Inhalt

VGH München, Urteil v. 25.07.2025 – 24 BV 24.320
Titel:

Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit - "Junge Alternative" als Vereinigung iSd § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG 

Normenketten:
VwGO § 86 Abs. 1, § 108 Abs. 1
WaffG § 5 Abs. 2 Nr. 3, § 45, § 46
BVerfSchG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1, Abs. 2
Leitsätze:
1. Für die Annahme einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b bzw. c WaffG muss feststehen, dass eine Vereinigung Bestrebungen i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG verfolgt (Regelbeweismaß der vollen richterlichen Überzeugung). Es genügt nicht, dass (nur) Tatsachen die Annahme der Verfolgung solcher Bestrebungen rechtfertigen. (Rn. 22 ff.)
2. Zur Bildung der richterlichen Überzeugung davon, dass eine Vereinigung solche verfassungsfeindlichen Bestrebungen verfolgt, können maßgeblich Einschätzungen der Verfassungsschutzbehörden herangezogen werden, weil die einschlägigen Tatbestandsmerkmale des Waffen- und des Verfassungsschutzrechts die gleiche inhaltliche Bedeutung haben. Dem erforderlichen Beweismaß der vollen richterlichen Überzeugung entspricht inhaltlich allerdings nur die verfassungsschutzbehördliche Kategorie der „gesichert extremistischen Bestrebung“. (Rn. 37 ff.)
3. Die „Junge Alternative für Deutschland“ war (erst) seit ihrer Einstufung als „gesichert extremistische Bestrebung“ durch das Bundesamt für Verfassungsschutz mit Gutachten vom 28. März 2023 eine Vereinigung, die Bestrebungen i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa WaffG verfolgt hat. (Rn. 51 ff. und 61ff.)
4. Eine Unterstützung i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c WaffG ist jedes individuell-zurechenbare, nicht nur geringfügige Tätigwerden, das abstrakt geeignet ist, sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten einer verfassungsfeindlichen Vereinigung auszuwirken. In subjektiver Hinsicht setzt eine Unterstützungshandlung erstens voraus, dass der Erlaubnisinhaber die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der Vereinigung erkennt, und zweitens, dass die von seinem Willen getragene Handlung der Vereinigung förderlich sein soll. (Rn. 97 ff.)
Schlagworte:
Waffenrechtliche Zuverlässigkeit, Anforderungen an den Grad der Überzeugung vom Vorliegen des Verfolgens der in § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG genannten Bestrebungen durch eine Vereinigung (volle richterliche Überzeugung), Relevanz der Einstufung „gesichert extremistische Bestrebung“ durch das Bundesamt für Verfassungsschutz für die richterliche Überzeugungsbildung im Waffenrecht, Rechtmäßigkeit der Einstufung der „Jungen, Alternative“ als „gesichert extremistische Bestrebung“, „Junge Alternative“ als verfassungsfeindliche Vereinigung i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa WaffG ab 28. März 2023, Unterstützung i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c WaffG., waffenrechtliche Unzuverlässigkeit, Anforderungen an den Grad der Überzeugung vom Vorliegen des Verfolgens der in § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. a WaffG genannten Bestrebungen durch eine Vereinigung, Relevanz der Einstufung „gesichert extremistische Bestrebung“ durch das Bundesamt für Verfassungsschutz, richterliche Überzeugungsbildung im Waffenrecht, Einstufung der „Jungen, Alternative“ als „gesichert extremistische Bestrebung“, "Junge Alternative" als verfassungsfeindliche Vereinigung, Vereinigung, Widerruf, Unterstützungshandlung, Beweismaßstab
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 31.01.2024 – M 7 K 23.1302
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstelle:
BeckRS 2025, 22530

Tenor

I. Unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten im Übrigen wird das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 31. Januar 2024 – M 7 K 23.1302 – in seinen Nummern II und III aufgehoben und in seiner Nummer I dahingehend geändert, dass der Bescheid des Beklagten vom 7. Februar 2023 in seinen Nummern 2 bis 7 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen wird.
II. Der Beklagte trägt 2/3 und der Kläger 1/3 der Kosten des Verfahren in beiden Rechtszügen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen, soweit die Berufung zurückgewiesen worden ist.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnis und gegen die Versagung einer beantragten (weiteren) Waffenbesitzkarte.
2
Der Kläger ist seit dem 28. Juni 2022 als Sportschütze Inhaber einer waffenrechtlichen Erlaubnis nach § 14 Abs. 6 WaffG („gelbe WBK“). Er beantragte am 23. Oktober 2022 die Erteilung einer Waffenbesitzkarte nach § 10 Abs. 1 WaffG („grüne WBK“). Im Rahmen der waffenrechtlichen Zuverlässigkeitsüberprüfung teilte das Landesamt für Verfassungsschutz durch Schreiben vom 28. Oktober 2022 mit, dass der Kläger vom 15. bis 16. Oktober 2022 am 11. Bundeskongress der „Jungen Alternative für Deutschland“ in Thüringen (Apolda) teilgenommen hat; die „Junge Alternative für Deutschland“ (Landesverband Bayern) werde seit Januar 2019 im Bereich Rechtsextremismus beobachtet.
3
Daraufhin lehnte das Landratsamt nach Anhörung des Klägers mit Bescheid vom 7. Februar 2023 den Antrag auf Erteilung einer grünen Waffenbesitzkarte ab (Nr. 1), widerrief die erteilte waffenrechtliche Erlaubnis (Nr. 2), verpflichtete den Kläger, seine Waffe samt Munition bis spätestens 20. März 2023 einem Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar zu machen und hierüber einen Nachweis vorzulegen (Nr. 3) sowie dazu, die Originalausfertigung der Erlaubnis zurückzugeben (Nr. 4). Die sofortige Vollziehung der Nummern 3 und 4 wurde angeordnet (Nr. 5) und für den Fall der Nichtbefolgung eine Sicherstellung (Nr. 6a) und ein Zwangsgeld angedroht (Nr. 6b) und dem Kläger Gebühren und Auslagen auferlegt (Nr. 7). Die Ablehnung und der Widerruf wurden mit der fehlenden Zuverlässigkeit des Klägers begründet. Die „Junge Alternative Bayern“ werde seit Januar 2019 vom Landesamt beobachtet; die Teilnahme am Kongress in Thüringen stelle eine Unterstützung dar. Es sei daher ein Fall der Regelunzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c WaffG gegeben.
4
Der Kläger hat am 16. März 2023 hiergegen Klage erhoben und einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt (außerdem wendete er sich gegen ein fällig gestelltes Zwangsgeld, vgl. hierzu die Entscheidung des Senats vom gleichen Tag – 24 BV 24.331). Mit Beschluss vom 30. August 2023 lehnte das Verwaltungsgericht den Eilantrag ab (Az. M 7 S 23.1306). Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte Erfolg. Der Senat ordnete die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Nummern 2 und 6 des Bescheids an und stellte diese gegen die Nummern 3 und 4 des Bescheids wieder her (B.v. 16.11.2023 – 24 CS 23.1709).
5
Unter Verweis auf diesen Beschluss hob das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 31. Januar 2024 (Az. M 7 K 23.1302) den angegriffenen Bescheid vom 7. Februar 2023 auf, verurteilte den Beklagten dazu, den Antrag auf Erteilung einer Waffenbesitzkarte vom 23. Oktober 2022 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu verbescheiden und wies im Übrigen die (Verpflichtungs-)Klage wegen fehlender Spruchreife ab. Es hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
6
Der Beklagte hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Er trägt im Wesentlichen vor, dass die einschlägige Vorschrift des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG – anders als der Senat im Eilverfahren entschieden habe – bereits erfüllt sei, weil seit der Einstufung der „Jungen Alternative“ als „Verdachtsfall“ durch das Bundesamt vom 15. Januar 2019 Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass die „Junge Alternative“ verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolge; der Kläger habe diese Vereinigung durch Teilnahme am Bundeskongress im Oktober 2022 unterstützt. Aber selbst unter Zugrundelegung der Rechtsansicht des Senats aus dem Eilverfahren sei der Bescheid rechtmäßig. Denn die „Junge Alternative“ sei am 28. März 2023 vom Bundesamt für Verfassungsschutz als „gesichert extremistische Bestrebung“ und damit als verfassungsfeindlich eingestuft worden. Diese Hochstufung sei zwar nach der fraglichen Unterstützungshandlung erfolgt, beruhe aber naturgemäß auf Informationen aus weiter zurückreichenden Zeiträumen.
7
Der Beklagte beantragt,
8
das Urteil des Verwaltungsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.
9
Der Kläger beantragt,
10
die Berufung zurückzuweisen.
11
Sein Bevollmächtigter nahm in der Sache auf die Rechtsauffassung des Senats aus dem Eilverfahren Bezug und trug im Übrigen vor, dass der Kläger stets die freiheitlich demokratische Grundordnung verteidigt habe und im Rahmen seiner politischen Tätigkeit über die Parteigrenzen hinaus geschätzt werde.
12
Aus einer vom Beklagten vorgelegten Erkenntnismittelzusammenstellung des Landesamts für Verfassungsschutz ergibt sich insbesondere, dass der Kläger ausweislich eines im Facebook- und Instagram-Profil des bayerischen Landesverbandes der „Jungen Alternative“ veröffentlichten Fotos am 19. November 2023 (Volkstrauertag) an einer Gedenkveranstaltung der „Jungen Alternative“ im Münchner Hofgarten teilgenommen hat. Er hält hierbei einen Kranz; auf der Schleife heißt es wörtlich: „Im Gedenken an unsere gefallenen Soldaten – Junge Alternative Bayern“.
13
In der mündlichen Verhandlung am 21. Juli 2025 erklärte der Kläger, dass er seit Ende 2016 Mitglied der Partei „Alternative für Deutschland“ sei und im Landesverband Berlin auch Mitglied der „Jungen Alternative“ geworden war. Er sei dort zum Schatzmeister gewählt worden; das Amt habe er bis zu seinem Umzug nach Bayern im Jahr 2019 innegehabt. Seither sei er nicht mehr Mitglied der „Jungen Alternative“. Am Kongress in Apolda sei er nur einen Tag anwesend gewesen. Für ihn liege hierin keine Unterstützung der „Jungen Alternative“. Er sei dort gewesen, weil er als aktives Mitglied der „Mutterpartei“ haben wissen wollen, wie sich die Parteijugend entwickele und positioniere. Außerdem habe er alte Bekannte aus Berlin treffen wollen. Zu dem vorgelegten Foto zum Volkstrauertag 2023 erklärte er, dass er zwar auf dem Foto mit anderen Personen (mutmaßlich „JA-Mitglieder“) abgebildet sei; jedoch sei es ihm nicht um eine Unterstützung der „Jungen Alternative“, sondern um die inhaltliche Botschaft auf dem Kranz und die Kranzniederlegung als solches gegangen.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die Behördenakten sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15
A. Die zulässige Berufung hat nur teilweise Erfolg. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Beklagten vom 7. Februar 2023 in den Nummern 2 bis 7 aufgehoben. Die Berufung des Beklagten ist deshalb insoweit zurückzuweisen (I.). Hingegen ist die Verpflichtung des Beklagten zur Neuverbescheidung des Antrags auf Ausstellung einer Waffenbesitzkarte zu Unrecht erfolgt (II.).
16
I. Der Widerruf der Waffenbesitzkarte ist rechtswidrig (Nr. 2 des Bescheids). Es liegen nicht genügend Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger im maßgeblichen Zeitraum (1.) eine gesichert verfassungsfeindliche Vereinigung unterstützt hat (§ 5 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c WaffG). Zwar ist die „Junge Alternative“ eine Vereinigung (2.). Allerdings fehlt es an der Überzeugung des Senats, dass sie bereits im Oktober 2022 mit Gewissheit (3.) Bestrebungen verfolgt hat, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet waren (4.). Die waffenrechtlichen Nebenanordnungen, die Zwangsgeldandrohung und die Kostenentscheidung teilen das rechtliche Schicksal der Nummer 2 des Bescheids (5.).
17
1. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Bescheids ist die bei seinem Erlass bestehende Sach- und Rechtslage. In diesem Zeitpunkt müssen alle Voraussetzungen der hier einzig im Raum stehenden Rechtsgrundlage des § 45 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 3 des Waffengesetzes (WaffG) i.d.F. d. Bek. vom 11. Oktober 2002 (BGBl I S. 3970), im maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl I S. 1328), vorliegen.
