Inhalt

VGH München, Beschluss v. 21.08.2025 – 21 B 24.177
Titel:

EuGH-Vorlage zur Auslegung von Art. 3 Abs. 3 der Berufsanerkennungsrichtlinie

Normenkette:
RL 2005/36/EG Art. 3 Abs. 3, Art. 21 Abs. 1
Leitsatz:
Ob Ausbildungsnachweise, die die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 3 der RL 2005/36/EG erfüllen, auch in anderen Mitgliedstaaten anzuerkennen sind, sodass bei Vorliegen einer mindestens dreijährigen Berufserfahrung im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats ein unmittelbarer Anspruch gegen einen anderen Mitgliedstaat auf Gestattung der Ausübung eines reglementierten Berufs daraus folgt, kann nicht mit der nötigen Eindeutigkeit beantwortet werden. (Rn. 40 – 50) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vorlage zur Vorabentscheidung durch den EuGH, Auslegung von Art. 3 Abs. 3 der RL 2005/36/EG (Berufsanerkennungsrichtlinie), Anerkennung des medizinischen Ausbildungsnachweises eines Drittstaates, Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 07.04.2022 – M 27 K 21.886
Fundstelle:
BeckRS 2025, 22514

Tenor

I. Der Senat legt dem Europäischen Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV vor:
Ist Art. 3 Abs. 3 der RL 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen dahingehend auszulegen, dass die Anerkennung eines medizinischen Ausbildungsnachweises eines Drittstaates durch einen Mitgliedstaat sowie die Bescheinigung einer mindestens dreijährigen Berufserfahrung im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats durch diesen Mitgliedstaat von einem anderen Mitgliedstaat als gleichwertig zu den in Anhang V Nr. 5.1.1. der RL 2005/36/EG genannten Ausbildungsnachweisen anzusehen ist, und der andere Mitgliedstaat deswegen nach dem Grundsatz der automatischen Anerkennung nach Art. 21 Abs. 1 den Nachweisen im Sinne des Art. 3 Abs. 3 der RL 2005/36/EG in Bezug auf die Aufnahme und Ausübung der beruflichen Tätigkeiten in seinem Hoheitsgebiet dieselbe Wirkung wie den von ihm ausgestellten Ausbildungsnachweisen verleihen muss?
II. Das Verfahren wird bis zu der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die Vorlagefrage gemäß § 94 VwGO analog ausgesetzt.

Gründe

I.
1
Zwischen den Beteiligten des Rechtsstreits ist streitig, ob der Klägerin die Approbation als Ärztin zu erteilen ist.
2
Die in Südafrika geborene Klägerin ist seit 2011 britische Staatsangehörige. Nach ihrem Medizinstudium in Südafrika von 1986 bis 1991 war sie dort in verschiedenen Kliniken als Assistenzärztin tätig und erwarb 1999 eine Facharztbezeichnung für Augenheilkunde. Von 2000 bis 2019 war die Klägerin im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland (nachfolgend: Vereinigtes Königreich) als Fachärztin für Augenheilkunde, zuletzt als Oberärztin, in verschiedenen Kliniken tätig. Nach einer ersten Eintragung in das Register des „General Medical Council“ (Britische Ärztekammer) im Jahr 1993 erfolgte zum 16. November 2009 die endgültige Eintragung als Fachärztin mit Approbationsurkunde für Großbritannien. In der Bescheinigung heißt es: „Alle Ärzte, die im Vereinigten Königreich Medizin praktizieren möchten, müssen eingetragen sein und eine Approbationsurkunde besitzen.“
3
Im September 2019 beantragte die Klägerin bei der Regierung von Oberbayern die Erteilung der Approbation als Ärztin gemäß § 3 Bundesärzteordnung (BÄO) und wies darauf hin, dass es sich um die Anerkennung einer in der Europäischen Union anerkannten Berufsqualifikation handele. In der Folgezeit teilte die Regierung von Oberbayern der Klägerin mit, dass aufgrund des Studienabschlusses in Südafrika trotz der Anerkennung im Vereinigten Königreich eine Gleichwertigkeitsprüfung durchzuführen sei und forderte die Klägerin mehrmals zur Vorlage der angeforderten Unterlagen auf. Die Klägerin sei zwar britische Staatsangehörige, sie habe ihre Berufsqualifikation jedoch nicht in einem EU-Mitgliedstaat, sondern in Südafrika erworben. Obwohl das Vereinigte Königreich diese südafrikanische Berufsqualifikation nach den britischen Vorschriften anerkannt habe, sehe gleichwohl der für diese Fallkonstellation einschlägige § 3 Abs. 2 Satz 10 BÄO vor, dass eine Gleichwertigkeitsprüfung durchzuführen sei. Die automatische Anerkennung der Drittstaatenausbildung aufgrund der erfolgten Anerkennung durch einen EU-Mitgliedstaat komme nicht in Betracht.
