Titel:
Gewerbesteuerhaftung, Duldungsbescheid, teilweise Aussetzung der Vollziehung des Bescheides über den Primäranspruch, maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Duldungsbescheid, Ergänzungsbescheid mit Vollstreckungsvorbehalt
Normenketten:
VwGO § 93
AO § 191 Abs. 1
AnfG § 1
AnfG § 2
AnfG § 3
AnfG § 11 Abs. 1
AnfG § 14
Schlagworte:
Gewerbesteuerhaftung, Duldungsbescheid, teilweise Aussetzung der Vollziehung des Bescheides über den Primäranspruch, maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Duldungsbescheid, Ergänzungsbescheid mit Vollstreckungsvorbehalt
Fundstelle:
BeckRS 2025, 22089
Tenor
I. Die unter dem Aktenzeichen M 28 K 21.4519 und M 28 K 22.2550 geführten Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Soweit Gegenstand der verbundenen Streitsache der Erlass und Inhalt eines Abrechnungsbescheides (insb. vom … Juni 2024) ist, wird dieser Streitgegenstand abgetrennt und unter dem Aktenzeichen M 28 K 25.3953 fortgeführt.
III. Der Duldungsbescheid der Beklagten vom *. April 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom … Juli 2021 und in der Gestalt des Ergänzungsbescheides vom … März 2022 wird insoweit in Ziffer 1 aufgehoben, als er die Klägerin zur Duldung der Zwangsvollstreckung in die Wohnung S**straße 50 in … H* … … … über einen Betrag von 291.991,50 EUR hinaus verpflichtet. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 55%, die Beklagte zu 45%.
V. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt die Aufhebung eines gegen sie ergangenen Duldungsbescheides der Beklagten, durch welchen sie zur Duldung der Zwangsvollstreckung in die nunmehr in ihrem Eigentum stehende Wohnung in der S**straße 50 in … H* … … … wegen Gewerbesteuerschulden samt Zinsen, Mahngebühren und Säumniszuschlägen ihres Ehemannes, Herrn … … …, i.H.v. 533.165,10 EUR verpflichtet wird.
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Der Ehemann der Klägerin betrieb ein Restaurant in H* … … … Am … Juni 2020 hat der Ehemann der Klägerin das Gewerbe abgemeldet. Der Betrieb wurde sodann unter derselben Firmierung „… … …“ als … … GmbH neu angemeldet, deren Geschäftsführerin die Klägerin ist.
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Die Beklagte setzte ursprünglich gegenüber dem Ehemann der Klägerin mit Gewerbesteuerbescheiden für die Jahre 2007 bis 2018 Gewerbesteuern in Höhe von 53.607,00 EUR fest. Auf Grund einer Außenprüfung des Finanzamtes S* … ergingen am … Juni 2020 geänderte Gewerbesteuermessbescheide, die zu einer Gewerbesteuernachforderung der Beklagten führten. Auf Grundlage dieser Gewerbesteuermessbescheide erließ die Beklagte am *. Juli 2020 geänderte Gewerbesteuerbescheide für die Jahre 2007 bis 2018, und setzte Gewerbesteuern in Höhe von 400.410,00 EUR, sowie Nachholungszinsen von insgesamt 117.252,00 EUR fest. Der Ehemann der Klägerin erhob durch seinen Steuerberater am … Juli 2020 Einspruch gegen die Messbescheide des Finanzamtes S* …, sowie Widerspruch gegen die Gewerbesteuerbescheide der Beklagten.
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Mit notarieller Urkunde vom … Oktober 2020 des Notars Dr* … …, M* … (URNr. …*) erklärten Herr … … … und die Klägerin die Auflassung über die im Eigentum von Herrn … … … stehende Wohnung in der S**straße 50 in … H* … … … Zur Sicherung des Anspruchs auf Eigentumsübertragung wurde am … Oktober 2020 eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen. Als Gegenleistung für die Eigentumsübertragung wurde im notariellen Vertrag vom … Oktober 2020 vereinbart, dass die Klägerin eine Schuld aus einer Darlehensverbindlichkeit i.H.v. 24.832,62 EUR schuldbefreiend übernimmt. Zudem wurde die Zahlung einer Leibrente i.H.v. 2.400 EUR pro Monat von der Klägerin an den Ehemann der Klägerin vereinbart, die mit einer Wertsicherungsklausel versehen und mittels einer Reallast dinglich gesichert wurde. Zudem wurde ein lebzeitiges Wohnungsmitbenutzungsrecht an der Wohnung vereinbart und mittels einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit gesichert.
5
Auf Antrag der Beklagten wurden am … Oktober 2020 zwei Zwangssicherungshypotheken, zum einen in die Wohnung in der S**straße 50, sowie in eine weitere Wohnung des Ehemanns der Klägerin in der L* …straße 10 in H* … in das Grundbuch eingetragen. Die Zwangssicherungshypothek an der Wohnung in der S**straße 50 wurde auf Löschungsbewilligung der Beklagten hin am … Februar 2021 auf Grund der vorrangigen Auflassungsvormerkung der Klägerin wieder zur Löschung gebracht. Am … März 2021 beantragte die Beklagte nochmals die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek für die Eigentumswohnung in der S**straße 50 auf Grund der von der Beklagten beabsichtigten Anfechtung der Eigentumsübertragung an die Klägerin.
6
Am *. April 2021 erließ die Beklagte den streitgegenständlichen Duldungsbescheid gegenüber der Klägerin, durch welchen diese zur Duldung der Zwangsvollstreckung in die in ihrem Eigentum stehende Wohnung in der S**straße 50 … … H* … … … wegen Gewerbesteuerschulden samt Zinsen, Mahngebühren und Säumniszuschlägen ihres Ehemannes, Herrn … … …, i.H.v. 533.165,10 EUR verpflichtet wird.
7
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom … Juni 2021 die Vollziehung der Gewerbesteuern gegen den Ehemann der Klägerin für die Veranlagungszeiträume 2007 bis 2018 in einem Umfang von 199.777,00 EUR (rückwirkend) ab dem *. August 2020 aus. Anlass war die Aussetzung der Vollziehung der entsprechenden Messbeträge durch das Finanzamt S* …
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Am … März 2022 erließ die Beklagte einen Ergänzungsbescheid zum ursprünglichen Duldungsbescheid: Der Ursprungsbescheid wurde in Ziffer 1 dahingehend ergänzt, dass die Vollstreckung davon abhängig gemacht wird, dass die Festsetzungen der genannten Gewerbesteuerschulden des Herrn … … … für die Betriebsstätte S**straße 52, … H* … … …, bestandskräftig werden (§ 14 AnfG).
