befindet. Es erscheint zweifelhaft, ob der generalisierende Maßstab „Erhalt eines aufgelockerten und durchgrünten Siedlungsmusters“ in Anbetracht der bereits vorhandenen Abweichungen des Bestandes von den Festsetzungen dem heterogenen Baubestand gerecht wird, oder ob insoweit nicht eine stärker differenzierende Betrachtungsweise einzufordern wäre, die einen rechtmäßig geschaffenen Baubestand möglichst weitgehend wahrt.
69
f) Schließlich dürfte die Festsetzung zur Baumerhaltung nach Nr. I.16 insofern im Widerspruch zu der Rechtsgrundlage § 9 Abs. 1 Nr. 25 Buchst. b) BauGB stehen, als sie sich auch auf festgesetzte Waldflächen erstreckt.
70
Die Vorschrift gestattet die Festsetzung von Bindungen für Bepflanzungen und für die Erhaltung (u.a.) von Bäumen ausdrücklich nicht für als Wald festgesetzte Flächen (vgl. NdsOVG, U.v. 24.2.2021 – 1 KN 75/18 – juris Rn. 59). Nr. I.16 erstreckt sich jedoch auf alle festgesetzten überbaubaren Flächen mit Ausnahme der Vorgärten, mithin auch für die im Bebauungsplan festgesetzten Waldflächen.
III.
71
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 709 Satz 1 ZPO.
72
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
73
Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO muss die Antragsgegnerin die Nummer I der Entscheidungsformel nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils in derselben Weise veröffentlichen wie die angefochtene Satzung (§ 10 Abs. 3 BauGB).