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Im November 2020 legte die Klägerin eine Bescheinigung des,,General Medical Council“ vom 6. November 2020 vor, in welcher der Klägerin gemäß Art. 3 Abs. 3 der RL 2005/36/EG bescheinigt wird, dass ihr 1991 in Südafrika abgeschlossenes Medizinstudium und die Fachqualifikation in Augenheilkunde geprüft und anerkannt worden seien sowie, dass die Klägerin über drei Jahre Berufserfahrung in diesem Beruf im Vereinigten Königreich verfüge.
5
Mit Bescheid vom 12. Januar 2021 lehnte die Regierung von Oberbayern den Antrag der Klägerin auf Erteilung der Approbation ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass für den vorliegenden Fall die Vorschrift des § 3 Abs. 2 Satz 10 BÄO zur Anwendung komme, weil die Drittstaatenausbildung bereits im Vereinigten Königreich anerkannt worden sei. Indes habe die Klägerin nicht die für eine Gleichwertigkeitsprüfung erforderlichen Dokumente (Noten- und Stundenanhang zum Diplom/Fächerübersicht und Curriculum) vorgelegt.
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Im Klageverfahren hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 7. April 2022 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 12. Januar 2021 verpflichtet, über den Approbationsantrag der Klägerin vom 20. September 2019 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass § 3 Abs. 2 Satz 10 BÄO vorliegend aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts keine Anwendung finden könne, weil § 3 Abs. 2 Satz 10 BÄO eine unionsrechtswidrige Umsetzung des Art. 3 Abs. 3 der RL 2005/36/EG in nationales Recht darstelle. Denn § 3 Abs. 2 Satz 10 BÄO verweise Antragsteller, die über einen Ausbildungsnachweis als Arzt verfügen, der in einem Drittstaat ausgestellt sei und den ein anderer EU-Mitgliedstaat (oder assoziierter Staat) anerkannt habe, auf eine Gleichwertigkeitsprüfung nach § 3 Abs. 2 Sätze 2 bis 9 BÄO. Nach Art. 3 Abs. 3 der RL 2005/36/EG sei jedoch einem Ausbildungsnachweis gleichgestellt jeder in einem Drittland ausgestellte Ausbildungsnachweis, sofern sein Inhaber in dem betreffenden Beruf drei Jahre Berufserfahrung im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, der diesen Ausbildungsnachweis nach Art. 2 Abs. 2 der RL 2005/36/EG anerkannt habe, besitze und dieser Mitgliedstaat diese Berufserfahrung bescheinige. Eine Gleichwertigkeitsprüfung sei darüber hinaus in Art. 3 Abs. 3 der RL 2005/36/EG, den § 3 Abs. 2 Satz 10 BÄO in nationales Recht umsetzen solle, allerdings nicht vorgesehen und dürfe durch den nationalen Gesetzgeber daher nicht als weitere Voraussetzung im Regelungssystem der Bundesärzteordnung aufgestellt werden. Diese fehlerhafte Umsetzung der RL 2005/36/EG in nationales Recht führe dazu, dass für die Prüfung des Anspruchs auf Erteilung der Approbation die Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 10 BÄO im vorliegenden Fall keine Anwendung finde, sondern ein etwaiger Anspruch unmittelbar aus der RL 2005/36/EG herzuleiten sei. Es lägen auch die allgemeinen Kriterien für eine unmittelbare Anwendung einer EU-Richtlinie vor. Es bestehe ein Anspruch der Klägerin auf,,automatische Anerkennung“ ihrer im Vereinigten Königreich anerkannten Drittstaatenqualifikation im Bundesgebiet ohne zusätzliche Gleichwertigkeitsprüfung nach Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 3 und Art. 4 Abs. 1 der RL 2005/36/EG. Die Klägerin verfüge über eine Bescheinigung des,,General Medical Council“ vom 6. November 2020, in der ihr gemäß Art. 3 Abs. 3 der RL 2005/36/EG bescheinigt werde, dass ihre in Südafrika erworbene Berufsqualifikation nach inhaltlicher Prüfung im Vereinigten Königreich anerkannt werde und sie darüber hinaus über drei Jahre Berufserfahrung in diesem Beruf verfüge.