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Gegen den streitgegenständlichen Duldungsbescheid ließ die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten am … April 2021 Widerspruch einlegen. Dieser wurde durch den Widerspruchsbescheid des Landratsamtes S* … vom … Juli 2021 zurückgewiesen. Am 23. August 2021 und am 25. April 2022 ließ die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten jeweils Klage zum Verwaltungsgericht München erheben und beantragen,
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Im Verfahren M 28 K 21.4519: Der Duldungsbescheid der Gemeinde H* … vom *. April 2021, Az.: … …, in der Form des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes S* … vom … Juli 2021 (Az.: …*) wird aufgehoben.
11
Im Verfahren M 28 K 22.2550: Der Ergänzungsbescheid der Gemeinde H* … vom … März 2022, Az. … … wird aufgehoben.
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Die Klage wird im Wesentlichen damit begründet, dass kein titulierter Anspruch in der Höhe des vom Duldungsbescheid umfassten Betrages von 533.165,00 EUR gegen den Ehemann der Klägerin vorliege. Auf Grund der Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuern sei ein titulierter Anspruch lediglich noch in Höhe von 180.633,00 EUR gegeben. Außerdem habe der Kläger eine weitere Aussetzung der Vollziehung beim Finanzamt S* … hinsichtlich der maßgeblichen Messbescheide beantragt. Insofern sei § 14 AnfG zu beachten, da die Gewerbesteuern für die Jahre 2007 bis 2018 noch nicht rechtskräftig festständen. Maßgeblich sei insofern nicht die Bestandskraft der Gewerbesteuerbescheide, sondern die der Messbescheide, da eine Änderung des Messbescheides eine zwingende Änderung des jeweiligen Gewerbesteuerbescheides nach sich ziehe. Somit wäre in den Duldungsbescheid ein Vorbehalt aufzunehmen gewesen, dass die Vollstreckung davon abhängig gemacht wird, dass die Gewerbesteuern bestandskräftig werden. Die Gewerbesteuerbescheide seien zudem selbst keine vollstreckbaren Titel, sondern bedürften dazu nach den Regelungen des Bayerischen Vollstreckungs- und Zustellungsgesetzes der Zustellung eines Ausstandsverzeichnises. Das dem Duldungsbescheid beigefügte Ausstandsverzeichnis enthalte allerdings nicht die gesetzlich vorgegebene Klausel „Diese Ausfertigung ist vollstreckbar“. Die nachträgliche Schaffung des Titels durch Zustellung des Ausstandsverzeichnisses könne den Rechtsmangel nicht beseitigen. Außerdem sei auch bereits keine Unzulänglichkeit des Schuldnervermögens gegeben, wie dies § 2 AnfG voraussetzte. Die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners müsse demnach fruchtlos versucht oder absehbar fruchtlos sein. Jedenfalls im Hinblick auf den Teil des Hauptanspruchs, bezüglich dessen die Vollziehung nicht ausgesetzt wurde, sei aber mit einer Befriedigung durch die Vollstreckung in die Wohnung des Ehemanns der Klägerin in der L* …str. 10 in H* … zu rechnen. Es liege auch keine objektive Gläubigerbenachteiligung nach § 1 AnfG vor. Durch die grundpfandrechtlich gesicherte Leibrente sei der Klägerin ein gleichwertiger Vorteil im Schuldnervermögen erwachsen, auf welchen sie auch im Wege der Zwangsvollstreckung zugreifen könne. Auch widerspreche es Treu und Glauben, dass das Finanzamt S* … durch Pfändungs- und Einziehungsverfügung die monatliche Leibrente gepfändet habe, und nun die Klägerin die Duldung der Zwangsvollstreckung in die übertragene Wohnung angeordnet habe. Mit Schriftsatz vom … März 2024 führte der Bevollmächtigte der Klägerin weiter aus, dass in Folge geänderter Gewerbesteuermessbescheide die Gewerbesteuern gegenüber dem Ehemann der Klägerin für die Jahre 2017 und 2018 auf null Euro herabgesetzt wurden. Nach den Berechnungen des Klägerbevollmächtigten seien die Gewerbesteuern mittlerweile durch die Herabsetzungen und Zahlungen vollständig beglichen. Soweit das Finanzamt den Anträgen des Ehemannes der Klägerin nicht gefolgt sei, seien Klagen beim Finanzgericht M* … anhängig.
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Der gesondert angefochtene Ergänzungsbescheid sei hinfällig und unwirksam, wenn der zugrundeliegende Duldungsbescheid vom … Juli 2021 im Rahmen der erhobenen Anfechtungsklage aufgehoben wird.
14
Die Beklagte beantragt,
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Die teilweise Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuerschulden mache den Duldungsbescheid nicht rechtswidrig, sondern führe lediglich dazu, dass die Klägerin die Vollstreckung in die Wohnung nur in reduziertem Umfang dulden müsse. Im Zeitpunkt des Bescheidserlasses sei die Gewerbesteuer in voller Höhe vollstreckbar gewesen. Im Hinblick auf den von der Klägerin gerügten fehlenden Vorbehalt nach § 14 AnfG habe die Beklagte am … März 2022 einen Ergänzungsbescheid erlassen, sodass den Vorgaben Rechnung getragen sei. Der Erlass eines solchen Ergänzungsbescheides sei auch noch nach Erlass des Widerspruchsbescheides möglich. Die Änderungsbefugnis der Behörde bestehe auch während eines Verwaltungsprozesses fort. Dies gelte jedenfalls, wenn der ursprüngliche Verwaltungsakt nicht nichtig sei. Ein fehlender Vorbehalt nach § 14 AnfG mache den Duldungsbescheid zwar rechtswidrig, jedoch nicht nichtig. Die Ergänzung um den Vorbehalt der Bestandskraft der Gewerbesteuerschulden sei zudem ein für den Duldungsverpflichteten begünstigender Verwaltungsakt, sodass der Ergänzungsbescheid als Teilrücknahme einzustufen sei. Eine Rücknahme von Bescheiden sei bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung möglich. Das dem Duldungsbescheid angehängte Ausstandsverzeichnis erfülle die Voraussetzungen des Art. 24 VwZVG an eine Vollstreckungsanordnung und enthalte den geforderten Vermerk. Zudem sei der Erlass eines Duldungsbescheides keine Vollstreckungsmaßnahme. Der Anspruch gegen Herrn … … … war festgesetzt, fällig und vollstreckbar. Der rechtmäßige Erlass eines Duldungsbescheides setze daher nicht eine vorherige Zustellung eines Ausstandsverzeichnisses an den Primärschuldner voraus. Eine Anfechtungsberechtigung der Beklagten nach dem Anfechtungsgesetz liege vor, da mit einer vollständigen Befriedigung durch die Vollstreckung in die Wohnung des Klägers in der L* …straße 10 nicht gerechnet werden könne. Die Wohnung habe einen Wert von rund 130.000 EUR. Bei der Eigentumsübertragung der Wohnung in der S**straße 50 handele es sich um eine anfechtbare Rechtshandlung nach dem Anfechtungsgesetz. Eine objektive Gläubigerbenachteiligung sei schon deshalb gegeben, weil die Zugriffsmöglichkeit für die Klägerin auf das Schuldnervermögen jedenfalls verzögert wurde. Die monatliche Leibrente könne nicht in gleicher Weise zu einer Befriedigung der Gläubiger führen. Es könne nur in bereits fällige Einzelleistungen vollstreckt werden. Auch sei zum maßgeblichen Zeitpunkt der anfechtbaren Rechtshandlung nicht absehbar, wie lange der Leibrentenbegünstigte noch lebt. Auch unterlägen die Ansprüche aus der Leibrente einem Pfändungsverbot bzw. seien nur innerhalb einer Freigrenze pfändbar. Somit bliebe lediglich ein pfändbarer Betrag aus den Leibrentenansprüchen von 212,29 EUR.
