Inhalt

VGH München, Beschluss v. 04.08.2025 – 19 ZB 24.2080
Titel:

Widerruf der Niederlassungserlaubnis nach bestandskräftigem Widerruf der Asylanerkennung, Faktischer Inländer (verneint), Verwertungsverbot, Vertrauensschutz (verneint)

Normenketten:
AufenthG § 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 4
BZRG § 51 Abs. 1
EMRK Art. 8
Schlagworte:
Widerruf der Niederlassungserlaubnis nach bestandskräftigem Widerruf der Asylanerkennung, Faktischer Inländer (verneint), Verwertungsverbot, Vertrauensschutz (verneint)
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 21.10.2024 – W 7 K 24.381
Fundstelle:
BeckRS 2025, 22499

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 21. Oktober 2024 wird der Streitwert in beiden Rechtszügen auf 7.500,00 € festgesetzt.

Gründe

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Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein in erster Instanz erfolgloses Begehren auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 12. Februar 2024 weiter. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte die Niederlassungserlaubnis des Klägers widerrufen (Ziffer 1 des Bescheides), den Kläger zur Ausreise innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheides aufgefordert (Ziffer 2), für den Fall der Nichtbefolgung der Ausreisepflicht die Abschiebung in den Iran angedroht (Ziffer 3) und die Ziffer 1 für sofort vollziehbar erklärt (Ziffer 4).
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1. Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen in der Begründung des Zulassungsantrags (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigt keine Zulassung der Berufung. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) bzw. eines der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegt nicht vor bzw. ist schon nicht dargelegt.
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1.1 Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16; B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33). Dies ist jedoch nicht der Fall.
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1.1.1 Der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht vertrete den Standpunkt, die Einbeziehung getilgter und gelöschter Einträge im Bundeszentralregister bei der Beurteilung von Integrationsleistungen und der Frage des „faktischen Inländers“ unterliege nicht dem Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts werde das Verwertungsverbot unterlaufen, wenn eine Verwertung für die Klärung von „Vorfragen“ als zulässig erachtet werde. Die Vorstrafen würden von der Beklagten immer wieder zur Sprache gebracht und deshalb könne nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass diese die Ermessensentscheidung der Beklagten nicht beeinflusst hätten. Der Verstoß gegen ein gesetzliches Verwertungsverbot führe in jedem Fall zu einem Ermessensfehlgebrauch.
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Dieser Rüge vermag der Senat sich jedoch nicht anzuschließen.
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Das angegriffene Urteil verstößt nicht gegen das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG. Bei abgeurteilten Straftaten bilden die Tilgungsfristen des § 46 BZRG eine absolute Obergrenze, weil nach deren Ablauf die Tat und die Verurteilung dem Betroffenen im Rechtsverkehr gem. § 51 Abs. 1 BZRG nicht mehr vorgehalten werden dürfen (BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 1 C 21.18 – juris Rn. 19). Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Beklagte in der Sachverhaltsdarstellung des angefochtenen Widerrufsbescheids zwar die im Auszug des Bundeszentralregisters vom 23. April 2009 enthaltenen Einträge trotz ihrer zwischenzeitlichen Tilgungsreife nach § 45 BZRG im verfahrensgegenständlichen Bescheid informatorisch aufgelistet, jedoch auf den Eintritt der Tilgungsreife am 5. Dezember 2014 hingewiesen hat (vgl. dort S. 7, Bl. 516 BA). Darin sieht das Verwaltungsgericht jedoch keinen Verstoß gegen § 51 Abs. 1 BZRG, weil die Beklagte in ihren weiteren Ausführungen dem Verwertungsverbot Rechnung getragen habe, indem sie die bereits getilgten strafrechtlichen Verurteilungen des Klägers gerade nicht zu dessen Lasten in ihre Ermessensentscheidung eingestellt habe. Dies ist nicht zu beanstanden. Zwar führt die Beklagte in den Begründungserwägungen des Bescheides zu Art. 8 Abs. 1 EMRK aus, dass dem Kläger unter anderem deshalb die Eigenschaft eines „faktischen Inländers“ nicht zuerkannt werden könne, weil er „zunächst mehrfach strafrechtlich verurteilt worden“ sei (vgl. dort S. 12, letzter Absatz, Bl. 521 BA). Darin sieht das Verwaltungsgericht jedoch keine § 51 Abs. 1 BZRG widersprechende Verwertung der tilgungsreifen Vorstrafen, weil es insoweit nicht um die aktuelle Wirkung der Verurteilungen gehe, sondern um den Verlauf der Integration des Klägers über die gesamte Dauer seines Aufenthalts hinweg.