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Im Berufungsverfahren beantragt der Beklagte,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
II.
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1. Die Vorlagefrage betrifft die Auslegung des Art. 3 Abs. 3 der RL 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. L 255 vom 30. September 2005 S. 22; nachfolgend: RL 2005/36/EG) in der durch die RL 2013/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. November 2013 (ABl. L 354 vom 28.12.2013 S. 132) geänderten Fassung. Entscheidungserhebliche Norm im nationalen Recht ist insbesondere § 3 Abs. 2 Satz 10 i.V.m. Satz 2 bis 9 Bundesärzteordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. April 1987 (BGBl. I S. 1218), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 20. März 2024 (BGBl. I Nr. 99) – BÄO -.
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2. Die nationalen Vorschriften haben folgenden Wortlaut:
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§ 3 BÄO
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(1) 1Die Approbation als Arzt ist auf Antrag zu erteilen, wenn der Antragsteller (…)
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4. nach einem Studium der Medizin an einer wissenschaftlichen Hochschule von mindestens 5.500 Stunden und einer Dauer von mindestens sechs Jahren, von denen mindestens acht, höchstens zwölf Monate auf eine praktische Ausbildung in Krankenhäusern oder geeigneten Einrichtungen der ärztlichen Krankenversorgung entfallen müssen, die ärztliche Prüfung im Geltungsbereich dieses Gesetzes bestanden hat, (…)
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2Eine in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum abgeschlossene ärztliche Ausbildung gilt als Ausbildung im Sinne der Nummer 4, wenn sie durch Vorlage eines Europäischen Berufsausweises, eines nach dem 20. Dezember 1976 ausgestellten, in der Anlage zu diesem Gesetz aufgeführten ärztlichen Ausbildungsnachweises eines der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines in der Anlage zu diesem Gesetz aufgeführten, nach dem 31. Dezember 1992 ausgestellten ärztlichen Ausbildungsnachweises eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum nachgewiesen wird (…).
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5Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, die Anlage zu diesem Gesetz späteren Änderungen von Anhang V Nummer 5.1.1 der RL 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. EU Nr. L 255 S. 22, 2007 Nr. L 271 S. 18) anzupassen.
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6Gleichwertig den in Satz 2 genannten ärztlichen Ausbildungsnachweisen sind nach dem in Satz 2, 3 oder 4 genannten Zeitpunkt von einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder einem Vertragsstaat, dem Deutschland und die Europäische Gemeinschaft oder Deutschland und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden Rechtsanspruch eingeräumt haben, ausgestellte ärztliche Ausbildungsnachweise, die den in der Anlage zu Satz 2 für den betreffenden Staat aufgeführten Bezeichnungen nicht entsprechen, aber mit einer Bescheinigung der zuständigen Behörde oder Stelle des Staates darüber vorgelegt werden, dass sie eine Ausbildung abschließen, die den Mindestanforderungen des Artikels 24 der RL 2005/36/EG entspricht, und dass sie den für diesen Staat in der Anlage zu Satz 2 aufgeführten Nachweisen gleichstehen.(…)
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(2) 1Ist die Voraussetzung des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 4 nicht erfüllt, so ist Antragstellern, die ihre ärztliche Ausbildung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz abgeschlossen haben und nicht unter Absatz 1 oder § 14b fallen, die Approbation zu erteilen, wenn die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes gegeben ist.