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Am 15. Mai 2024 hat in beiden Verfahren eine mündliche Verhandlung stattgefunden, in der die Beteiligten einen Verzicht auf weitere mündliche Verhandlung erklärt haben.
18
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Inhalts der gewechselten Schriftsätze wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Verbindung der Verfahren Az. M 28 K 21.4519 und Az. M 28 K 22.2550 zur gemeinsamen Entscheidung nach § 93 Satz 1 VwGO war geboten. Die Verfahren betreffen den gleichen Gegenstand, da eine Identität der Streitgegenstände gegeben ist.
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Gegenstand der Anfechtungsklage im Verfahren M 28 K 21.4519 ist der Duldungsbescheid der Beklagten vom *. April 2021 in der Gestalt durch den Widerspruchsbescheid vom … Juli 2021, sowie durch den Ergänzungsbescheid vom … März 2022 (dazu unter D. I.).
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Die Klage mit dem Aktenzeichen M 28 K 22.2550 richtet sich zwar ausdrücklich nur gegen den Ergänzungsbescheid vom … März 2022. Das nach § 88 VwGO zu ermittelnde tatsächliche Klagebegehren der Klägerin geht aber nicht dahin, nur die durch den Ergänzungsbescheid herbeigeführte Änderung des ursprünglichen Duldungsbescheides (isoliert) angreifen zu wollen. Durch den Ergänzungsbescheid wird der Duldungsbescheid in Ziffer 1 dahingehend modifiziert, dass die Duldung der Vollstreckung davon abhängig gemacht wird, dass die Gewerbesteuerschulden bestandskräftig werden. Die Ergänzung des Duldungsbescheides um den Vorbehalt der Bestandskraft stellt für sich betrachtet eine die Klägerin begünstigende Änderung des ursprünglichen Bescheides dar. Da nicht davon auszugehen ist, dass sich die Klägerin – mangels Klagebefugnis bzw. Rechtsschutzbedürfnisses auch unzulässigerweise – nur gegen die sie begünstigende Wirkung des Ergänzungsbescheides wenden möchte, ist der Klage im Verfahren M 28 K 22.2550 ein Begehren dahingehend zu entnehmen, sich gegen den Duldungsbescheid auch in seiner sich durch den Ergänzungsbescheid ergebenden, neuen Gestalt wenden zu wollen. Dafür spricht auch, dass der Bevollmächtigte der Klägerin in der Klageschrift ausführte, dass die Klageerhebung in Zusammenhang mit der bereits rechtshängigen Anfechtungsklage gegen den Duldungsbescheid erfolge.
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B. Die Abtrennung des Verfahrens, soweit der Erlass und Inhalt eines Abrechnungsbescheides (insb. vom …Juni 2024) zum Inhalt der Klage gemacht wurde, erfolgt nach § 93 Satz 2 VwGO. Bei dem Duldungsbescheid und dem Abrechnungsbescheid handelt es sich um jeweils selbstständige Streitgegenstände. Die Trennung der Verfahren ist prozessökonomisch geboten, da die Klage gegen den Abrechnungsbescheid voraussichtlich einen zusätzlichen, nicht unerheblichen, Streitstoff aufweist. Während im hiesigen Verfahren, das den Duldungsbescheid vom *. April 2021 zum Gegenstand hat, das Bestehen der Gewerbesteuerschulden im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheidserlasses maßgeblich ist (hierzu unter D. II. 1.), ist für das Verfahren, welches den Abrechnungsbescheid vom … Juni 2024 zum Gegenstand hat, das Bestehen der Ansprüche zum Zeitpunkt des Erlasses des Abrechnungsbescheides entscheidend.
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C. Über die Klage konnte nach § 101 Abs. 2 VwGO im schriftlichen Verfahren ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden. Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung am 15. Mai 2024 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt. Anhaltspunkte für einen Verbrauch des Verzichts auf weitere mündliche Verhandlung liegen nicht vor.
24
D. Die hiernach zur Entscheidung gestellten Anträge stellen eine einheitliche Klage gerichtet gegen den Duldungsbescheid der Beklagten vom *. April 2021 in der durch den Widerspruchsbescheid vom … Juli 2021, sowie durch den Ergänzungsbescheid vom … März 2022 gefundenen Gestalt dar. Die Klage ist zwar zulässig, hat in der Sache aber nur teilweise Erfolg.
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Anfechtungsgegenstand der Klage ist der Duldungsbescheid der Beklagte in Form des Widerspruchsbescheides, sowie in Form des während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ergangenen Ergänzungsbescheides.
