Titel:
Feststellungsklage, Beschlüsse einer Jagdgenossenschaft, Organschaftliche (Mitwirkungs-)Rechte, Klagebefugnis, Ergebnisrichtigkeit
Normenketten:
VwGO § 43
VwGO § 42 Abs. 2
Schlagworte:
Feststellungsklage, Beschlüsse einer Jagdgenossenschaft, Organschaftliche (Mitwirkungs-)Rechte, Klagebefugnis, Ergebnisrichtigkeit
Vorinstanz:
VG Würzburg, Entscheidung vom 31.10.2024 – W 9 K 23.781
Fundstelle:
BeckRS 2025, 22500
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe
1
Der Kläger ist Mitglied der Beklagten, einer Jagdgenossenschaft. In der Sache geht es um zwei Beschlüsse der Jagdgenossenschaft (vom 17.9.2021 und 31.3.2023), die der Kläger für unwirksam hält.
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Die genannten Beschlüsse haben die juristische Klärung eines Wildschadens des Klägers zum Gegenstand, dessen Höhe zwischen den Beteiligten streitig ist. So hat die Beklagte am 17. September 2021 beschlossen, zur Klärung der Wildschadensfälle in Bezug auf die Schadenshöhe einen Rechtsanwalt in Anspruch zu nehmen.
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Nachdem der Markt M. mit Vorbescheiden vom jeweils 11. Oktober 2021 auf der Grundlage des § 27 Abs. 3 Satz 1 AVBayJG festgestellt hatte, dass die Beklagte dem Kläger für den Wildschaden insgesamt 4.757,45 € zu bezahlen hat, erhob der Bevollmächtigte der Beklagten hiergegen unter dem 29. und 30. Oktober 2021 Klage zum zuständigen Amtsgericht gegen den Ersatzberechtigten (also den Kläger; vgl. § 29 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AVBayJG) und beantragte die Aufhebung der Vorbescheide und eine anderweitige Entscheidung über den Anspruch. Nachdem das Amtsgericht mit Schreiben vom 15. März 2023 auf die mangelnde Vertretungsbefugnis des Rechtsanwalts hingewiesen und der Beklagten die Gelegenheit zur nachträglichen Genehmigung gegeben hatte, erging im Rahmen der Jahreshauptversammlung am 31. März 2023 folgender Beschluss: „Die [Beklagte] beschließt nachträglich, dass gegen die zwei Vorbescheide vom 11. Oktober 2021 Klage erhoben werden darf.“
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Der Kläger begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit der beiden Beschlüsse und hat dies erstinstanzlich im Wesentlichen damit begründet, die Jagdgenossen seien ausweislich der Sitzungsniederschrift nicht vollumfänglich über den Sachverhalt informiert worden, der Jagdvorsteher habe bei der Beschlussfassung gemäß § 9 Abs. 7 der Satzung der Beklagten nicht abstimmen und beratend mitwirken dürfen und der Vorstand habe entgegen § 9 Abs. 8 der Satzung nach Einreichung der Klagen nicht unverzüglich die Zustimmung der Jagdgenossen eingeholt. Dieses Vorbringen wurde im Berufungszulassungsverfahren mit Schriftsatz vom 8. August 2025 nochmals wiederholt bzw. vertieft.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 31. Oktober 2024 unter Bezugnahme auf einen vorangegangenen Gerichtsbescheid vom 11. Juli 2024 als unzulässig abgewiesen. Der Beschluss vom 31. März 2023 habe sich bereits vor Erhebung der Feststellungsklage erledigt, da er allein darauf gerichtet gewesen sei, die Klageerhebung zum Amtsgericht zu genehmigen und damit den Mangel unberechtigter Prozessführung rückwirkend zu heilen. Vor diesem Hintergrund könne die vom Kläger geltend gemachte Präjudizialität für einen Prozess vor dem Zivilgericht nur dann ein berechtigtes Interesse begründen, wenn sich das streitige Rechtsverhältnis nach Erhebung der Klage zum Verwaltungsgericht erledigt habe und nicht, wie vorliegend, bereits vor Klageerhebung.
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung, die damit begründet wird, die streitgegenständlichen Beschlüsse der Beklagten hätten sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht erledigt; die Prozessführungsbefugnis für ein Zivilverfahren könne ein solcher Beschluss nämlich nur dann rückwirkend herbeiführen, wenn er wirksam sei. Das sei hier nicht der Fall.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die als Zulassungsgrund allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33).
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Die Richtigkeit des Urteils ist regelmäßig nach dem Sachausspruch der Urteilsformel, also nur nach dem Ergebnis, nicht auch – isoliert – nach den Entscheidungsgründen zu beurteilen (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 12). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils scheiden deshalb auch aus, wenn zwar einzelne Rechtssätze oder tatsächliche Feststellungen, welche das Urteil tragen, zu Zweifeln Anlass bieten, das Urteil im Ergebnis aber aus anderen Gründen offensichtlich richtig ist (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 7; Kuhlmann/Wysk in Wysk, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 2025, § 124 Rn. 19).