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2Der Ausbildungsstand ist als gleichwertig anzusehen, wenn die Ausbildung des Antragstellers keine wesentlichen Unterschiede gegenüber der Ausbildung aufweist, die in diesem Gesetz und in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 geregelt ist.
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3Wesentliche Unterschiede nach Satz 2 liegen vor, wenn
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1. die Ausbildung der Antragsteller sich hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit auf Fächer bezieht, die sich wesentlich von der deutschen Ausbildung unterscheiden, oder
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2. der Beruf des Arztes eine oder mehrere reglementierte Tätigkeiten umfasst, die in dem Staat, der den Ausbildungsnachweis ausgestellt hat, nicht Bestandteil des Berufs des Arztes sind, und sich die deutsche Ausbildung auf Fächer bezieht, die sich wesentlich von denen unterscheiden, die von dem Ausbildungsnachweis der Antragsteller abgedeckt werden.
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4Fächer unterscheiden sich wesentlich, bei denen Kenntnis und Fähigkeiten eine wesentliche Voraussetzung für die Ausübung des Berufs sind und bei denen die Ausbildung der Antragsteller gegenüber der deutschen Ausbildung wesentliche Abweichungen hinsichtlich des Inhalts aufweist.
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5Wesentliche Unterschiede können ganz oder teilweise durch Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeglichen werden, die die Antragsteller im Rahmen ihrer ärztlichen Berufspraxis in Voll- oder Teilzeit oder durch lebenslanges Lernen erworben haben, sofern die durch lebenslanges Lernen erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten von einer dafür in dem jeweiligen Staat zuständigen Stelle formell als gültig anerkannt wurden; dabei ist nicht entscheidend, in welchem Staat diese Kenntnisse und Fähigkeiten erworben worden sind.
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6Liegen wesentliche Unterschiede nach den Sätzen 3 bis 5 vor, müssen die Antragsteller nachweisen, dass sie über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, die zur Ausübung des Berufs des Arztes erforderlich sind.
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7Dieser Nachweis ist durch eine Eignungsprüfung zu erbringen, die sich auf die festgestellten wesentlichen Unterschiede bezieht (…).
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10Die Sätze 2 bis 9 gelten auch für Antragsteller, die über einen Ausbildungsnachweis als Arzt verfügen, der in einem anderen als den in Satz 1 genannten Staaten (Drittstaat) ausgestellt ist und den ein anderer der in Satz 1 genannten Staaten anerkannt hat.
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(3) 1Ist die Voraussetzung des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 4 nicht erfüllt, so ist Antragstellern, die über einen Ausbildungsnachweis als Arzt verfügen, der in einem anderen als den in Absatz 2 Satz 1 genannten Staaten (Drittstaat) ausgestellt ist, die Approbation zu erteilen, wenn die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes gegeben ist. 2Für die Prüfung der Gleichwertigkeit gilt Absatz 2 Satz 2 bis 6 sowie 8 und 9 entsprechend. 3Der Nachweis der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten wird durch das Ablegen einer Prüfung erbracht, die sich auf den Inhalt der staatlichen Abschlussprüfung bezieht. 4Die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten sind nach Satz 3 auch nachzuweisen, wenn die Prüfung des Antrags nur mit unangemessenem zeitlichen oder sachlichen Aufwand möglich ist, weil die erforderlichen Unterlagen und Nachweise aus Gründen, die nicht in der Person der Antragsteller liegen, von diesen nicht vorgelegt werden können.
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(3a) 1Wird die Voraussetzung des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 4 auf eine Ausbildung gestützt, die außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeschlossen worden ist, sollen die Voraussetzungen der Gleichwertigkeit der Berufsqualifikation nach den Absätzen 2 oder 3 vor den Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2, 3 und 5 geprüft werden. 2Auf Antrag ist dem Antragsteller ein gesonderter Bescheid über die Feststellung der Gleichwertigkeit seiner Berufsqualifikation zu erteilen (…).