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Durch den Erlass des Ergänzungsbescheides wurde der ursprüngliche Duldungsbescheid modifiziert um die Regelung des Ergänzungsbescheides, wonach die Vollstreckung davon abhängig gemacht wird, dass die Gewerbesteuerschulden bestandskräftig werden, zum Gegenstand der ursprünglich gegen den Ursprungsbescheid gerichteten Anfechtungsklage. Durch den Ergänzungsbescheid ergänzte die Beklagte den Tenor des ursprünglichen Duldungsbescheides in einer für die Klägerin gegenüber dem Ursprungsbescheid begünstigenden Weise. In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur wird nicht einheitlich bewertet, ob im Falle einer nachträglichen Abänderung des ursprünglichen angefochtenen Verwaltungsaktes während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, der Ursprungsverwaltungsakt in seiner geänderten Form von selbst zum Gegenstand der Anfechtungsklage wird (so etwa BVerwG, U.v. 5.10.1984 – 8 C 97/82 – juris Rn. 9; Kraft, BayVBl 1995, 519/523; für den Fall der Abänderung während des Widerspruchsverfahrens: BVerwG, U.v. 27.1.1984 – 8 C 12/83 – juris Rn. 10). Der Kammer erscheint es überzeugend, dass im Falle einer Neufassung des Tenors des angefochtenen Verwaltungsaktes durch die Behörde ohne Aufhebung des Ursprungsbescheides, diese Modifikation unmittelbar auf den Verwaltungsprozess durchschlägt und somit die geänderte Regelung der gerichtlichen Überprüfung zu Grunde zu legen ist. Durch den verwaltungsprozessrechtlichen Verfügungsgrundsatz obliegt es zwar dem Kläger zu bestimmen, ob und in welchem gegenständlichen Umfang er den geänderten Verwaltungsakt zum Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung machen möchte, die Verfügungsbefugnis über den Anfechtungsgegenstand, also über den angefochtenen Verwaltungsakt, liegt aber auch nach Rechtshängigkeit einer Anfechtungsklage weiterhin in der Hand der Verwaltung. Macht die Behörde von ihrer Verfügungsbefugnis über den angefochtenen Verwaltungsakt Gebrauch und modifiziert den Tenor des angefochtenen Verwaltungsaktes, erscheint es folgerichtig, dass nun der Verwaltungsakt in seiner modifizierten Form den Anfechtungsgegenstand der Klage bilden kann. Dem Kläger hingegen obliegt im Rahmen seiner Dispositionsbefugnis die Entscheidung darüber, ob er – etwa im Rahmen einer Klageerweiterung – die gerichtliche Überprüfung auch auf die Rechtmäßigkeit der Abänderung (isoliert) erstrecken möchte.
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Auch unter Zugrundelegung der in der Literatur vertretenen Auffassung, dass der geänderte Bescheid nicht unmittelbar zum Gegenstand des Verwaltungsprozesses werden könne, sondern es dem Kläger vielmehr unter den Voraussetzungen einer Klageänderung obliege, den geänderten Bescheid in das Verfahren einzubeziehen (Funke-Kaiser in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 8. Auflage 2021, § 79 Rn. 20; Möstl in BeckOK-VwGO, Stand April 2025, § 79 Rn. 7) hat die Klägerin aber durch die Erhebung der Klage am 25. April 2022 den geänderten Bescheid zum Streitgegenstand ihrer Klage gemacht. Zwar begehrt die Klägerin mit der Klage ihrem Wortlaut nach lediglich die Aufhebung des Ergänzungsbescheides. Das nach § 88 VwGO zu ermittelnde tatsächliche Begehren der Klägerin ist aber darin zu sehen, sich auch (weiterhin) gegen den Duldungsbescheid in seiner geänderten Form zur Wehr setzen zu wollen (s.o.).
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Die Klage ist zulässig, hat in der Sache aber nur teilweise Erfolg.
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Der Duldungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit er Gewerbesteuerforderungen umfasst, deren Vollziehung im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheidserlasses ausgesetzt war. Im Übrigen ist der Duldungsbescheid rechtmäßig und die Anfechtungsklage insoweit abzuweisen.
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1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, mithin der Erlass des Widerspruchsbescheides vom … Juli 2021. Es entspricht der überwiegenden finanzgerichtlichen Rechtsprechung den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung und nicht den der Gerichtsentscheidung als maßgeblichen Zeitpunkt anzusehen (BFH, U.v. 18.4.2023 – VII R 20/20 – juris Rn. 33; U.v. 10.11.2020 – VII R 55/18 – juris Rn. 49; U.v. 14.7.1981 – VII R 49/80 – juris; anders hingegen: U.v. 23.10.2018 – VII R 44/17 – juris Rn. 17). Wird der Anfechtungsanspruch im Wege der Klage vor den Zivilgerichten geltend gemacht ist maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für das Bestehen des Anfechtungsanspruchs die letzte mündliche Verhandlung der Tatsacheninstanz des Anfechtungsprozesses (BGH, U.v. 23.11.2006 – IX ZR 126/03 – juris Rn. 19). Für den Fall, dass der Anfechtungsanspruch nicht klageweise, sondern durch Erlass eines Duldungsbescheides nach § 191 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AO geltend gemacht wird, tritt anstelle des Zeitpunktes der Gerichtsentscheidung der Zeitpunkt der (letzten) Behördenentscheidung. Der Duldungsbescheid stellt das Bestehen der materiell-rechtlichen Pflicht zur Duldung der Zwangsvollstreckung in den veräußerten Gegenstand fest und gibt der Behörde insoweit die Möglichkeit zur Vollstreckung gegen den Anfechtungsgegner. Der Duldungsbescheid ersetzt ein zivilgerichtliches Urteil, das den Anfechtungsgegner nach § 11 AnfG zur Duldung der Zwangsvollstreckung verurteilt. Insofern erscheint es folgerichtig, wenn man für den Fall der gerichtlichen Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs auf den Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung abstellt, entsprechend für den Fall der Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs durch Erlass eines Duldungsbescheides auf den Zeitpunkt der Behördenentscheidung abzustellen. Auch gibt es aus Sicht der Kammer keinen Grund den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt bei Duldungsbescheiden anders zu beurteilen als bei Haftungsbescheiden. Für den Erlass von Haftungsbescheiden ist in der Rechtsprechung geklärt, dass die Behörde die bis zum Ergehen der Einspruchsentscheidung gegen den Haftungsschuldner entrichteten Zahlungen auf die Steuerschuld zu berücksichtigen hat, spätere Zahlungen hingegen nicht zu einer Herabsetzung des Haftungsbetrages führen (BFH, U.v. 18.1.1991 – VI R 122/87 – juris Rn. 42 m.w.N.). Ein Erlöschen der Primärschuld nach Erlass der Einspruchs- bzw. Widerspruchsentscheidung berührt die Rechtmäßigkeit des Duldungsbescheides nicht, der Duldungsverpflichtete kann in diesem Fall den Widerruf des Duldungsbescheides verlangen (Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand Mai 2025, § 191 AO Rn. 250). Des Weiteren handelt es sich auch um Einwendungen, die vom Duldungsverpflichteten auf Vollstreckungsebene geltend gemacht werden können.
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2. Der streitgegenständliche Duldungsbescheid ist insoweit rechtswidrig, als er Gewerbesteuerschulden umfasst, die im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung durch den Bescheid der Beklagten vom … Juni 2021 bereits von der Vollziehung ausgesetzt waren.
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Der Erlass eines Duldungsbescheides setzt voraus, dass der Primäranspruch aus dem Steuerverhältnis festgesetzt, fällig und vollstreckbar ist (BVerwG, U.v. 13.2.1987 – 8 C 25/85 – juris; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand April 2025, § 191 AO Rn. 26; Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand Mai 2025, § 191 AO Rn. 268). Dies folgt daraus, dass zwar Haftungsbescheide nach § 218 Abs. 1 AO Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sein können, nicht aber Duldungsbescheide. Für Duldungsansprüche, die sich – wie vorliegend – aus dem Anfechtungsgesetz (AnfG) ergeben, folgt dies auch explizit aus § 2 AnfG (Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand Mai 2025, § 191 AO Rn. 249). Dieser setzt für das Vorliegen einer Anfechtungsberechtigung voraus, dass der Gläubiger einen vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hat und dessen Forderung fällig ist. Zu den in § 2 AnfG genannten vollstreckbaren Schuldtiteln gehören grundsätzlich auch Steuerbescheide (BFH, U.v. 9.2.1988 – VII R 62/86 – juris Rn. 18). Die Festsetzung der Steueransprüche muss nicht bestandskräftig sein. Steuerbescheide, gegen die noch ein Rechtsmittel zulässig ist, oder bei denen über ein eingelegtes Rechtsmittel noch nicht abschließend entschieden wurde, stehen vorläufig vollstreckbaren Schuldtiteln im Sinne des Anfechtungsgesetzes gleich (BFH, U.v. 9.2.1988 – VII R 62/86 – juris Rn. 19). Eine Duldungsverpflichtung kann auch in diesen Fällen ergehen, wobei nach § 14 AnfG die Duldung der Zwangsvollstreckung davon abhängig zu machen ist, dass die Steuerbescheide bestandskräftig werden.
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Nach Ansicht der Kammer scheidet eine Duldungsverpflichtung allerdings dann aus, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides die Vollziehung des Steuerbescheides über den Primäranspruch ausgesetzt war. Im Hinblick auf § 2 AnfG können Steuerbescheide, die von der Vollziehung ausgesetzt sind, nicht gleich behandelt werden wie solche, die vorläufig vollstreckbar sind. Ist die Vollziehung des Steuerbescheides ausgesetzt, ist dieser nicht – auch nicht vorläufig – vollstreckbar. In diesem Fall liegt, anders als im Falle eines vorläufig vollstreckbaren Schuldtitels, kein vollstreckbarer Schuldtitel nach § 2 AnfG vor. Steuerbescheide, die zwar nicht bestandskräftig sind, die aber im Hinblick auf Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 VwZVG (vorläufig) vollstreckt werden können und solche, die auf Grund der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs oder der Aussetzung der Vollziehung nicht vollstreckt werden können, können nicht gleichbehandelt werden. Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut von § 2 AnfG und der Systematik von Art. 19 VwZVG, als auch aus den Rechtswirkungen der Aussetzung der Vollziehung für den Erlass eines Duldungsbescheides.
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a. § 2 AnfG fordert nach seinem Wortlaut einen vollstreckbaren Schuldtitel, sowie eine fällige Forderung.
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Zwar sind die Gewerbesteuern, auch soweit sie von der Vollziehung ausgesetzt waren, fällig. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes ist geklärt, dass die Fälligkeit einer durch Verwaltungsakt geltend gemachten Forderung durch die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen diesen Bescheid nicht wieder beseitigt wird (BVerwG, B.v. 20.4.2004 – 9 B 109/03 – juris; für den Fall des Erlasses eines Duldungsbescheides: BFH, U.v. 9.2.1988 – VII R 62/86 – juris Rn. 22ff. unter Bezug auf BVerwG U.v. 27.10.1982 – 3 C 6/82 – juris; anders hingegen: Gosch in Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Stand Mai 2025, § 69 FGO, Rn. 224; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand April 2025, § 69 FGO, Rn. 10).
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Allerdings liegt für die Dauer der Aussetzung der Vollziehung kein vollstreckbarer Schuldtitel i.S.v. § 2 AnfG vor. Anders als im Falle eines vorläufig vollstreckbaren Verwaltungsaktes, ist ein von der Vollziehung ausgesetzter Bescheid jedenfalls vorübergehend gerade nicht vollstreckbar. Steuerbescheide, die zwar nicht bestandskräftig sind, die aber im Hinblick auf Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 VwZVG (vorläufig) vollstreckt werden können und solche, die auf Grund der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs oder der Aussetzung der Vollziehung nicht vollstreckt werden können, können im Hinblick auf den klaren Wortlaut von § 2 AnfG und der vom Gesetz in Art. 19 VwZVG vorgenommen Differenzierung nicht gleichgesetzt werden. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass eine Entscheidung in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung eine abweichende Beurteilung nahelegt (BFH, U.v. 9.2.1988 – VII R 62/86 – juris). In dem vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall erfolgte die Aussetzung der Vollziehung allerdings erst nach der letzten Behördenentscheidung über den Duldungsbescheid, sodass der dort entschiedene Fall in einem wesentlichen Punkt abweicht von dem hier zu entscheidenden Fall. Der Senat setzt sich allerdings auch generell damit auseinander, ob ein Duldungsbescheid bei erfolgter Aussetzung der Vollziehung des Primäranspruches in rechtmäßiger Weise ergehen kann (BFH, U.v. 9.2.1988 – VII R 62/86 – juris Rn. 21). In dem Urteil wird ausgeführt, dass die teilweise Aussetzung der Vollziehung der Steuerbescheide für deren vorläufige Vollstreckbarkeit i.S.v. § 10 AnfG (a.F.), der dem heutigen § 14 AnfG entspricht, ohne Bedeutung ist. Allein maßgeblich ist, dass die Bescheide noch nicht bestandskräftig sind. In diesem Fall ist der Erlass eines Duldungsbescheides mit Vorbehalt nach § 14 AnfG möglich, egal ob die Primäransprüche von der Vollziehung ausgesetzt sind oder nicht, da vorläufig vollstreckbare Schuldtitel i.S.d. Anfechtungsgesetzes vorliegen. Die Kammer erkennt zwar an, dass im Hinblick auf den durch § 14 AnfG vorgeschriebenen Vollstreckungsvorbehalt für den Fall, dass kein bestandskräftiger Bescheid über den Primäranspruch gegeben ist, eine durchaus vergleichbare Interessenlage für die Fälle eines vorläufig vollstreckbaren Bescheides und eines nicht vollstreckbaren Bescheides gegeben ist. Der Anfechtungsgegner wird durch den Vollstreckungsvorbehalt aus § 14 AnfG ohnehin ausreichend geschützt, sodass er eine Vollstreckung des Duldungsbescheides erst bei Eintritt der Bestandskraft der Steuerbescheide zu dulden hat. Dem Primärgläubiger und Anfechtungskläger gibt dies die Möglichkeit, trotz eines noch nicht bestandskräftigen bzw. rechtskräftigen Schuldtitels die Anfechtungsfristen aus dem Anfechtungsgesetz zu wahren. Nach Ansicht der Kammer können (vorläufig) nicht vollziehbare Verwaltungsakte dennoch nicht unter „vollstreckbare Schuldtitel“ i.S.v. § 2 AnfG gefasst werden. Eine entsprechende Anwendung über den Wortlaut von § 2 AnfG hinaus scheitert an einer vergleichbaren Interessenlage, da die Wirkungen einer Aussetzung der Vollziehung einer solchen Gleichsetzung entgegenstehen.
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b. Das durch die Aussetzung der Vollziehung bewirkte Vollzugsverbot steht dem Erlass eines Duldungsbescheides – auch mit Vollstreckungsvorbehalt – entgegen. Über die reine Vollstreckung hinaus umfasst die Vollziehung auch Maßnahmen, die auf den angefochtenen Bescheid aufbauen und seiner Durchsetzung im weiteren Sinne dienen (BVerwG, U.v. 17. 8. 1995 – 3 C 17/94 – juris Rn. 37). Das Vollziehungsverbot hat zur Folge, dass weder durch behördliches noch durch privates Handeln rechtliche oder tatsächliche, unmittelbare oder mittelbare Folgerungen aus dem suspendierten Verwaltungsakt gezogen werden dürfen (Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 80 Rn. 12). Auch ein gegenüber dem angefochtenen Verwaltungsakt selbstständiger Folgebescheid kann von der aufschiebenden Wirkung umfasst sein, wenn er der Durchsetzung des angefochtenen Verwaltungsaktes dient und dessen Vollziehbarkeit voraussetzt (BVerwG, U.v. 17. 8. 1995 – 3 C 17/94 – juris Rn. 37). Der Erlass eines Duldungsbescheides stellt zwar keine Vollstreckung des (primären) Steuerbescheides dar, ist aber nach den oben dargestellten Maßstäben als Maßnahme zu dessen Vollziehung zu verstehen. Der Duldungsbescheid baut auf dem Bescheid über die Primärschulden auf und setzt nach § 2 AnfG ausdrücklich dessen Vollstreckbarkeit voraus. Es handelt sich bei dem Duldungsbescheid demnach um einen eigenständigen Folgebescheid, der nach den oben dargelegten Grundsätzen als Vollzug des Gewerbesteuerbescheides einzustufen ist, sodass der Erlass eines Duldungsbescheides vom Vollzugsverbot umfasst wird. Dies entspricht auch dem von Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen weiten Verständnis des Vollzugsverbotes (BVerfG, B.v. 14.8.2006 – 1 BvR 2089/05 – juris).
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c. Demnach ist der streitgegenständliche Duldungsbescheid rechtswidrig, soweit er Gewerbesteuerschulden umfasst, die durch den Bescheid vom … Juni 2021 von der Vollziehung ausgesetzt waren. Der Duldungsbescheid umfasst in rechtmäßiger Weise einen Betrag von 291.991,50 EUR. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus den Gewerbesteuern i.H.v. 200.633,00 EUR, hieraus angefallenen Nachforderungszinsen i.H.v. 57.699,00 EUR, Säumniszuschlägen i.H.v. 32.639,50 EUR, Mahngebühren i.H.v. 150,00 EUR, sowie Aussetzungszinsen i.H.v. 870,00 EUR. Im Hinblick auf die vom Bescheid umfassten Gewerbesteuerschulden i.H.v. 400.410,00 EUR ergibt sich abzüglich der ausgesetzten Steuern i.H.v. 199.777,00 EUR ein Betrag von 200.633,00 EUR. Im Hinblick auf die Nebenforderungen hat die Prozessbevollmächtigte der Beklagten für das Gericht nachvollziehbar dargelegt, dass aus diesem Betrag Nachforderungszinsen i.H.v. 57.699,00 EUR angefallen sind. Im Hinblick auf die Säumniszuschläge ist ein Betrag von 32.639,50 EUR anzusetzen. Der Duldungsbescheid umfasst in rechtmäßiger Weise auch Säumniszuschläge, soweit sie bis zum Zeitpunkt des Bescheides über die Aussetzung der Vollziehung am … Juni 2021 aus dem von der Vollziehung ausgesetzten Betrag verwirkt worden sind. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Säumniszuschläge als Vollziehung des Verwaltungsaktes anzusehen, die durch eine spätere Aussetzung der Vollziehung nicht beseitigt werden können (BFH, B.v. 10.12.1986 – I B 121/86 – juris Rn. 9; B.v. 10.10.2002 – VII S 28/01 – juris Rn. 23). Bereits angefallene Säumniszuschläge können dabei nicht für die Vergangenheit durch die Aussetzung der Vollziehung beseitigt werden, auch wenn die Aussetzung, wie vorliegend, für die Vergangenheit ab dem *. August 2020 angeordnet wurde. Die Aussetzung der Vollziehung ist als rechtsgestaltender Verwaltungsakt zu verstehen, dem nur Rechtswirkungen für die Zukunft zukommen können (BFH, B.v. 10.10.2002 – VII S 28/01 – juris Rn. 23). Bereits vor der Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung verwirkte Säumniszuschläge können nur durch eine Aufhebung der Vollziehung wieder beseitigt werden, nicht hingegen durch eine „rückwirkende“ Aussetzung der Vollziehung (BFH, B.v. 6.9.1989 – II B 33/89 – juris Rn. 10). Im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides bestanden somit die Säumniszuschläge im gesamten vom Duldungsbescheid umfassten Umfang.
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3. Soweit der Duldungsbescheid Gewerbesteuern und Nebenforderungen umfasst, die nicht von der Vollziehung ausgesetzt wurden, ist er rechtmäßig.
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Der Duldungsbescheid beruht auf § 191 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AO i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG. Der Duldungsbescheid ist hinreichend bestimmt (a). Es ist insoweit ein Primäranspruch der Beklagten gegeben (b). Die Klägerin ist insoweit kraft Gesetzes verpflichtet die Vollstreckung zu dulden, da die Voraussetzungen des Anfechtungsanspruchs aus § 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG vorliegen (c). Der Duldungsbescheid in seiner durch den Ergänzungsbescheid erlangten Form erfüllt auch die Anforderungen aus § 14 AnfG (d). Hinsichtlich der ordnungsgemäßen Ausübung des Ermessens der Beklagten bestehen keine Bedenken (e).
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a. Der Duldungsbescheid ist inhaltlich hinreichend bestimmt gemäß § 119 Abs. 1 AO. Der mit Hinblick auf die Bestimmtheit zu fordernde Mindestinhalt liegt vor. Ein Duldungsbescheid hat im Falle der Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz die Anforderungen zu erfüllen, die ansonsten – im Falle einer gerichtlichen Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs – nach § 13 AnfG an die Klage zu stellen sind (Specker in BeckOK AO, 32. Edition 2025, § 191 Rn. 416). Der Bescheid muss demnach den Duldungsverpflichteten erkennen lassen, den Primäranspruch der Behörde, den Anfechtungsgrund, den Gegenstand des Rückgewähranspruchs, den Betrag, bis zu dessen Höhe der Anfechtungsgegner die Vollstreckung in den Gegenstand zu dulden hat, sowie die Art und Weise der Rückgewähr. Aus dem Bescheid ist ersichtlich, dass die Klägerin die Zwangsvollstreckung in die Eigentumswohnung in der S**straße 50 in einer Höhe von 533.165,10 EUR wegen Gewerbesteuerrückständen ihres Ehemannes, Herrn … … …, für die Jahre 2007 bis 2018 samt Nachholungszinsen, Aussetzungszinsen, Mahngebühren und Säumniszuschlägen zu dulden hat. Hinsichtlich der einzelnen Forderungen war dem Bescheid zudem ein Ausstandsverzeichnis als Anlage beigefügt, aus welchem sich die Forderungen im Einzelnen ergeben.
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b. Ein festgesetzter, fälliger und vollstreckbarer Primäranspruch lag im Umfang von 291.991,50 EUR im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vor.
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Wie bereits unter D. II. 2. dargelegt, handelt es sich bei den durch die Bescheide vom *. Juli 2020 gegenüber dem Ehemann der Klägerin festgesetzten Gewerbesteueransprüchen um einen festgesetzten, fälligen und vollstreckbaren Primäranspruch. Gewerbesteuerbescheide können nach Art. 19, 26 VwZVG vollstreckt werden. Dem Widerspruch und der Anfechtungsklage gegen Gewerbesteuerbescheide kommt nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung zu, sodass nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG ein vollstreckbarer Verwaltungsakt, soweit die Vollziehung der Bescheide nicht ausgesetzt war, vorlag. Der vorherigen Zustellung eines Ausstandsverzeichnisses bzw. einer Ausfertigung des Leistungsbescheides mit Vollstreckungsklausel nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG an die Klägerin bedurfte es hingegen nicht. Der Erlass des Duldungsbescheides stellt keine Vollstreckungsmaßnahme des Gewerbesteuerbescheides dar. Der Duldungsbescheid ist selbst keine Vollstreckungshandlung, sondern ein Verwaltungsakt gegenüber einem Dritten, der der Behörde eine eigene Vollstreckungsmöglichkeit im Wege der Verwaltungsvollstreckung gegenüber dem Adressaten gibt (Specker in BeckOK-AO, 32. Edition 2025, § 191 Rn. 418). Überdies war dem Duldungsbescheid als Anlage auch ein Ausstandsverzeichnis beigefügt, welches auf Seite 1 den Passus „diese Ausfertigung ist vollstreckbar“ enthält.
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Die Forderungen waren auch fällig. Die Fälligkeit der Forderungen ergibt sich im Einzelnen aus dem Ausstandsverzeichnis des Beklagten vom *. April 2021.
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c. Die Klägerin war gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 AO kraft Gesetzes verpflichtet die Zwangsvollstreckung im Umfang der nicht von der Aussetzung der Vollziehung umfassten Gewerbesteuern und Nebenforderungen zu dulden, da die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheidserlasses insoweit vorlagen.
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aa. Eine insoweitige Anfechtungsberechtigung der Beklagten nach § 2 AnfG lag vor. Ein vollstreckbarer Schuldtitel, sowie fällige Forderungen der Beklagten waren gegen den Ehemann der Klägerin gegeben (siehe unter D. II. 3. b.). Zudem ist auch von der Unzulänglichkeit des Schuldnervermögens nach § 2 AnfG auszugehen. Nach Ansicht der Kammer konnte im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung von einer voraussichtlich fruchtlosen Vollstreckung in das Vermögen des Ehemanns der Klägerin ausgegangen werden. Dies ist auch anzunehmen, wenn man für die Prognose nicht den ursprünglichen Betrag der vom Duldungsbescheid umfassten Steuerschulden von 533.165,10 EUR, sondern den rechtmäßigen Duldungsbetrag von 291.991,50 EUR zu Grunde legt. Die Beweislast dafür, dass die Vollstreckung in das Schuldnervermögen voraussichtlich fruchtlos verlaufen wird trägt der Anfechtungskläger, hier also die Beklagte, der Nachweis kann aber durch das Vorliegen von Beweisanzeichen als geführt angesehen werden. Es genügt bereits die größere Wahrscheinlichkeit des Misserfolges. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist der Zeitpunkt des Widerspruchsbescheidserlasses, da im Falle der klageweisen Geltendmachung der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz maßgeblich ist. Maßgeblich sind die dem Anfechtungskläger, also der Beklagten, bekannten Vermögensgegenstände des Schuldners. Es ist dann Sache des Anfechtungsgegners darzutun, dass noch weiteres beschlagnahmefähiges Vermögen beim Schuldner vorhanden ist (zum Ganzen: Huber in Huber, Anfechtungsgesetz, 12. Auflage 2021, § 2 Rn. 27, 28, 31.).
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Aus den Behördenakten ergibt sich, dass zahlreiche Kontopfändungsversuche der Beklagten erfolglos verlaufen sind. Aus der Drittschuldnererklärung der … … GmbH vom *. Mai 2021 ergibt sich, dass der Ehemann der Klägerin ein Arbeitsentgelt von 1.217,09 EUR monatlich bezieht und zwei Personen gesetzlich unterhaltsverpflichtet ist, sodass die Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO unterschritten sind. Auch ergibt sich aus den Akten, dass vorrangige Pfändungen des Finanzamtes in das Vermögen des Ehemanns der Beklagten erfolgt sind. Die Beklagte musste auch nicht davon ausgehen, dass es auf Grund der erfolgten Eintragung einer Zwangshypothek die Wohnung des Ehemanns der Klägerin in der L* …straße 10 in H* … zu einer vollständigen Befriedigung der Ansprüche kommen würde. Es handelt sich hierbei um ein Einzimmerapartment mit Tiefgaragenstellplatz. Laut Wertgutachten der … … GmbH vom … Februar 2022 ist ein Vergleichswert von 130.000 EUR als angemessen zu beurteilen. Auch unter Zugrundelegung des fälligen und vollstreckbaren Gewerbesteueranspruchs von 291.991,50 EUR, konnte nicht davon ausgegangen werden, dass eine vollständige Befriedigung aus der Verwertung der Wohnung in der L* …straße 10 erfolgen würde. Auch das im Eigentum des Ehemannes der Klägerin stehende Grundstück in P* … (Grundbuch Gemarkung P* …, FlNr. …*), in welches auf Antrag der Beklagten vom … März 2022 am … April 2022 die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek erfolgt ist, führt zu keiner anderen Beurteilung. Aus dem Grundbuchauszug ergibt sich, dass auf Ersuchen des Finanzamtes in dieses bereits am … November 2020 eine Zwangssicherungshypothek über einen Betrag von 908.956,93 EUR eingetragen wurde, die demzufolge einer Zwangssicherungshypothek der Beklagten im Rang vorgeht. Die Beklagte konnte demnach nicht davon ausgehen aus einer Verwertung dieses Grundstücks eine vollständige Befriedigung der Gewerbesteueransprüche zu erzielen. Aus Sicht der Beklagten waren zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung ausreichend Beweisanzeichen gegeben, dass eine Zwangsvollstreckung in das Schuldnervermögen voraussichtlich nicht zu einer Befriedigung der zu diesem Zeitpunkt noch offenen Gewerbesteuerforderungen führen wird.
48
bb. Es liegt auch die Verwirklichung eines Anfechtungstatbestandes vor, da die Übertragung der Eigentumswohnung in der S**straße 50 vom Ehemann der Beklagten an die Klägerin ein mit einer nahestehenden Person i.S.v. § 138 InsO geschlossener entgeltlicher Vertrag ist, der unmittelbar gläubigerbenachteiligende Wirkung nach § 3 Abs. 4 AnfG hat.
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Die Klägerin ist nach § 138 Abs. 1 Nr. 1 InsO als Ehegattin eine nahestehende Person des Schuldners. Es liegt auch eine objektive Gläubigerbenachteiligung vor. Die Annahme einer objektiven Gläubigerbenachteiligung verlangt neben der Weggabe eines Gegenstandes aus dem Vermögen des Schuldners die Feststellung einer besseren oder schnelleren Befriedigungsmöglichkeit ohne die angefochtene Rechtshandlung (Huber in Huber, Anfechtungsgesetz, 12. Auflage 2021, § 1 Rn. 33). Dies kann auch der Fall sein, wenn durch die Rechtshandlung der Zugriff auf das Schuldnervermögen vereitelt, erschwert oder verzögert wird, etwa für einen aufgegebenen Vermögenswert ein anderer in das Schuldnervermögen gelangt, der jedoch für den Gläubiger minder leicht oder weniger rasch verwertbar ist (BGH, U.v. 22.12.2005 – IX ZR 190/02 – juris Rn. 26). Ohne die Übertragung des Wohnungseigentums auf die Klägerin hätte die Beklagte die Zwangsvollstreckung unmittelbar in den Grundbesitz des Ehemanns der Klägerin betreiben können. Die erhaltenen Gegenleistungen der Klägerin stellen keinen gleichwertigen Ersatz im Hinblick auf eine Zwangsvollstreckung der Beklagten dar. Als Gegenleistung für die Übertragung des Eigentums wurde die Verpflichtung zur Zahlung einer monatlichen Leibrente i.H.v. 2.400 EUR vereinbart, sowie ein lebzeitiges Wohnungsmitbenutzungsrecht des Ehemannes der Klägerin. Unabhängig von der Pfändbarkeit der Leibrente, kann diese keinen gleichwertigen Ersatz im Schuldnervermögen darstellen, da die Ansprüche aus der Leibrente jeweils erst bei ihrer monatlichen Fälligkeit gepfändet werden könnten, sodass jedenfalls eine Verzögerung der Zugriffsmöglichkeit auf das Vermögen des Schuldners gegeben ist. Das Wohnungsrecht nach § 857 Abs. 3 ZPO kann nicht gepfändet werden, da die Überlassung des Wohnrechtes an Dritte nicht gestattet wurde (BGH, U.v. 13. 7.1995 – IX ZR 81/94 – juris Rn. 17).
50
Auch der subjektive Tatbestand der vorsätzlichen Benachteiligung ist erfüllt. Im Falle des § 3 Abs. 4 AnfG wird der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners, sowie die Kenntnis des Gegners zu Lasten des Anfechtungsgegners vermutet (Huber in Huber, Anfechtungsgesetz, 12. Auflage 2021, § 3 Rn. 61). Für einen fehlenden Benachteiligungsvorsatz des Ehemanns der Klägerin oder eine fehlende Kenntnis der Klägerin bestehen keine Anhaltspunkte.
51
Auch die Anfechtungsfrist aus § 3 Abs. 4 Satz 2 Alt. 1 AO ist gewahrt. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor der Anfechtung geschlossen wurde. Maßgeblich ist der Erlass des Duldungsbescheides nach § 7 Abs. 1 AnfG i.V.m. § 191 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 AO, da bei der Berechnung der Fristen der Erlass des Duldungsbescheides der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtung nach § 7 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes gleichsteht. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Vornahme der Rechtshandlung ist nach § 8 Abs. 2 Satz 2 AnfG der Antrag auf Eintragung der Auflassungsvormerkung. Die Klägerin und ihr Ehemann haben in der notariellen Urkunde vom … Oktober 2020 (unter 4.) die Eintragung einer Auflassungsvormerkung in das Grundbuch beantragt und bewilligt. Durch den am *. April 2021 erlassenen Duldungsbescheid wird die Anfechtungsfrist somit gewahrt.
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d. Der gegenständliche Duldungsbescheid ist zudem auch nicht wegen eines fehlenden Vollstreckungsvorbehaltes nach § 14 AnfG rechtswidrig. Zwar war ein solcher erforderlich, da die Gewerbesteuerbescheide im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheidserlasses noch nicht bestandskräftig waren (BFH, U.v. 9.2.1988 – VII R 62/86 – juris Rn. 19). Gegenstand der Anfechtungsklage ist aber der Duldungsbescheid in seiner Form durch den Ergänzungsbescheid vom … März 2022 (siehe unter D. I.). Durch den Ergänzungsbescheid wurde die Duldung der Zwangsvollstreckung nach Ziffer 1 des Duldungsbescheides davon abhängig gemacht, dass die genannten Gewerbesteuerschulden bestandskräftig werden. Die Anforderungen von § 14 AnfG werden somit gewahrt.
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e. Der Duldungsbescheid ist auch im Hinblick auf das Ermessen nicht zu beanstanden. Beim Erlass eines Duldungsbescheides hat die Behörde ihr Ermessen dahingehend auszuüben, ob ein Duldungspflichtiger in Anspruch genommen werden soll (Entschließungsermessen) und wer von mehreren Duldungspflichtigen in Anspruch genommen werden soll (Auswahlermessen). Im Hinblick auf das Entschließungsermessen ist mit Hinblick auf die kommunalen Haushaltsbestimmungen von einem Regelermessen auszugehen (BayVGH, B.v. 12.9.2011 – 20 CS 11.1977 – juris Rn. 16). Die Beklagte musste davon ausgehen, dass sie die Gewerbesteueransprüche gegenüber dem Ehemann der Beklagten nicht durch eine Zwangsvollstreckung in dessen Vermögen würde realisieren können (siehe D. II. 3. c. aa.). Auch im Hinblick auf das Auswahlermessen ist der Bescheid nicht zu beanstanden, da neben der Klägerin kein weiterer potentieller Duldungsverpflichteter in Betracht kommt.
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E. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 VwGO.
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F. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kosten ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 ZPO.
56
G. Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).