18
a) Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist die waffenrechtliche Erlaubnis des Klägers zu widerrufen, wenn nachträglich – d.h. nach ihrer Erteilung am 28. Juni 2022 – Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Das ist insbesondere der Fall, wenn sich der Kläger nachträglich als unzuverlässig i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c WaffG erweist, weil Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er eine Vereinigung unterstützt (hat), die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtete Bestrebungen i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa WaffG verfolgt oder verfolgt hat (im Folgenden: verfassungsfeindliche Vereinigung). Ferner dürfen keine Umstände gegeben sein, die die gesetzliche Regelvermutung (vgl. den Einleitungssatz des § 5 Abs. 2 WaffG) entkräften.
19
Grundsätzlich genügt es, wenn diese Voraussetzungen innerhalb der letzten fünf Jahren vor Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis (gleichzeitig) vorgelegen haben. Da dem Kläger seine nun widerrufene Erlaubnis erst am 28. Juni 2022 erteilt worden war, ist für einen Widerruf nur der Zeitraum zwischen dem 29. Juni 2022 und dem 7. Februar 2023 maßgeblich (für etwaig bereits vor der Erteilung der Waffenbesitzkarte vorliegende Umstände wäre hingegen die Erlaubnis nach § 45 Abs. 1 WaffG zurückzunehmen). Entscheidend ist daher, ob bzw. ab wann die „Junge Alternative“ eine verfassungsfeindliche Vereinigung war und ob der Kläger seit seither unterstützt hat (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c WaffG).
20
b) Im Raum steht vorliegend ausschließlich eine nachträgliche Unterstützungshandlung des Klägers i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c WaffG durch seine (nicht mehr bestrittene) Teilnahme am Bundeskongress der „Jungen Alternative“ im Oktober 2022. Die Teilnahme wird vom Beklagten nicht als Anhaltspunkt für eine Mitgliedschaft i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG gewertet, weil die Veranstaltung auch Nicht-Mitgliedern offenstand. Eigene verfassungsfeindliche Bestrebungen i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG werden dem Kläger vom Beklagten nicht vorgeworfen. Die (bis 2019 und damit vor Erteilung der Waffenbesitzkarte bestehende) Mitgliedschaft des Klägers im Landesverband Berlin wird vom Beklagten nicht zur Begründung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit herangezogen; bis zum Austritt des Klägers war auch nach dem vom Beklagten für zutreffend erachteten Maßstab (Rn. 23) noch nicht von Verfassungsfeindlichkeit der „Jungen Alternative“ auszugehen. Andere Gründe für das Fehlen der nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG erforderlichen Zuverlässigkeit sind nicht bekannt.
21
2. Die „Junge Alternative“ war im maßgeblichen Zeitraum eine Vereinigung i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG. Hierunter versteht der Gesetzgeber Vereine im Sinne des Vereins- und Parteien im Sinne des Parteiengesetzes (vgl. BT-Drs. 19/15875, 36). Die „Junge Alternative“ war ein Verein i.S.v. § 2 Abs. 1 VereinsG.
22
3. Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals „Vereinigung, die eine Bestrebung verfolgt (hat), die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet ist“ (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c i.V.m. Buchst. a Doppelbuchst. aa WaffG) gilt der normale Beweismaßstab. Die Annahme einer Unterstützung muss sich auf eine Vereinigung beziehen, hinsichtlich der zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass sie verfassungsfeindliche Bestrebungen i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG verfolgt (hat). Die § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG einleitende Wendung „Tatsachen die Annahme rechtfertigen“ bezieht sich allein auf die Unterstützungshandlung, nicht aber auf die Vereinigung und ihre Bestrebungen (vgl. OVG LSA, B.v. 24.4.2023 – 3 M 13/23 – juris Rn. 26 ff.; BayVGH, B.v. 16.11.2023 – Az. 24 CS 23.1709 – juris Rn. 15 ff. m. zust. Anm. Nitschke NVwZ 2024, 79 ff.; OVG NW, B.v. 30.4.2025 – 20 A 1506/24 – juris Rn. 38 ff.; VGH BW, B.v. 10.6.2025 – 6 S 433/24 – juris Rn. 15 ff.; ausdrücklich zur Zustimmung neigend, aber offenlassend SächsOVG, B.v. 12.9.2024 – 6 B 48/24 – Rn. 16; offenlassend OVG NW, B. v. 22.3.2024 – 20 B 969/23 – juris Rn. 25 ff.; ThürOVG, B.v. 19.2.2024 – 3 EO 453/23 – juris Rn. 26; anders OVG Berlin-Bbg, B.v. 23.10.2023 – OVG 6 S 44/23 – BeckRS 2023, 30243 Rn. 3 ff.). Die Beweislast trägt der Beklagte (vgl. BVerwG, U.v. 21.5.2008 – 6 C 13.07 – juris Rn. 41).
23
Den gegen dieses Normverständnis gerichteten Einwänden des Beklagten folgt der Senat nicht. Weder ist der Umstand, dass im fraglichen Normbereich des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG vielfach Rückgriffe auf Einschätzungen und Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden notwendig sind, ein Grund, vom Regelbeweismaß der vollen richterlichen Überzeugung abzuweichen (vgl. BVerwG, U.v. 21.5.2008 – 6 C 13.07 – juris Rn. 25), noch bestehen andere methodische Gründe, § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG so auszulegen, dass ein „zweifacher Verdacht“ genügt.
24
a) Für die Annahme des Beklagten, der Gesetzgeber habe die fragliche Wendung „Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen“ allein aus Gründen der besseren Lesbarkeit nicht zweimal aufgenommen, beziehe sie aber sowohl auf die Unterstützungshandlung des Erlaubnisinhabers als auch auf Verfassungsfeindlichkeit der Vereinigung, gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Die heute maßgebliche Gesetzesfassung wurde durch das Dritte Waffenrechtsänderungsgesetz vom 17. Februar 2020 (BGBl I S. 166) geschaffen, die fragliche Wendung war aber bereits mit dem Zweiten Änderungsgesetz im Jahr 2017 (BGBl I S. 2133) in § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG eingefügt worden. Es wäre unschwer möglich gewesen, sie bei der Einführung der heutigen Buchstaben b und c dort mittels eines schlichten Relativsatzes aufzugreifen. Verständnisprobleme wären dadurch nicht entstanden. Gerade der Gesetzgeber des Dritten Waffenrechtsänderungsgesetzes hat an den Stellen, wo er Formulierungen aus Gründen der „sprachlichen Vereinfachung“ geändert hat, darauf ausdrücklich hingewiesen (BT-Drs. 19/15875, S. 36). Auch an anderen Stellen der Rechtsordnung ist bei ähnlich aufgebauten Vorschriften ein „zweifacher Verdacht“ nicht ausreichend (vgl. § 54 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 AufenthG, hierzu BVerwG, U.v. 25.10.2011 − 1 C 13.10 – juris Rn. 16).
25
b) Die vom Senat vorgenommene Auslegung erzeugt auch keinen Wertungswiderspruch zwischen einer „Individualbestrebung“ i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG und der „Kollektivbestrebung“ i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b bzw. c WaffG. Vielmehr ist es gerade sachgerecht, das Nachweisniveau unterschiedlich auszugestalten, weil die Vorwerfbarkeit für den und damit verbunden auch die Gefährlichkeit des Einzelnen unterschiedlich ist. Wer einer eigenen verfassungsfeindlichen Handlung (mindestens) verdächtig ist, ist waffenrechtlich unzuverlässig. Wem hingegen eine (Unterstützungs-)Handlung zur Last gelegt wird, die für sich betrachtet nicht als verfassungsfeindlich angesehen werden kann, „verdient“ den Vorwurf der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nur, wenn wenigstens die von der Handlung profitierende Vereinigung nachweislich als verfassungsfeindlich angesehen werden kann. Denn nur dann kann angenommen werden, dass – wie es der Gesetzgeber zur Begründung seiner Änderung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG formuliert hat – der Betroffene die „verfassungsfeindlichen Ziele der Vereinigung teilt, also die Ablehnung der Grundsätze der Verfassungsordnung zum Ausdruck bringt“ (BT-Drs. 19/15875, S. 36). Gleiches gilt den Vorwurf der Mitgliedschaft i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG. Weist die Vereinigung hingegen noch eine „innere Zerrissenheit“ auf (vgl. OVG NW, U.v. 13.5.2024 – 5 A 1217/22 – juris Rn. 171), lässt sich eine Mitgliedschaft oder Unterstützung nicht in diesem Sinne deuten. Gerade bei politischen Vereinigungen, deren verschiedene Strömungen mit gewissen Erfolgsaussichten noch um Einfluss ringen – und die deshalb gegebenenfalls auch nur als „Verdachtsfall“ durch die Verfassungsschutzbehörden eingestuft werden (dürfen) – wäre es sachwidrig, vorschnell jene Mitglieder oder Unterstützer, die sich intern gegen eine verfassungsfeindliche Ausrichtung wenden, als unzuverlässig ansehen zu können (und damit aus der Vereinigung zu drängen). Auch erschiene die damit verbundene Risikoverteilung, wenn sich der gegen die Vereinigung gerichtete Verdacht (insbesondere nach einer genaueren Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden) später als unberechtigt erweist, unzumutbar.
26
c) Der Einwand, dass bei der vom Senat vertretenen Auslegung die Unzuverlässigkeitstatbestände des § 5 Abs. 2 Nr. 2 und der Nr. 3 WaffG keine eigenständigen Anwendungsbereiche mehr haben, trifft nicht zu. Erstens verlangt § 5 Abs. 2 Nr. 2 WaffG den Nachweis der Mitgliedschaft; im Rahmen von § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG genügt hierfür unstreitig der „tatsachengegründete Verdacht“ (BT-Drs. 19/15875, S. 36). Zweitens kennt § 5 Abs. 2 Nr. 2 WaffG anders als § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG die Unterstützungshandlung nicht. Drittens genügt für den Ausspruch der in § 5 Abs. 2 Nr. 2 WaffG vorausgesetzten Verbote die Verfassungsfeindlichkeit der Partei (Buchst. b) nicht allein. Eine gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Zielsetzung einer Partei reicht für die Anordnung eines Parteiverbots erst aus, wenn die Partei planmäßig auf deren Verwirklichung hinarbeitet und zudem eine Durchsetzung der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele möglich erscheint (vgl. BVerfG, U.v. 17.1.2017 – 2 BvB 1/13 – juris Rn. 896). Auch bei einem Vereinsverbot sind Verhältnismäßigkeitsanforderungen zumindest in die Prüfung einzubeziehen (vgl. BVerwG, B.v. 14.8.2024 – 6 VR 1.24 – juris Rn. 42; BVerwG, U.v. 16.11.2015 – 1 A 4.15 – juris Rn. 47 ff.). Viertens regelt § 5 Abs. 2 Nr. 2 WaffG, dass bis zehn Jahre nach Beendigung der Mitgliedschaft regelhaft von einer Unzuverlässigkeit auszugehen ist, während nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG nur ein Zeitraum von fünf Jahren zu berücksichtigen ist.
27
d) Keinen Grund der vom Beklagten vertretenen Auslegung zu folgen bilden die Gesetzgebungsgeschichte und das jeweilige Ziel des Gesetzgebers, mittels Verschärfungen des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG einen zunehmend risikovermeidenden Ansatz zu verfolgen. Der einschlägige Unzuverlässigkeitsgrund des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG wurde mehrfach erweitert und die damit verfolgte Ziele auch realisiert. Für eine andere Auslegung wegen andernfalls offensichtlicher Verfehlung gesetzgeberischer Ziele, auf die der Beklagte mit seiner Argumentation letztlich abzielt, besteht kein Raum.