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3. Deutsche Rechtslage und nationale Rechtsprechung
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§ 3 BÄO regelt als zentrale Vorschrift des ärztlichen Approbationsrechts unter welchen Voraussetzungen der Antragsteller einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Approbation hat. Voraussetzung ist insbesondere eine in Deutschland absolvierte Ausbildung und bestandene Prüfung (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BÄO). Der inländischen Ausbildung in diesem Sinne gleichgestellt und damit automatisch anerkannt wird die in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union (oder einem anderen vertraglich verbundenen Staat) durchlaufene Ausbildung, sofern der Antragsteller den erfolgreichen Abschluss durch Vorlage eines im Anhang V Nummer 5.1.1 der RL 2005/36/EG genannten Ausbildungsnachweises nachweist, oder aber der Mitgliedstaat bescheinigt, dass die absolvierte Ausbildung den im Anhang V Nummer 5.1.1 der RL 2005/36/EG genannten Nachweisen gleichsteht und dass die Ausbildung den Mindestanforderungen des Artikels 24 der RL 2005/36/EG entspricht (§ 3 Abs. 1 Satz 2 bis 6 BÄO).
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Weist der Antragsteller eine ärztliche Ausbildung vor, die er zwar in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (oder einem anderen vertraglich verbundenen Staat) abgeschlossen hat, liegt aber kein Fall der automatischen Anerkennung gem. § 3 Abs. 1 Satz 2 BÄO vor, ist nach § 3 Abs. 2 Satz 1 bis 5 BÄO die Approbation zu erteilen, wenn die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes gegeben ist. Kann eine derartige Gleichwertigkeit nicht festgestellt werden, kann der Antragsteller durch eine sogenannte Eignungsprüfung nachweisen, dass er über Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die zur ärztlichen Berufsausübung erforderlich sind (§ 3 Abs. 2 Satz 6 und 7 BÄO). Diese Vorschriften (das heißt das Erfordernis der Gleichwertigkeitsprüfung und gegebenenfalls die Durchführung der Eignungsprüfung) gelten gemäß § 3 Abs. 2 Satz 10 BÄO auch für Antragsteller, die über einen Ausbildungsnachweis als Arzt verfügen, der in einem Drittstaat ausgestellt ist und den ein Mitgliedsstaat (oder ein anderer vertraglich verbundener Staat) anerkannt hat.
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Das Verwaltungsgericht Oldenburg hat mit Beschluss vom 8. August 2024 zu der oben formulierten Vorlagefrage am 27. August 2024 (Rechtssache C-573/24, NiZzA) ein Vorabentscheidungsersuchen beim Europäischen Gerichtshof eingereicht (ABl. 2024 C/2024/6919). Obergerichtliche nationale Rechtsprechung existiert, soweit ersichtlich, zu dieser Frage nicht.
III.
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1. Es ist eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union zu der im Beschlusstenor formulierten Frage einzuholen, Art. 267 Abs. 1 lit. b) AEUV. Die im Tenor genannte Frage betrifft auf der Ebene des Sekundärrechts die Auslegung des Art. 3 Abs. 3 der RL 2005/36/EG. Dort heißt es: „Einem Ausbildungsnachweis gleichgestellt ist jeder in einem Drittland ausgestellte Ausbildungsnachweis, sofern sein Inhaber in dem betreffenden Beruf drei Jahre Berufserfahrung im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, der diesen Ausbildungsnachweis nach Artikel 2 Absatz 2 anerkannt hat, besitzt und dieser Mitgliedstaat diese Berufserfahrung bescheinigt.“ Für das vorlegende Gericht ist fraglich, ob aus dieser Vorschrift folgt, dass – bei Vorliegen der Voraussetzungen – Staatsangehörigen eines EU-Mitgliedstaates die Approbation in einem anderen als dem anerkennenden Mitgliedstaat unmittelbar zu erteilen ist.
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Der Anwendungsbereich der RL 2005/36/EG ist eröffnet. Auch wenn die Berufsqualifikation der Klägerin, die britische Staatsangehörige ist, im Vereinigten Königreich anerkannt worden war, das zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt nicht mehr Mitgliedstaat der Europäischen Union ist, kommt im hiesigen Verfahren die RL 2005/36/EG teilweise weiter zur Anwendung. In Art. 28 des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft (ABl. L 29/7 vom 31. Januar 2020 S.7; nachfolgend: Austrittsabkommen), der lex specialis zu Art. 76 des Austrittsabkommen ist (vgl. Art. 76 Abs. 5), ist geregelt, dass auf die Prüfung von vor Ende des Übergangszeitraums von Unionsbürgern oder britischen Staatsbürgern gestellten Anträgen auf Anerkennung von Berufsqualifikationen durch eine zuständige Behörde des Aufnahmestaats oder des Arbeitsstaats und auf die Entscheidung über solche Anträge die vorliegend entscheidungserheblichen Regelungen der RL 2005/36/EG weiter Anwendung finden (vgl. auch Art. 27 Abs. 2 lit. a) i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 des Austrittsabkommens).
