Titel:
Familienzuschlag, Übergangsvorschriften, Popularklage, Alimentationsprinzip, Besoldungsrecht, Allgemeiner Gleichheitssatz, Rückwirkungsverbot, Stichtagsregelung, Vertrauensschutz, Familienbezogenheit, Unechte Rückwirkung, Übergangsregelung, Berücksichtigungsfähige Kinder, Gesetzgebungspflicht, Neuregelung, Unzumutbare Härte, Hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums, Amtsangemessene Besoldung, Verfassungsgerichtshofgesetze, Bayerischer Verfassungsgerichtshof
Leitsatz:
Die am 1. April 2023 in Kraft getretene Übergangsregelung zu orts- und familienbezogenen Besoldungsbestandteilen gemäß Art. 109 Abs. 3 Satz 1 BayBesG (mit Stichtag 31. März 2023) verstößt in ihrem letzten Satzteil weder gegen den Gleichheitssatz (Art. 118 Abs. 1 BV) noch gegen das Rückwirkungsverbot (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) oder das Alimentationsprinzip (Art. 95 Abs. 1 Satz 2 BV).
Schlagworte:
Popularklage, Gleichheitssatz, Rückwirkungsverbot, Besitzstandswahrung, Alimentationsprinzip, Stichtagsregelung, Ermessensspielraum
Fundstelle:
BeckRS 2025, 22474
Tenor
Der Antrag wird abgewiesen.
Entscheidungsgründe
1
Gegenstand der Popularklage ist die Frage, ob eine im Gesetz zur Neuausrichtung orts- und familienbezogener Besoldungsbestandteile vom 10. März 2023 (GVBl S. 80) zur Besitzstandswahrung erlassene Übergangsvorschrift gegen Normen der Bayerischen Verfassung verstößt.
2
Die in ihrem letzten Satzteil angegriffene Bestimmung des Art. 109 Abs. 3 Satz 1 des Bayerischen Besoldungsgesetzes (BayBesG) vom 5. August 2010 (GVBl S. 410, 764, BayRS 2032-1-1-F), das zuletzt durch § 2 des Gesetzes vom 28. April 2025 (GVBl S. 107) geändert worden ist, und die voranstehenden Regelungen in Absätzen 1 und 2 der Vorschrift lauten wie folgt:
Übergangsvorschriften zu orts- und familienbezogenen Besoldungsbestandteilen
(1) 1Berechtigte erhalten für den Zeitraum vom 1. Januar 2020 bis 31. März 2023 einen orts- und familienbezogenen Besoldungsbestandteil in Höhe des Betrags, um den der Orts- und Familienzuschlag bei Anwendung der Art. 35 bis 37 in der am 1. April 2023 geltenden Fassung auf diesen Zeitraum den aufgrund der Art. 35 bis 37 in der jeweils geltenden Fassung tatsächlich gewährten Familienzuschlag übersteigt. 2Für die Jahre 2020 bis 2022 ist bei der Berechnung des Orts- und Familienzuschlags nach den Art. 35 bis 37 in der am 1. April 2023 geltenden Fassung anstelle der Anlage 5 auf die Anlage 11 abzustellen. 3Art. 36 Abs. 6 ist bei der Berechnung des Orts- und Familienzuschlags nach den Art. 35 bis 37 in der am 1. April 2023 geltenden Fassung nicht anzuwenden. 4Eine im Zeitraum des Satzes 1 gewährte Ballungsraumzulage nach Art. 94 in der jeweils geltenden Fassung ist auf die nach den Sätzen 1 und 2 zu gewährenden Beträge anzurechnen.“
(2) 1Ein Anspruch nach Abs. 1 besteht für Berechtigte, die nicht ein Fehlen der Amtsangemessenheit der Alimentation durch Widerspruch oder Klage geltend gemacht haben oder über deren Widerspruch oder Klage bereits abschließend entschieden worden ist, nur für die Jahre, in denen der Dienstherr allgemein auf das Erfordernis einer Geltendmachung im jeweiligen Haushaltsjahr verzichtet hat. 2Im Falle eines Dienstherrenwechsels bestehen gesonderte Ansprüche nach Abs. 1 gegen die jeweiligen Dienstherren für die Zeiten, in denen dort ein entsprechendes Dienstverhältnis begründet war, wenn die jeweiligen Voraussetzungen nach Satz 1 und Abs. 1 vorliegen.