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Es kann offenbleiben, ob dies zutrifft, denn das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung auf die zutreffende Alternativbegründung gestützt, dass die Subsumtion des unbestimmten Rechtsbegriffs „faktischer Inländer“ gerichtlich voll überprüfbar ist und insoweit kein Ermessensspielraum der Beklagten besteht. Ausgehend davon nimmt das Verwaltungsgericht eine eigenständige Beurteilung vor, ob es sich bei dem Kläger um einen sog. faktischen Inländer handelt, und kommt zu dem Ergebnis, dass davon auch ohne Berücksichtigung der getilgten strafrechtlichen Verurteilungen angesichts fehlender familiärer und wirtschaftlicher Integration sowie der nach wie vor engen Bindung des Klägers zu seinem Heimatland nicht ausgegangen werden kann. Diese Überlegungen des Verwaltungsgerichts sind nicht zu beanstanden.
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Die Beurteilung, ob es sich bei dem Kläger um einen faktischen Inländer handelt, stellt keine Ermessensfrage dar und unterliegt damit nicht den Grenzen der gerichtlichen Überprüfung verwaltungsbehördlicher Ermessensentscheidungen gem. § 114 Satz 1 VwGO. Vielmehr handelt es sich um einen Subsumtionsvorgang auf der Tatbestandsebene, der sich darauf bezieht, ob die festgestellten tatsächlichen Umstände die von der Rechtsprechung am Maßstab des Art. 8 Abs. 1 EMRK aufgestellten Kriterien für die Eigenschaft des faktischen Inländers erfüllen. Insoweit kann (und muss) das Verwaltungsgericht innerhalb des Prüfungsrahmens des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO eine eigenständige Beurteilung vornehmen und kann dabei die für und gegen eine Verwurzelung in den Lebensverhältnissen im Bundesgebiet bzw. Entwurzelung im Herkunftsland sprechenden Umstände im Vergleich zur behördlichen Einschätzung auch anders bewerten und gewichten (vgl. zu den kumulativ zu erfüllenden Kriterien der Verwurzelung und Entwurzelung: BayVGH,B.v. 5.3.2025 – 19 ZB 23.1081 – juris Rn. 35 m.w.N.; B.v. 9.7.2025 – 19 CS 25.1140 – n.v., Rn. 5). Dem entsprechend ist das Verwaltungsgericht (sinngemäß) zu dem Ergebnis gekommen, dass die fehlende familiäre und wirtschaftliche Integration des (im Alter von 38 Jahren in das Bundesgebiet gekommenen, obdachlosen und Sozialhilfe beziehenden) Klägers gegen eine Verwurzelung im Bundesgebiet und die nach wie vor engen Bindungen des Klägers zu seinem Heimatland gegen eine Entwurzelung sprechen.
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Folglich würde das Urteil des Verwaltungsgerichts im Ergebnis selbst bei Fehlerhaftigkeit der Annahme, die Erwähnung der tilgungsreifen Vorstrafen im Rahmen der Prüfung, ob es sich bei dem Kläger um einen faktischen Inländer handelt, stelle keine § 51 Abs. 1 BZRG widersprechende Verwertung der tilgungsreifen Vorstrafen dar, nicht auf dem behaupteten Mangel beruhen. Denn das Verwaltungsgericht hat eine eigene – vom Kläger nicht substantiiert angegriffene – Bewertung der Ver- und Entwurzelung des Klägers vorgenommen und ist damit unabhängig von der Einschätzung der Beklagten zu dem Ergebnis gekommen, dass der Widerruf nicht das Recht des Klägers auf Privatleben verletzt.