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2. Die Vorlagefrage ist entscheidungserheblich.
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Da die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 3 der RL 2005/36/EG (Anerkennung des medizinischen Ausbildungsnachweises eines Drittstaats (hier Südafrika) durch das Vereinigte Königreich und Bescheinigung einer mindestens dreijährigen Berufserfahrung im Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreiches) vorliegen, hängt der Ausgang des Verfahrens entscheidungserheblich von der Beantwortung der Vorlagefrage ab, ob insoweit eine Gleichstellung zu den in Anhang V Nr. 5.1.1 der RL 2005/36/EG genannten Ausbildungsnachweisen erfolgt und Deutschland als „anderer Mitgliedstaat“ nach dem Grundsatz der automatischen Anerkennung nach Art. 21 Abs. 1 der RL 2005/36/EG den Nachweisen im Sinne des Art. 3 Abs. 3 der RL 2005/36/EG in Bezug auf die Aufnahme und Ausübung der beruflichen Tätigkeiten in seinem Hoheitsgebiet dieselbe Wirkung wie den von ihm ausgestellten Ausbildungsnachweisen verleihen muss. Da das deutsche die Richtlinie umsetzende Recht jedenfalls einen solchen unmittelbaren Anspruch nicht vorsieht, dürfte sich der Anspruch ausnahmsweise aus einer unmittelbaren Anwendung der Richtlinie im Verhältnis des Bürgers zum Staat ergeben. In diesem Fall wäre die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
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Im Fall der Verneinung der Vorlagefrage hätte die Klägerin keinen Anspruch auf Erteilung der Approbation, weil die gem. § 3 Abs. 2 Satz 10 BÄO (i.V.m. § 3 Abs. 3 Satz 1 bis 7 BÄO) zu prüfende Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes schon mangels Vorlage der erforderlichen Unterlagen nicht festgestellt werden kann. Die Berufung des Beklagten wäre erfolgreich.
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3. Die Vorlagefrage bedarf der Klärung durch den Gerichtshof, weil der Senat die für den Rechtsstreit entscheidungserhebliche Frage nicht mit der nötigen Eindeutigkeit beantworten kann und eine verbindliche Auslegung der streitentscheidenden Norm durch den Gerichtshof für die Beilegung des Rechtsstreits erforderlich ist.
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Ob Art. 3 Abs. 3 der RL 2005/36/EG so zu verstehen ist, dass sich – bei Vorliegen der Voraussetzungen – hieraus ein unmittelbarer Anspruch auf Erteilung der Approbation ergibt, ist ungeklärt.
42
Der Senat neigt eher – dem Verwaltungsgericht folgend – der Auffassung zu, dass Ausbildungsnachweise, die die genannten Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 3 der RL 2005/36/EG erfüllen, auch in anderen Mitgliedstaaten anzuerkennen sind, so dass ein unmittelbarer Anspruch auf Erteilung der Approbation aus Art. 3 Abs. 3 der RL 2005/36/EG bei Vorliegen der Voraussetzungen entsprechend zu bejahen wäre.