(3) 1Berechtigten, die am 31. März 2023 Anspruch auf Gewährung eines Familienzuschlags nach den Art. 35 bis 37 oder einer Ballungsraumzulage nach Art. 94 oder auf beide Leistungen haben, werden diese Leistungen weiter gewährt, solange die jeweiligen Voraussetzungen in der am 31. März 2023 geltenden Fassung vorliegen und solange und soweit die betragsmäßige Summe der Leistungen den nach den Art. 35 bis 37 in der jeweils geltenden Fassung zu gewährenden Orts- und Familienzuschlag übersteigt. … …
3
Der Antragsteller rügt, Art. 109 Abs. 3 Satz 1 letzter Satzteil BayBesG („und solange und soweit … übersteigt“) verstoße gegen den Gleichheitssatz des Art. 118 BV, das im Rechtsstaatsprinzip des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV enthaltene Rückwirkungsverbot und gegen die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums im Sinn des Art. 95 Abs. 1 BV.
4
Infolge der Besitzstandswahrungsregel des Art. 109 Abs. 3 Satz 1 BayBesG bekomme ein verheirateter und kinderloser Kollege, der ebenso wie der Antragsteller im Allgäu lebe, nach der Neuregelung einen Orts- und Familienzuschlag für die Ehe von 149,64 €, während der Antragsteller als verheirateter Vater von zwei Kindern, die inzwischen nicht mehr zu berücksichtigen seien, einen Orts- und Familienzuschlag für die Ehe von 77,00 € erhalte. Die Übergangsvorschrift benachteilige am 31. März 2023 verheiratete Beamte mit Kindern im Vergleich zu kinderlosen Beamten, die am 31. März 2023 verheiratet seien. Denn kinderlosen Beamten werde nicht durch Wegfall eines berücksichtigungsfähigen Kindes der Besitzstand verwehrt. Für diese Ungleichbehandlung gebe es keinerlei Rechtfertigung. Im Gegenteil habe die Neuregelung der Alimentation gerade Beamten mit Kindern zugutekommen sollen.
5
Ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot liege vor, auch wenn der Grundsatz des Vertrauensschutzes den Bürger für die Zukunft nicht vor jeder nachteiligen Änderung einer bisher gewährten Rechtsposition bewahre. Die Grenze einer zulässigen unechten Rückwirkung sei jedoch überschritten, wenn die Neuregelung nicht vorhersehbar gewesen sei und die Belastung durch die Neuregelung schwer wiege. Beides liege hier vor:
6
Es sei nicht vorhersehbar gewesen, dass der Familienzuschlag für eine Ehe, den es für Beamte schon seit 150 Jahren unter verschiedensten Bezeichnungen gebe, gekürzt werde, wenn die Ehe nicht, z. B. durch Tod oder Scheidung, aufgelöst werde. Er werde in den nächsten 187 Monaten 13.583,68 € weniger Familienzuschlag erhalten als sein kinderloser Kollege. Darüber hinaus werde der verwehrte Betrag nicht ruhegehaltfähig. Auf die Ruhegehaltfähigkeit des nicht gekürzten Familienzuschlags habe er vertraut und deshalb insoweit keine Vorsorge für den Ruhestand getroffen. In seinem fortgeschrittenen Alter und aufgrund von Art. 129 BayBG, wonach er spätestens mit Vollendung des 62. Lebensjahres in den Ruhestand treten müsse, sei es für ihn zum jetzigen Zeitpunkt sehr teuer, den durch Art. 109 Abs. 3 Satz 1 BayBesG entstandenen Pensionsfehlbetrag mit einer privaten Rentenversicherung abzudecken.
7
Der Gesetzgeber habe die notwendige Abwägung zwischen dem Wohl der Allgemeinheit (sparsamer Umgang mit Haushaltsmitteln) und dem Anliegen des Antragstellers, auf den Fortbestand der Rechtslage vertrauen zu dürfen, nicht vorgenommen. Aus der Gesetzesbegründung ergebe sich, dass nur an die Fälle gedacht worden sei, in denen nach der Neuregelung ein berücksichtigungsfähiges Kind hinzukomme, das viel später wegfalle, und nicht an die Fälle, in denen ein berücksichtigungsfähiges Kind am 31. März 2023 vorhanden sei und (kurz) nach der Neuregelung wegfalle.
