Titel:
Tierärztliche Vorprüfung, wiederholte Rücktritte, krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit, erhöhte Mitwirkungsobliegenheit nach Auflagen der Prüfungsbehörde
Normenketten:
GG Art. 12 Abs. 1
TAppV § 12
Schlagworte:
Tierärztliche Vorprüfung, wiederholte Rücktritte, krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit, erhöhte Mitwirkungsobliegenheit nach Auflagen der Prüfungsbehörde
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 06.06.2024 – M 27 K 23.2780
Fundstelle:
BeckRS 2025, 22545
Tenor
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Klägerin, die an der LMU M. im Studiengang Tiermedizin studiert, begehrt im Rahmen des anatomisch-physiologischen Abschnitts der Tierärztlichen Vorprüfung zum einen die Genehmigung ihres Rücktritts vom 21. März 2023 von der zweiten Wiederholungsprüfung im Fach Histologie und Embryologie unter Gewährung eines erneuten zweiten Wiederholungsversuchs in diesem Prüfungsfach sowie zum anderen die Gewährung eines weiteren zweiten Wiederholungsversuchs im Fach Anatomie.
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Die Klägerin studierte in den Jahren 1989 bis 1998 an der LMU zunächst im Diplomstudiengang Biologie und schloss diesen erfolgreich ab. Ab dem Sommersemester 2004 studierte sie im Promotionsstudiengang Biologie, wechselte zum Sommersemester 2006 in den Studiengang Pharmazie und zum Wintersemester 2016/2017 in den Studiengang Tiermedizin.
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Auf Antrag der Klägerin, die an einer durch ärztliches Attest nachgewiesenen Arteriitis temporalis leidet, wurde ihr mit Bescheid vom 26. Januar 2019 für die Tierärztliche Vorprüfung als Nachteilsausgleich für mündliche Prüfungen gewährt, zur Prüfung mindestens vier Wochen vor dem Prüfungstermin geladen zu werden und die Prüfungen als Einzelprüfung ablegen zu können.
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Im Fach Anatomie trat die Klägerin erstmalig am 25. März 2021 erfolglos zur mündlichen Prüfung an. Mit Bescheid vom 10. Mai 2021 erteilte das staatliche Prüfungsamt Tiermedizin (Prüfungsamt) der Klägerin, der zu diesem Zeitpunkt bereits zehn gesundheitsbedingte Prüfungsrücktritte genehmigt worden waren, die Auflage, bei einem erneuten krankheitsbedingten Rücktrittsgesuch müsse das vorzulegende ärztliche Attest konkrete Äußerungen enthalten, ob unter Berücksichtigung der bereits durchgeführten Untersuchungen ein Dauerleiden vorliege, das eine andauernde Einschränkung der Prüfungsfähigkeit nach sich ziehe, sowie ob Prüfungsängste und die damit üblicherweise einhergehenden psychosomatischen Beschwerden ausgeschlossen werden könnten.
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Mit Bescheid vom 28. Oktober 2022 erkannte der Vorsitzende des (staatlichen) Prüfungsausschusses für die Tierärztliche Vorprüfung (Vorsitzender des Prüfungsausschusses) bezüglich des insgesamt 17. Prüfungsrücktritts der Klägerin aus gesundheitlichen Gründen die in den Attesten ihres Hausarztes Dr. Sch (v. 6.10.2022) und des Amtsarztes (v. 7.10.2022) aufgeführte „akute respiratorische Erkrankung“ als triftigen Grund an und genehmigte den Rücktritt von der für den 7. Oktober 2021 vorgesehenen ersten Wiederholungsprüfung im Fach Anatomie. Er wies dabei ausdrücklich darauf hin, dass das vorgelegte amtsärztliche Attest nicht den Anforderungen und Auflagen aus dem Bescheid vom 10. Mai 2021 entspreche und die Rücktrittsgenehmigung ausnahmsweise und unter „Zurückstellung von Bedenken“ erfolge. Für zukünftige Rücktritte von der Prüfung aus gesundheitlichen Gründen sei „weiterhin ein qualifiziertes amtsärztliches Attest vorzulegen, welches den Anforderungen genügt, die mit den Hinweisen zur Ladung mitgeteilt worden sind.“ Zudem wurden die inhaltlichen Anforderungen an das vorzulegende Attest weiter konkretisiert.
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Von der erneuten ersten Wiederholungsprüfung im Fach Anatomie am 21. Dezember 2022 trat die Klägerin ebenfalls krankheitsbedingt zurück. Mit Bescheid vom 23. Januar 2023 lehnte der Vorsitzende des Prüfungsausschusses ihren Antrag auf Genehmigung dieses insgesamt 18. Rücktritts ab. Zur Begründung führte er aus, das vorgelegte amtsärztliche Attest entspreche nicht den Vorgaben der Prüfungsbehörde. Damit sei ein triftiger Grund für den Rücktritt nicht nachgewiesen und die erste Wiederholungsprüfung mit der Note „nicht ausreichend“ zu bewerten. Ihre Klage auf Verpflichtung des Beklagten zur Genehmigung dieses Rücktritts blieb auch in zweiter Instanz ohne Erfolg (BayVGH, U.v. 31.7.2025 – 7 B 25.450 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Mit Ladung vom 23. Januar 2023, der Klägerin mit Postzustellungsurkunde am 25. Januar 2023 zugestellt, wurde die Klägerin zur vorliegend streitgegenständlichen zweiten Wiederholungsprüfung im Fach Anatomie für den 1. März 2023 geladen. Sie legte die Prüfung ab und erzielte die Note „nicht ausreichend – 5“.
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Im Fach Histologie und Embryologie trat die Klägerin erstmalig am 16. September 2022 ohne Erfolg zur Prüfung an. Die erste Wiederholungsprüfung am 17. Januar 2023 bestand die Klägerin ebenfalls nicht. Mit Ladung vom 13. Februar 2023 wurde sie zur streitgegenständlichen zweiten Wiederholungsprüfung im Fach Histologie und Embryologie für den 21. März 2023 geladen. Mit Schreiben vom 21. März 2023 erklärte die Klägerin den – im Fach Histologie und Embryologie zehnten – insgesamt 19. Rücktritt von dieser Prüfung und legte zum Nachweis krankheitsbedingter Prüfungsunfähigkeit ein ärztliches Attest ihres Hausarztes Dr. Sch vom 20. März 2023 vor, der ihr bestätigte, aufgrund „einer akuten Infektionserkrankung (Erkältungsinfekt, Virusbronchitis, Kopf-Gliederschmerzen, Mattigkeit, Reizhusten, Stirnkopfschmerzen, Übelkeit, Halsschmerzen) seit 17.03.2023 mit ausgeprägter Übelkeit, Erkältungsanzeichen, Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit und Husten“ nicht an der Prüfung im Fach Histologie und Embryologie teilnehmen zu können. Das Attest führt ferner aus: „Es handelt sich um eine akute Erkrankung, kein Dauerleiden mit andauernder Einschränkung der Prüfungsfähigkeit. Prüfungsängste bzw. psychosomatische Beschwerden können ausgeschlossen werden.“ Zudem legte sie ein amtsärztliches Attest vom 21. März 2023 vor, das die Prüfungsunfähigkeit der Klägerin bestätigte.
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Mit Bescheid vom 8. Mai 2023 stellte der Vorsitzende des Prüfungsausschusses fest, dass die Klägerin im Fach Anatomie in der zweiten Wiederholung der Prüfung am 1. März 2023 die Note „nicht ausreichend – 5“ erzielt hat (Nr. 1). Dem Antrag auf Genehmigung des Rücktritts vom 21. März 2022 (korrekt 2023) von der zweiten Wiederholungsprüfung im Fach Histologie und Embryologie gab er nicht statt. Er stellte fest, dass die Prüfung als versäumt gilt und mit „nicht ausreichend – 5“ bewertet wird (Nr. 2) sowie dass die Tierärztliche Vorprüfung somit in den Fächern Anatomie sowie Histologie und Embryologie als endgültig nicht bestanden gilt (Nr. 3).
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Die Klägerin erhob unter Vorlage einer Kopie dieses Bescheids fristgerecht Klage zum Verwaltungsgericht und führte zunächst aus, diese richte sich „gegen den Bescheid des Beklagten vom 08.05.2023“. Im Zuge der Klagebegründung stellte sie mit Schriftsatz vom 19. Februar 2024 folgende Anträge: „I. Der Bescheid vom 08.05.2023 … wird aufgehoben. II. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Antrag der Klägerin vom 21.03.2023 auf Rücktritt (Genehmigung der Versäumnis) von der zweiten Wiederholungsprüfung im Fach ‚Histologie und Embryologie‘ stattzugeben.“ Mit Schreiben vom 24. Mai 2024 wies das Verwaltungsgericht die Klägerin darauf hin, dass die Klage voraussichtlich unzulässig sei, weil jedenfalls im Fach Anatomie bislang lediglich die Aufhebung des Bescheids beantragt und kein Verpflichtungsantrag gestellt worden sei. Die daraufhin insoweit erfolgte Umstellung auf eine Verpflichtungsklage erachtete das Verwaltungsgericht als unzulässige Klageänderung und wies die Klage mit Urteil vom 6. Juni 2024 insgesamt als unzulässig ab.
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Mit der vom Senat zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzziel weiter. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, die Bewertung der zweiten Wiederholungsprüfung im Fach Anatomie sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Rechten. Trotz ausdrücklichen Antrags der Klägerin sei die Prüfung erneut als Einzelprüfung und nicht als Gruppenprüfung durchgeführt worden. Zudem wiederholte sie Verfahrensrügen, die sie mit Schriftsatz vom 19. Februar 2024 gegenüber dem Verwaltungsgericht geltend gemacht hatte. Entgegen des ihr gewährten Nachteilsausgleichs sei sie zu kurzfristig zur Prüfung geladen worden. Zudem habe man sie zu lange geprüft. Auch sei die Prüfung fehlerhaft als „zweite“ und nicht als „erste“ Wiederholungsprüfung durchgeführt worden.
11
Im Fach Histologie und Embryologie habe die Klägerin einen Anspruch auf Genehmigung ihres am 21. März 2023 erklärten Rücktritts. Sie habe insoweit ein hinreichend aussagekräftiges amtsärztliches Attest vorgelegt. Die Feststellung in Nr. 3 des angegriffenen Bescheids vom 8. Mai 2023 sei daher rechtswidrig.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 6. Juni 2024 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 8. Mai 2023 zu verpflichten, die Klägerin zur erneuten Ablegung der Prüfung „Anatomie“ zuzulassen sowie dem Antrag der Klägerin vom 21. März 2023 auf Rücktritt (Genehmigung der Versäumnis) von der zweiten Wiederholungsprüfung im Fach „Histologie und Embryologie“ zu entsprechen und die Klägerin zur erneuten Ablegung der Prüfung zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen
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und führt zur Begründung insbesondere aus, die Einzelprüfung im Fach Anatomie beruhe auf einem der Klägerin mit Bescheid vom 28. Januar 2019 gewährten Nachteilsausgleich. Vor der Prüfung am 1. März 2023 habe kein Antrag der Klägerin auf Änderung des Nachteilsausgleichs vorgelegen. Die Klägerin sei nicht unverhältnismäßig lange geprüft worden. Die Prüfer hätten ihr lediglich die Chance geben wollen, die Prüfung zu bestehen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Genehmigung ihres Rücktritts vom 21. März 2023 im Fach Histologie und Embryologie. Sie habe mit den von ihr vorgelegten (amts)ärztlichen Attesten die ihr vom Prüfungsamt zulässigerweise auferlegten Vorgaben nicht erfüllt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 31. Juli 2025 sowie auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
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Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist die von der Klägerin am 6. Juni 2023 erhobene Klage zulässig (nachfolgend I.). Sie ist jedoch insgesamt unbegründet (nachfolgend II.), was zur Zurückweisung der Berufung führt.
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I. Die Klage ist zulässig.
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Entgegen den Feststellungen des Verwaltungsgerichts ist die Klage zulässig. Unter Berücksichtigung des Klageantrags und der Klagebegründung im Schriftsatz vom 19. Februar 2024 an das Verwaltungsgericht richtet sich das Rechtsschutzziel der Klägerin bezüglich Nr. 1 des angegriffenen Bescheids vom 8. Mai 2023 auf die Aufhebung der feststellenden Verfügung „nicht ausreichend – 5“. Aus der Klagebegründung wird deutlich, dass die Klägerin insoweit (erste Wiederholungsprüfung im Fach Anatomie v. 1.3.2023) Verfahrensmängel (u.a. Ladungsfrist, Einzelstatt Gruppenprüfung, Prüfungsdauer) geltend macht. Ihr Klagebegehren war damit von Anfang an erkennbar darauf gerichtet, den für sie nachteiligen Verwaltungsakt zu beseitigen und ihren diesbezüglichen Prüfungsanspruch im Fach Anatomie wiederaufleben zu lassen. Sie begehrte insoweit gerade nicht den Erlass eines sie begünstigenden Verwaltungsakts durch die Prüfungsbehörde. Insbesondere bedurfte es für die Fortsetzung des Prüfungsverfahrens im Fach Anatomie keiner erneuten, von der Prüfungsbehörde zu verfügenden Zulassung zur Prüfung. Die Klägerin war bereits mit Bescheid vom 6. Juni 2018 zur Tierärztlichen Vorprüfung zugelassen worden (§§ 8, 23 der Verordnung zur Approbation von Tierärztinnen und Tierärzten vom 27.7.2006, BGBl I S. 1827, zuletzt geändert durch Gesetz vom 15.8.2019, BGBl I S. 1307 – TAppV). Das Rechtsschutzziel der Klägerin bezüglich Nr. 1 des angegriffenen Bescheids beschränkte sich daher zu Recht auf dessen Aufhebung. Bei Vorliegen von Verfahrensfehlern ist die Anfechtungsklage hinreichend rechtsschutzintensiv und damit gemäß § 42 Abs. 1 Halbs. 1 VwGO statthafte Klageart (vgl. Dieterich in Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 825).
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II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf erneutes Ablegen der zweiten Wiederholungsprüfung im Fach Anatomie (nachfolgend 1.) noch auf Genehmigung ihres Rücktritts von der zweiten Wiederholungsprüfung im Fach Histologie und Embryologie (nachfolgend 2.).
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1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf erneutes Ablegen der zweiten Wiederholungsprüfung im Fach Anatomie. Nr. 1 des angegriffenen Bescheids des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses vom 8. Mai 2023 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in eigenen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat die Prüfung im Fach Anatomie zweimal ohne Erfolg wiederholt. Eine weitere Wiederholung kommt nicht in Betracht, § 17 Abs. 1 Satz 1 TAppV. Der Vorsitzende des Prüfungsausschusses hat damit die Prüfung zu Recht in Nr. 3 des Bescheids für endgültig nicht bestanden erklärt, § 17 Abs. 1 Satz 3 TAppV.
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a) Mit der Rüge von Mängeln im Prüfungsverfahren, auf die sich die Klägerin erstmalig vor dem Verwaltungsgericht berufen hat (Schriftsatz v. 19.2.2024), dringt sie nicht durch. Sie hätte diese unmittelbar nach der mündlich-praktischen Prüfung am 1. März 2023 gegenüber der Prüfungsbehörde rügen müssen. Diese Obliegenheit resultiert aus dem auch im Prüfungsrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben. Unterlässt der Prüfling eine ihm zumutbare zeitnahe Rüge eines Fehlers des Prüfungsverfahrens, so ist ihm die spätere Berufung auf die Beachtlichkeit dieses Fehlers verwehrt (vgl. Jeremias in Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, Rn. 214).
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b) Zudem liegen die von der Klägerin im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens gerügten Mängel im Prüfungsverfahren nicht vor.
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aa) Ihr Einwand, sie sei zur mündlichen Prüfung am 1. März 2023 nicht fristgerecht geladen worden, verfängt nicht. Mit Bescheid vom 26. Januar 2019 wurde der Klägerin als Nachteilsausgleich zugestanden, mindestens vier Wochen vor der Prüfung geladen zu werden. Die Ladung zur streitgegenständlichen zweiten Wiederholungsprüfung im Fach Anatomie für den Prüfungstermin 1. März 2023 erfolgte mit Schreiben vom 23. Januar 2023, das der Klägerin mit Postzustellungsurkunde am 25. Januar 2023 und damit mehr als einen Monat vor dem Prüfungstermin zugegangen ist.
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bb) Ebenso wenig dringt die Klägerin damit durch, die Prüfung hätte nicht als „zweite“, sondern als „erste“ Wiederholungsprüfung abgenommen werden müssen. Ungeachtet dessen, dass die Klägerin jegliche Argumentation vermissen lässt, inwieweit die „Nummerierung“ der Wiederholungsprüfung überhaupt einen Mangel des Prüfungsverfahrens darstellen kann, liegt ein solcher jedenfalls nicht vor. Die Klägerin war bereits zum Termin 21. Dezember 2022 zur ersten Wiederholungsprüfung im Fach Anatomie geladen worden, erklärte jedoch einen krankheitsbedingten Rücktritt von dieser Wiederholungsprüfung. Dieser wurde vom Vorsitzenden des Prüfungsausschusses nicht genehmigt und die Prüfung mit der Note „nicht ausreichend – 5“ bewertet. Ihre hiergegen erhobene Klage blieb auch in zweiter Instanz ohne Erfolg (vgl. BayVGH, U.v. 31.7.2025 – 7 B 25. 450 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Die Prüfung am 1. März 2023 erfolgte somit ordnungsgemäß als „zweite“ Wiederholungsprüfung.
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cc) Es ist nicht zu beanstanden, dass die Klägerin in einer Einzelprüfung statt wie von § 10 Abs. 2 TAppV vorgesehen in der Gruppe geprüft wurde. Dieses Vorgehen entspricht dem der Klägerin mit Bescheid vom 26. Januar 2019 antragsgemäß gewährten Nachteilsausgleich. Nach Aktenlage hat die Klägerin erstmalig mit E-Mail vom 8. März 2023 und damit zeitlich der streitgegenständlichen Prüfung nachfolgend gegenüber dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses beantragt, den ihr gewährten Nachteilsausgleich zu modifizieren und sie künftig in der Gruppe zu prüfen. Mit E-Mail vom 17. März 2023 an das Prüfungsamt, das sie darauf hingewiesen hatte, dass die Prüfungsplanung für die anstehende Prüfung im Fach Histologie und Embryologie bereits abgeschlossen sei, stellte die Klägerin zudem klar, dass sich ihr Antrag auf Änderung des ihr gewährten Nachteilsausgleichs nicht auf das Wintersemester 2022/2023, sondern auf das kommende Sommersemester 2023 beziehe.
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d) Auch der Einwand, zu lange geprüft worden zu sein, verhilft der Klägerin nicht zum Erfolg. Ihr Vorbringen, sie sei mehr als zwei Stunden geprüft worden, ist unzutreffend. Ausweislich des Prüfungsprotokolls erstreckte sich die Prüfungszeit auf insgesamt 67 Minuten. Die Verordnung zu Approbation von Tierärztinnen und Tierärzten normiert die Prüfungszeit für mündliche Prüfungen im Rahmen des Physikums nicht. Allerdings schreibt § 14 Abs. 1 Satz 3 TAppV vor, dass die Note „nicht ausreichend“ in einer mündlichen Prüfung nur erteilt werden darf, wenn die Studierenden mindestens 20 Minuten geprüft worden sind. Damit soll sichergestellt werden, dass den Studierenden ausreichend Zeit eingeräumt wird, ihr Prüfungswissen unter Beweis stellen zu können, bevor die Prüfung mit der Note „nicht ausreichend“ bewertet wird. Dieser Voraussetzung wurde vorliegend Genüge getan. Die Prüfungsdauer von 67 Minuten, die von der Klägerin pauschal als „zu lange“ gerügt wurde, ist vorliegend nicht zu beanstanden. Aus der detaillierten Niederschrift über die zweite Wiederholungsprüfung in Anatomie vom 1. März 2023 ergibt sich nachvollziehbar, dass der zeitliche Umfang der Prüfung daher rührt, dass die Prüfenden der Klägerin die Chance haben einräumen wollen, die Prüfung (noch) zu bestehen. Dafür spricht u.a., dass die Klägerin in drei unterschiedlichen Themengebieten (Oberarmmuskulatur Hund, Magen Pferd, Situs Katze) geprüft wurde. Die Prüfung wurde gleichwohl mit „nicht ausreichend – 5“ bewertet und ihr das Ergebnis am Ende der Prüfung bekannt gegeben, § 14 Abs. 3 TAppV. Dass ihre Prüfungsleistung vor Ablauf der Prüfungszeit besser als „nicht ausreichend“ gewesen wäre und sie die Prüfung bestanden hätte, wäre diese früher beendet worden, ist nicht erkennbar. Auch die Klägerin trägt dies nicht vor.
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c) Da die Klägerin die Prüfung Anatomie bereits zweimal ohne Erfolg wiederholt hat, kommt eine weitere Wiederholung nicht in Betracht, § 17 Abs. 1 Satz 1 TAppV. Der Vorsitzende des Prüfungsausschusses hat damit die Prüfung zu Recht für endgültig nicht bestanden erklärt, § 17 Abs. 1 Satz 3 TAppV. Dies hat zur Folge, dass die Klägerin die Tierärztliche Vorprüfung bereits aus diesem Grund insgesamt nicht bestanden hat, § 16 Abs. 3 TAppV.
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2. Darüber hinaus steht der Klägerin kein Anspruch auf Genehmigung ihres Rücktritts vom 21. März 2023 von der zweiten Wiederholungsprüfung im Fach Histologie und Embryologie zu, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Da sie somit die Prüfung auch im Fach Histologie und Embryologie bereits zweimal erfolglos wiederholt hat, hat sie keinen Anspruch auf Gewährung eines weiteren Wiederholungsversuchs, § 17 Abs. 1 Satz 1 TAppV.
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a) Studierende, die aus triftigem Grund einen Prüfungstermin oder die Frist zur Abgabe eines schriftlichen Befundprotokolls versäumen, sind zu einer neuen Prüfung zu laden, die nicht als Wiederholungsprüfung gilt, oder ihnen ist eine neue Frist zu setzen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 TAppV). Der Grund der Versäumnis ist dem oder der Vorsitzenden unverzüglich auch schriftlich mitzuteilen und auf Verlangen glaubhaft zu machen (§ 12 Abs. 2 Satz 2 TAppV). Im Falle der Versäumnis wegen Krankheit ist zusätzlich eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen (§ 12 Abs. 2 Satz 3 TAppV). Der oder die Vorsitzende kann verlangen, dass das Zeugnis eines Gesundheitsamts vorgelegt wird (§ 12 Abs. 2 Satz 4 TAppV). Die Leistungen der Studierenden in der betreffenden Prüfung gelten bei Versäumnis ohne triftigen Grund als „nicht ausreichend“ (§ 12 Abs. 2 Satz 5 TAppV). Gemäß § 12 Abs. 3 TAppV gilt Absatz 2 entsprechend, wenn die Studierenden eine Prüfung abbrechen oder von ihr zurücktreten.
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Die dem Prüfungsrechtsverhältnis innewohnende Obliegenheit, am Prüfungsverfahren mitzuwirken, umfasst neben dem Erfordernis der unverzüglichen Rücktrittserklärung und Geltendmachung des triftigen Grunds weitere Anforderungen an den Prüfling. Hierzu gehört die in § 12 Abs. 2 Satz 4 TAppV ausdrücklich geregelte Obliegenheit, auf Verlangen der Prüfungsbehörde im Krankheitsfall das Zeugnis eines Gesundheitsamts vorzulegen. Diese Obliegenheit hat ihren Rechtsgrund in dem auch im Prüfungsrechtsverhältnis geltenden Grundsatz von Treu und Glauben. Ihre Verletzung kann dazu führen, dass die Prüfungsbehörde das Vorliegen eines triftigen Grunds ablehnt, weil dieser nicht erwiesen ist; denn hierfür trägt der Prüfling die materielle Beweislast (so bereits BVerwG, U.v. 22.10.1982 – 7 C 119.81 – juris Rn. 11 m.w.N.; vgl. BayVGH, U.v. 4.12.2023 – 7 B 22.2267 – juris Rn. 26).
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b) Dies berücksichtigend hat es die Klägerin trotz der ihr von der Prüfungsbehörde zulässigerweise auferlegten Verpflichtung versäumt, einen triftigen Grund i.S.v. § 12 Abs. 2 Satz 1 und 4, Abs. 3 TAppV für den Rücktritt von der Prüfung am 21. März 2023 mittels eines qualifizierten amtsärztlichen Attests glaubhaft zu machen. Mit der Vorlage des fachärztlichen Attests vom 20. März 2023 und des amtsärztlichen Attests vom 21. März 2023 genügte sie ihren Mitwirkungspflichten nicht. Dies geht zu ihren Lasten.
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aa) Sämtlichen Ladungen zu den jeweiligen Prüfungen der Tierärztlichen Vorprüfung, auch der Ladung vom 13. Februar 2023 zur streitgegenständlichen zweiten Wiederholungsprüfung im Fach Histologie und Embryologie, waren die „Hinweise zur Tierärztlichen Vorprüfung und Tierärztlichen Prüfung TVP/TP“ beigefügt. Diesen ist unter Nr. 2.3 („Notwendigkeit der Vorlage eines amtsärztlichen Attests des zuständigen Gesundheitsamts“) ausdrücklich zu entnehmen, dass ab dem zweiten Rücktrittsgesuch aus gesundheitlichen Gründen grundsätzlich ein amtsärztliches Attest vorzulegen ist und welche Anforderungen an den Inhalt eines solchen Attests gestellt werden (Nr. 2.4 „Mindestanforderungen an ein (amts)ärztliches Attest“). Zudem war der Klägerin mit Bescheid vom 22. Oktober 2022 aufgegeben worden, sollte sie künftig aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Prüfung teilnehmen können, „weiterhin ein qualifiziertes amtsärztliches Attest“ vorlegen zu müssen, welches den Anforderungen genüge, die mit den Hinweisen zur Ladung mitgeteilt worden seien. Der/oder die untersuchende Amtsarzt/Amtsärztin möge auch dazu Stellung nehmen, ob unter Berücksichtigung der bisherigen Untersuchungen und Rücktritte eine dauerhafte Einschränkung der Prüfungsfähigkeit (Dauererkrankung) sowie Prüfungsängste und die damit üblicherweise einhergehenden psychosomatischen Beschwerden ausgeschlossen werden könnten. Dieser Genehmigungsbescheid sei dem/der Amtsarzt/Amtsärztin vorzulegen.
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bb) Der Vorsitzende des Prüfungsausschusses war gemäß § 12 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 TAppV befugt, von der Klägerin die Vorlage eines Zeugnisses eines Gesundheitsamts zu verlangen. Auch die inhaltlichen Anordnungen an ein vorzulegendes „qualifiziertes amtsärztliches Attest“ sind nicht zu beanstanden.
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Die der Klägerin verfahrensmäßig auferlegte Verpflichtung stellt keinen unverhältnismäßigen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG dar. Die Klägerin war seit 2018 bereits 17 Mal aus gesundheitlichen Gründen von Prüfungen der Tierärztlichen Vorprüfung zurückgetreten. Die krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit trat dabei üblicherweise unmittelbar vor dem Prüfungstermin auf und beruhte überwiegend auf Atemwegserkrankungen, die ihr von ihrem Hausarzt Dr. Sch regelmäßig am Tag vor Beginn der Prüfung bestätigt wurden. Seitdem die Prüfungsbehörde in ihrem Schreiben vom 10. Mai 2021 ärztliche Äußerungen zu den Themen Dauerleiden und Prüfungsängste angeordnet hatte, bestätigte Dr. Sch in jedem weiteren Attest (v. 3.9.2021, 23.11.2021, 23.2.2022, 7.10.2022, 21.12.2022) mit identischer Wortwahl den Ausschluss von Dauerleiden bzw. Prüfungsangst. Dabei ging er jedoch weder auf die Häufigkeit der auftretenden Erkrankungen, einen etwaigen Zusammenhang mit der Grunderkrankung der Klägerin bzw. deren Therapie noch auf die jeweilige zeitliche Koinzidenz mit den Prüfungsterminen ein.
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Dies berücksichtigend war die Prüfungsbehörde aus Gründen der prüfungsrechtlichen Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG) sogar gehalten, der Klägerin, der allein im Fach Histologie und Embryologie bereits neun zusätzliche Prüfungschancen gewährt worden waren, aufzugeben, eine erneute krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit von einem Amtsarzt begutachten zu lassen und konkrete inhaltliche Anforderungen an das vorzulegende amtsärztliche Attest zu formulieren (vgl. BayVGH, U.v. 4.12.2023 – 7 B 22.2267 – juris Rn. 31). Da die Klägerin seit Jahren an einer Arteriitis temporalis leidet, die nach ihren Angaben schubweise auftritt und u.a. mit hohen Kortisongaben behandelt wird, und auch eine schubweise auftretende Erkrankung, in deren Verlauf es zu Phasen höherer und niedrigerer Leistungsfähigkeit kommt, ein Dauerleiden darstellen kann (vgl. Jeremias in Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, Rn. 301a m.w.N.), musste sich der Prüfungsbehörde auch unter Berücksichtigung der Prüfungshistorie der Klägerin die Frage geradezu aufdrängen, ob die geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin stets nur vorübergehender Natur oder doch Symptome eines nicht berücksichtigungsfähigen Dauerleidens oder etwa Ausdruck von Prüfungsangst waren (vgl. BVerwG, B.v. 25.6.2024 – 6 B 7.24 – juris Rn. 20).
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cc) Den von der Prüfungsbehörde eindeutig und wiederholt formulierten Anforderungen wird das vorgelegte amtsärztliche Attest vom 21. März 2023 nicht gerecht. Es ist erkennbar nicht geeignet, das Vorliegen eines triftigen Grunds i.S.v. § 12 Abs. 2 Satz 1 bis 4, Abs. 3 TAppV zu belegen.
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Im amtsärztlichen Attest vom 21. März 2023 heißt es: „Frau S* … wurde am 21.03.2023 aus Anlass einer von ihr geltend gemachten Prüfungsunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen amtsärztlich untersucht. Frau S* … habe die Prüfung nicht angetreten, da sie sich seit dem 17.03.2023 wegen einer fachärztlich festgestellten akuten respiratorischen Erkrankung mit Kopfschmerzen, Übelkeit, trockenem Husten, Erkältungszeichen und Müdigkeit im Krankenstand befindet. Diese Erkrankung stellt kein Dauerleiden dar. Psychosomatische Beschwerden oder Prüfungsängste werden als Ursache für den heutigen Krankenstand ausgeschlossen. Aus amtsärztlicher Sicht ist zum heutigen Termin deshalb Prüfungsunfähigkeit gegeben.“
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Das amtsärztliche Attest gibt damit zunächst die vom Hausarzt der Klägerin mit Attest vom 20. März 2023 festgestellten gesundheitlichen Einschränkungen (teilweise) wieder. Dies wird bereits daraus deutlich, dass der Amtsarzt einleitend eine Formulierung in indirekter Rede wählt („Frau S* … habe die Prüfung nicht angetreten…“) sowie aus der Aussage, die Klägerin befinde sich „seit 17.03.2023“ im Krankenstand. Dass die Klägerin seit dem 17. März 2023 Erkältungsanzeichen aufgewiesen habe, ergibt sich ebenfalls aus dem Attest ihres Hausarztes. Die weiteren Formulierungen des Amtsarztes „Diese Erkrankung stellt kein Dauerleiden dar. Psychosomatische Beschwerden und Prüfungsängste werden als Ursache für den heutigen Krankenstand ausgeschlossen“ beinhalten ebenfalls (nur) eine schlichte Wiedergabe der hausärztlich attestierten Einschätzung, die jedoch wohl versehentlich sprachlich nicht durch die Verwendung indirekter Rede gekennzeichnet wurde, nicht jedoch – wie die Klägerin meint – eine eigenständige amtsärztliche Aussage zum Vorliegen eines Dauerleidens oder von Prüfungsängsten. Denn es fehlen jegliche amtsärztliche Erläuterungen, die es der Prüfungsbehörde ermöglicht hätten, zu entscheiden, ob den häufigen Erkrankungen der Klägerin ein Dauerleiden zu Grunde liegt. Bei dieser Frage handelt es sich um eine Rechtsfrage, die nicht vom (Amts) Arzt, sondern von der Prüfungsbehörde in eigener Verantwortung auf der Grundlage der (amts)ärztlichen Stellungnahme zu beantworten ist (vgl. BVerwG, B.v. 6.8.1996 – 6 B 17.96 – juris Rn. 6). Des Weiteren fehlen inhaltliche Ausführungen des Amtsarztes dazu, warum die Erkrankung der Klägerin nicht Ausdruck von Prüfungsangst ist.
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dd) Dass das amtsärztliche Attest vom 21. März 2023 den von der Prüfungsbehörde formulierten Anforderungen nicht entspricht, fällt vorliegend in die Sphäre der Klägerin.
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Aufgrund der klaren und unmissverständlichen Anordnungen der Prüfungsbehörde vom 22. Oktober 2022 und ihrer Erfahrung aus dem Verfahren bezüglich des dem hier streitgegenständlichen Rücktritts im Fach Histologie und Embryologie (19. Rücktritt) unmittelbar vorangegangenen Prüfungsrücktritt von der ersten Wiederholungsprüfung im Fach Anatomie (18. Rücktritt) am 21. Dezember 2022 musste der Klägerin bewusst sein, dass sie eine weitere krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit mittels Vorlage eines qualifizierten amtsärztlichen Attests nachzuweisen hatte, das (unter Würdigung der bisherigen Untersuchungen und Rücktritte) insbesondere explizite Angaben zur Frage des Vorliegens einer Dauererkrankung und zu Prüfungsängsten enthalten muss. Es hätte ihr oblegen, den Amtsarzt auf das zwingende Erfordernis diesbezüglicher Ausführungen hinzuweisen. Dass sie dies unterlassen hat, stellt ein Verschulden gegen sich selbst dar.
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Der Klägerin war insbesondere offenkundig, dass das Gesundheitsamt zu einer eigenständigen Beurteilung der Frage des Vorliegens von Prüfungsangst nicht in der Lage ist, und sie diesem hierfür ein aktuelles neurologisch-psychiatrisches Gutachten hätte vorlegen müssen. Hierauf hatte sie Amtsarzt V. ausdrücklich hingewiesen. Dies ergibt sich aus dem aktenkundigen E-Mail-Verkehr zwischen der Klägerin, dem Prüfungsamt und Amtsarzt V. im Nachgang zur Ablehnung des Rücktritts von der ersten Wiederholungsprüfung im Fach Anatomie vom 21. Dezember 2022. Diesen lehnte der Vorsitzende des Prüfungsausschusses mit Bescheid vom 23. Januar 2023 mit der Begründung ab, das vorgelegte amtsärztliche Attest vom 21. Dezember 2022 entspreche nicht den von der Prüfungsbehörde formulierten Anforderungen. Im Nachgang informierte Amtsarzt V., der die Klägerin am 21. Dezember 2022 untersucht und das amtsärztliche Attest ausgestellt hatte, mit E-Mail vom 25. Januar 2023 das Prüfungsamt, dass amtsärztliche Aussagen zu Prüfungsangst nicht pauschal ohne vorherige Testung getroffen werden könnten. Diese könne aufgrund des diagnostischen Aufwands und fehlender psychologischer Testexpertise nicht vom Gesundheitsamt erfolgen und müsse an einen Zweitgutachter abgegeben werden. Die Klägerin erhielt diese E-Mail in „Cc“. Am 9. Februar 2023 wandte sich Amtsarzt V. zudem per E-Mail unmittelbar an die Klägerin und führte u.a. wörtlich aus: „Ich möchte Sie an meinen Hinweis aus dem letzten Gespräch erinnern, dass amtsärztliche Atteste anhand Ihres vorgelegten Schreibens vom Prüfungsamt vom 28.10.2022 nur anhand eines solchen neurologisch-psychiatrischen Gutachtens aktuellen Datums und unter Beantwortung der Frage zu vorliegenden Prüfungsängsten und damit üblicherweise einhergehenden psychosomatische[n] Beschwerden vollständig ausgestellt werden können.“ Spätestens seit 9. Februar 2023 war damit für die Klägerin offenkundig, dass sie im Fall eines weiteren krankheitsbedingten Rücktritts dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses zum Nachweis des Vorliegens eines triftigen Grundes ein qualifiziertes amtsärztliches Attest vorlegen muss, das ausdrücklich auf die Themen „Dauerleiden“ und „Prüfungsangst“ eingeht, um den Anforderungen aus dem Bescheid vom 22. Oktober 2022 gerecht zu werden. Es musste ihr zudem bewusst sein, dass sie dem Gesundheitsamt dazu ein aktuelles neurologisch-psychiatrisches Gutachten eines Facharztes vorlegen muss, das dem Amtsarzt ermöglicht, nachzuvollziehen, ob die bei der Klägerin festgestellten Krankheitssymptome auf das Vorliegen von Prüfungsangst zurückzuführen sind. Dass sie dies unterlassen hat, stellt einen Verstoß gegen ihre Mitwirkungsobliegenheiten im Prüfungsverhältnis dar. Es hätte ihr ferner oblegen, den Amtsarzt nochmals darauf hinzuweisen, dass es zur Erfüllung der Anforderungen aus dem Bescheid des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses vom 22. Oktober 2022 ferner notwendig ist, dass das Attest substantiierte Ausführungen zur Frage enthält, ob die Erkrankung der Klägerin auf ein Dauerleiden zurückzuführen ist.
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Die Klägerin ist damit ihren Mitwirkungsobliegenheiten nicht ansatzweise nachgekommen. Dies geht zu ihren Lasten. Erst wenn der Rücktrittsgrund nach den am Maßstab der Zumutbarkeit ausgelegten Verfahrensregeln im Rechtssinne unverzüglich mitgeteilt und belegt ist, kann sich die zuständige Prüfungsbehörde der Frage zuwenden, ob ein wichtiger Grund tatsächlich vorliegt und ein neuer Versuch zu gewähren ist. Eine Verletzung der Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung hat regelmäßig zur Folge, dass es für den Prüfungsabschnitt oder Prüfungsteil auch dann bei der Note „nicht ausreichend“ bleibt, wenn objektiv ein wichtiger Grund für den Rücktritt vorgelegen hat (vgl. zu § 19 ÄApprO BVerwG, B.v. 25.6.2024 – 6 B 7.24 – juris LS 1). Die Klägerin kann sich insoweit nicht darauf berufen, sie habe sich auf die Aussagen des Amtsarztes, dass ihre neuerliche Erkrankung weder auf ein Dauerleiden noch auf Prüfungsangst zurückzuführen war, verlassen können. Der von ihr hierzu herangezogenen Rechtsprechung (vgl. BVerwG, B.v. 22.6.1993 – 6 B 9.93 – juris Rn. 3; BayVGH, U.v. 2.6.2022 – 7 B 21.349 – juris Rn. 36) lag eine dem vorliegenden Fall nicht vergleichbare Sachverhaltskonstellation zu Grunde.
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Die Klägerin hat damit nicht glaubhaft gemacht, dass für ihren Prüfungsrücktritt vom 21. März 2023 im Fach Histologie und Embryologie ein triftiger Grund i.S.v. § 12 Abs. 2 Satz 1 bis 4, Abs. 3 TAppV vorgelegen hat. Es ist damit nicht zu beanstanden, dass der Vorsitzende des Prüfungsausschusses die zweite Wiederholungsprüfung als ohne triftigen Grund versäumt und damit als „nicht ausreichend“ bewertet hat, § 12 Abs. 2 Satz 5, Abs. 3 TAppV. Dies hat ebenfalls zur Folge, dass die Prüfung gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 TAppV als endgültig nicht bestanden gilt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ff. ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.