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1.1.2 Soweit der Kläger (im Rahmen seiner Begründung, warum ein Verfahrensmangel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO vorliegen soll) rügt, dass „das Verwaltungsgericht die Prognose der Beklagten, dass sich die psychischen Probleme des Klägers im Falle eines Verbleibs in Deutschland mit zunehmendem Alter weiter verschärfen würden, als nicht zu beanstanden angesehen“ habe, macht er der Sache nach ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Entscheidungsergebnisses geltend. Er legt jedoch nicht entsprechend § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dar, inwiefern die verwaltungsgerichtliche Entscheidung insoweit unrichtig sein soll. Seine Ausführungen bezüglich seiner Integration in die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet, die Hilfebedürftigkeit seiner Eltern und deren Angewiesensein auf den Kläger setzen sich nicht mit der Begründung des Verwaltungsgerichts auseinander, es sei nachvollziehbar, dass die aus einer psychischen Entwurzelungsproblematik resultierende Depression, Anpassungsstörung und Schlafstörung mit einer fortschreitenden Vereinsamung im Alter zunähmen und durch den Wechsel in das heimische und insbesondere familiäre Umfeld im Iran gelindert werden könnten. Auch geht der Kläger nicht darauf ein, dass das Verwaltungsgericht sich insoweit auf die Ausführungen in dem den Widerruf der Asylanerkennung betreffenden verwaltungsgerichtlichen Urteil vom 12. September 2022 bezieht, welches die im dortigen Verfahren getroffenen Einlassungen des Klägers wiedergibt (vgl. VG Würzburg, U.v. 12.9.2022 – W 8 K 22.30325, S. 37, BA Bl. 410). Mit der dortigen Äußerung des Klägers, dass er im Iran „natürlich besser drauf gewesen sei“, weil er bei seinen Eltern und seiner Familie gewesen sei, lässt sich der hiesige Vortrag, er habe „im Eifer des Gefechts“ geäußert, im Iran sei es ihm besser gegangen, was jedoch seiner emotionalen Ausnahmesituation zuzuschreiben sei, kaum in Einklang bringen.
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1.2 Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung liegt nicht vor.
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Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO setzt voraus, dass für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dementsprechend verlangt die Darlegung (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung, dass eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. z. B. BayVGH, B.v. 15.11.2024 – 10 ZB 24.706 – juris Rn. 21).
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1.2.1 Keine grundsätzliche Bedeutung kommt der aufgeworfenen Frage zu,
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ob überhaupt und inwieweit bei einer Ermessensausübung zum Widerruf von Aufenthaltstiteln strafrechtliche Verurteilungen einbezogen werden dürfen, deren Tilgungsfrist bereits abgelaufen ist und die dementsprechend im Bundeszentralregister gelöscht sind, für die also ein gesetzliches Verwertungsverbot gem. § 51 Abs. 1 BZRG besteht.
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Diese Frage ist nicht klärungsfähig, weil sie sich in einem Berufungsverfahren nicht entscheidungserheblich stellen würde. Wie (unter 1.1.1) ausgeführt, hat das Verwaltungsgericht die (gerichtlich voll überprüfbare) Beurteilung der Beklagten, dass es sich bei dem Kläger nicht um einen faktischen Inländer handelt, zu Recht als im Ergebnis zutreffend angesehen. Denn es hat unabhängig von den von der Beklagten erwähnten, tilgungsreifen Vorstrafen aufgrund anderweitiger tatsächlicher Umstände auf eine mangelnde Verwurzelung des Klägers im Bundesgebiet sowie auf eine mangelnde Entwurzelung in dessen Herkunftsland geschlossen, ohne dass dies zu beanstanden wäre. Auf die aufgeworfene Frage der Berücksichtigungsfähigkeit getilgter Vorstrafen in der Ermessensausübung zum Widerruf kommt es deshalb nicht an.
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1.2.2 Des Weiteren hält der Kläger die Frage für grundsätzlich bedeutsam,
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ob nach rechtskräftigem Widerruf eine(r) Asylanerkennung ein Zuwarten der Behörde von circa einem Jahr im Zusammenhang mit der Erteilung einer Aufenthaltskarte einen Vertrauenstatbestand schafft, der einem Widerruf der Niederlassungserlaubnis entgegensteht.
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Die grundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage ist schon nicht entsprechend den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt worden. Die Begründung des Klägers übt insoweit einzelfallbezogen inhaltliche Kritik an der Entscheidung des Verwaltungsgerichts und läuft damit auf eine Darlegung ernstlicher Zweifel hinaus, geht aber nicht auf die Voraussetzungen einer Grundsatzfrage ein. Des Weiteren fehlt es aber auch an der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage, weil sie sich durch Auslegung der einschlägigen Vorschriften anhand der anerkannten Auslegungsmethoden sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung zweifelsfrei beantworten lässt, ohne dass es dafür der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedürfte.