8
Aus den gleichen Gründen liege auch ein Verstoß gegen die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums wie das Alimentationsprinzip im Sinn des Art. 95 Abs. 1 BV vor.
9
1. Der Bayerische Landtag hält die Popularklage für zulässig, aber unbegründet.
Er schließt sich der Stellungnahme der Bayerischen Staatsregierung an.
10
2. Die Bayerische Staatsregierung erachtet die Popularklage für unbegründet.
11
Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 118 Abs. 1 Satz 1 BV liege nicht vor. Der Gesetzgeber habe beim Erlass besoldungsrechtlicher Vorschriften einen weiten Spielraum politischen Ermessens, innerhalb dessen er das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung anpassen und verschiedenartige Gesichtspunkte berücksichtigen dürfe. Über diesen breiten Gestaltungsspielraum verfüge der Gesetzgeber auch bei der Überleitung bestehender Rechtslagen und Rechtsverhältnisse in neue Systeme. Er sei berechtigt, Stichtage einzuführen, da es bei den umfassenden Regelungen zur Neuausrichtung orts- und familienbezogener Besoldungsbestandteile unmöglich sei, die unter dem alten Recht entstandenen Rechtsverhältnisse vollständig ohne jegliche Veränderung dem neuen Recht zu unterstellen. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verlange dabei eine klare zeitliche Abgrenzung zwischen altem und neuem Recht. Die Überleitungsregelung, die das legitime Ziel der Wahrung des Besitzstands einer Personengruppe verfolge, sei unbedenklich. Entgegen dem Vorbringen des Antragstellers führe die Stichtagsregelung des Art. 109 Abs. 3 Satz 1 BayBesG nicht zu einer verfassungsrechtlich nicht rechtfertigbaren indirekten Ungleichbehandlung von verheirateten Beamten mit Kindern und solchen ohne Kinder. Die vom Antragsteller geforderte Dynamisierung der Besitzstandswahrung bzw. die dauerhafte Nachzeichnung der alten Rechtslage, die einer Rechtsstandswahrung gleichkomme, sei nicht angezeigt. Das Interesse des Gesetzgebers, durch Normierung einer Übergangsregelung in einem überschaubaren Zeitraum einen einheitlichen Rechtszustand herzustellen, sei berechtigt und nur mit einer statischen, nicht dynamisierten Besitzstandszulage erreichbar. Die angegriffene Regelung sei auch angemessen, denn das Ziel, das alte System des Familienzuschlags in einem überschaubaren Zeitraum in das neue System des Orts- und Familienzuschlags zu transferieren, sei gewichtig genug, um etwaige mit der Regelung einhergehende Ungleichbehandlungen zu rechtfertigen.
12
Ein Verstoß gegen das von der institutionellen Garantie des Berufsbeamtentums nach Art. 95 Abs. 1 Satz 2 BV umfasste Alimentationsprinzip sei nicht ersichtlich.
13
Die angegriffene Besitzstandsregelung verstoße auch nicht gegen das Rückwirkungsverbot des Art. 3 Abs. 1 BV.
14
Die Popularklage ist zulässig.
15
1. Nach Art. 98 Satz 4 BV, Art. 55 Abs. 1 Satz 1 VfGHG hat der Verfassungsgerichtshof Gesetze und Verordnungen für nichtig zu erklären, die ein Grundrecht verfassungswidrig einschränken. Die Verfassungswidrigkeit kann jedermann durch Beschwerde (Popularklage) geltend machen (Art. 55 Abs. 1 Satz 1 VfGHG). Gesetze und Verordnungen im Sinn des Art. 98 Satz 4 BV sind alle Rechtsvorschriften des bayerischen Landesrechts. Dazu gehört die angegriffene Bestimmung des Art. 109 Abs. 3 Satz 1 BayBesG.