43
Nach Art. 3 Abs. 1 lit. b) der RL 2005/36/EG sind „Berufsqualifikationen“ Qualifikationen, die durch einen Ausbildungsnachweis nachgewiesen werden. „Ausbildungsnachweise“ sind Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstige Befähigungsnachweise, die von einer Behörde eines Mitgliedstaats für den Abschluss einer überwiegend in der Gemeinschaft absolvierten Berufsausbildung ausgestellt werden (Art. 3 Abs. 1 lit. c) Satz 1). Findet Satz 1 keine Anwendung, so sind Ausbildungsnachweise im Sinne des Absatzes 3 den hier genannten Ausbildungsnachweisen gleichgestellt (Art. 3 Abs. 1 lit. c) Satz 2). Die Voraussetzungen des Art 3 Abs. 3 der RL 2005/36/EG liegen vorliegend unstrittig vor. Die Wirkungen der Anerkennung regelt insbesondere Art. 4 Abs. 1 der RL 2005/36/EG. Die Anerkennung der Berufsqualifikationen durch den Aufnahmemitgliedstaat ermöglicht es den begünstigten Personen, in diesem Mitgliedstaat denselben Beruf wie den, für den sie in ihrem Herkunftsmitgliedstaat qualifiziert ist, aufzunehmen und unter denselben Voraussetzungen wie Inländer auszuüben.
44
Zwar handelt es sich bei der Vorschrift des Art. 3 der RL 2005/36/EG um „Begriffsbestimmungen“, die Definitionen für die Zwecke der Richtlinie enthalten, so dass zunächst zweifelhaft sein könnte, ob insoweit im Fall des Art. 3 Abs. 3 der RL 2005/36/EG auch die Anerkennung des Ausbildungsnachweises bzw. der Berufsqualifikation durch den Aufnahmemitgliedsstaat geregelt werden sollte. Zu der Frage, ob die Anerkennung der DrittstaatAusbildung in einem Mitgliedstaat auch die Anerkennung „automatisch“ in einem anderen Mitgliedstaat zur Folge haben muss, enthalten weder die Art. 13 ff. (allgemeine Anerkennungsbedingungen) noch die Art. 21 ff. (spezielle Anerkennungsbedingungen für Berufe aus dem medizinischen Bereich) der RL 2005/36/EG besondere Vorschriften. Dieser Umstand spricht aus Sicht des Senats eher dafür, dass diese besondere Fallgestaltung auch keiner weiteren konkreten Regelungen mehr bedurfte.
45
Nach Art. 2 Abs. 2 der RL 2005/36/EG kann jeder Mitgliedstaat in seinem Hoheitsgebiet nach Maßgabe seiner Vorschriften den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten, die eine Berufsqualifikation gem. Art. 3 Abs. 1 lit. a) der RL 2005/36/EG vorweisen können, die nicht in einem Mitgliedstaat erworben wurde, die Ausübung eines reglementierten Berufs gestatten. Für die Berufe in Titel III Kapitel III erfolgt diese erste Anerkennung unter Beachtung der dort genannten Mindestanforderungen an die Ausbildung. Danach existiert zwar für die jeweiligen Mitgliedstaaten keine Verpflichtung, Abschlüsse von Drittländern anzuerkennen. Wenn sich ein Mitgliedstaat allerdings dazu entscheidet, Nachweise aus Drittstaaten anzuerkennen, hat diese „erste Anerkennung“ unter Beachtung der in Titel III Kapitel III (Anerkennung auf der Grundlage der Koordinierung der Mindestanforderungen an die Ausbildung) genannten Mindestanforderungen zu erfolgen. Diese konkret für den Fall der „ersten Anerkennung“ geforderte Voraussetzung könnte dafür sprechen, dass für „weitere Anerkennungen“ in den Mitgliedstaaten keine Voraussetzungen konkret geregelt wurden, weil insoweit der „Grundsatz der automatischen Anerkennung“ Anwendung findet.
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Als Gegenargument könnte angeführt werden (so die Argumentation des Beklagten), dass sich die in Art. 3 Abs. 3 der RL 2005/36/EG erwähnte „Gleichstellung“ des Berufsabschlusses nicht auf Art. 21 Abs. 1 sondern auf Art. 3 Abs. 1 lit. c) der RL 2005/36/EG beziehe, da eine andere Auslegung dazu führe, dass ein Mitgliedstaat andernfalls über eine Anerkennung nach Art. 2 Abs. 2 der RL 2005/36/EG den Katalog des Art. 21 Abs. 2 und der Anlage V eigenmächtig erweitern könnte. Der Nachweis nach Art. 3 Abs. 3 der RL 2005/36/EG sei dementsprechend kein Gleichwertigkeitsnachweis, der die Anerkennung des Ausbildungsnachweises regele, sondern es handele sich nur um einen Nachweis für eine „abgeschlossene“ Ausbildung.