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Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, steht dem Widerruf der Niederlassungserlaubnis kein schützenswertes Vertrauen des Klägers in deren Fortbestand entgegen. Die Ausstellung einer bis 12. Juli 2028 gültigen elektronischen Aufenthaltskarte am 21. Dezember 2023 begründet kein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers in den Fortbestand der Niederlassungserlaubnis. Bei der elektronischen Aufenthaltskarte handelt es sich nicht um die Verlängerung des Aufenthaltstitels, sie dient vielmehr dem Nachweis des bestehenden Aufenthaltsrechtes aufgrund der (im Zeitpunkt der Ausstellung der Aufenthaltskarte) noch nicht widerrufenen Niederlassungserlaubnis. Die Aufenthaltskarte stellt die den Aufenthaltstitel verkörpernde Urkunde dar. Bei deren Ausstellung handelt es sich nicht um eine erneute Entscheidung über die Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels in der Form eines Verwaltungsaktes, sondern um einen schlichten Realakt. Auch für den Kläger war erkennbar, dass mit der Ausstellung der Aufenthaltskarte gerade keine neue Entscheidung über seinen unbefristet erteilten Aufenthaltstitel getroffen, sondern nur eine alte Entscheidung neu dokumentiert wurde (vgl. zum Ganzen Maor in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, Stand 1.4.2025, § 4 AufenthG Rn. 4). Zu Recht weist das Verwaltungsgericht überdies darauf hin, dass der Kläger angesichts des parallelen Schriftsatzwechsels im Rahmen des Anhörungsverfahrens auch nicht wegen der Ausstellung einer Aufenthaltskarte mit einer Gültigkeitsdauer bis 12. Juli 2028 davon ausgehen durfte, die Beklagte habe von ihrem Widerrufsvorhaben Abstand genommen.
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Im Übrigen schließt sich der Senat der Auffassung der Vorinstanz an, dass die (vom Kläger auch nicht belegte) Einlassung seitens eines Mitarbeiters bzw. einer Mitarbeiterin der Beklagten, sein Aufenthaltstitel habe mit dem Widerruf seiner Asylanerkennung „nichts zu tun“, keinen Rechtsbindungswillen hinsichtlich eines Verzichts auf die Ausübung der Befugnis zum Widerruf erkennen lässt. Für eine rechtswirksame Zusicherung würde es außerdem an der gem. Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG erforderlichen Schriftform fehlen.
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1.3 Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor.
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1.3.1 Soweit der Kläger einen Verfahrensmangel darin sieht, dass das Verwaltungsgericht das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG missachtet habe, weil aufgrund der mehrfachen Erwähnung seiner im Bundeszentralregister getilgten Vorstrafen durch die Beklagte ein Ermessensfehler vorliege, legt er schon nicht dar, inwieweit das Verwaltungsgericht gegen eine das Verfahren regelnde Vorschrift oder einen verfahrensrechtlichen Grundsatz verstoßen habe. Vielmehr rügt der Kläger der Sache nach einen (für das Entscheidungsergebnis relevanten) inhaltlichen Mangel der Begründung des verwaltungsgerichtlichen Urteils und macht damit ernstliche Zweifel gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Auffassung des Verwaltungsgerichts geltend. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts ist insoweit jedoch nicht zu beanstanden (siehe dazu 1.1.1).
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1.3.2 Des Weiteren rügt der Kläger einen Verfahrensfehler in der Gestalt eines Gehörsverstoßes insofern, als „das Verwaltungsgericht die Prognose der Beklagten, dass sich die psychischen Probleme des Klägers im Falle eines Verbleibs in Deutschland mit zunehmendem Alter weiter verschärfen würden, als nicht zu beanstanden angesehen“ habe. Zwar habe der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung betreffend den Widerruf seiner Asylanerkennung „wohl im Eifer des Gefechts“ geäußert, im Iran sei es ihm besser gegangen. Hierbei habe es sich jedoch um eine emotionale Äußerung im Rahmen einer für den Kläger spannungsgeladenen Situation gehandelt, was sicherlich sowohl für die Beklagtenseite als auch für das Gericht erkennbar gewesen sei. Das Verwaltungsgericht habe die völlig unsubstantiierte und spekulative Äußerung der Beklagten, die psychische Situation des Klägers werde sich in Deutschland weiter verschlechtern, trotz des oben dargestellten klägerischen Vortrags als „nicht zu beanstanden“ hingenommen und damit zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht. Darin liege eine Verletzung des rechtlichen Gehörs.
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Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
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Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nur dann verletzt, wenn die angefochtene Entscheidung auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt wird, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten (§ 108 Abs. 2 VwGO), oder wenn das erkennende Gericht (entscheidungserhebliches) tatsächliches oder rechtliches Vorbringen der Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen und nicht erwogen hat. Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet dem Verfahrensbeteiligten das Recht, sich nicht nur zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt, sondern auch zur Rechtslage zu äußern. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte jedoch nicht, jedes Vorbringen ausdrücklich zu bescheiden, vielmehr ist der Anspruch auf rechtliches Gehör nur verletzt, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen ergibt, dass ein Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, nicht nachgekommen ist (BVerfG, B.v. 25.3.2010 – 1 BvR 2446/09 – juris Rn. 11 sowie NdsOVG, B.v. 22.3.2010 – 5 LA 32/09 – juris jeweils m.w.N.; SächsOVG, B.v. 18.2.2010 – 2 B 586/09 – juris; BayVGH, B.v. 10.3.2010 – 2 CS 10.222 – juris). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt insbesondere dann nicht vor, wenn das Gericht dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsauffassung eines Verfahrensbeteiligten in der Sache nicht folgt (BVerwG, B.v. 8.2.2010 – 8 B 126.09, 8 B 76.09 – juris Rn. 2 m.w.N.; BayVGH, B.v. 10.3.2010 – 2 CS 10.222 – juris). Um eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör anzunehmen, müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass der Sachvortrag eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen worden ist (BVerfG, B.v. 19.5.1992 – 1 BvR 986/91 – juris Rn. 39). Von einem im Rahmen der Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs entscheidungserheblichen Vortrag ist nur auszugehen, wenn das Gericht unter Berücksichtigung dieses Vortrags zu einem anderen, dem Rechtsmittelführer günstigeren Ergebnis gekommen wäre (vgl. OVG NRW, B.v. 21.7.2021 – 1 A 1555/20.A – juris Rn. 6).
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Gemessen daran ist ein Gehörsverstoß schon nicht dargelegt. Die diesbezügliche Begründung des Verwaltungsgerichts (siehe oben 1.1.2) war bereits im Prozesskostenhilfebeschluss vom 8. Oktober 2024 enthalten, ohne dass der Kläger im weiteren erstinstanzlichen Klageverfahren darauf reagiert hätte. Überdies wurde der die vom Verwaltungsgericht übernommene Einschätzung der Beklagten enthaltende Schriftsatz vom 13. Mai 2024 der Klägerseite mit Schreiben des Verwaltungsgerichts vom selben Tag zur Kenntnisnahme und etwaigen Äußerung zugestellt, ohne dass der Kläger in den nachfolgenden Schriftsätzen darauf eingegangen wäre. Auch in der mündlichen Verhandlung am 21. Oktober 2024 wurde die Thematik einer möglichen Verbesserung der psychischen Verfassung des Klägers im Heimatland von diesem ausweislich des Protokolls nicht in Zweifel gezogen. Vor diesem Hintergrund fehlt es an der konkreten Darlegung, welche Argumentation seitens des Klägers das Verwaltungsgericht nicht in Erwägung gezogen habe und zu welchem für den Kläger günstigeren Ergebnis es gekommen wäre, wenn es diese in Erwägung gezogen hätte.
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Im Übrigen begründet das rechtliche Gehör, wie ausgeführt, keinen Anspruch darauf, dass das Gericht sich die Schlussfolgerungen und Rechtsauffassungen des Klägers zu eigen macht und seine Entscheidung darauf stützt. Folglich liegt kein Verfahrensfehler darin, dass das Verwaltungsgericht der Einschätzung der Beklagten gefolgt ist, die psychische Situation des Klägers werde sich in Deutschland weiter verschlechtern. Vielmehr übt der Kläger auch insoweit im Stile der Geltendmachung ernstlicher Zweifel inhaltliche Kritik an der angegriffenen Entscheidung (siehe dazu 1.1.2).
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, Abs. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffer 8.1.1 des Streitwertkatalogs 2025.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).