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Entsprechendes liegt hier vor. Indem der Kläger geltend macht, die Klage habe nicht wegen angeblich fehlenden Feststellungsinteresses des Klägers als unzulässig abgewiesen werden dürfen, zieht er die Richtigkeit des Urteils zumindest im Ergebnis nicht erfolgreich in Zweifel. Denn Richtigkeit im Ergebnis ist auch anzunehmen, wenn das Verwaltungsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen hat, der Verwaltungsgerichtshof die Klage aber – ohne dass eine vertiefte Prüfung der Sach- und Rechtslage erforderlich wäre – für unbegründet hält (Roth in BeckOK, Stand 1.7.2025, § 124 Rn. 25).
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1. Es kann offenbleiben, ob die allein entscheidungstragende Annahme des Verwaltungsgerichts, der Kläger habe nicht das erforderliche Feststellungsinteresse, ernstlichen Zweifeln im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO begegnet.
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2. Die Feststellungsklage bleibt jedenfalls aus anderen Gründen ohne Erfolg.
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2.1 Bei der Feststellung der Nichtigkeit von Beschlüssen der Jagdgenossenschaft geht es um die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO, das Gegenstand der Feststellungsklage sein kann. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage ist aber in entsprechender Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO das Vorliegen einer Klagebefugnis (BVerwG, U.v. 26.1.1996 – 8 C 19.94 – juris 24; Wysk in ders., Verwaltungsgerichtsordnung, § 43 Rn. 62).
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Da es sich bei der Feststellungsklage eines Jagdgenossen gegen einen Beschluss der Jagdversammlung um ein (inner-)organschaftliches Verwaltungsstreitverfahren handelt, ist ein einzelner Jagdgenosse nur klagebefugt, wenn er geltend machen kann, dieser sei durch Verletzung solcher Normen zustande gekommen, die der Wahrung der organschaftlichen Rechte, also der Mitgliedschafts- und Mitwirkungsrechte der Jagdgenossen dienen (BVerwG, U.v. 9.2.1967 – 1 C 47.65 – BeckRS 1967, 31299483; Schock in Bundesjagdgesetz, 4. Aufl. 2024, § 9 Rn. 104). Eine Klagebefugnis ist zum Beispiel zu bejahen bei behaupteter Verletzung von Vorschriften über die Teilhabe am Willensbildungsprozess, aber auch bei geltend gemachter Unzuständigkeit des handelnden Organs. Eine lediglich mittelbare Betroffenheit ist in einem Organstreitverfahren grundsätzlich nicht geeignet, eine Klagebefugnis zu begründen (VGH BW, U.v. 4.12.2003 – 5 S 1797/02 – juris Rn. 21).
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Die Satzung der Beklagten gibt den einzelnen Jagdgenossen kein eigenes Recht auf (umfassende) Information. Anders als im Kommunalrecht (vgl. z.B. Art. 30 GO Abs. 3 GO; vgl. hierzu: Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Stand Jan. 2024, Art. 30 Rn. 10; siehe auch LG Münster, U.v. 11.12.2024 – 8 KLs 8/24 (44 Js 726/20) – juris Rn. 163 zu § 62 Abs. 2 Satz 2 GO NRW) sieht die Satzung der Jagdgenossenschaft kein eigenes Überwachungsrecht über den Jagdvorstand und damit auch kein unmittelbares Recht auf (umfassende) Information der Jagdgenossen vor. Dem Kläger steht damit insoweit kein organschaftliches Recht zu, auf das er sich berufen könnte. Ihm fehlt die Klagebefugnis.
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2.2 Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
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2.2.1 Die als Verfahrensfehler bezeichnete – aus Sicht des Klägers – unvollständige Information der Jagdgenossen wird lediglich durch die Sitzungsniederschrift belegt. Da die Sitzungsniederschrift aber nur den wesentlichen Verlauf und die Beschlüsse der Versammlung der Jagdgenossen wiedergibt (vgl. § 8 Abs. 4 Satz 1 der Satzung), vermag diese nur eingeschränkt als Erkenntnismittel der tatsächlich gegebenen Information der Jagdgenossen zu dienen, zumal ausweislich der Niederschrift weitere (nicht näher) bekannte Sachverhaltsschilderungen durch den RA K. sowohl während der Jahreshauptversammlung am 17. September 2021 als auch am 31. März 2023 erfolgt sind. Im Übrigen bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es bei voller Kenntnis des Sachverhalts zu einer anderen Abstimmung in der Jahreshauptversammlung gekommen wäre. Hinsichtlich des Beschlusses vom 17. September 2021 ist die Frage, wer welche Schätzungen in Auftrag gegeben hat und ob bzw. welche Einwendungen gegen die Schätzung erhoben worden sind, irrelevant. Entscheidend war, dass Uneinigkeiten hinsichtlich der Höhe des Wildschadens und einer ev. Mitschuld des Jagdvorstands im Hinblick auf das Grundstück FlNr. 1910 der Gemarkung M. bestanden, die durch die Inanspruchnahme eines Anwalts geklärt werden sollten. In dem Folgebeschluss vom 31. März 2023 ging es dann letztlich ausschließlich um die Frage, ob die Klageerhebung nachträglich genehmigt werden sollte. Selbst wenn die Jagdgenossen nicht gewusst haben sollten, dass der Markt M. die Vorbescheide auf der Basis von Schätzungen des Bayerischen Bauernverbands (die für sich genommen keine absolute Richtigkeit beanspruchen können) erlassen hat, ist nicht davon auszugehen, dass sie die nachträgliche Genehmigung nicht erteilt hätten, zumal die Jagdgenossen über den aktuellen Verlauf des Prozesses und die Einholung eines Gutachtens zur Schadenshöhe informiert worden waren. Der Einwand des Klägers, er habe entgegen der Niederschrift der Jagdhauptversammlung vom 31. März 2023 sehr wohl an einer (außergerichtlichen) Einigung Interesse gehabt, vermag vor dem Hintergrund der jahrelangen Streitigkeiten, in denen nach wie vor keine einvernehmliche Einigung getroffen werden konnte, nicht zu überzeugen. Soweit es hinsichtlich der FlNr. 1910 der Gemarkung M. um eine ev. Mitschuld des Vorstands der Jagdgenossenschaft ging, wurde dies zwar nicht in der Jahreshauptversammlung ausdrücklich besprochen, gleichwohl dürfte das die Beschlussfassung nicht entscheidend beeinflusst haben. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Jagdgenossenschaft anders entschieden hätte, zumal die Frage einer Mitschuld im Hinblick auf die Untersagung eines weiteren Druschs und dessen Kausalität für einen erhöhten Schaden vollkommen offen war und ist.
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2.2 Der Kläger vermag auch mit seinem Hinweis auf § 9 Abs. 7 der Satzung
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„Ein Mitglied des Jagdvorstandes darf bei Angelegenheiten der Jagdgenossenschaft nicht beratend oder entscheidend mitwirken, wenn die Entscheidung ihm selbst oder einem Angehörigen (Art. 20 Abs. 5 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes) oder einer von ihm kraft Gesetzes oder Vollmacht vertretenen Person einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann.“
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nicht zu überzeugen. Die streitgegenständlichen Beschlussfassungen sind für den Jagdvorsteher ersichtlich nicht mit einem unmittelbaren Vor- oder Nachteil verbunden.
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2.3 Auch § 9 Abs. 8 der Satzung:
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„1In Angelegenheiten, die an sich der Beschlussfassung durch die Versammlung der Jagdgenossen unterliegen, entscheidet der Jagdvorstand, falls die Erledigung keinen Aufschub duldet. 2In diesen Fällen hat der Jagdvorsteher unverzüglich die Zustimmung der Versammlung der Jagdgenossen einzuholen. 3Diese kann die Dringlichkeitsentscheidung aufheben, soweit nicht schon Rechte Dritter entstanden sind.“
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ist vorliegend nicht verletzt. Der Kläger geht selbst davon aus, dass die Klageerhebung vom Vorstand der Beklagten nicht autorisiert war (vgl. Schr. vom 8.8.2025, S. 2 oben: „nach seiner nicht autorisierten Klage zum Amtsgericht“), sondern auf der unzutreffenden Ansicht des Prozessbevollmächtigten, die Klageerhebung sei mit der Beschlussfassung über die „Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts“ ausreichend legitimiert (obwohl zu diesem Zeitpunkt noch keine anfechtbaren Vorbescheide vorlagen) und dass es keiner eindeutigen Beauftragung und Bevollmächtigung dürfe, beruhte. Damit liegt aber auch keine Entscheidung vor, die unter die Bestimmung des § 9 Abs. 8 der Satzung fiele.
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Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang behauptet, die nachträgliche Genehmigung der Klageerhebung sei „erheblich verspätet und damit unzulässig“, ist das unzutreffend, da die Genehmigung in jeder Phase des Verfahrens bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung erteilt werden kann (vgl. nur Weth in Musielak/Voit, ZPO, 22. Aufl. 2025, § 56 Rn. 10 ZPO). Eine Frist für die Erteilung einer Genehmigung sieht das Gesetz nicht vor.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).