16
2. Das Vorbringen des Antragstellers bedarf indes der Auslegung. Mit der erstrebten Aufhebung der Übergangsvorschrift des Art. 109 Abs. 3 Satz 1 letzter Satzteil BayBesG („und solange und soweit … übersteigt“) ist sein Rechtsschutzbegehren nicht zutreffend erfasst. Denn der Sache nach will er nicht die Übergangsvorschrift zu Fall bringen, sondern erreichen, dass die dort vorgesehene Besitzstandswahrung auch dann gewährt wird, wenn der Orts- und Familienzuschlag nach dem geregelten Stichtag hinter dem vor diesem gewährten Betrag des Familienzuschlags nach altem Recht zurückbleibt. Inhaltlich richtet sich die Popularklage somit gegen ein Unterlassen des Gesetzgebers.
17
Ein Unterlassen des Normgebers kann nur dann Gegenstand einer Popularklage sein, wenn in substanziierter Weise geltend gemacht wird, der Normgeber sei aufgrund einer Grundrechtsnorm der Bayerischen Verfassung zum Erlass einer bestimmten Regelung verpflichtet. Dies setzt voraus, dass sich der Antragsteller auf einen ausdrücklichen Auftrag der Verfassung berufen kann, der Inhalt und Umfang der Gesetzgebungspflicht im Wesentlichen umgrenzt, oder dass er ein relevantes Unterlassen des Normgebers rügt, weil dieser im Zusammenhang mit einer bestimmten Rechtsmaterie etwas nicht getan habe, wozu er unter Beachtung des Gleichheitssatzes verpflichtet gewesen wäre (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 12.7.1995 VerfGHE 48, 55/57; vom 13.5.2009 VerfGHE 62, 61/ 66 f.; vom 7.12.2021 VerfGHE 74, 265 Rn. 48 m. w. N.). Letzteres behauptet der Antragsteller, der die Auffassung vertritt, dass er als verheirateter Beamter, der dem neuen Besoldungsrecht unterfällt, gegenüber denjenigen, die von der Übergangsregelung des Art. 109 Abs. 3 Satz 1 BayBesG profitieren, gleichheitswidrig benachteiligt werde, womit eine Grundrechtsverletzung als möglich erscheint. Denn der vom Gesetzgeber gewählte Stichtag führt zu der vom Antragsteller geschilderten unterschiedlichen Behandlung von verheirateten Beamten im Hinblick auf die Gewährung der von der Übergangsvorschrift vorgesehenen Besitzstandswahrung.
18
Im Hinblick auf die zulässige Grundrechtsrüge erstreckt der Verfassungsgerichtshof seine Überprüfung auch auf die Frage, ob die angegriffene Regelung mit anderen Normen der Bayerischen Verfassung vereinbar ist, selbst wenn diese keine Grundrechte verbürgen (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 25.9.2015 VerfGHE 68, 198 Rn. 117; vom 21.4.2021 VerfGHE 74, 87 Rn. 32, jeweils m. w. N.).
19
Die Popularklage ist unbegründet. Aus der Bayerischen Verfassung lässt sich keine Verpflichtung des Gesetzgebers ableiten, Art. 109 Abs. 3 Satz 1 letzter Satzteil BayBesG zu streichen oder die Übergangsregelung zu erweitern.
20
1. Der einzelne Bürger hat nach bayerischem Verfassungsrecht grundsätzlich keinen verfassungsgerichtlich verfolgbaren Anspruch auf ein bestimmtes Handeln des Gesetzgebers. Eine gegenteilige Auffassung wäre mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 5 BV) und dem Gestaltungsspielraum unvereinbar, den ein Normgeber bei der Beurteilung und Regelung eines Sachgebiets haben muss. Ob und mit welchem Inhalt normative Regelungen zu erlassen sind, hängt von vielschichtigen Erwägungen ab, die sich der richterlichen Nachprüfung im Allgemeinen entziehen. Das Verlangen nach Erlass einer bestimmten Regelung kann grundsätzlich nicht im Wege einer Popularklage geltend gemacht werden (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 24.9.2018 VerfGHE 71, 246 Rn. 27 m. w. N.).
