Inhalt

VGH München, Beschluss v. 14.08.2025 – 21 ZB 24.927
Titel:

Überbrückungshilfe III Plus, Bestätigung, prüfender Dritter, Förderpraxis, coronabedingter Umsatzeinbruch, Umsatzsteigerung, Vergleichszeitraum, Rücknahme, vorläufige bzw. vorbehaltliche Bewilligung, Umdeutung

Normenketten:
GG Art. 3 Abs. 1
BV Art. 118 Abs. 1
BayVwVfG Art. 47
BayVwVfG Art. 48
Schlagworte:
Überbrückungshilfe III Plus, Bestätigung, prüfender Dritter, Förderpraxis, coronabedingter Umsatzeinbruch, Umsatzsteigerung, Vergleichszeitraum, Rücknahme, vorläufige bzw. vorbehaltliche Bewilligung, Umdeutung
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 16.04.2024 – M 31 K 22.5750
Fundstelle:
BeckRS 2025, 22521

Tenor

I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 16. April 2024 wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 259.186,93 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung wendet sich die Klägerin, die eine EventVeranstaltungs- und Management-Agentur betreibt, gegen die Ablehnung der Gewährung einer Zuwendung im Rahmen der Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 4 (Überbrückungshilfe III Plus) und die Rückforderung einer Abschlagszahlung.
2
Die Klägerin beantragte am 8. Februar 2022 eine Gewährung der Überbrückungshilfe III Plus in Höhe von 259.186,93 EUR. Die im Förderantrag angegebenen Umsätze schwankten sowohl im Vergleichszeitraum des Jahres 2019 als auch im Förderzeitraum von Juli 2021 bis Dezember 2021. So gab sie für den Vergleichszeitraum von Juli 2019 bis Dezember 2019 Umsatzerlöse zwischen 13.705,89 EUR (im Juli) und 211.697,67 EUR (im Dezember) an. Im Förderzeitraum gab sie Umsätze zwischen 3.790,50 EUR (im Juli) und 908.968,14 EUR (im Dezember) an. Aus diesen unterjährigen Umsatzschwankungen ergeben sich im monatlichen Vergleich teilweise Umsatzeinbrüche von etwa 70%, teilweise aber auch deutliche Umsatzsteigerungen von über 300%. Insgesamt hat die Klägerin im Förderzeitraum höhere Umsätze erzielt als im Vergleichszeitraum (im Jahr 2019: 1.385.902,70 Euro, im Jahr 2020: 1.454.450,24 Euro, im Jahr 2021: 1.650.793,68 Euro).
3
Der Klägerin wurde mit Bescheid vom 8. Februar 2022 eine Abschlagszahlung in Höhe von 129.593,47 EUR gewährt. Mit Bescheid vom 15. Juni 2022 wurde der Klägerin vorläufig eine Überbrückungshilfe III Plus dem Grunde nach für den beantragten Zeitraum gewährt und hierzu im Wesentlichen ausgeführt, der Bescheid ergehe ausschließlich, um die mit Ablauf des befristeten Rahmens der europäischen Kommission am 30. Juni 2022 endende Frist für die Gewährung von Überbrückungshilfe zu wahren. Die Festsetzung stehe unter dem Vorbehalt der vollständigen Prüfung der Antragsberechtigung und der Berechnung der Anspruchshöhe.
4
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 21. Oktober 2022 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von einer Überbrückungshilfe III Plus ab (Nr. 1), ersetzte vollständig den Bescheid vom 15. Juni 2022 (Nr. 2), hob den unter Vorbehalt der vollständigen Prüfung ergangenen Bescheid vom 8. Februar 2022 auf (Nr. 3), setzte den zu erstattenden Betrag auf 129.593,47 EUR fest (Nr. 4) und ordnete unter Fristsetzung für die Rückzahlung die Verzinslichkeit des Erstattungsanspruchs an (Nr. 5). Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass das Unternehmen in den Fördermonaten einen höheren Umsatz als im Vergleichszeitraum erwirtschaftet habe und zudem nicht von Schließungsanordnungen betroffen sei, so dass ein coronabedingter Umsatzeinbruch nicht dargelegt worden sei.
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Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 16. April 2024 abgewiesen. Mit ihrem fristgerecht gestellten und begründeten Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.
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Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.
II.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, weil sich aus dem Zulassungsvorbringen (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) nicht ergibt, dass ein von der Klägerin geltend gemachter Zulassungsgrund vorliegt. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) oder wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
8
1. Das Vorbringen der Klägerin begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen dessen Richtigkeit gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426/17 – juris Rn. 34; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 62 f.).
9
a) Die Klägerin rügt, das Verwaltungsgericht habe die Bestätigung des prüfenden Dritten, dass die geltend gemachten Umsatzausfälle coronabedingt gewesen seien, übergangen. Der prüfende Dritte habe ausdrücklich bestätigt, dass die fraglichen Umsatzeinbrüche coronabedingt gewesen seien und zwar auf Grundlage des nachgewiesenen Ausfallens einer Vielzahl bereits beauftragter, aber sodann nicht umgesetzter Veranstaltungen mit Umsätzen von jeweils über 1.000.000 EUR. Im Ergebnis meint die Klägerin, dass der materielle Förderanspruch bereits dann gegeben sei, wenn – wie hier – der prüfende Dritte die Coronabedingtheit des Umsatzeinbruchs bestätigt hat.
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Dies ist nicht zutreffend. Dem steht schon der Wortlaut der Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 4 (Überbrückungshilfe III Plus) vom 3. August 2021, Az. 33-3560-3/159/1 (BayMBl. 2021 Nr. 553 v. 04.08.2021) entgegen (im Folgenden: Zuwendungsrichtlinie), in deren Nr. 7.1 Satz 4 es heißt: „Zusätzlich hat der Antragsteller folgendes glaubhaft zu machen: a) den Umsatzrückgang gemäß Nr. 2.1“. Die Zuwendungsrichtlinie differenziert zwischen der Prüfung des (Erst-)Antrags durch die Bewilligungsstelle in Nr. 9.1 der Zuwendungsrichtlinie und der Prüfung der Schlussabrechnung durch die Bewilligungsstelle in Nr. 9.2 der Zuwendungsrichtlinie. Für die Bearbeitung des Erstantrags darf die Bewilligungsstelle „auf die vom prüfenden Dritten im Antrag gemachten Angaben vertrauen, soweit es keine Anhaltspunkte für Unvollständigkeit oder Fehlerhaftigkeit der Angaben gibt“ (Nr. 9.1 Satz 2 der Zuwendungsrichtlinie). Demgegenüber ist sie für die Prüfung der Schlussabrechnung verpflichtet, „auf der Grundlage der nach Nr. 7.1 der Zuwendungsrichtlinie vorgelegten Bestätigung des prüfenden Dritten das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung der Billigkeitsleistung, die Höhe und Dauer der Billigkeitsleistung sowie eine etwaige Überkompensation“ zu prüfen (Nr. 9.2 Satz 1 der Zuwendungsrichtlinie). Die Bewilligungsstelle prüft die inhaltliche Richtigkeit der Bestätigung des prüfenden Dritten und aller für die Bewilligung der Billigkeitsleistung maßgeblichen Versicherungen und Erklärungen des Antragstellers (Nr. 9.2 Satz 2 der Zuwendungsrichtlinie). Somit bezieht sich ein etwaiges Vertrauen auf die Bestätigung des prüfenden Dritten lediglich auf die vorläufige Gewährung als Zwischenergebnis des Erstantragsverfahrens. In der ersten Prüfungsstufe erfolgt eine automatisierte Vorprüfung auf Plausibilität, weil eine durchgehende händische Überprüfung angesichts der Vielzahl von Verfahren nicht möglich gewesen ist. Die Einzelfallüberprüfung ist in die Endabrechnung bzw. die abschließende Entscheidung verlagert worden (vgl. BayVGH, B.v. 16.01.2025 – 22 ZB 23.1789 – juris Rn. 18). Vor einer abschließenden Entscheidung aber ist die Bestätigung des prüfenden Dritten inhaltlich zu überprüfen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte in irgendeiner Form auf die Prüfung verzichtet hätte.
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b) Der Klägerin zufolge hätte die für den Nachweis der Coronabedingtheit der Umsatzeinbrüche geforderte Bestätigung des prüfenden Dritten vorgelegen und die vom Verwaltungsgericht für die Begründung des Gegenteils herangezogenen Argumente seien nicht stichhaltig. Es begegne durchgreifenden Bedenken, soweit das Verwaltungsgericht davon ausgehe, dass die Förderpraxis nicht zu beanstanden sei. Die Förderpraxis weiche von der Zuwendungsrichtlinie hinsichtlich der zusätzlichen Betrachtung des Jahres 2021 ab.
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Sind die Fördervoraussetzungen – wie hier – in Förderrichtlinien geregelt, so müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), im Einklang mit Art. 23 und 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den Richtlinien zum Ausdruck kommt. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder ggf. ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. Entscheidend ist daher allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz gebunden ist (BVerwG, U.v. 16.6.2015 – 10 C 15.14 – juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 17.11.2010 – 4 ZB 10.1689 – juris Rn. 19; B.v. 27.7.2009 – 4 ZB 07.1132 – juris Rn. 13). Ein Anspruch auf die Förderung besteht im Einzelfall über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und den Gleichheitssatz dann, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis des Beklagten auch positiv verbeschieden werden (BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 26; NdsOVG, U.v. 15.2.2022 – 10 LC 151/20 – juris Rn. 41). Richtlinien oder sonstige ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften dürfen dabei nicht gerichtlich ausgelegt werden, sondern dienen nur dazu, eine dem Gleichheitssatz entsprechende Ermessenausübung der Behörde zu gewährleisten (VGH BW, U.v. 13.7.2023 – 14 S 2699/22 – juris Rn. 63 m.w.N.; BayVGH, B.v. 27.3.2025 – 21 ZB 24.514 – juris Rn. 13).
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Zur Feststellung einer tatsächlich geübten Verwaltungspraxis kann auf die Förderrichtlinien, öffentliche Verlautbarungen der Bewilligungs-, übergeordneter Landes- oder aufgrund von Verwaltungsvereinbarungen eingebundener Bundesbehörden und sog. FAQs zurückgegriffen werden. Jedoch ist zu beachten, dass grundsätzlich für die Selbstbindung der Verwaltung nicht einmal der Wortlaut einer Richtlinie oder der FAQ maßgeblich ist (BayVGH, B.v. 22.5.2023 – 22 ZB 22.2661 – juris Rn. 29). Entscheidend ist immer das Verständnis des Zuwendungsgebers bzw. dessen tatsächliche Verwaltungspraxis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung (st.Rspr. BayVGH, B.v. 27.3.2025 – 21 ZB 24.514 – juris Rn. 13; B.v. 16.7.2025 – 21 ZB 24.820 – juris Rn. 20).
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Diese Verwaltungspraxis hat die Beklagte hinreichend dargelegt. Die Feststellung der Förderberechtigung wird der Beklagten zufolge neben einem entsprechenden Umsatzrückgang in den einzelnen Fördermonaten (Nr. 2.1 Satz 1 Buchstabe e der Zuwendungsrichtlinie) ergänzend auch von einer globaleren Betrachtung der Umsatzentwicklung des antragstellenden Unternehmens abhängig gemacht. Es werde in der ständigen Verwaltungspraxis bei der Beurteilung des coronabedingten Umsatzeinbruchs auch auf den Zeitpunkt mit abgestellt, für den eine Förderung beantragt worden sei. Die globale Betrachtung biete einen Maßstab für die wirtschaftliche Entwicklung des jeweiligen Unternehmens und damit die Erforderlichkeit einer Überbrückungshilfe im konkreten Einzelfall zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz im Sinn der Zielsetzung der Überbrückungshilfe. Die vergleichende Betrachtung der Jahresumsätze des antragstellenden Unternehmens stelle die Coronabedingtheit eines Umsatzrückgangs bzw. von Umsatzschwankungen in Frage, wenn sich im Förderzeitraum im Vergleich zum Jahr 2019 eine Umsatzsteigerung ergebe. Etwaige monatliche Umsatzschwankungen des Unternehmens seien nicht coronabedingt, wenn der Umsatz eines Unternehmens im Jahr 2020 oder 2021 bei mindestens 100% des Umsatzes des Jahres 2019 liege. Auf dieser Grundlage, insbesondere der (Gesamt-)Betrachtung der Jahresumsätze aus den Jahren 2019, 2020 und 2021 gehe die Beklagte im konkreten Fall davon aus, dass ein coronabedingter Umsatzeinbruch insgesamt nicht vorliege. Aufgrund der Entwicklung der einschlägigen Jahresumsätze des Unternehmens betrachte die Beklagte in den einzelnen Fördermonaten bestehende Umsatzrückgänge als (insgesamt) nicht coronabedingte Umsatzschwankungen.
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Diese, auf der einschlägigen Zuwendungsrichtlinie beruhende und in den wesentlichen Aspekten auch in den FAQs abgebildete Zuwendungspraxis der Beklagten ist nicht zu beanstanden. Gemäß Nr. 1 Sätze 7 und 8 der Zuwendungsrichtlinie dient die Überbrückungshilfe der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz der Unternehmen. Insbesondere das hier inmitten stehende Kriterium der gesamten bzw. jährlichen Umsatzentwicklung des Unternehmens vor und im Förderzeitraum lässt sich ohne weiteres auf die Zweckbestimmung der Überbrückungshilfe III Plus zurückführen. Die Klägerin hat im vorliegenden Fall durchgehend Umsatzsteigerungen erzielt. Im Jahr 2019 betrug der Umsatz 1.385.902,70 Euro, im Jahr 2020 1.454.450,24 Euro und im Jahr 2021 1.650.793,68 Euro (vgl. Blatt 86 der Behördenakte). Im Übrigen musste die Klägerin bereits wegen des den Umsatz des Jahres 2019 übersteigenden Jahresumsatzes für 2020 damit rechnen, dass nicht von coronabedingten Umsatzeinbrüchen ausgegangen wird.
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c) Die Klägerin ist der Auffassung, dass der angefochtene Bescheid vom 21. Oktober 2022 in Ziffern 2 bis 4 rechtswidrig sei. Zum einen handle es sich nicht offensichtlich um die Konstellation einer lediglich vorläufigen bzw. vorbehaltlichen Bewilligung einer Abschlagszahlung. Die Ausführungen des Erstgerichts, wonach Art. 48 BayVwVfG nicht anwendbar sei und es daher schon nicht auf die entsprechenden Ausführungen der Klägerin ankomme, sei unzutreffend. Der Bescheid könne nur unter den erweiterten Voraussetzungen des Art. 48 BayVwVfG zurückgenommen werden. Zum anderen habe die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid eine Ersetzung des Bewilligungsbescheids vom 8. Februar 2022 überhaupt nicht erklärt. Nach Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids würden die Haupt- und Nebenbestimmungen des – nicht streitgegenständlichen – Bescheids vom 15. Mai 2022 (richtig wohl: 15. Juni 2022) ersetzt. Nach Ziffer 3 des angefochtenen Bescheids werde der Bewilligungsbescheid vom 8. Februar 2022 ausdrücklich gemäß Art. 49 BayVwVfG (richtig wohl: Art. 48 BayVwVfG) zurückgenommen. Eine entsprechende Umdeutung nach Art. 47 BayVwVfG scheide aus, da dies den erkennbar im angegriffenen Aufhebungsbescheid erklärten Absichten der Beklagten widerspräche.
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Dieser Vortrag vermag keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zu wecken.
18
aa) Soweit mit Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids vom 21. Oktober 2021 der Bescheid vom 8. Februar 2022 über die Gewährung einer Abschlagszahlung nach Art. 48 BayVwVfG zurückgenommen wurde, hat das Erstgericht es offengelassen, ob als Rechtsgrundlage für die Rücknahme der mit Bescheid vom 8. Februar 2022 gewährten Abschlagszahlung Art. 48 BayVwVfG herangezogen werden könne, weil es sich vorliegend offensichtlich um die Konstellation einer lediglich vorläufigen bzw. vorbehaltlichen Bewilligung einer Abschlagszahlung handle. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
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Es hätte einer Rücknahme des Bescheides vom 8. Februar 2022 nicht bedurft. Bei der Gewährung der Abschlagszahlung im Bescheid vom 8. Februar 2022 handelt es sich um die Konstellation einer lediglich vorläufigen bzw. vorbehaltlichen Bewilligung (vgl. hierzu grundsätzlich BVerwG, U.v. 14.04.1983 – 3 C 8.82, juris, Rn. 33). Nach Nr. 2 des Bescheids vom 8. Februar 2022 erging die Bewilligung ausdrücklich unter dem Vorbehalt der endgültigen Festsetzung in einem Schlussbescheid. Der Bescheid vom 8. Februar 2022 stellt sich daher als vorläufiger Zuwendungsbescheid dar (vgl. BVerwG, U.v. 15.03.2017 – 10 C 1/16, juris, Rn. 14 ff.).
20
Bei einem vorläufigen Zuwendungsbescheid ist eine Rücknahme nach Art. 48 BayVwVfG nicht erforderlich. Vielmehr wird die vorläufige Gewährung einer Abschlagszahlung durch den endgültigen oder einen weiteren mit Vorbehalt versehenen Bescheid, wie den hier streitgegenständlichen Ablehnungsbescheid, ersetzt und erledigt. Der Bewilligungsbescheid vom 8. Februar 2022 ist lediglich die Grundlage für die vorläufig geleistete Zahlung; hierin erschöpft sich seine Rechtswirkung. Demgegenüber kommt dem streitgegenständlichen Bescheid der Charakter eines Änderungsbescheids mit dem Regelungsgehalt zu, die beantragte Überbrückungshilfe abzulehnen und die sich hieraus angesichts der erfolgten vorläufigen Zahlung ergebende Überzahlung nebst Zinsen zurückzufordern (vgl. BVerwG, U.v. 14.04.1983 – 3 C 8.82 – juris Rn. 34; U.v. 15.03.2017 – 10 C 1/16 – juris Rn. 16).
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Obwohl es einer Rücknahme des Bescheids vom 8. Februar 2022 nicht bedurft hätte, ist die trotzdem erfolgte Rücknahme des Bescheides vom 8. Februar 2022 in Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheides vom 21. Oktober 2022 aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit rechtlich nicht zu beanstanden.
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bb) Auch die Rückforderung der Zahlung in Höhe von 129.593,47 € in Nr. 4 des streitgegenständlichen Bescheids ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Rechtsgrundlage hierfür ist Art. 49a Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG. Danach sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit – wie hier – ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist. Die zu erstattende Leistung ist gemäß Art. 49a Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen, was vorliegend in Nr. 4 des streitgegenständlichen Bescheids erfolgt ist.
23
cc) Schließlich ist auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids den Bescheid vom 15. Juni 2022 ersetzt hat. Der Bescheid vom 15. Juni 2022 ist allein zur beihilferechtlichen Fristwahrung ergangen. Dieser Bescheid setzte den Anspruch auf Überbrückungshilfe III Plus vorläufig dem Grunde nach fest (Nr. 1 Abs. 3). Die Festsetzung stand unter dem Vorbehalt der vollständigen Prüfung der Antragsberechtigung und der Anspruchshöhe (Nr. 1 Abs. 4). Die Beklagte durfte im Bereich der hier strittigen Corona Hilfen vorläufige Bescheide unter Prüfungsvorbehalt erlassen und später durch Ablehnungsbescheide ersetzen. Dies gilt auch im Fall der Klägerin.
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2. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt ebenfalls nicht vor.
25
Um eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dem Darlegungsgebot genügend zu begründen, hat der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage zu formulieren und darzulegen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist, weshalb sie klärungsbedürftig ist und inwiefern der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 72).
26
Die Klägerin wirft die Rechtsfrage auf,
27
inwieweit eine gerichtliche Umdeutung einer erklärten Rücknahme in eine Ersetzung angesichts der Einschränkungen von Art. 47 Abs. 2 Satz 1, 2 BayVwVfG zulässig ist.
28
Außerdem wirft sie die Rechtsfrage auf,
29
inwieweit Art. 47 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG einer (gerichtlichen) Umdeutung einer erklärten Rücknahme in eine Ersetzung dann entgegensteht, wenn zwar die Voraussetzungen einer Ersetzung vorliegen, aber die erklärte Rücknahme sich als rechtswidrig erweist und damit den Tatbestand des Art. 47 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG auslöst.
30
Die aufgeworfenen Fragen sind nicht entscheidungserheblich. Das Erstgericht hat keine Umdeutung des Bescheids im Sinn von Art. 47 BayVwVfG vorgenommen (so ausdrücklich UA S.18). Eine Umdeutung ist entbehrlich, wenn ein Verwaltungsakt im Wege der Rechtsanwendung auch auf anderer Grundlage als rechtmäßig zu qualifizieren ist (vgl. dazu auch Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 47 Rn. 18).
31
Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass es Voraussetzung für eine Umdeutung wäre, dass der umzudeutende Verwaltungsakt rechtswidrig ist. Dies hat das Verwaltungsgericht gerade nicht festgestellt. Vielmehr hat es lediglich die Rechtsgrundlage ausgewechselt. Ein solches Vorgehen kann zulässig und geboten sein, solange der Regelungsgegenstand des angefochtenen Verwaltungsakts identisch bleibt, d.h. der auf ein bestimmtes Rechtverhältnis bezogenen Tenor nicht verändert wird (Schulz in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 1. Aufl. 2014, § 47 Rn. 23). Dies ist hier der Fall, weil der Tenor des angefochtenen Bescheids in Nr. 3 auch auf den Vorbehalt der vollständigen Prüfung im gewährenden Bescheid Bezug nimmt. Der Regelungsgehalt des Bescheides bliebe unverändert, wenn die Aufhebung der gewährten Abschlagszahlung als Schlussbescheid unter endgültiger Ablehnung anstelle einer Rücknahme des Bescheids über eine Abschlagszahlung angesehen wird. Der Austausch der aus Sicht des Erstgerichts unzutreffend angegebenen Ermächtigung führt hier nicht zur Wesensänderung des Verwaltungsakts.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 47 Abs. 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
33
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO. Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 154a Abs. 5 Satz 4 VwGO.