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Aus Erwägungsgrund 12 der RL 2005/36/EG kann aus Sicht des Senats nichts gegen eine Drittwirkung abgeleitet werden. In Erwägungsgrund 12 heißt es:
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1Diese Richtlinie regelt die Anerkennung von in anderen Mitgliedstaaten erworbenen Berufsqualifikationen durch die Mitgliedstaaten. 2Sie gilt jedoch nicht für die Anerkennung von aufgrund dieser Richtlinie gefassten Anerkennungsbeschlüssen anderer Mitgliedstaaten durch die Mitgliedstaaten. 3Eine Person, deren Berufsqualifikationen aufgrund dieser Richtlinie anerkannt worden sind, kann sich somit nicht auf diese Anerkennung berufen, um in ihrem Herkunftsmitgliedstaat Rechte in Anspruch zu nehmen, die sich nicht aus der in diesem Mitgliedstaat erworbenen Berufsqualifikation ableiten, es sei denn, sie weist nach, dass sie zusätzliche Berufsqualifikationen im Aufnahmemitgliedstaat erworben hat.“
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Während die Formulierung der Sätze 1 und 2 des Erwägungsgrundes 12 der RL 2005/36/EG zunächst – ohne Berücksichtigung des Sachzusammenhanges mit Satz 3 – eher dagegen sprechen dürfte, dass von Mitgliedstaaten anerkannte Drittstaaten-Ausbildungen auch von anderen Mitgliedsstaaten anzuerkennen sind, legt Satz 3 des Erwägungsgrunds hingegen nahe, dass der europäische Gesetzgeber nicht die Konstellation vor Augen hatte, in der eine Drittstaat-Ausbildung in einem Mitgliedstaat anerkannt wird und die betroffene Person sodann in einem anderen Mitgliedstaat um Anerkennung ersucht, sondern vielmehr die Situation, in denen eine Person aus einem Mitgliedstaat eine „Kettenanerkennung“ im eigenen Mitgliedsstaat ersucht, das heißt, sich eine Ausbildung des eigenen Mitgliedstaats in einem anderen Mitgliedstaat anerkennen lassen möchte, um diese Anerkennung dann wieder im Heimatmitgliedsstaat zu verwenden (vgl. VG Oldenburg, B.v. 8.8.2024 – 7 A 2123/19, Rs. C-573/24 (NiZzA) Rn. 36).
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Im Übrigen spricht auch die in der Richtlinie angelegte Systematik, die in Erwägungsgrund 15 der Richtlinie erörtert ist, dafür, dass die von einem Mitgliedstaat anerkannte Drittstaat-Ausbildung im medizinischen Bereich auch von den übrigen Mitgliedsstaaten anzuerkennen ist und es keiner gesonderten Eignungsprüfung bedarf. Nach Erwägungsgrund 15 der Richtlinie sollen in den Fällen, in denen die Mindestanforderungen an die Ausbildung für die Aufnahme und Ausübung der unter die allgemeine Regelung fallenden Berufe nicht harmonisiert sind, die Mitgliedstaaten die Möglichkeit einer Ausgleichsmaßnahme, wie z.B. einer Eignungsprüfung haben. Nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 der RL 2005/36/EG gilt Kapitel I (Allgemeine Regelungen für die Anerkennung von Ausbildungsnachweisen) für alle Berufe, die nicht unter Kapitel II und III dieses Titels fallen. Art. 14 Abs. 2 der RL 2005/36/EG, der sich in Kapitel I befindet, regelt Näheres zur Eignungsprüfung. In Kapitel III (Anerkennung auf der Grundlage der Koordinierung der Mindestanforderungen an die Ausbildung), das für den Beruf des Arztes einschlägig ist, gibt es hingegen gemäß Art. 21 ff. RL 2005/36/EG eine Harmonisierung der Mindestanforderungen. Regelungen zu Anpassungsmaßnahmen, wie Eignungsprüfungen sind nicht vorhanden (vgl. VG Oldenburg, B.v. 8.8.2024 – 7 A 2123/19, Rs. C-573/24 (NiZzA) Rn. 38 ff.).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).