21
2. Der Gleichheitssatz des Art. 118 Abs. 1 BV ist nicht verletzt.
22
a) Der Gleichheitssatz verbietet Willkür. Er lässt Differenzierungen zu, die durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt sind. Dabei bleibt es dem Ermessen des Normgebers überlassen zu bestimmen, in welcher Weise dem allgemeinen Gedanken der Angemessenheit, Billigkeit und Zweckmäßigkeit Rechnung zu tragen ist. Der Gleichheitssatz wäre nur dann verletzt, wenn der Normgeber die äußersten Grenzen seines Ermessens überschritten hätte und wenn für die gerügte Unterlassung jeder sachlich einleuchtende Grund fehlte. Die Anwendung des Gleichheitssatzes beruht stets auf einem Vergleich von Lebensverhältnissen, die nie in allen, sondern nur in einzelnen Elementen gleich sind. In dem angegebenen Rahmen ist es Sache des Normgebers, nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen, welche Elemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse dafür maßgebend sind, sie im Recht gleich oder verschieden zu behandeln. Der Verfassungsgerichtshof hat nicht zu entscheiden, ob der Normgeber jeweils die bestmögliche oder gerechteste Lösung getroffen hat; er kann nicht seine eigenen Abwägungen und Überlegungen an die Stelle derjenigen des Normgebers setzen (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. VerfGH vom 22.10.1992 VerfGHE 45, 143/147 m. w. N.; vom 25.2.2013 VerfGHE 66, 6/17).
23
Diese Grundsätze gelten auch für Regelungen der Rechtsverhältnisse der Beamten. Bei Regelungen des Besoldungsrechts steht dem Normgeber eine weite Gestaltungsfreiheit zu (vgl. VerfGH vom 28.4.2015 VerfGHE 68, 80 Rn. 25 f. m. w. N.).
24
b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist die angegriffene Regelung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es bestehen plausible, sachlich vertretbare Gründe dafür, die Überleitung bestehender Rechtslagen und Rechtsverhältnisse in die neue Rechtslage des Orts- und Familienzuschlags nach der geltenden Anlage 5 des Bayerischen Besoldungsgesetzes zügig mit einer Stichtagsregelung vorzunehmen. Das Gleichbehandlungsgebot reicht dabei nicht so weit, dass der Beamte vor jeder nachteiligen Änderung einer bisher gewährten Rechtsposition bewahrt bleiben müsste. Der gewählte Stichtag ist sachlich vertretbar und zieht auch keine unzumutbare Härte nach sich, da die Überleitung in die neue Rechtslage nur erfolgt, wenn die Leistung nach neuem Recht (zum Stichtag) diejenige nach altem Recht übersteigt. Den sich gegebenenfalls später einstellenden Nachteilen ist des Weiteren die sich je nach Lage des Einzelfalls ergebende Zusatzzahlung nach Art. 109 Abs. 1 und 2 BayBesG gegenüberzustellen (vgl. näher zur Berechnung Möller in Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Art. 109 BayBesG Rn. 2 ff.). Zudem bleibt das Niveau, auf das sich die Besitzstandsregelung bezieht, statisch und wird durch Erhöhungen des neuen Orts- und Familienzuschlags der Stufe V nach und nach aufgezehrt, was in der Vergleichsberechnung des Antragstellers nicht berücksichtigt ist.
25
Zu den vom Antragsteller angeführten Nachteilen für verheiratete Beamte in versorgungsrechtlicher Hinsicht ist zunächst klarzustellen, dass sowohl der kinderbezogene Teil für Berechtigte der Stufe 1 des Familienzuschlags nach altem Recht als auch die kinderbezogenen Stufen des neuen Orts- und Familienzuschlags nicht ruhegehaltfähig werden (Gegenschluss aus Art. 12 Abs. 1 Nr. 4 BayBeamtVG in der jeweils geltenden Fassung). Nur der Orts- und Familienzuschlag der Stufe V rechnet danach zu den ruhegehaltfähigen Bezügen, dem im alten Recht der Familienzuschlag der Stufe 1 (Art. 12 Abs. 1 Nr. 4 BayBeamtVG a. F.) entspricht. Dass im Hinblick auf diese Bezüge für Verheiratete der von der angegriffenen Übergangsvorschrift bei Ruhestandseintritt noch profitierende Vergleichsbeamte mit Art. 114 g Abs. 2 BayBeamtVG den Differenzbetrag vom Orts- und Familienzuschlag der Stufe V zum höheren Familienzuschlag der Stufe 1 versorgungsrechtlich weiter erhält, stellt nur die folgerichtige Fortsetzung der in Art. 109 Abs. 3 Satz 1 BayBesG getroffenen Stichtagsregelung dar. Dabei kann nicht außer Betracht bleiben, dass sich dieser Differenzbetrag jeweils um den Betrag vermindert, um den sich der neue in Anlage 5 geregelte Orts- und Familienzuschlag der Stufe V erhöht. Damit wird der Differenzbetrag gegebenenfalls vollständig abgeschmolzen (Art. 114 g Abs. 2 Sätze 2 und 3 BayBeamtVG).