28
aa) Bis zum Jahr 2008 war ein Betroffener nach dem mit dem Gesetz zur Neuregelung des Waffenrechts vom 11. Oktober 2022 (BGBl I S. 3970) eingeführten § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG (im Zusammenhang mit einer Vereinigung) unzuverlässig, wenn er nachgewiesenermaßen als deren Mitglied verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt hat. Es musste sowohl die Mitgliedschaft als auch eine inkriminierte aktive Handlung nachgewiesen sein. Bloße Mitgliedschaft genügte ebenso wenig wie der bloße Verdacht einer einschlägigen Aktivität (vgl. Steindorf in Steindorf, Waffenrecht, 8. Aufl. 2007, § 5 WaffG Rn. 21). Mit dem Gesetz zur Änderung des Waffengesetzes vom 26. März 2008 (BGBl I S. 426) wurde die Regelunzuverlässigkeit dahingehend erweitert, dass nun auch eine nachgewiesene (bloße) Unterstützung einer verfassungsfeindlichen Bestrebung durch das Mitglied genügte (vgl. BT-Drs. 16/7717, S. 19; s.a. Rn. 96 ff.). Mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Waffengesetzes und weiterer Vorschriften vom 30. Juni 2017 (BGBI I S. 2133) erweiterte der Gesetzgeber die Regelunzuverlässigkeit in der Weise, dass die Bestrebungsverfolgungs- bzw. -unterstützungshandlung als Mitglied nicht mehr nachzuweisen war; es genügte, wenn Tatsachen eine entsprechende Annahme rechtfertigten. Die Mitgliedschaft als solche war aber weiterhin nachzuweisen (vgl. BT-Drs. 18/12397, S. 13). Für die insoweit gegenwärtig letzte Reform des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG durch das Dritte Waffenrechtsänderungsgesetz vom 17. Februar 2020 (BGBI I S. 166) sah sich der Gesetzgeber veranlasst, weil – so die Gesetzesbegründung in Zusammenfassung mit der hier vorstehend geschilderten Rechtslage – zwar eine Regelunzuverlässigkeit vorliege, wenn Betroffene „individuell oder als Mitglied einer Vereinigung bestimmte verfassungsfeindliche Ziele verfolgt oder unterstützt haben“, jedoch die Regelunzuverlässigkeit nicht begründet werde, wenn „zwar die Mitgliedschaft in einer solchen Vereinigung – die nicht bereits verboten ist – bekannt ist, über dortige Aktivitäten aber keine nachweislichen Erkenntnisse vorliegen“ (BT-Drs. 19/15875, S. 36). Deshalb wurde zum einen der heutige § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG geschaffen, der die nachgewiesene oder nun auch nur den Verdacht der Mitgliedschaft genügen lässt. Den hierin liegenden Verzicht auf nachweisliche Erkenntnisse über entsprechende Aktivitäten des Erlaubnisinhabers begründet der Gesetzgeber damit, dass die Mitgliedschaft „typischerweise einschließt, dass diese Person nachhaltig die verfassungsfeindlichen Ziele der Vereinigung teilt, also die Ablehnung der Grundsätze der Verfassungsordnung zum Ausdruck bringt“ (BT-Drs. 19/15875, S. 36). Zum anderen wurde § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c WaffG eingefügt, der eine nachgewiesene oder den Verdacht einer Unterstützungshandlung (vor allem des Nicht-Mitglieds) genügen lässt.
29
bb) Die bei diesen Gesetzesänderungen jeweils verfolgte Ziel eines „risikointoleranteren Ansatz(es)“ (so wörtlich für die Reform 2017 BT-Drs. 18/12397, S. 13) wurde ersichtlich erreicht. Die Möglichkeiten für die Annahme fehlender Zuverlässigkeit wurden jeweils erweitert. Dass damit der Gesetzgeber aus Sicht der Waffenbehörden möglicherweise noch nicht weit genug gegangen ist, ist für die Auslegung der bestehenden Norm nicht maßgeblich.
30
cc) Im Übrigen beurteilt der Gesetzgeber hinsichtlich der Mitgliedschaft den „tatsachengegründete(n) Verdacht“ ausdrücklich als „ausreichend“, während er im Übrigen nur von „verfassungsfeindlichen Vereinigung(en)“ spricht, die nur „noch nicht verboten“ seien; dieses Vorstellungsbild ist mit nur „verdächtigen“ Vereinigungen kaum vereinbar. In die gleiche Richtung weist die Klarstellung in den Materialien, dass von der Norm Parteien erfasst würden, die nur deshalb nicht nach Art. 21 Abs. 2 GG verboten seien, weil es an „Anhaltspunkten, die die Zielerreichung zumindest möglich erscheinen lassen“, mangelt (Zitate jeweils aus BT-Drs. 19/15875, S. 36).
31
e) Dass ein „zweifacher Verdacht“ – jedenfalls nicht ohne ausdrückliche gesetzgeberische Entscheidung – nicht schon zur Unzuverlässigkeit führt, verdeutlichen auch die unterschiedlichen Möglichkeiten, entstandene Verdachtsmomente im Rahmen des waffenrechtlichen Erlaubnis- oder Widerrufsverfahrens auszuräumen (vgl. für § 54 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 AufenthG deutlich BVerwG, U.v. 25.10.2011 − 1 C 13.10 – juris Rn. 16 a.E.). Über eigene Verhaltensweisen kann der Betroffene Rechenschaft ablegen, sich erklären und versuchen, etwaige Missverständnisse auszuräumen. Die Verdachtseinstufung einer Vereinigung entzieht sich hingegen in der Regel seinen Beurteilungs- und Erklärungsmöglichkeiten. Das gilt zwar grundsätzlich auch, wenn die Verfassungsfeindlichkeit einer Vereinigung nach Ansicht der Behörden feststeht, aber immerhin wird in diesem Fall der Betroffene regelhaft „Gefahrenbewusstsein“ haben oder jedenfalls haben müssen.
32
f) Ferner spricht für die Ansicht des Senats auch das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Bestimmtheitserfordernis. Dieses verlangt, dass das Handeln der Verwaltung für den Einzelnen berechenbar und vorhersehbar sein muss. Das wäre bei einem zweifach reduzierten Beweismaßstab, der sich auf mehrere Tatbestandsmerkmale innerhalb einer Zurechnungskette bezieht, nicht der Fall (vgl. für § 54 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 AufenthG deutlich BVerwG, U.v. 25.10.2011 − 1 C 13.10 – juris Rn. 16).
33
g) Nicht überzeugen kann der Beklagte mit seinem Verweis auf die Rolle der Verfassungsschutzbehörden bei der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeitsprüfung. Sein Ausgangspunkt ist zutreffend, seine Schlussfolgerung nicht. Richtig ist, dass der Gesetzgeber vorgesehen hat, dass die Waffenbehörde für ihre Beurteilung der Verfassungsfeindlichkeit einer Vereinigung die Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden einholen muss (BT-Drs. 19/15875, S. 36; vgl. § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 WaffG). Denn die Waffenbehörde wird sich ohne deren Expertise kaum einmal ein eigenes Bild hinsichtlich einer im Raum stehenden Verfassungsfeindlichkeit einer Vereinigung machen und gegebenenfalls auch nicht (gegenüber dem Verwaltungsgericht) begründen können. Ebenso ist es richtig, dass der „Aufgabenbereich der Verfassungsschutzbehörden (…) bereits dann eröffnet (ist), wenn tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen von verfassungsfeindlichen Bestrebungen oder Tätigkeiten i.S.d. § 4 Abs. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 [BVerfSchG] vorliegen“ und „auch eine Nennung einer Vereinigung im Verfassungsschutzbericht (…) keine Gewissheit hinsichtlich des Verfolgens verfassungsfeindlicher Bestrebungen, sondern lediglich ‚hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte‘ hierfür“ verlangt (Schriftsatz v. 19.3.2024, S. 9).
34
Doch hieraus folgt nichts für die Auslegung von § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG. Die im Vergleich zu anderen Behörden typischerweise herabgesetzten Anforderungen für das Tätigwerden und für grundrechtsrelevantes Handeln von Verfassungsschutzbehörden – namentlich zur Beobachtung und Vorfeldaufklärung sowie zur Aufklärung der Öffentlichkeit (vgl. zu den verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen BVerfG, U.v. 26.4.2022 – 1 BvR 1619/17 – juris Rn. 153 ff., 174 ff.) – sind der wesentliche Grund dafür, dass diese Ämter überhaupt über Informationen verfügen, die gegebenenfalls nach einer zulässigen Übermittlung (vgl. hierzu Warg, ZD 2024, 434/436; Unterreitmeier in Möstl/Schwabenbauer, BeckOK PolR Bayern, Stand Oktober 2024, Art. 25 BayVSG Rn. 23) im waffenrechtlichen Verfahren genutzt werden können. Sie sind aber kein Grund, die waffenrechtlichen Vorschriften „verfassungsschutzrechtlich“ auszulegen. Auch im Falle der Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG handelt die Waffenbehörde nicht als Verfassungsschutzbehörde.
35
Der gleichfalls für sich zutreffende Hinweis des Beklagten darauf, dass „die verbindliche Feststellung des Verfolgens verfassungsfeindlicher Bestrebungen (…) keine Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden“ sei (Schriftsatz v. 19.3.2024, S. 9), bietet für die Auslegung von § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG ebenfalls keinen Ertrag. Denn auch eine bloße „Verdachts-Einschätzung“ der Verfassungsschutzbehörden ist für Waffenbehörden nicht verbindlich, auch wenn es diesen in praktischer Hinsicht schwerfallen mag, entsprechende Bewertungen zu hinterfragen. Anders als etwa ein auf Verfassungsfeindlichkeit gründendes und bestandskräftiges Vereinsverbot, hat die entsprechende Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden – gleich welchen Inhalt und gleich welchen Gewissheitsgrad sie transportiert – keine konstitutive Bedeutung, auch wenn ihr fraglos erhebliche praktische Wirkungen zukommen (vgl. auch Rn. 41 ff.).
36
h) Schließlich entstehen durch die vorherrschende Auslegung der Vorschrift durch die Oberverwaltungsgerichte auch keine relevanten Schutzlücken. Der einer eigenen Bestrebung verdächtigte Waffenerlaubnisinhaber verliert seine Zuverlässigkeit nach Maßgabe des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG. Genügen die Anhaltspunkte hierfür nicht, so geht auch von der Person selbst unmittelbar keine Gefahr aus, die waffenrechtlich nicht toleriert werden könnte. Ist hingegen die Vereinigung verfassungsfeindlich, greift § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b bzw. c WaffG ein. Für die Phase der Ungewissheit über die Vereinigung erscheint das Risiko, das von einem seinerseits nicht persönlich verdächtigen Erlaubnisinhaber ausgeht, als Folge der Entscheidung des Gesetzgebers, Waffenbesitz überhaupt zu erlauben, als hinnehmbar. In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass § 5 Abs. 2 Nr. 2 WaffG für sich betrachtet erheblich manifestere Risiken in Kauf nimmt, wenn die nachgewiesene Mitgliedschaft in einem verbotenen Verein erst für die Unzuverlässigkeit genügt, sobald das Verbot – gegebenenfalls nach langwierigen Gerichtsverfahren – unanfechtbar ist.
37
4. Der Senat konnte nicht die volle Überzeugung davon gewinnen, dass die „Junge Alternative“ im maßgeblichen Zeitpunkt der fraglichen Unterstützungshandlung im Oktober 2022 verfassungsfeindliche Bestrebungen i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG verfolgt hat. Es kann deshalb offenbleiben, ob die schlichte Teilnahme am Bundeskongress in Apolda im Oktober 2022 – mehr Informationen liegen über das dortige Verhalten des Klägers nicht vor – eine Tatsache bildet, die genügen würde, um die Annahme einer Unterstützung i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c WaffG zu rechtfertigen.
38
Für die Bildung der richterlichen Überzeugung von der Verfassungsfeindlichkeit einer Vereinigung gelten die allgemeinen prozessrechtlichen Vorschriften und Grundsätze (a). Maßgeblich können zur Überzeugungsbildung aber entsprechende Einschätzungen der Verfassungsschutzbehörden herangezogen werden (b). Hierbei entspricht allerdings erst die verfassungsschutzbehördliche Einstufung „gesichert extremistische Bestrebung“ dem für das Waffenrecht erforderlichen Grad der vollen Überzeugung (c). Vor diesem Hintergrund fehlt es für den Zeitpunkt der fraglichen Unterstützungshandlung des Klägers an der ausreichenden Überzeugungsgewissheit hinsichtlich der „Jungen Alternative“ (d). Der Widerruf ist deshalb rechtswidrig (e).
39
a) Nach dem Untersuchungsgrundsatz sind die Gerichte grundsätzlich verpflichtet, den für die Überzeugungsbildung maßgeblichen Sachverhalt selbst zu ermitteln (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie haben alle bestehenden Möglichkeiten der Sachaufklärung in Betracht zu ziehen und zugängliche Tatsachen sämtlich in die Sachwürdigung einzubeziehen (vgl. NdsOVG, B.v. 18.10.2022 – 13 LA 40/22 – juris Rn. 22; Kraft in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 108 Rn. 19 m.w.N.). Auch (wie hier) unbestrittener Vortrag bindet das Gericht nicht (vgl. BVerwG, B.v. 6.6.2007 – 5 B 109.05 – juris Rn. 4).
40
Begrenzt wird der Umfang der Aufklärungspflicht allerdings durch die Pflicht der Beteiligten nach § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO, bei der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken. Ihre Verletzung kann die Anforderungen an die gerichtliche Ermittlungspflicht herabsetzen. Diese Pflicht findet insbesondere dort ihre Grenze, wo das Vorbringen der Beteiligten keinen tatsächlichen Anlass zu weiterer Aufklärung bietet (vgl. nur BVerwG, B.v. 9.2.2022 – 9 BN 4.21 – juris Rn. 8). Insoweit ist auch von Bedeutung, dass es allein Aufgabe der Gerichte ist, zu prüfen, ob die vom Beklagten entsprechend seiner Beweislast vorgenommene Beweisführung gelungen ist, es aber nicht ihre Aufgabe ist, den Beweis selbst zu führen (vgl. BVerwG, U.v. 26.5.2009 – 3 C 5.09 – juris Rn. 17; OVG NW, U.v. 28.10.2021 – 13 A 1376/17 – juris Rn. 59).
41
Insgesamt sind die Gerichte verpflichtet, sich vom Vorliegen der behaupteten Tatsachen zu überzeugen und sodann die ihnen – durch den Beklagten bzw. das Bundesamt für Verfassungsschutz – zugeschriebene rechtliche Bedeutung selbständig zu beurteilen. Hierbei können maßgeblich aber Einschätzungen der Verfassungsschutzbehörden herangezogen werden (hierzu sogleich). Ihr Aussage- und Beweiswert ist im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 108 Abs. 1 VwGO zu prüfen und nach ihrer jeweiligen inneren Überzeugungskraft zu gewichten. Denn diesen Einschätzungen kommt keine Bindungswirkung zu (vgl. VG Köln, U.v. 8.3.2022 – 13 K 208/20 – juris Rn. 471 ff.). Auch ein die gerichtliche Kontrolle limitierender Beurteilungsspielraum zugunsten der Verfassungsschutzbehörden besteht nicht (vgl. Dietrich in Dietrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 280 Rn. 50; Warg in Dietrich/Eiffler, a.a.O., S. 533 Rn. 23). Das gilt auch nach der Neufassung des § 5 Abs. 5 Nr. 4 WaffG (vgl. ThürOVG, B.v. 19.2.2024 – 3 EO 453/23 – juris Rn. 37) und der Einführung des § 6a WaffG.
42
Es ist daher möglich, von einer vorgenommenen Einstufung – sowohl in einer höhere als in eine niedrigere Kategorie – abzuweichen (vgl. zur eigenständigen Prüfung der Verfassungsfeindlichkeit bei gänzlich fehlender Einstufung durch eine Verfassungsschutzbehörde BVerwG, U.v. 10.10.2024 – 2 C 15.23 – juris Rn. 60).
43
b) Zur richterlichen Überzeugungsbildung können Einschätzungen der für diese Materie fachlich zuständigen Verfassungsschutzbehörden maßgeblich herangezogen werden, weil die Tatbestandsmerkmale der § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c, Abs. 2 (i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1) BVerfSchG, auf die die vorliegende Einstufung der „Jungen Alternative“ gestützt wird, trotz teils abweichenden Wortlauts inhaltlich mit den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b bzw. c i.V.m. Buchst a Doppelbuchst. aa WaffG übereinstimmen.
44
Vereinigungen im Sinne des Waffenrechts sind Personenzusammenschlüsse im Sinne des Verfassungsschutzrechts (aa). Der Begriff der Bestrebung ist in beiden Rechtsgebieten identisch und das Schutzgut der verfassungsmäßigen Ordnung i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa WaffG deckt sich zumindest im konkreten Fall der Beobachtung der „Jungen Alternative“ inhaltlich mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung i.S.v. § 4 Abs. 2 BVerfSchG (bb).
45
aa) Personenzusammenschlüsse i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG sind Personenmehrheiten, die einen gemeinsamen Zweck verfolgen, unabhängig von ihrer Rechtsform und ungeachtet ihres Organisationsgrades (vgl. Warg in Dietrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 535 m.w.N.; VG Köln, B.v. 5.2.2024 – 13 L 1124/23 – juris Rn. 111). Mithin sind Vereinigungen i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG – wie die „Junge Alternative“ – zugleich auch Personenzusammenschlüsse.
46
bb) Nach dem historischen Willen des (Waffen-)Gesetzgebers sind für die Auslegung des Begriffspaars „Bestrebungen“ „gegen die verfassungsmäßige Ordnung“ die „einschlägigen bzw. wesensverwandten Begriffsbestimmungen in § 92 Abs. 2 [StGB] und § 4 [BVerfSchG]“ heranzuziehen (BT-Drs. 14/7758, S. 55 zur erstmaligen Einführung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG 2002). Waffen- und Verfassungsschutzrecht decken sich daher. Bestrebungen sind in beiden Rechtsgebieten durch ein aktives Vorgehen gekennzeichnet, das auf eine Beeinträchtigung des Schutzguts abzielt und objektiv geeignet ist, über kurz oder lang politische Wirkungen zu entfalten (im Detail vgl. Rn. 63 f.).
47
Ob mit Blick auf diesen Willen des Gesetzgebers die Schutzgüter „verfassungsmäßige Ordnung“ i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa WaffG und „freiheitlich demokratische Grundordnung“ i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c, Abs. 2 BVerfSchG identisch sind oder ob nicht die „verfassungsmäßige Ordnung“ auch im Waffenrecht (nur) die elementaren Grundsätze der Verfassung, namentlich die Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG, das Demokratieprinzip und den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit umfasst (vgl. zu Art. 9, 18 und 21 GG BVerfG, B.v. 13.7.2018 – u.a. 1 BvR 1474/12 – juris Rn. 107; BVerfG, U.v. 17.1.2017 – 2 BvB 1/13 – juris Rn. 529 ff.), während § 4 Abs. 2 BVerfSchG eine umfangreichere Aufzählung trifft (vgl. zum Ganzen Barczak, JuS 2025, 97 ff.), kann offenbleiben. Denn jedenfalls bei der hier vorliegenden konkreten Handhabung des Verfassungsschutzrechts durch das Bundesamt sind die Schutzgüter deshalb identisch, weil das Bundesamt seine Einstufung der „Jungen Alternative“ allein auf die drei genannten Grundprinzipien ausrichtet (vgl. Gutachten v. 28.3.2023, S. 13 ff.), die fraglos von der verfassungsmäßigen Ordnung umfasst sind. Hintergrund für das gegenüber § 4 Abs. 2 BVerfSchG verengte Verständnis der freiheitlich demokratischen Grundordnung durch das Bundesamt ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 21 Abs. 2 und 3 GG (vgl. BVerfG, U.v. 17.1.2017 – 2 BvB 1/13 – juris Rn. 530 ff.; BVerfG, U.v. 23.1.2024 – 2 BvB 1/19 – Rn. 246 ff.; Aicher in Möstl/Schwabenbauer, BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Stand Oktober 2024, Art. 4 BayVSG Rn. 18 f.).
48
c) Dem erforderlichen Beweismaß der vollen richterlichen Überzeugung von der Verfassungsfeindlichkeit einer Vereinigung entspricht inhaltlich allerdings nur die verfassungsschutzbehördliche Kategorie der „gesichert extremistischen Bestrebung“. Eine Einstufung als „Prüffall“ oder „Verdachtsfall“ genügt nicht.
49
Die drei Kategorien „Prüffall“, „Verdachtsfall“ und „gesichert extremistisch“ sind gesetzlich nicht vorgesehen, in der verfassungsschutzbehördlichen Praxis aber etabliert und von der Rechtsprechung grundsätzlich akzeptiert (vgl. Schneider, DÖV 2022, 372 ff.; BVerfG, B.v. 24.5.2005 – 1 BvR 1072/01 – juris Rn. 89). Sie knüpfen normativ an die in § 4 Abs. 1 Satz 5 BVerfSchG genannten „tatsächlichen Anhaltspunkte“ an und bringen eine jeweils ansteigende Erkenntnisdichte hinsichtlich der Verfassungsfeindlichkeit einer Bestrebung zum Ausdruck (vgl. VG Köln, B.v. 5.2.2024 – 13 L 1124/23 – juris Rn. 167).
50
Es ist anerkannt, dass eine Bestrebung erst dann als „gesichert extremistisch“ eingestuft werden kann, wenn die jeweils vorliegenden Informationen und Erkenntnisse durch Zahl und inhaltliche Eindeutigkeit ergeben, dass sich die zuvor bestehenden Verdachtsmomente zur Gewissheit verdichtet haben (vgl. OVG NW, B.v. 30.4.2025 – 20 A 1506/24 – juris Rn. 102; VG Köln, B.v. 5.2.2024 – 13 L 1124/23 – juris Rn. 162 ff.; Schneider, DÖV 2022, 372/373 u. 377) und daher die gegebenen Tatsachen „das Vorliegen einer verfassungsfeindlichen Bestrebung (…) belegen“ (Warg in Dietrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 535; zum Zusammenhang zwischen „gesichert“ und Beweis Meiertöns, GSZ 2025, 140/147). Die Qualität und die Quantität der Erkenntnisse dürfen keinen Zweifel an der verfassungsfeindlichen Ausrichtung mehr belassen (vgl. zutreffend Bundesamt, Gutachten vom 28.3.2023, S. 10, 29). Dieses Verständnis von „gesichert extremistisch“ entspricht dem Beweismaß der vollen richterlichen Überzeugung von der Verfassungsfeindlichkeit der Vereinigung.
51
d) Vor diesem Hintergrund fehlt es für den Zeitpunkt der fraglichen Unterstützungshandlung des Klägers im Oktober 2022 an der ausreichenden Überzeugungsgewissheit, dass die „Junge Alternative“ eine verfassungsfeindliche Vereinigung i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG war. Im Oktober 2022 war sie noch als „Verdachtsfall“ eingestuft, die Hochstufung zur „gesichert extremistischen Bestrebung“ erfolgte erst mit Gutachten vom 28. März 2023 (S. 182). Die Einstufung aus dem Jahr 2019 ist inhaltlich überzeugend und wurde durch den Beklagten nicht substantiiert in Zweifel gezogen. Es ist weder davon auszugehen, dass bereits 2019 eine höhere Einstufung der „Jungen Alternative“ geboten gewesen wäre (aa), noch, dass später eingetretene Umstände die damalige Einschätzung bis Oktober 2022 überholt haben (bb).
52
aa) Die auf Basis des vorhandenen Materials im Gutachten vom 15. Januar 2019 vorgenommene rechtliche Bewertung durch das Bundesamt ist inhaltlich überzeugend. Es besteht kein Anlass das vorhandene Material bereits für eine „Höherstufung“ der „Jungen Alternative“ genügen zu lassen. Die Tatsachen lassen einerseits die deutliche Tendenz der „Jungen Alternative“ zur Verfassungsfeindlichkeit erkennen; andererseits bestanden noch Ungewissheiten und Ambivalenzen innerhalb der Vereinigung, die der Annahme einer gesicherten Verfassungsfeindlichkeit damals noch entgegenstanden (vgl. etwa Gutachten S. 252 ff.; 269; vgl. auch zur späteren Radikalisierung des Führungspersonals Gutachten vom 28.3.2023, S. 66 ff.; zur Rechtmäßigkeit des Gutachtens 2019 vgl. OVG NW, U.v. 13.5.2024 – 5 A 1217/22 – juris Rn. 147 ff.; zuvor VG Köln, U.v. 8.3.2022 – 13 K 208/20 – juris Rn. 129 ff.; bekräftigend VG Köln, B.v. 5.2.2024 – 13 L 1124/23 – juris Rn. 173; vgl. auch OVG Berlin-Bbg, B.v. 19.6.2020 – OVG 1 S 55/20 – juris Rn. 31 ff.).
53
Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Bundesamt für diese Einschätzung damals bestehende Möglichkeiten der Erkenntnisgewinnung ungenutzt oder vorhandene Erkenntnis unbeachtet gelassen hat. Entsprechend bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass durch gerichtliche Aufklärungsmaßnahmen noch bislang unbekannte Tatsachen von Relevanz ermittelt werden könnten. Auch der Beklagte hat seine insbesondere in der mündlichen Verhandlung vertretene Auffassung, eine höhere Einstufung hätte von Anfang an erfolgen müssen, weder näher konkretisiert noch Beweisanträge gestellt (vgl. BVerwG, U.v. 30.7.2013 – 1 C 9.12 – juris Rn. 16). Er hat sich auf einen schlichten Verweis auf eine beiläufige Bemerkung des Verwaltungsgerichts Köln beschränkt, wonach „schon im damaligen Zeitpunkt der [Verdachtseinstufung] die Qualifizierung der [„Jungen Alternative“] als gesichert extremistische Bestrebung“ nahe gelegen habe (VG Köln, B.v. 5.2.2024 – 13 L 1124/23 – juris Rn. 107). Zumindest hätte er für eine Auslösung der gerichtlichen Aufklärungspflicht seine Auffassung näher begründen und insbesondere darlegen müssen, weshalb die vom Bundesamt angenommenen Ambivalenzen innerhalb der „Jungen Alternative“ nicht in ausreichender Weise bestanden haben. Eine solche Darlegung ist Ausdruck der Beweislast und Mitwirkungspflicht des Beklagten, zumal dieser – auch als Träger des Landesamts für Verfassungsschutz und im Unterschied zum Gericht – über etwaige Erkenntnisse verfügen kann (vgl. BVerwG, B.v. 14.4.2025 – 3 BN 8.24 – juris Rn. 15; BVerwG, B.v. 19.10.2011 – 8 B 37.11 – juris Rn. 13, jeweils m.w.N.; siehe auch hinsichtlich sog. Behördenzeugnisse des Verfassungsschutzes BVerwG, U.v. 26.1.2022 – 6 A 7.19 – juris Rn. 55; OVG Bremen, U.v. 18.9.2024 – 2 LB 316/22 – BeckRS 2024, 24348 Rn. 75).
54
bb) Ebenso wenig besteht ein Grund, anzunehmen, dass wegen nachträglich eingetretener Umstände eine (bezogen auf den 28.3.2023) frühere Hochstufung der „Jungen Alternative“ (bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der etwaigen Unterstützungshandlung) richtig gewesen und deshalb vom Senat der waffenrechtlichen Prüfung zugrunde zu legen wäre. Der Beklagte trägt keine solchen Tatsachen vor. Er verweist nur darauf, dass der Hochstufung im März 2023 dergestalt eine zeitliche „Vorwirkung“ beizumessen sei, dass bereits vorher (also offenbar zumindest im Oktober 2022) von gesicherter Verfassungsfeindlichkeit auszugehen sei.
55
Diese Argumentation überzeugt nicht. Das Gutachten vom 28. März 2023 enthält kein Material im Sinne eines „schlagenden Beweises“, dessen Inhalt für sich genommen bereits ein früheres Urteil der Verfassungsfeindlichkeit der „Jungen Alternative“ zulassen würde. Da sich die Hochstufung stattdessen auf einen inkrementellen Verdichtungsprozess stützt, müsste erkennbar sein, dass dieser Prozess bereits früher zu einem eindeutigen Ergebnis gekommen ist. Das ist indes nicht der Fall, zumal auch wichtiges Material aus der Zeit nach dem Oktober 2022 stammt (vgl. Gutachten vom 28.3.2023, S. 123). In ähnlicher Weise liegt auch der nunmehr im Mai 2025 erfolgten Hochstufung der Partei „Alternative für Deutschland“, in der der Kläger seit 2016 Mitglied ist, ein Verdichtungsprozess zugrunde, der einer diesbezüglichen Vorwirkung auf den Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids entgegensteht.
56
e) Hiernach ist die „Junge Alternative“ im Oktober 2022 (noch) keine verfassungsfeindliche Vereinigung i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG gewesen, die der Kläger hätte unterstützen können. Der Widerruf der erteilten Erlaubnis durch Nummer 2 des Bescheids ist daher rechtswidrig. Er verletzt den Kläger in seinen Rechten, das Verwaltungsgericht hat ihn daher zu Recht aufgehoben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Berufung kann insoweit keinen Erfolg haben und ist zurückzuweisen.
57
5. Die waffenrechtlichen Nebenanordnungen nach § 46 WaffG (Nr. 3 und 4 des Bescheids), die eigenständige Verwaltungsakte und nicht nur Hinweise auf die Gesetzeslage sind (vgl. OVG NW, B.v. 30.4.2025 – 20 A 1506/24 – juris Rn. 30 und 116), teilen das Schicksal der Rechtswidrigkeit des Widerrufs. Auch diese Maßnahmen verletzen den Kläger in seinen Rechten.
58
Ebenfalls rechtswidrig ist die Zwangsgeldandrohung in Nummer 6 des Bescheids. Eine rechtmäßige Zwangsgeldandrohung setzt einen wirksamen Grundverwaltungsakt voraus (vgl. Art. 19 Abs. 1 VwZVG), der vorliegend zwar zunächst vorlag (und auch bis zum Erlass der Beschwerdeentscheidung des Senats vom 16.11.2023 – Az. 24 CS 23.1709 – sofort vollziehbar war; zur Fälligkeitsmitteilung vgl. die Entscheidung des Senats vom gleichen Tag – 24 BV 24.331), nun allerdings als Folge der begründeten Anfechtungsklage und der Ex-tunc-Wirkung der gerichtlichen Aufhebung nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. BVerwG, U.v. 15.11.1967 – I C 43.67 – juris Rn. 14; W.R. Schenke/R.P. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 30. Aufl. 2024, § 113 Rn. 8), nicht (mehr) vorliegt. Aufzuheben ist auch die Kostenentscheidung in Nummer 7 des Bescheids.
59
II. Die Berufung hat jedoch insoweit Erfolg, als sie sich gegen das Bescheidungsurteil des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der vom Kläger erhobenen Verpflichtungsklage richtet. Die Verpflichtungsklage ist unbegründet (§ 113 Abs. 5 VwGO). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist insoweit zu ändern und die Klage abzuweisen. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 21. Juli 2025 keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Waffenbesitzkarte. Es fehlt ihm die nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 WaffG erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c WaffG.
60
Der Senat ist davon überzeugt, dass die „Junge Alternative“ im Zeitpunkt der Kranzniederlegung am Volkstrauertag 2023 als verfassungsfeindliche Vereinigung anzusehen war (1.) und der Kläger sie hiermit unterstützt hat (2.). Diese Unterstützung liegt noch keine fünf Jahre zurück. Es sind auch keine besonderen Umstände erkennbar, die die Regelvermutung entkräften würden (3.).
61
1. Die „Junge Alternative“ – auch die Teilorganisation „Landesverband Bayern“ – war im Zeitpunkt der Unterstützungshandlung im November 2023 (bis zu ihrer Auflösung) eine Vereinigung, die Bestrebungen i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG verfolgt hat. Der Senat stützt sich maßgeblich auf das Gutachten und die Einschätzung des Bundesamts für Verfassungsschutz vom 28. März 2023, mit dem die „Junge Alternative“ als „gesichert extremistische Bestrebung“ eingestuft wurde. Das Gutachten legt den zutreffenden Maßstab an (a) und kommt in überzeugender Weise zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c, Abs. 2 BVerfSchG vorlagen, also die „Junge Alternative“ als Personenzusammenschluss Bestrebungen (b) verfolgt hat, die insbesondere mit Blick auf die Menschenwürde (c) und das Demokratieprinzip (d) darauf gerichtet waren, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen. Wegen der insoweit bestehenden Bedeutungsidentität der verfassungsschutzrechtlichen und waffenrechtlichen Tatbestandsmerkmale (vgl. hierzu Rn. 43 ff.) ist die „Junge Alternative“ deshalb auch eine verfassungsfeindliche Vereinigung i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG.
62
a) Das Gutachten legt die einschlägigen Tatbestände des Verfassungsschutzrechts (und damit auch des Waffenrechts) zutreffend aus. Der Senat teilt insoweit die rechtliche Beurteilung des Gutachtens durch das Verwaltungsgericht Köln vom 5. Februar 2024 (Az. 13 L 1124/23), gegen die die Beteiligten des hiesigen Verfahrens im Übrigen auch keinerlei Bedenken vorgetragen haben (vgl. zur Einschätzung der „Jungen Alternative“ auch BVerwG, B.v. 20.5.2025 – 6 B 22.24 – juris Rn. 8 ff.; OVG NW, U.v. 13.5.2024 – 5 A 1217-22 – juris Rn. 147 ff.; BayVGH, B.v. 14.9.2023 – 10 CE 23.796 – juris Rn. 109 ff.; zur Einstellung des Beschwerdeverfahrens nach Auflösung der „Jungen Alternative“ OVG NW, B.v. 10.6.2025 – 5 B 131/24).
63
aa) Eine Bestrebung ist durch ein aktives Vorgehen gekennzeichnet, das auf eine Beeinträchtigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung bzw. der verfassungsmäßigen Ordnung abzielt und objektiv geeignet ist, über kurz oder lang politische Wirkungen zu entfalten (vgl. BVerwG, B.v. 20.5.2025 – 6 B 22.24 – juris Rn. 55; BVerwG, U.v. 21.7.2010 – 6 C 22.09 – juris Rn. 59). Ein aktives Vorgehen verlangt, dass die verantwortlich Handelnden auf den Erfolg der Rechtsgutbeeinträchtigung hinarbeiten, mithin das Vorgehen insbesondere auf die Durchsetzung eines politischen Ziels ausgerichtet ist. Insoweit bedarf es also einer kämpferisch-aggressiven Haltung. Eines kämpferisch-aggressiven oder gar illegalen Verhaltens bedarf es hingegen nicht (für das Verfassungsschutzrecht: BVerwG, B.v. 20.5.2025 – 6 B 22.24 – juris Rn. 55 und 63; VG Köln, B.v. 5.2.2024 – 13 L 1124/23 – juris Rn. 179 ff.; für das Vereinsrecht: BVerwG, B.v. 20.5.2025 – 6 B 22.24 – juris Rn. 26; BVerwG, U.v. 19.12.2012 – 6 A 6.11 – Rn. 14; BVerwG, U.v. 1.9.2010 – 6 A 4/09 – juris Rn. 13). Auch eine konkrete Gefahr für die Ordnung muss nicht bereits bestehen (vgl. BVerfG, B.v. 13.7.2018 – 1 BvR 1474/12 – juris Rn. 109).
64
An der erforderlichen aktiven bzw. kämpferisch-aggressiven Haltung fehlt es, solange nur eine kritische oder auch ablehnende Haltung und Abgrenzung vom Schutzgut oder das Eintreten für eine andere Ordnung vorliegt; bloßer „Verbalradikalismus“ genügt nicht (vgl. BVerfG, B.v. 13.7.2018 – 1 BvR 1474/12 – juris Rn. 108, 143). Ausreichend ist aber, wenn die Vereinigung die freiheitlich demokratische Grundordnung bzw. die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergräbt (vgl. BVerwG, B.v. 14.8.2024 – 6 VR 1.24 – juris 26). Dies ist insbesondere der Fall, wenn sie zu ihrer Beseitigung konkrete Aktivitäten ankündigt oder zu ihnen aufruft (vgl. BVerwG, B.v. 20.5.2025 – 6 B 22.24 – juris Rn. 55; OVG NW, U.v. 13.5.2024 – 5 A 1217/22 – juris Rn. 150 für § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG).
65
bb) Eine Vereinigung verfolgt Bestrebungen in diesem Sinne (nur), wenn sie inhaltlich von einer entsprechend verfassungsfeindlichen Grundtendenz beherrscht und bestimmt wird. Einzelne Entgleisungen genügen nicht. Es bedarf eines entsprechenden Gesamtbildes, das die naturgemäß aus einer Vielzahl von einzelnen Personen bestehende Vereinigung abgibt (vgl. Gutachten vom 28.3.2023, S. 30; VG Köln, B.v. 5.2.2024 – 13 L 1124/23 – juris Rn. 170, 263; vgl. auch OVG NW, U.v. 13.5.2024 – 5 A 1217/22 – juris Rn. 167 ff., 171).
66
(1) Die Grundlage des Gesamtbilds bilden vorrangig Äußerungen und Tätigkeit der Organe der Vereinigung, besonders des Vorstands oder anderer leitender Funktionäre. Diese sind ihr ohne Weiteres zuzurechnen. Das gilt vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls regelmäßig auch für Teilorganisationen. Möglich ist aber auch, Äußerungen und Taten von Mitgliedern oder sonstigen Anhängern der „Jungen Alternative“ zur Begründung oder Konturierung des Gesamtbildes heranzuziehen, sofern diese in einem Kontext zur Vereinigung stehen und von ihr gebilligt oder geduldet werden (vgl. OVG NW, U.v. 13.5.2024 – 5 A 1217/22 – juris Rn. 163 ff.) Es ist hierbei dem Staat grundsätzlich nicht verwehrt, aus Meinungsäußerungen Schlüsse zu ziehen und gegebenenfalls Maßnahmen zum Rechtsgüterschutz zu ergreifen (vgl. BVerwG, B.v. 20.5.2025 – 6 B 22.24 – juris Rn. 14 ff.; OVG NW, U.v. 13.5.2024 – 5 A 1217/22 – juris Rn. 178; VG Köln, B.v. 5.2.2024 – 13 L 1124/23 – juris Rn. 177).
67
In zeitlicher Hinsicht besteht grundsätzlich keine Grenze, nach der bestimmte Äußerungen nicht mehr für den Nachweis verfassungsfeindlicher Bestrebungen herangezogen werden können (vgl. OVG NW, U.v. 13.5.2024 – 5 A 1217/22 – juris Rn. 183). Dies gilt auch im Waffenrecht. Die in § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG genannte Fünf-Jahres-Grenze richtet sich allein auf die dem Erlaubnisinhaber zur Last gelegten Handlung.
68
(2) Zu bewerten sind vor diesem Hintergrund insbesondere das Programm der „Jungen Alternative“, ihre sonstigen parteiamtlichen Erklärungen, Reden und Äußerungen der führenden Funktionäre, auch in den Sozialen Medien, sowie die von ihr herausgegebenen oder beeinflussten Publikationsorgane oder Publikationsformate (vgl. OVG NW, U.v. 13.5.2024 – 5 A 1217/22 – juris Rn. 154 ff.). Dass dabei viele der dokumentierten Inhalte doppeldeutig sind, steht der entsprechenden Überzeugungsbildung von der Verfassungsfeindlichkeit der „Jungen Alternative“ nicht entgegen (vgl. VG Köln, B.v. 5.2.2024 – 13 L 1124/23 – juris Rn. 187). So wenig es zulässig ist, durch Entkontextualisierung von Äußerungen Verfassungsfeinde zu konstruieren, so wenig kommt es in Betracht, politische Parolen nach Möglichkeit „verfassungsfreundlich“ auszulegen. Wie stets ist der reine Wortlaut von Äußerungen nicht allein maßgeblich. Dahinterliegende Bedeutungsebenen, die sich dem Betrachter aufdrängen und die nicht selten im taktisch-politischen Spiel der Grenzüberschreitung beabsichtigt sind, dürfen nicht ausgeblendet werden (vgl. BVerwG, B.v. 20.5.2025 – 6 B 22.24 – juris Rn. 16). Gerade das Schweigen über naheliegende menschenunwürdige Ableitungen aus aggressiv vorgetragenen politischen Ansichten und Forderungen kennzeichnet wirkmächtige Propaganda, die gerade auch deshalb als verfassungsfeindlich angesehen werden kann. Das nicht Gesagte, kann ersichtlich gemeint und gewollt sein (vgl. OVG NW, U.v. 13.5.2024 – 5 A 1217/22 – juris Rn. 158).
69
b) Bejaht man die Verfassungsfeindlichkeit der Ziele der „Jungen Alternative“ (hierzu sogleich), so besteht kein Zweifel daran, dass sie – im Sinne des Begriffs der Bestrebung – ein aktives Vorgehen an den Tag legte, das objektiv geeignet war, über kurz oder lang politische Wirkungen zu entfalten und sich nicht nur auf eine kritische oder auch ablehnende Haltung beschränkte. Am Willen zur Durchsetzung der politischen Ziele und zur Umgestaltung der Verhältnisse bestehen keine Zweifel (vgl. VG Köln, B.v. 5.2.2024 – 13 L 1124/23 – juris Rn. 183 ff.). Eine solcher Wille ist einer parteipolitischen Organisation wie der „Jungen Alternative“ immanent. Ebenso wie politische Parteien sind auch deren Jugendorganisationen auf Änderung der politischen Verhältnisse ausgerichtete Organisationen; sie sind ihrem Wesen nach eine zu aktivem Handeln im staatlichen Leben entschlossene Gruppe. Ihre Ziele sind der Inbegriff dessen, was sie politisch anstreben; es liegt nahe, dass Meinungsäußerungen mit der – für den Bestrebungsbegriff notwendigen – Intention einer entsprechenden Änderung der realen Verhältnisse abgegeben werden (vgl. BVerwG, B.v. 20.5.2025 – 6 B 22.24 – juris Rn. 27).
70
Entsprechend setzte sich auch die „Junge Alternative“ aktiv für ihre politischen Inhalte ein, versuchte für sie im politischen Raum zu werben und auch auf die „Mutterpartei“ einzuwirken. Ungeachtet dessen ist auch angesichts der beständig-wütenden und aggressiven Rhetorik nicht zweifelhaft, dass die „Junge Alternative“ nicht nur inhaltlich, sondern auch in der Form der Präsentation dieser Ziele eine kämpferisch-aggressive Haltung eingenommen hat.
71
c) In überzeugender Weise ist das Bundesamt für Verfassungsschutz auf Basis des ausgewerteten Materials zu dem Ergebnis gelangt, dass die „Junge Alternative“ inhaltlich auf eine Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bzw. der verfassungsmäßigen Ordnung abzielte, indem sie auf Basis einer völkischen und rassistischen Ideologie beabsichtigt hat, die Geltung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG für bestimmte, von ihr als minderwertig betrachtete Teile der Bevölkerung außer Kraft zu setzen. Auch insoweit teilt der Senat die Einschätzung des Verwaltungsgerichts Köln vom 5. Februar 2024 – 13 L 1124/23 – juris Rn. 176 ff.
72
aa) Die dokumentierten Äußerungen und Aktivitäten lassen sich zwar häufig bei isolierter Betrachtung, aber nicht mehr in ihrer Gesamtschau als bloße Mitwirkung und Teilnahme am regulären politischen Meinungskampf verstehen. Die „Junge Alternative“ versuchte, vorhandene Ängste und Sorgen der Bevölkerung zu schüren, um im Ergebnis die Ordnung des Grundgesetzes in zentralen Aspekten zu beseitigen. Die der Beobachtung durch das Bundesamt zugrundeliegenden Tendenzen seit der Einstufung als „Verdachtsfall“ sind nicht nur nicht entkräftet worden (relevante Distanzierungen fehlen), sondern haben sich zur Verfassungsfeindlichkeit verdichtet (vgl. VG Köln, B.v. 5.2.2024 – 13 L 1124/23 – juris Rn. 176, 190 ff.). Das Material zeigt, dass hiervon auch die Gesamtheit der Vereinigung geprägt war und es sich nicht allein um Aussagen von Einzelpersonen oder um provokante Zuspitzungen im Einzelfall handelte (vgl. VG Köln, B.v. 5.2.2024 – 13 L 1124/23 – juris Rn. 261). Für eine staatliche Beeinflussung der Programmatik und der Äußerungen, die einer Zurechnung entgegenstehen könnte, bestehen keine Anhaltspunkte und wurde auch nichts vorgetragen (vgl. BVerwG, B.v. 20.5.2025 – 6 B 22.24 – juris Rn. 52).
73
bb) Nach dem politischen Konzept der „Jungen Alternative“ sollte namentlich Asylbewerbern, Flüchtlingen und anderen Zuwanderern, aber auch deutschen Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund sowie deutschen und ausländischen Staatsangehörigen islamischen Glaubens die Anerkennung als gleichberechtigte Mitglieder der rechtlich verfassten Gemeinschaft versagt werden. Das ist mit der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar (vgl. VG Köln, B.v. 5.2.2024 – 13 L 1124/23 – juris Rn. 190 ff.; OVG NW, U.v. 13.5.2024 – 5 A 1217/22 – juris Rn. 198; VerfGH RhPf, U.v. 2.4.2025 – VGH O 11/24 – juris Rn. 63).
74
(1) Der Schutz der Menschenwürde dient insbesondere der Wahrung personaler Individualität, Identität und Integrität. Dem Achtungsanspruch des Einzelnen als Person ist die Anerkennung als gleichberechtigtes Mitglied in der rechtlich verfassten Gemeinschaft immanent. Die Menschenwürde garantiert elementare Rechtsgleichheit aller Menschen (vgl. BVerfG, U.v. 17.1.2017 – 2 BvB 1/13 – juris Rn. 539). Mit ihr sind ein rechtlich abgewerteter Status oder demütigende Ungleichbehandlungen unvereinbar. Dies gilt insbesondere, wenn derartige Ungleichbehandlungen gegen die Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 3 GG verstoßen, die sich jedenfalls typischerweise als Konkretisierung der Menschenwürde darstellen (vgl. I. Augsberg in Huber/Voßkuhle, GG, 8. Aufl. 2024, Art. 1 Rn. 44). Auf rassistische Diskriminierung zielende Konzepte verstoßen daher gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung bzw. die verfassungsmäßige Ordnung.
75
Nichts Anderes gilt, wenn ein Vorrang einer ethnisch definierten „Volksgemeinschaft“ propagiert wird. Es ist Kern des – menschenwürdefundierten – grundgesetzlichen Volksverständnisses, dass derjenige, der die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt, unabhängig von seiner ethnischen Herkunft Teil des deutschen Volkes ist. Es ist deshalb mit der Menschenwürde unvereinbar, einen „ethnisch-kulturellen Volksbegriff“ mit einer politischen Zielsetzung zu verknüpfen, mit der die rechtliche Gleichheit aller Staatsangehörigen in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, U.v. 23.1.2024 – 2 BvB 1/19 – juris Rn. 377; BVerwG, B.v. 14.8.2024 – 6 VR 1.24 – juris Rn. 25; OVG NW, U.v. 13.5.2024 – 5 A 1217/22 – juris Rn. 202; BayVGH, B.v. 14.9. 2023 – 10 CE 23.796 – Rn. 105; VG Köln, B.v. 5.2.2024 – 13 L 1124/23 – juris Rn. 265 ff.).
76
(2) Im vorliegenden Material finden sich zwar keine eindeutig-ausdrücklichen Forderungen nach einer auch rechtlichen Diskriminierung der genannten Personengruppen mit Migrationshintergrund. Überwiegend handelt es sich vordergründig um abwertende Äußerungen, die kein konkretes Ziel benennen. Jedoch ist gerade die allgegenwärtige und systematische rhetorische Missachtung der Gleichheit aller Staatsangehörigen und aller Bewohner der Bundesrepublik und das damit verbundene ethnokulturelle Volksverständnis nur sinnhaft, wenn die „Junge Alternative“ darauf zielte, die Herkunft für die Behandlung auch von deutschen Staatsangehörigen zu einem relevanten Kriterium zu machen (vgl. auch BVerwG, B.v. 20.5.2025 – 6 B 22.24 – juris Rn. 17). Hieraus ergibt sich die Überzeugung, dass die „Junge Alternative“ auf Basis ihrer politischen Vorstellungen den genannten Gruppen einen – gegenüber „autochthonen“ Deutschen – rechtlich abgewerteten Status zuerkennen wollte. Das ist mit dem Volksbegriff des Grundgesetzes und der Menschenwürdegarantie unvereinbar.
77
Die in den dokumentierten Äußerungen, Formulierungen und Begriffen zu Tage tretende aggressive, kontinuierliche und stereotype Verdächtigung und Herabwürdigung von Migrantinnen und Migranten, die häufig mit erniedrigenden Bezeichnungen und unangemessenen Vergleichen einhergehen,
78
Beispiele: „Messerstichkultur“ – „Messermigration“ – „Messer-Epidemie“ – Sticker mit dem Aufdruck „BLACK KNIVES MATTER“- „Keine Lust auf Messer-Alis? Wir auch nicht! Jetzt Mitglied der Jungen Alternative werden-Wir machen noch Politik für Deutsche“ – „Ficki Ficki Fachkräfte und Kriminelle aller Art“ (Gutachten 2023, S. 104 f.; 118; 130; VG Köln, B.v. 5.2.2024 – 13 L 1124/23 – juris Rn. 291, 296, 298, 302)
79
„Verabschiedungskultur statt Vergewaltigungskultur“ (VG Köln, U.v. 8.3.2022 – 13 K 208/20 – juris Rn. 382) – „Rapefugees“ – „importierte Messerkriminalität“ – „Messer-Senegalese“ (VG Köln, B.v. 5.2.2024 – 13 L 1124/23 – juris Rn. 289, 296, 300)
80
„Kulturfremde Sozialschmarotzer“ – „Migranten aus kulturell inkompatiblen Ländern“ – „Fremdkörper, die hier niemand haben will“ – Beispiele: „Wer schützt unsere Mädchen, wer schützt die Bevölkerung?“ (VG Köln, B.v. 5.2.2024 – 13 L 1124/23 – juris Rn. 274, 284, 293; OVG NW, U.v. 13.5.2024 – 5 A 1217/22 – juris Rn. 241, 244).
81
machen deutlich, dass aus Sicht der „Jungen Alternative“ Migrationshintergrund an sich als das maßgebliche Problem angesehen wurde und es zu ihrer zentralen politischen Vorstellung gehörte, eine von der Staatsangehörigkeit unabhängige „ethnische“ oder „ethnisch-kulturelle“ Volkszugehörigkeit zu denken und ihr eine fundamentale, wenn nicht sogar existenzielle Bedeutung für die Bewahrung der deutschen Kultur und Identität zuzuschreiben.
82
Die „Junge Alternative“ differenzierte fundamental zwischen „autochthonen Deutschen“ und dem allenfalls „assimilierten Einwanderer“; sie hat damit deutsche Staatsangehörige, mitunter auch Menschen im Allgemeinen, erster und zweiter Klasse unterschieden (vgl. OVG NW, U.v. 13.5.2024 – 5 A 1217/22 – juris Rn. 206).
83
Beispiele: „Antideutsche Migranten“ als Bezeichnung (auch) für Ferda Ataman als Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, die in Deutschland geboren ist und allein über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügt – „Die Antideutschen hören nicht auf, bevor Deutschland vollständig entdeutscht ist.“ – „Eine "Umvolkung findet nicht statt… Wenigstens macht die #Regierung kein Geheimnis mehr aus ihrer antideutschen Politik!“ (Gutachten 2023, S. 80, 90, 92; VG Köln, B.v. 5.2.2024 – 13 L 1124/23 – juris Rn. 240).
84
„Die autochthonen Deutschen sollen zur Minderheit im eigenen Land gemacht werden.“ (VG Köln, B.v. 5.2.2024 – 13 L 1124/23 – juris Rn. 234).
85
„Leitbild des assimilierten und loyalen Einwanderers“ (vgl. OVG NW, U.v. 13.5.2024 – 5 A 1217/22 – juris Rn. 206).
86
Sticker mit Tiermetapher: Abgebildet ist ein Waschbär mit einer islamischen Kopfbedeckung, einem langen Bart und einem geschulterten Gewehr; auf dem Sticker die Aufschrift „Invasive Arten abschieben“ (VG Köln, B.v. 5.2.2024 – 13 L 1124/23 – juris Rn. 323; Gutachten vom 28.3.2023, S. 123).
87
Diese Unterscheidungen erschöpften sich ersichtlich auch nicht in einer soziologisch-empirischen oder historischen Betrachtung (vgl. BVerwG, B.v. 20.5.2025 – 6 B 22.24 – juris Rn. 17; OVG NW, U.v. 13.5.2024 – 5 A 1217-22 – juris Rn. 202). Es wurde damit auch nicht fehlende Integration oder das mögliche Erreichen organisatorischer, finanzieller oder sonstiger Aufnahmegrenzen in Staat und Gesellschaft thematisiert oder für eine restriktive Migrations- und Einwanderungspolitik eingetreten. Vielmehr versuchte die „Junge Alternative“ mit ihrer konsequenten und allgegenwärtigen Differenzierung zwischen deutschen Staatsangehörigen und Volkszugehörigen die Negation der Egalität aller Bürgerinnen und Bürger und ihre elementare Rechtsgleichheit vorzubereiten.
88
Ferner verfolgte diese agitatorisch angelegten Herabwürdigungen den Zweck, Ablehnung, Neidgefühle und Aggression hervorzurufen, um schon jetzt auch den Boden für unfriedliche Verhaltensweisen gegenüber den Betroffenen zu bereiten. Der routinierte ubiquitäre Sprachengebrauch zielte auf Gewöhnungseffekte und den Abbau bestehender Hemmungen. Was schon jetzt rhetorisch eingeübt wird, erscheint später in der realpolitischen Umsetzung bereits als Normalfall und ruft weniger Widerstand hervor (vgl. Gutachten 2023, S. 17; OVG NW, U.v. 13.5.2024 – 5 A 1217/22 – juris Rn. 245; BVerwG, U.v. 18.5.2001 – 2 WD 42.00 – juris Rn. 48 f.). Wer konstant und nachhaltig Migration als Eroberungsbewegung verstanden hat,
89
Beispiele: „Eroberung des öffentlichen Raums durch kulturfremde Migranten“ – „stille Landnahme“ – „immer offenere und aggressivere Landnahme durch afrikanische Zuwanderer“ – „Invasion“ (VG Köln, B.v. 5.2.2024 – 13 L 1124/23 – juris Rn. 260, 276, 279; OVG NW, U.v. 13.5.2024 – 5 A 1217/22 – juris Rn. 241, 244)
90
„Tja, Volksverrat in Form der Zerstörung der Versorgungs- und Wohlstandslage, ethnischen Austauschs, antiweißen Geschichtsrevisionismus“ – „Schwarzafrikanischen Invasion Europas“ (VG Köln, B.v. 5.2.2024 – 13 L 1124/23 – juris Rn. 238, 260, 279).
91
legitimierte in der Sache gewaltsame Abwehr und begünstigte rechtswidrige „Selbsthilfe“ im Einzelfall (vgl. OVG NW, U.v. 13.5.2024 – 5 A 1217/22 – juris Rn. 230, 245; Gutachten 2023, S. 17; OVG NW, U.v. 13.5.2024 – 5 A 1217/22 – juris Rn. 245; BVerwG, U.v. 18.5.2001 – 2 WD 42.00 – juris Rn. 48 f.) Er untergräbt damit die verfassungsmäßige Ordnung.
92
d) Das vorgelegte Material belegt ferner, dass die „Junge Alternative“ inhaltlich auf eine Beeinträchtigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung bzw. der verfassungsmäßigen Ordnung abzielte, indem sie durch – das weit zu verstehende Maß an zulässiger (auch Fundamental-)Kritik überschreitende – Beschimpfungen und Verächtlichmachung des politischen Systems der Bundesrepublik das Vertrauen zu ihren Repräsentanten in der Bevölkerung von Grund auf erschüttern wollte und damit zugleich das Demokratieprinzip und die freiheitliche demokratische Grundordnung als Ganzes in Frage stellte.
93
Bei der Beschreibung der Verfassungswirklichkeit sowie der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland ließ die „Junge Alternative“ jedwedes Bemühen um Augenmaß vermissen. Sie setzte an die Stelle des kritischen Urteils eine Darstellung, die im einzelnen kritikwürdige Zustände bewusst entstellte und überspitzt verallgemeinerte, begleitet von einer Diffamierung der Einrichtungen des Staates und den sie tragenden Parteien. Die „Junge Alternative“ wollte den Eindruck hervorrufen, dass allenthalben bestehende Missstände letztlich ihre Ursache in der Grundordnung selbst haben und diese deshalb – gemessen am Maßstab praktischer Bewährung – untauglich sei. Die schon im Kontext der Migrationspolitik vorherrschende Taktik, Gewaltanwendung durch Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas vorzubereiten, sollte auch hier Neigungen gedeihen lassen, die Grundordnung gegebenenfalls mit Gewalt zu beseitigen (so prägnant VG Köln, B.v. 5.2.2024 – 13 L 1124/23 – juris Rn. 357).
94
Der „Jungen Alternative“ ging es insbesondere darum, durch wiederkehrende Vergleiche mit dem NS-Regime und der ehemaligen DDR sowie der Darstellung der anderen Parteien als maximal unfähig und unwillig zur demokratischen Gestaltung das Vertrauen der Bevölkerung in die derzeitige parlamentarische Demokratie zu schwächen und die „Junge Alternative“ als einzige Retterin einer wahrhaftigen Demokratie und alleiniger Verfechterin der Interessen der Bürgerinnen und Bürger darzustellen (vgl. die abgedruckten Auszüge aus dem Material in VG Köln, B.v. 5.2.2024 – 13 L 1124/23 – juris Rn. 367 ff.).
95
3. Der Kläger hat die verfassungsfeindliche „Junge Alternative“ unterstützt, indem er am 19. November 2023 mit (mindestens) fünf Personen zusammen vor dem Kriegerdenkmal im Münchner Hofgarten einen Kranz anlässlich des Volkstrauertags niedergelegt hat, der ausweislich des Aufdrucks auf dem Schleifenband vom Landesverband Bayern als Teilorganisation der „Jungen Alternative“ gestiftet worden war. Hiervon zeugt ein auf deren Instagram-Kanal eingestelltes Foto, auf dem u.a. der Kläger in Andachthaltung und mit Blick auf die Kamera abgebildet ist; er posiert für das Foto.
96
a) Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c WaffG genügt für das Fehlen der Zuverlässigkeit im Regelfall, wenn „Tatsachen die Annahme rechtfertigen“, dass der Betreffende eine verfassungsfeindliche Vereinigung „unterstützt“ hat.
97
aa) Der Begriff des Unterstützens i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c WaffG wird weder durch das Gesetz selbst noch durch die Gesetzesmaterialien konkretisiert. Die Vorschrift wurde ohne genauere Erläuterung durch Gesetz vom 26. März 2008 (BGBl I 2008, 426) eingeführt, um die Norm mit dem im Jahr 2005 entsprechend geänderten § 8a SprengG „in Übereinstimmung“ zu bringen (vgl. BT-Drs. 16/7717, S. 199), dessen Änderung hinsichtlich der Einbeziehung der Unterstützung aber ebenfalls nicht näher begründet wurde (vgl. BT-Drs. 15/5002 S. 23). Der Wortsinn und der allgemeine Zweck des Waffengesetzes sprechen für eine weite Auslegung. Mit Blick auf den Regelungsgegenstand des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG bietet es sich außerdem an, auf das entsprechende verfassungsschutzrechtliche Begriffsverständnis (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 BVerfSchG) zurückzugreifen (vgl. BayVGH, B.v. 20.9.2023 – 24 CS 23.650 – BeckRS 2023, 26259 Rn. 18). Als Referenzgebiet ist mit Blick auf vergleichbare Regelungsgehalte auch § 54 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 AufenthG geeignet (vgl. BayVGH, B.v. 20.9.2023 – 24 CS 23.650 – BeckRS 2023, 26259 Rn. 18; SächsOVG, B.v. 4.7.2022 – 6 B 61/22 – juris Rn. 11; VG SH, U.v. 19.2.2024 – 7 A 279/23 – juris Rn. 37 ff.; Metzger in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Werkstand Februar 2025, § 5 WaffG Rn. 28), auch wenn § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG anders als § 54 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 AufenthG keine völkerrechtlich begründete Zwecksetzung verfolgt (vgl. zu dieser BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – Rn. 35).
98
(1) Als Unterstützung ist vor diesem Hintergrund jedes individuell-zurechenbare, nicht nur geringfügige Tätigwerden anzusehen, das abstrakt geeignet ist, sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung auszuwirken (vgl. VGH BW, U.v. 22.6.2021 – 8 S 3419/20 – juris Rn. 50; VG SH, U.v. 19.2.2024 – 7 A 279/23 – juris Rn. 37 ff.; Warg in Dietrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 537 Rn. 30; vgl. auch BVerwG, U.v. 19.6.2019 – 6 C 9.18 – juris Rn. 29: „lediglich untergeordnete Aktivitäten“). Das ist bei Verhaltensweisen der Fall, die die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung festigen, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen gerichteten Ziele fördern und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigen und ihr Gefährdungspotenzial steigern (vgl. BVerwG, U.v. 27.7.2017 – 1 C 28.16 – juris Rn. 21, 28; BVerwG. U.v. 30.7.2013 – 1 C 9.12 – juris Rn. 15). Erfolg setzt die Unterstützungshandlung nicht voraus; eines nachweisbaren oder messbaren Nutzens für die verfolgten Ziele bedarf es ebenfalls nicht (vgl. BVerwG, U.v. 27.7.2017 – 1 C 28.16 – juris Rn. 21; OVG Magdeburg, B.v. 8.8.2022 – 2 M 38/22 – juris Rn. 20; Fleuß in Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, Stand 1.4.2025, § 54 AufenthG, Rn. 106 m.w.N.; vgl. auch Waldmann in Adolph/Waldmann/Bannach, WaffG, Werkstand Juli 2025, § 5 Rn. 152).
99
Auch ein Verhalten, das der Meinungs- oder der Versammlungsfreiheit unterfällt, kann eine Unterstützungshandlung sein. Es ist dem Staat nicht verwehrt, aus grundrechtlich geschützten Meinungsäußerungen Schlüsse zu ziehen und Maßnahmen zum Rechtsgüterschutz zu ergreifen (vgl. BVerwG, U.v. 19.6.2019 – 6 C 9.18 – juris Rn. 21; BVerwG, B.v. 23.9.2011 – 1 B 19.11 – juris Rn. 8). Ausscheiden kann die Annahme einer Unterstützungshandlung hingegen, wenn der individuelle Beitrag erkennbar nur auf einzelne, mit verfassungsfeindlichen Zielen und Mitteln nicht im Zusammenhang stehende Ziele der Vereinigung gerichtet ist (vgl. BVerwG, U.v. 30.7.2013 – 1 C 9.12 – juris Rn. 15; VG SH, U.v. 19.2.2024 – 7 A 279/23 – juris Rn. 46).
100
(2) In subjektiver Hinsicht setzt eine Unterstützungshandlung voraus, dass der Erlaubnisinhaber erkennt, dass die Vereinigung verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt, und dass die von seinem Willen getragene Handlung der Vereinigung förderlich sein soll (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – Rn. 33; VGH BW, U.v. 29.9.2010 – 11 S 597/10 –, juris Rn. 39; VG Darmstadt, U.v. 28.2.2024 – 5 K 1525/18.DA – juris Rn. 67; Papsthart in Steindorf, Waffenrecht, 11. Aufl. 2022, § 5 Rn. 55). Auf eine darüberhinausgehende innere Einstellung kommt es nicht an (vgl. BVerwG, U.v. 30.7.2013 – 1 C 9.12 – juris Rn. 18 f.; BVerwG, U.v. 27.7.2017 – 1 C 28.16 – juris Rn. 22). Maßgeblich ist jeweils eine wertende Gesamtschau sämtlicher Umstände des Einzelfalles.
101
bb) Für das Vorliegen von Tatsachen (sog. Indiztatsachen), die die Annahme einer Unterstützung im vorstehenden Sinn rechtfertigen, d.h. eine entsprechende Schlussfolgerung tragen, gilt der normale Beweismaßstab der vollen gerichtlichen Überzeugung (vgl. zu § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG VGH BW, B.v. 25.5.2022 – 12 S 3327/20 – juris Rn. 10; zur Vorgängervorschrift BVerwG, U.v. 25.10.2011 – 1 C 13/10 – juris Rn. 16). Für die Frage, ob diese Tatsachen die nötige Annahme einer Unterstützung rechtfertigen, gilt hingegen ein reduzierter Beweismaßstab. Es bedarf nicht der vollen gerichtlichen Überzeugung. Es genügt, wenn sich aus den Tatsachen (in ihrer Gesamtschau) mit hinreichender Gewissheit bzw. bei vernünftiger Wertung die Folgerungen ableiten lassen, dass die vom Kläger vorgenommenen Handlungen dazu dienen, die Vereinigung zu unterstützen (vgl. für § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG OVG Bremen, B.v. 9.6.2023 – 2 B 19/23 – juris Rn. 10; VG Hannover, U.v. 11.5.2023 – 12 A 414/19 – juris Rn. 38 m.w.N.). Erforderlich ist nicht, dass die Tatsachen keinen anderen Schluss als den der Tatbestandserfüllung zulassen. Es fehlt aber an der gerechtfertigten Annahme einer Unterstützung, wenn sie sich nur als Vermutung darstellt, insbesondere wenn sowohl die einzelnen Handlungen wie auch das gesamte Auftreten des Betroffenen in einer Gesamtschau in gleicher Weise durch rechtlich nicht zu beanstandende persönliche Lebensumstände erklärt werden können (vgl. zur Vorgängervorschrift des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG BayVGH, B.v. 9.11.2005 – 24 CS 05.2621 – juris Rn. 85).
102
b) Hieran gemessen hat der Kläger die „Junge Alternative“ unterstützt. Die Kranzniederlegung und ihre nicht zufällige und veröffentlichte fotografische Dokumentation entfalten Außenwirkung, die bei wertender Gesamtbetrachtung aller Umstände die verfassungsspezifische Gefährlichkeit der „Jungen Alternative“ festigt und fördert.
103
Zwar wurde die konkrete Veranstaltung wohl nicht allein von der „Jungen Alternative“ verantwortet und stellt die Kranzniederlegung durch den Kläger für sich betrachtet zudem nur eine kurz andauernde Handlung dar. Gleichwohl stellt die Kranzniederlegung eine Unterstützungshandlung dar. Die Schwelle zum nur geringfügigen (zeitlich zu kurzen) Tätigwerden zu Gunsten der verfassungsfeindlichen „Jungen Alternative“ wird überschritten.
104
Die Niederlegung eines ausweislich des Schleifenaufdrucks von der „Jungen Alternative Bayern“ gestifteten Kranzes im öffentlich zugänglichen Hofgarten in München wirkt nach außen und ist geeignet, sich auf ihre Aktionsmöglichkeiten positiv auszuwirken (vgl. für die Teilnahme an einer Sonnwendfeier BayVGH, B.v. 21.7.2021 – 24 ZB 21.167 – juris Rn. 10; VG Gießen, B.v. 21.3.2024 – 9 L 280/24.GI – juris Rn. 41; für die Teilnahme an einer Kranzniederlegung bei einer NPD-Veranstaltung OVG NW, B.v. 11.3.2022 – 20 B 1184/21 – juris Rn. 36 ff.). Die Vereinigung kann sich präsentieren und damit zugleich für ihre verfassungsfeindlichen Ansichten werben. Dies gilt umso mehr als der Kläger als damaliger Kandidat für den Bayerischen Landtag auch über eine gewisse regionale Bekanntheit verfügte.
105
Ein herausgehobenes „Stärkungspotential“ der Kranzniederlegung durch den Kläger ergibt sich zudem auch daraus, dass die Veranstaltung über eine hohe Symbolkraft verfügte und nicht etwa nur einen mit den verfassungsfeindlichen Zielen in keinem Zusammenhang stehenden (Rand-)Aspekt des politischen Meinungsspektrums der „Jungen Alternative“ betraf. Der Volkstrauertag war – trotz seines allgemeinen Gedenkcharakters – für die „Junge Alternative“ thematisch und propagandistisch von besonderer Bedeutung. Diese grenzte sich von der gemeinhin praktizierten Gedenkkultur bewusst ab; das weiß auch der Kläger. Am Volkstrauertag als nationalem Gedenktag und sog. stillem Tag (für Bayern nach Art. 3 des Feiertagsgesetzes) wird in offiziellen Veranstaltungen der Opfer beider Weltkriege und der Gewaltherrschaft gedacht (vgl. Protokoll Inland der Bundesregierung, Eintrag Volkstrauertag, abrufbar unter https://www.protokoll-inland.de/Webs/PI/DE/themen/nationale-gedenk-feiertage/volks trauertag/volkstrauertag-node.html). Nicht zufällig und in deutlicher Abgrenzung zum Inhalt des offiziellen Gedenkens beschränkte sich die „Junge Alternative“ ausweislich des Schleifenaufdrucks – milieutypisch – auf das Gedenken „an unsere gefallenen Soldaten“ und zog damit zumindest auch eine gedanklich-spirituelle Verbindungslinie zum „Heldengedenktag“, zu dem der Volkstrauertag in der Zeit zwischen 1934 und 1945 umbenannt und inhaltlich sukzessive durch gänzliche Loslösung vom Gedenkcharakter umgestaltet worden war (vgl. Petersen, Die Geschichte des Volkstrauertags, 2. Aufl. 1998, S. 17 ff.; zum Gedenkkult rechtsextremistischer Bewegungen vgl. auch https://www.verfassungsschutz.bayern.de/rechtsextremismus/definition/aktionsfelder/gedenkkult/index.html).
106
Unterstützenden Charakter erhält die Niederlegung des Kranzes durch den Kläger schließlich auch durch das kalkuliert-gezielte Posieren für ein Foto, dessen Verbreitung auf den Social-Media-Plattformen der „Jungen Alternative“ die Wirkung des Auftritts dauerhaft dokumentiert und insoweit die Außenwirkung verstärkt.
107
Auch in subjektiver Hinsicht hat der Kläger die „Junge Alternative“ unterstützt. Es ist nicht zweifelhaft, dass dem Kläger die Verfassungsfeindlichkeit der Bestrebungen der „Jungen Alternative“ angesichts der öffentlich gewordenen Einstufung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz bekannt war. Sowohl die Kranzniederlegung wie auch ihre gezielte Ablichtung waren vom Willen des Klägers getragen. Die fördernden Wirkungen einer symbolträchtigen Niederlegung eines Kranzes zugunsten des auf dem Schleifenaufdruck klar erkennbaren Stifters waren dem Kläger ohne weiteres erkennbar und damit auch gewollt, mag es ihm auch nicht vorrangig darauf angekommen sein. Der gesamte Auftritt dokumentiert seine innere Nähe und Verbundenheit zur „Jungen Alternative“, die er auch nicht mit seiner Behauptung entkräften kann, dass es ihm nur um die Veranstaltung an sich und nicht um die „Junge Alternative“ gegangen sei.
108
4. Die zu bejahende Vermutung der Unzuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b bzw. c WaffG ist im vorliegenden Einzelfall auch nicht durch atypische Besonderheiten entkräftet (vgl. zum Prüfauftrag BVerwG, U.v. 19.6.2019 – 6 C 9.18 – juris Rn. 33 ff.; ThürOVG, B.v. 19.2.2024 – 3 EO 453/23 – juris Rn. 41; BayVGH, B.v. 11.12.2023 – 24 CS 23.1495 – juris Rn. 23). Solche sind nicht ersichtlich und haben sich auch in der mündlichen Verhandlung nicht ergeben. Der Kläger war in der Vergangenheit selbst Mitglied der „Jungen Alternative“; sein Austritt aus der Vereinigung war nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung maßgeblich dem Umzug von Berlin nach München und wohl auch einer zunehmenden Bedeutungslosigkeit der Vereinigung geschuldet, aber nicht vorrangig einer Abkehr von der Vereinigung selbst. Sein fortbestehendes Interesse an ihrer Entwicklung zeigte sich in der Teilnahme am Bundeskongress im Oktober 2022, die sich jedenfalls nicht allein aus der behaupteten schlichten Beobachtung „der Jugend“ seiner „Mutterpartei“, für die er tätig ist, erklärt. Darüber hinaus ist der Kläger ausweislich der vorgelegten Erkenntnismittel fortlaufend politischen Akteuren bzw. Milieus verbunden, denen auch die „Junge Alternative“ nahestand. Es handelt sich dabei zwar um legales Verhalten, das nach den bekannten Tatsachen nicht das Niveau von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG erreicht; Grund für eine atypische Entlastungswirkung bietet dieses aber nicht.
109
Vor diesem Hintergrund fehlt dem Kläger zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die waffenrechtlich erforderliche Zuverlässigkeit; die Erteilung der beantragten Waffenbesitzkarte ist rechtlich nicht zulässig. Die Sache ist daher spruchreif, die erhobene Verpflichtungsklage abzuweisen und das Urteil des Verwaltungsgerichts auf die Berufung des Beklagten hin zu ändern.
110
B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
111
C. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), soweit die Berufung zurückgewiesen worden ist. Es ist insoweit entscheidungserheblich, ob es für die Annahme im Regelfall fehlender Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b bzw. c WaffG erforderlich ist, dass sich die (nur) tatsachenbasierte Annahme einer Mitgliedschaft bzw. Unterstützung auf eine Vereinigung bezieht, hinsichtlich der (zur Überzeugung der Behörde bzw. des Gerichts) feststeht, dass sie verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt, oder ob auch insoweit ein „Verdacht“ genügt.