26
Die Rücksicht auf die dem Gesetzgeber beim Erlass der hier einschlägigen Übergangsvorschriften eingeräumte Ermessensfreiheit gebietet dem Verfassungsgerichtshof Zurückhaltung (VerfGH vom 21.10.1975 VerfGHE 28, 184/194). Es genügt, dass sich für die Neuausrichtung der familien- und ortsbezogenen Besoldungsbestandteile, die der amtsangemessenen Besoldung insbesondere von Familien mit Kindern und der Wahrung des Mindestabstands zum Grundsicherungsniveau in den unteren Besoldungsgruppen unter Berücksichtigung der Wohnkosten dient (LT-Drs. 18/25363 S. 15; siehe auch nachstehend unter 3. b)), ein sachlicher Grund von einigem Gewicht anführen lässt. Soweit der vom Gesetzgeber zu treffenden Entscheidung bestimmte Wertungen und Erwägungen zugrunde liegen, könnte sich der Verfassungsgerichtshof über sie nur hinwegsetzen, wenn sie widerlegbar oder offensichtlich fehlsam wären oder wenn sie mit der Wertordnung der Bayerischen Verfassung in Widerspruch stünden. Eine solche Feststellung lässt sich hier nicht treffen, vielmehr soll die Neuregelung der besseren Umsetzung des verfassungsrechtlich abgesicherten Alimentationsprinzips dienen. Das lässt die mit der Stichtagsregelung verbundenen Nachteile als hinnehmbar erscheinen.
27
3. Ein Verstoß gegen das im Rechtsstaatsprinzip des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV enthaltene Rückwirkungsverbot liegt nicht vor.
28
a) Der Rückwirkung von Rechtssätzen sind durch das rechtsstaatliche Gebot des Vertrauensschutzes Grenzen gezogen. Es gilt der Grundsatz, dass eine Rechtslage nicht nachträglich zulasten des Bürgers verschlechtert werden darf, wenn er in schutzwürdiger Weise auf das Fortbestehen der bisherigen Rechtslage vertrauen konnte. In dem Vertrauen wird der Bürger verletzt, wenn eine Rechtsvorschrift an abgeschlossene Tatbestände rückwirkend ungünstigere Folgen knüpft als diejenigen, von denen er bei seinen Dispositionen ausgehen durfte (sog. echte Rückwirkung). Dagegen geht der Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht so weit, den Bürger für die Zukunft vor jeder nachteiligen Änderung einer bisher gewährten Rechtsposition zu bewahren. Auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen darf der Normgeber deshalb mit Wirkung für die Zukunft grundsätzlich einwirken. Aus dem Gebot der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes ergeben sich zwar auch in derartigen Fällen einer sog. unechten Rückwirkung verfassungsrechtliche Grenzen für belastende Vorschriften. Bei einer unechten Rückwirkung ist das Vertrauen des Einzelnen auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung jedoch weit weniger geschützt als bei einer echten Rückwirkung; hier ist die Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit gegen das Vertrauen auf den Fortbestand der Rechtslage abzuwägen (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGHE 66, 6/18; VerfGH vom 28.6.2013 VerfGHE 66, 101/116 f.; VerfGHE 74, 87 Rn. 55 f., jeweils m. w. N.). Der Normgeber kann zu Übergangsregelungen verpflichtet sein, dabei steht ihm allerdings ein weiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Zwischen der sofortigen, übergangslosen Inkraftsetzung des neuen Rechts und seiner Überleitung für die Zukunft sind vielfache Abstufungen denkbar. Der verfassungsgerichtlichen Nachprüfung unterliegt nur, ob der Gesetzgeber bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe unter Berücksichtigung aller Umstände die Grenze der Zumutbarkeit überschritten hat (VerfGHE 74, 87 Rn. 58 m. w. N.).
29
b) Der Antragsteller greift die angefochtene Übergangsregelung unter dem Gesichtspunkt der unechten Rückwirkung an; sein Vortrag, der Gesetzgeber habe die notwendige Abwägung zwischen dem Wohl der Allgemeinheit (sparsamer Umgang mit Haushaltsmitteln) und dem Anliegen des Antragstellers, auf den Fortbestand der Rechtslage vertrauen zu dürfen, nicht vorgenommen, trifft ausweislich der Gesetzesbegründung offensichtlich nicht zu. Denn die Neuausrichtung der orts- und familienbezogenen Besoldungsbestandteile ist nicht aus Gründen der Haushaltskonsolidierung vorgenommen worden (vgl. dazu BVerfG vom 16.10.2018 BVerfGE 149, 382), sondern dient unter Einsatz dafür benötigter Mehrausgaben (LT-Drs. 18/25363 S. 2) der amtsangemessenen Besoldung insbesondere von Familien mit Kindern und der Wahrung des Mindestabstands zum Grundsicherungsniveau in den unteren Besoldungsgruppen unter Berücksichtigung der Wohnkosten. In der „Abkehr von dem Familienbild der AlleinverdienerFamilie als Bezugsgröße der Besoldung hin zur Mehrverdiener-Familie als zeitgemäßer und die gesellschaftliche Realität deutlich besser widerspiegelnder Bezugsgröße“ (LT-Drs. 18/25363 S. 15) liegt ein einleuchtender sachlicher Grund für die Änderung der Rechtslage. Den Umstand, dass der Besitzstand nach Wegfall einer Kindergeldberechtigung nicht wieder auflebt, hat der Gesetzgeber bedacht (LTDrs. 18/25363 S. 30); dass die Kindergeldberechtigung abhängig vom jeweiligen Alter des Kindes sehr bald oder erst lange nach dem Inkrafttreten des Gesetzes entfallen kann, versteht sich von selbst. In Bezug auf die versorgungsrechtliche Folgewirkung ergibt sich kein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, weil dem Vertrauen der nachteilig betroffenen Beamten auf den Fortbestand der Rechtslage das Interesse der Allgemeinheit daran gegenüberzustellen ist, die Rechtsordnung auch im Bereich langfristig angelegter Alterssicherungssysteme ändern zu können, um Anpassungen an veränderte Zielsetzungen und Gegebenheiten vorzunehmen (vgl. BVerfG vom 27.9.2005 BVerfGE 114, 258/300 ff.). Es ist daher nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Grenzen seiner Gestaltungsbefugnis überschritten hätte.
30
4. Art. 95 Abs. 1 Satz 2 BV ist ebenfalls nicht verletzt.
31
Aus dem zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums zählenden Alimentationsprinzip folgt kein Anspruch des Beamten auf Besoldung in einer bestimmten Höhe und in einer bestimmten Form (VerfGHE 68, 80 Rn. 36). Es enthält keinen Grundsatz, wonach die Besoldung des Beamten sich aus Grundgehalt und Familienzuschlag zusammensetzen müsste (vgl. BVerfG vom 30.3.1977 BVerfGE 44, 249/263). Das Alimentationsprinzip hindert den Gesetzgeber nicht, bei einer Neugestaltung des Besoldungsrechts die familienbezogenen Komponenten des Alimentationsanspruchs in anderer Weise zum Ausdruck zu bringen (BVerfGE 44, 249/268). Der Alimentationsgrundsatz bestimmt nicht, wie im Einzelnen die Besoldung zu gestalten ist. Der Gesetzgeber kann ihre Struktur, die Art ihrer Zusammensetzung, jederzeit für die Zukunft ändern und auch die Gehaltsbeträge kürzen, solange sich die Kürzung in den von der Alimentierungspflicht gezogenen Grenzen hält (BVerfG vom 10.10.1978 BVerfGE 49, 260/271 f.; vom 12.2.2003 BVerfGE 107, 218/237 f.). Dass diese Grenzen unterschritten worden wären, behauptet der Antragsteller selbst nicht.
32
Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG).