Inhalt

VG München, Beschluss v. 07.08.2025 – M 28 S 25.3754
Titel:

Gewerbesteuerhaftung für Steuerschulden einer UG, einstweiliger Rechtsschutz (erfolgreich), Ermessensausfall, Auswahlermessen, unzureichende Sachverhaltsaufklärung durch Ausgangsbehörde, Inanspruchnahme des formalen Geschäftsführers bei möglicher faktischer Geschäftsführung des Alleingesellschafters ohne Aufnahme entsprechender Erwägungen in die Begründung

Normenketten:
AO § 34
AO § 35
AO § 69
AO § 191
VwGO § 114
Schlagworte:
Gewerbesteuerhaftung für Steuerschulden einer UG, einstweiliger Rechtsschutz (erfolgreich), Ermessensausfall, Auswahlermessen, unzureichende Sachverhaltsaufklärung durch Ausgangsbehörde, Inanspruchnahme des formalen Geschäftsführers bei möglicher faktischer Geschäftsführung des Alleingesellschafters ohne Aufnahme entsprechender Erwägungen in die Begründung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 22087

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 21. Juni 2025 (Az. M 28 K 25.3750) wird angeordnet, soweit die zu vollstreckende Summe 171,00 Euro übersteigt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 1.346,45 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen einen gegen ihn gerichteten Haftungsbescheid der Antragsgegnerin.
2
Der 1999 geborene in D* … wohnhafte Antragsteller meldete am *. August 2019 die … … … UG (im Folgenden: „UG“) zum Handelsregister an. Als Inhaber einer IHKzertifizierten fachlichen Bescheinigung für den Taxi- und Mietwagenverkehr hatte er die Geschäftsidee, angestellte Taxifahrer auf dem Weg in die Selbstständigkeit beratend zu begleiten bis diese selbst die Konzessionsprüfung bestanden hatten, um sie danach als angestellter Geschäftsführer beim Unternehmensaufbau, der Beschaffung von Fahrzeugen und der Kundenakquise langfristig zu unterstützen. Diese Dienstleistung wollte er ortsunabhängig im gesamten Bundesgebiet anbieten und hatte dazu Broschüren verteilt und Annoncen auf ebay-Kleinanzeigen geschaltet. So kam der Kontakt zum späteren Alleingesellschafter der UG zustande, der die Geschäftsführung nach Erwerb einer eigenen Konzession übernehmen sollte, wozu es aber nie kam. Die UG war von ihrem Alleingesellschafter mit einem Gründungskapital von 300,00 Euro ausgestattet worden. Nach Erwerb der Konzession durch den Inhaber am 10. Juni 2020 wurde die Aufnahme der Geschäftstätigkeit durch die Corona-Pandemie gehindert. Der Antragsteller erhielt für seine Berater-Tätigkeit erstmals ab Ende 2020 Bezüge i.H.v. 300,00 Euro monatlich.
3
Mit einem auf einer Schätzung beruhenden Gewerbesteuermessbescheid vom *. Juni 2022 setzte das Finanzamt F* … den Gewerbesteuermessbetrag für das Jahr 2020 fest. Auf dieser Grundlage erließ die Antragsgegnerin am *. Juni 2022 einen Gewerbesteuerbescheid, in dem die Gewerbesteuer für 2020 (Fälligkeit: *. Juli 2022) und Gewerbesteuervorauszahlungen für die Jahre 2022 (Fälligkeit: … August und … November 2020) und 2023 (Fälligkeit: … Februar, … Mai, … August und … November 2023) festgesetzt wurden.
4
Seit Ende 2022 hatte der Antragsteller versucht, gegenüber dem Gesellschafter der UG Erklärungen zur Kündigung seines Geschäftsführervertrags, zur Niederlegung der Geschäftsführung und zum Widerruf erteilter Vollmachten abzugeben. Entsprechende Schreiben konnten auch unter Zuhilfenahme von Gerichtsvollzieher und Melderegister nicht zugestellt werden.
5
Mit Beschluss des Amtsgerichts M* … vom *. Dezember 2023 wurde die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der UG mangels Masse abgewiesen. Laut Sachverständigengutachten vom *. November 2023 war die UG im Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung (**.8.2023) zahlungsunfähig. Ihr Finanzstatus wies laut Gutachten (S. 21) eine Liquiditätslücke von 100% (0,00 Euro liquide Mittel) aus. Es bestanden Verbindlichkeiten i.H.v. 19.212,45 Euro, davon 17.331,05 Euro aus Steuern. Seit dem *. Dezember 2023 befindet sich die Gesellschaft in Liquidation. Nach Löschung im Handelsregister wurde das Gewerbe am … Januar 2024 abgemeldet.
6
Am … März 2024 erließ das Finanzamt F* …, wiederum auf Grundlage einer Schätzung, einen weiteren Gewerbesteuermessbescheid. Mit Gewerbesteuerbescheid vom … März 2024 wurde die Gesellschaft zu Gewerbesteuern für 2021 und Gewerbesteuerzinsen veranlagt (Fälligkeit: … April 2024).
7
Der Antragsteller wurde mit Schreiben vom *. August 2024 zur Inhaftungnahme angehört und entgegnete darauf, er habe zum Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung, als 21-Jähriger, die Bedeutung der Verantwortung eines Geschäftsführers nicht verstanden.
8
Am … August 2024 wurde er seitens der Antragsgegnerin auf die Möglichkeiten von Stundung und Ratenzahlung hingewiesen. Hierauf erfolgte keine Äußerung.
9
Mit Bescheid vom … September 2024 nahm das Finanzamt F* … den Antragsteller wegen Umsatzsteuerschulden in Haftung. Die Vollziehung dieses Haftungsbescheids wurde mit Bescheid vom … Mai 2025 teilweise ausgesetzt. Der Haftungsbescheid wurde auf den Einspruch vom … Oktober 2024 hin mit Bescheid vom … Juni 2025 teilweise zurückgenommen. Laut darin enthaltener Rückstandsaufforderung sind noch 16.268,18 Euro zu begleichen. Der Haftungsbescheid wurde am … April 2025 teilweise widerrufen. Das Finanzgericht M* … setzte am … April 2025 die Vollziehung aus; laut telefonischer Auskunft an das Gericht wegen Korrektur der Berechnung.
10
Der Antragsteller wurde mit Schreiben des Landratsamts D* … vom … September 2024 aufgefordert, die Personenbeförderung einzustellen.
11
Mit Haftungsbescheid vom … September 2024 (Zugang: … September 2024) wurde der Antragsteller zur Zahlung von 5.386,80 Euro (Gewerbesteuern, Gewerbesteuervorauszahlungen, Zinsen zur Gewerbesteuer und Säumniszuschläge) aufgefordert.
12
Im Einzelnen:
- GewSt 2020: 1.141,80 €
- GewSt 2021 und Verspätungszuschlag: 1.645 €
- GewSt-Zinsen 2021: 10 €
- GewSt-Vorauszahlungen 2022: 1.210 €
- GewSt-Vorauszahlungen 2023: 1.208 €
- Säumniszuschläge: 171 €
13
Als Geschäftsführer der Gesellschaft sei er deren Vertreter und werde wegen Pflichtverletzung im Rahmen der Nichterfüllung der Steuerpflicht in Haftung genommen.
14
Am … Oktober 2024 hatte der Antragsteller versucht, der Antragsgegnerin per Fax ein Schreiben zuzustellen, mit dem er „Einspruch“ gegen den Haftungsbescheid einlegte und die Aussetzung der Vollziehung gemäß § 361 AO beantragte.
15
Mit (einfacher) E-Mail vom … Oktober 2024 legte der Antragsteller (so bezeichneten) „Einspruch“ gegen den Haftungsbescheid ein. Mit Schreiben vom *. November 2024 wurde ihm erläutert, dass die zu beachtenden Form- und Fristvorgaben nicht gewahrt wurden. Der Antragsteller gab am … und … November sowie am *. Dezember 2024 – wiederum per E-Mail – weitere Stellungnahmen ab.
16
Die Antragsgegnerin half dem so verstandenen Widerspruch nicht ab und legte ihn am *. Dezember 2024 dem Landratsamt D* … als Widerspruchsbehörde zur Entscheidung vor. Mit Schreiben vom … Februar 2025 wurde der Antragsteller angehört. Zu dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hat sie sich nicht geäußert.
17
Mit Widerspruchsbescheid vom … Mai 2025 (Zugang: … Mai 2025) wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die Besteuerungsgrundlagen seien geschätzt worden, da trotz Aufforderung pflichtwidrig keine Steuererklärung abgegeben worden sei. Die Feststellungen im Gewerbesteuermessbescheid des Finanzamts seien von der Antragsgegnerin korrekt umgesetzt worden. Wegen der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen müsste der Gewerbesteuermessbescheid als Grundlagenbescheid und nicht der Folgenbescheid angefochten werden. An der Rechtmäßigkeit der Bescheide über Gewerbesteuer und Zinsen der Antragsgegnerin bestünden keine Zweifel. Der Antragsteller erfülle die Haftungsvoraussetzungen. Insbesondere hätte er als Geschäftsführer die Steuererklärungen für 2021 und 2022 abgeben und dafür sorgen müssen, dass zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld ausreichend Mittel zur Verfügung gestanden hätte, um sämtliche Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis zum Fälligkeitstag zu begleichen. Es sei nicht ermessensfehlerhaft, von mehreren möglichen Haftungsschuldnern denjenigen in Anspruch zu nehmen, bei dem der Anspruch am schnellsten, leichtesten und sichersten realisiert werden kann. Das Vorbringen in der E-Mail vom … März 2025 ändere nichts an dieser Bewertung.
18
Am 21. Juni 2025 erhob der Antragsteller Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München (sinngemäß) gegen den Haftungsbescheid vom … September 2024 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom … Mai 2025 und beantragte,
19
Die Aussetzung der Vollziehung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO.
20
Das Finanzamt F* … habe seine auf fehlerhafter Schätzung beruhenden Steuerbescheide zurückgenommen und selbst eine Aussetzung der Vollziehung gewährt. Das sei von der Antragsgegnerin im laufenden Verfahren nicht berücksichtigt worden.
21
Auch sei die systematische Täuschung durch den Alleingesellschafter nicht berücksichtigt worden. Es bestehe kein kausaler Zusammenhang zwischen den Handlungen des Antragstellers und der Steuerschuld. Die Behörden seien hingegen selbst nicht in der Lage, dessen anhaltende arglistige Täuschungen zu unterbinden oder zu verhindern. Er selbst sei Opfer arglistiger Täuschung und nicht Verursacher der Steuerschuld. Als 21-jähriger Bürger aus D* … sei es ihm faktisch unmöglich gewesen, die Täuschungen und arglistigen Machenschaften des Alleingesellschafters in Da* … (über 350 km entfernt) zu unterbinden. Bis dato habe er nie persönlichen Kontakt zu ihm gehabt. Die gesamte Kommunikation sei ausschließlich per Telefon und Whatsapp erfolgt – begünstigt durch die besonderen Umstände der Corona-Pandemie. Seit Dezember 2022 habe er dokumentierte Befreiungsversuche unternommen, jegliche direkte Kommunikation abgebrochen und ausschließlich durch Anwälte, Gerichtsvollzieher, Polizei und Ämter um Aufklärung und Schutz seiner Rechte ersucht. Die Amtsniederlegungsversuche seit Januar 2022 seien ignoriert worden. Die Behörden könnten von ihm nicht mehr verlangen als sie selbst leisteten. Die Inhaftungnahme sei schließlich unverhältnismäßig. Die Begleichung des geforderten Betrags würde seine Existenz als 26-jähriger Student vernichten. Er sei auch psychisch und physisch stark angeschlagen. Die Vollziehung würde eine unbillige Härte bedeuten. Seine finanzielle Lage sei bereits jetzt prekär. Er habe keine Kreditmöglichkeiten; selbst seinen Studienkredit könne er nicht zahlen. Entsprechende Belege wurden vorgelegt.
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Die Antragsgegnerin hat am … Juni 2025 die Akten vorgelegt. Mit Schriftsatz vom 24. Juli 2025 wurde durch die Antragsgegnerbevollmächtigte beantragt,
23
Der Antrag wird abgelehnt.
24
Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 29. Juli 2025 ausgeführt, der Antrag sei bereits unzulässig, hinsichtlich der Säumniszuschläge, da der gesetzliche Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen nicht für steuerliche Nebenleistungen gelte und im Übrigen, da der Antragsteller nicht vorab bei der Antragsgegnerin die Aussetzung der Vollziehung beantragt habe. Jedenfalls sei der Antrag unbegründet, da keine überwiegenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestünden. Unter Verweisung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid wurde vorgetragen, die darin ergänzten Ermessenserwägungen seien ausreichend, um die Inanspruchnahme des Antragstellers zu rechtfertigen. Bei nur einem Geschäftsführer sei von einem intendierten Ermessen auszugehen. Bei lebensnaher Betrachtung könne entgegen dem Vortrag des Antragstellers nicht ernsthaft zweifelhaft sein, dass dieser um seine Verpflichtungen zur Abgabe von Steuererklärungen, Zahlung von Steuern und Bildung von Rücklagen für zukünftig fällig werdende Steuern der UG dem Grunde nach wusste. Dafür bedürfe es keiner steuerrechtlichen Sachkenntnisse.
25
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Inhalts der gewechselten Schriftsätze wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
26
Der Antragsteller begehrt die gerichtliche Anordnung der Aussetzung der Vollziehung des gegen ihn gerichteten Haftungsbescheids gemäß § 80 Abs. 5 VwGO.
27
Der Antrag ist im Umfang seiner Zulässigkeit (I.) begründet (II.).
28
I. Der Antrag ist überwiegend zulässig.
29
Der Haftungsbescheid ist nicht in Bestandskraft erwachsen (1.). Soweit Säumniszuschläge verlangt werden ist der Antrag unstatthaft (2.). Auf das Unterbleiben eines vorherigen Antrags auf Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 4 VwGO kann sich die Antragsgegnerin nicht berufen (3.).
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1. Der Bescheid ist nicht durch Bestandskrafteintritt unanfechtbar geworden, da die Gemeinde über den (zunächst) verfristet sowie formlos und damit unwirksam eingelegten Widerspruch in der Sache entschieden und damit konkludent Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 70 Abs. 2 i.V.m. § 60 Abs. 1 VwGO gewährt hat. Ob die Widerspruchsbehörde einen verspäteten Widerspruch ohne Sachentscheidung als unzulässig zurückweisen muss oder ob sie – ggf. mit welchen Folgen – über den unzulässigen Widerspruch in der Sache entscheiden darf, ist seit Langem umstritten (Porsch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: August 2024, § 70 VwGO Rn. 36; Geis in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 70 Rn. 20). Unabhängig davon ist eine Wiedereinsetzung möglich, wenn der Widerspruchsführer es versäumt hat, innerhalb der Frist wirksam Widerspruch einzulegen. Eine Wiedereinsetzung ist auch bei Formunwirksamkeit des Widerspruchs möglich (Geis in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 70 Rn. 41).
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2. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist teilweise unstatthaft. Soweit die Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids in Bezug auf die Forderung von Säumniszuschlägen in Höhe von 171,- Euro gefordert wird, bedarf es seiner nicht. Die grundsätzlich mit Widerspruch und Anfechtungsklage verbundene aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 1 VwGO) tritt kraft Gesetzes nicht ein, wenn durch einen Verwaltungsakt öffentliche Abgaben und Kosten angefordert werden (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Widerspruch und Klage gegen einen Haftungsbescheid nach § 191 AO haben insoweit keine aufschiebende Wirkung, als ein Widerspruch oder eine Klage gegen die Abgabe, für die gehaftet werden soll, keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Dies ist bei kommunalen Steuern (§§ 1 Abs. 2, 3 Abs. 2 AO) und den dazugehörigen Nebenleistungen nach § 37 Abs. 1 AO i.V.m. § 3 Abs. 4 AO grundsätzlich der Fall. Eine Ausnahme besteht aber hinsichtlich der Festsetzung von Säumniszuschlägen. Hier entfalten Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung, denn Säumniszuschläge sind keine Abgaben im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO, sondern ein dem Zwangsgeld verwandtes Druckmittel eigener Art. Entsprechendes gilt, wenn Säumniszuschläge im Rahmen eines Haftungsbescheids geltend gemacht werden. Auch hier kommt Widerspruch und Klage hinsichtlich der Säumniszuschläge bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zu (BayVGH, B.v. 21.12.1998 – 4 ZS 98.2811 – juris; VG München, B.v. 26.8.2008 – M 10 S 08.2507 – juris; v. 24.3.2014 – M 10 S 13.5972 – juris).
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3. Auf die Nichterfüllung der Zugangsvoraussetzung des § 80 Abs. 6 VwGO kann sich die Antragsgegnerin unter den gegebenen Umständen nicht berufen. Die Antragsgegnerin hätte aus dem Vorbringen des Antragstellers schließen können, dass er auch Aussetzung der Vollziehung begehrte. In Anbetracht der Umstände wäre eine entsprechende Auslegung seiner Eingabe und eine Entscheidung darüber gleichzeitig mit der Nichtabhilfeentscheidung angemessen gewesen. Da es diese ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes nicht gegeben hat, findet § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO Anwendung. Zudem geht die Kammer aufgrund des klägerischen Vorbringens davon aus, dass ein Antrag auch ausdrücklich gestellt war. Mit der Klageschrift hat der Antragsteller ein Schreiben vom 23. Oktober 2024, in welchem er Einspruch gegen den Haftungsbescheid vom … September 2024 erhebt und Aussetzung der Vollziehung beantragt, vorgelegt sowie einen Faxsendebericht – soweit ersichtlich ohne OK-Vermerk (Anlage 2 zur Klageschrift). Die Antragsgegnerin hat sich hierzu nicht verhalten. Der Antragsteller trägt weiter vor (S. 35 des Konvoluts zur Klageschrift), die angegebene Faxnummer habe trotz mehrfacher Versuche „nicht funktioniert“ und er habe das Schreiben sofort per E-Mail nachgereicht. Die E-Mails liegen der Kammer nicht vor. Mangels anderweitigen Vortrags der Antragstellerin wird davon ausgegangen, dass damit dasselbe Schreiben, das gerade einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung enthielt, übermittelt wurde. Nachdem die Antragstellerin den als „Einspruch“ bezeichneten Widerspruch trotz Form- und Fristwidrigkeit bearbeitet hat, wäre es unbillig, mit dem Aussetzungsantrag nicht in gleicher Weise zu verfahren, zumal für diesen kein Schriftformerfordernis besteht (vgl. zum Schriftformerfordernis m.w.N. Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 74).
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II. Im Umfang seiner Zulässigkeit ist der Antrag begründet.
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1. Das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO in den Fällen einer nach § 80 Abs. 2 VwGO gesetzlich vorgesehenen oder behördlich angeordneten Vollziehbarkeit eines Verwaltungsaktes auf Antrag die aufschiebende Wirkung des der Klage anordnen bzw. wiederherstellen, wenn das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollziehungsinteresse überwiegt.
35
Dies ist bei der Anforderung öffentlicher Abgaben in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO der Fall, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Abgabenbescheids bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte; das Gericht trifft insoweit eine originäre Ermessensentscheidung.
36
Zweifel im genannten Sinne bestehen, wenn aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Erfolg des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher als ein Unterliegen ist. Die hiernach erforderliche Prognose über die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren kann nur mit den Mitteln des Eilverfahrens getroffen werden. Demnach sind in erster Linie die vom Rechtsschutzsuchenden selbst vorgebrachten Einwände zu berücksichtigen, andere Fehler der Heranziehung hingegen nur, wenn sie sich bei summarischer Prüfung als offensichtlich aufdrängen. Allerdings können im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes weder schwierige Rechtsfragen abschließend entschieden noch komplizierte Tatsachenfeststellungen getroffen werden.
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2. Es bestehen in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids, sodass ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache nach derzeitiger Aktenlage überwiegend wahrscheinlich ist.
38
Auch wenn der Bescheid an einem zumindest heilbaren Formfehler leidet(a.), sind die Voraussetzungen für eine Inhaftungnahme aller Voraussicht nach gegeben (b.). Jedoch hat die Antragsgegnerin das ihr zukommende Auswahlermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt (c.)
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a. Der Bescheid ist nicht mit einem Tenor versehen. Ob der Haftungsbescheid deswegen nur an einem (wohl unbeachtlichen) Formfehler i.S.v. Art. 46 BayVwVfG oder wegen mangelnder Bestimmtheit, Art. 37 BayVwVfG, und einer daraus womöglich resultierenden, stets zu Lasten der Verwaltung gehenden (BVerwG, U.v. 13.12.1973 – II C 18.73) Missverständlichkeit der ausgesprochenen Zahlungsverpflichtung auch an einem materiellen Fehler leidet (Tiedemann in Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, Stand Juli 2025, § 37 Rn. 4), bedarf keiner Entscheidung.
40
b. Ungeachtet dessen sieht die Kammer die Voraussetzungen für eine Inhaftungnahme des Antragstellers als gegeben an.
41
Nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO kann derjenige durch einen Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, der kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Auf der Grundlage von § 69 Satz 1 AO i.V.m. § 34 Abs. 1 AO haften gesetzliche Vertreter einer juristischen Person, soweit in Folge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten eine Steuer nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt wird. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge (§ 69 Satz 2 AO). Die Haftungsinanspruchnahme setzt voraus, dass der Haftende dem Personenkreis der §§ 34, 35 AO angehörte, eine Pflichtverletzung begangen hat, die Pflichtverletzung zu einem Haftungsschaden geführt hat und für den Eintritt des Schadens ursächlich war; schließlich muss der Haftende schuldhaft gehandelt haben. Der Haftungsschaden besteht darin, dass Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt worden sind; Kausalität ist gegeben, wenn der Haftungsschaden ohne die Pflichtverletzung nicht eingetreten wäre.
42
Dem Antragsteller wird von der Antragsgegnerin zur Last gelegt, keine Steuererklärungen für die Jahre 2020 und 2021 abgegeben zu haben und keine Rücklagen für die Begleichung der zu erwartenden Steuern gebildet zu haben. Die Nichterfüllung dieser ihm als Geschäftsführer obliegenden Pflichten rechtfertigt grundsätzlich eine Inhaftungnahme. Dabei genügt es, dass er nur nominell zum Geschäftsführer bestellt war, ohne faktisch Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen zu können. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass der Haftungstatbestand des § 69 AO auch durch einen „Scheingeschäftsführer“ erfüllt werden kann. Denn die Haftung ergibt sich schon aus der formalen Bestellung zum Geschäftsführer und ohne Rücksicht darauf, ob die Geschäftsführung auch tatsächlich ausgeübt werden kann und ob sie ausgeübt werden soll (vgl. BFH, B.v. 13.2.1996 – VII B 245/95 – juris; B.v. 14.9.1999 – VII B 33/99 – juris; VG Ansbach, U.v. 26.7.2006 – AN 11 K 06.00141, VG Gelsenkirchen, U.v. 20.09.2012 – 5 K 5197/11 – juris).
43
c. Allerdings wurde mit Blick auf eine ebenfalls mögliche Inhaftungnahme des Alleingesellschafters der UG das Auswahlermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt.
44
Der Antragsteller nimmt für sich in Anspruch, vom Alleingesellschafter der UG arglistig getäuscht worden zu sein und trotz Innehabens der entsprechenden formalen Position zu keinem Zeitpunkt Einfluss auf die Geschäftsführung gehabt zu haben. Da dieser Umstand – obwohl der Antragsgegnerin bei Ergehen des Haftungsbescheids bekannt – darin keine Erwähnung gefunden hat, ist der Bescheid ermessensfehlerhaft.
45
Nach dem ihr gemäß § 191 AO zukommenden Auswahlermessen muss die Finanzbehörde bei mehreren möglichen Haftungsschuldnern ermitteln, welche Haftungsschuldner sie in Anspruch nehmen möchte (BFH, U.v. 29.5.1990 – VII R 85/89 – juris). Eine sachgerechte Ermessensausübung erfordert eine umfassende Sachverhaltsermittlung (FG Berlin-Bdb., U.v. 13.7.2017 – 9 K 9151/15 – juris Rn. 110). Aus der Begründung der Behördenentscheidung muss zum Ausdruck kommen, warum der Haftungsschuldner anstelle anderer in Betracht kommender Haftungsschuldner in Anspruch genommen wird (BFH, U.v. 29.5.1990 − VII R 85/89 – juris). Insgesamt erfordert die sachgerechte Wahrnehmung des Auswahlermessens demnach zunächst eine Ermittlung, welche anderen Personen ebenfalls als Haftungsschuldner in Betracht kommen und folgend eine Ermessensentscheidung, wer als Haftungsschuldner herangezogen wird und wer nicht. Geht die Behörde hingegen fälschlicherweise davon aus, dass nur die von ihr in Anspruch genommene Person als Haftungsschuldner in Betracht kommt, obwohl auch andere Personen in Betracht kommen, fehlt es an einer tragfähigen Grundlage für die Ausübung des Auswahlermessens, sodass die Ermessensentscheidung schon aus diesem Grunde ermessensfehlerhaft ist (OVG NRW, B.v. 20.8.2021 − 14 B 1192/21 – juris Rn. 34). Der Bundesfinanzhof hat in einem Einzelfall (B.v. 5.3.1985 – VII B 52/84, VII B 78/84 und VII B 45/84 – juris) aufgrund dort festgestellter, außergewöhnlicher Umstände, insbesondere wegen einer außergewöhnlichen Zwangslage, in der sich dort ein junger Geschäftsführer bei der Übernahme seines Amtes befunden hatte, ein Verschulden an der Verletzung steuerlicher Pflichten der Steuerschuldnerin für ausgeschlossen bzw. für zumindest fraglich und deshalb im Rahmen der Ermessensausübung nach § 191 AO prüfungsbedürftig gehalten.
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Die handelnde Behörde hat als Teil der nach Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG erforderlichen Begründung von Verwaltungsakten zu offenbaren, von welchen Gesichtspunkten sie sich bei der Ausübung des Ermessens hat leiten lassen (BayVGH, U.v. 13.10.2009 – 14 B 07.1760; BVerwG, U.v. 5.9.2006 – 1 C 20/05 – NVwZ 2007, 470; Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 114 Rn. 23). Ob die Ermessensausübung im Einzelfall pflichtgemäß oder fehlerhaft erfolgte, lässt sich nur anhand der Bescheidsbegründung ermitteln (Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 114 Rn. 14 ff.). Eine bezüglich der Ermessensausübung fehlende oder unzureichende Begründung indiziert einen Ermessensnicht- oder -fehlgebrauch, sofern sich nicht aus den Umständen anderes ergibt. Die von Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG verlangten Ermessensbegründungen haben verfahrensrechtlichen Charakter, geben also für die materielle Frage, ob Ermessen überhaupt oder missbräuchlich ausgeübt und seine Grenzen eingehalten worden sind, nur Anhaltspunkte, denen andere Belege, z.B. aus Aktenvermerken, gleich stehen (Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 39 Rn. 29 m.w.N.). Fehlt in einer gegebenen Begründung ein wesentlicher Gesichtspunkt, so spricht dies für die Annahme, dass dieser Punkt auch tatsächlich übersehen wurde (Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 114 Rn. 23). Das Fehlen einer Ermessensbegründung ist ein starkes Indiz für einen materiellen Ermessensausfall (Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 39 Rn. 29 m.w.N.).
47
Der Alleingesellschafter der UG kommt als weiterer Haftungsschuldner jedenfalls in Betracht, da er möglicherweise eine faktische Geschäftsführerstellung innehatte. Faktischer Geschäftsführer ist, wer nach dem Gesamterscheinungsbild seines Auftretens die Geschicke der Gesellschaft durch eigenes Handeln im Außenverhältnis maßgeblich in die Hand genommen und ihre Geschäfte wie ein Geschäftsführer geführt hat (vgl. m.w.N. BFH, U.v. 5.8.2010 – V R 13/09 – juris Rn. 41; FG Hamburg, U.v. 29.3.17 – 3 K 183/15 – juris Rn. 48; FG München, U.v. 25.11.14 – 2 K 40/12 – juris Rn. 25). Nach den anhand der Akten gewonnenen Erkenntnisse der Kammer war die Zusammenarbeit innerhalb der UG derart vorgesehen, dass der Alleingesellschafter die Führung der Geschäfte vor Ort zunächst faktisch und nach einer gewissen Anlaufzeit auch formal übernehmen sollte. Der Umstand, dass der formal für die Gesellschaft auftretende Antragsteller seinen Wohnsitz in D* … hatte, die Geschäfte eines Fahrdienstleisters aber naturgemäß vor Ort geführt werden (da etwa Quittungen am Ort der Dienstleistung anfallen und Entgelte ebenfalls dort kassiert werden sowie Anstellungen dort vorgenommen werden), lässt eine faktische Geschäftsführerstellung des Alleingesellschafters überwiegend wahrscheinlich erscheinen.
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Nachdem hiernach zumindest eine weitere Person als Haftungsschuldner in Betracht käme, wären weitere Ermittlungen und entsprechende Ausführungen im Bescheid angezeigt gewesen. Da dies unterlassen wurde, wurde das Auswahlermessen infolge unzureichender Sachverhaltsaufklärung fehlerhaft bzw. überhaupt nicht ausgeübt. Der Bescheid verhält sich überhaupt nicht zu der Frage, ob der nicht formal zum Geschäftsführer bestellte wenn auch faktisch als solcher tätige Inhaber – obwohl nicht zum Geschäftsführer bestellt – überhaupt als potentieller Haftungsschuldner angesehen wird, während im Widerspruchsbescheid von „mehreren potentiellen Haftungsschuldnern“ die Rede ist. Es hat aber auch hier keine Auseinandersetzung mit der Frage stattgefunden, welche Position die weitere Person in der Gesellschaft innehatte und ob diese möglicherweise als faktischer Geschäftsführer als Verfügungsberechtigter i.S.v. § 35 AO in Haftung zu nehmen sein könnte (vgl. m.w.N. Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand Mai 2024, § 34 AO Rn. 6). Aus den dem Gericht vorgelegten Behördenakten ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Haftungsinanspruchnahme des Alleingesellschafters der UG überhaupt in Erwägung gezogen wurde, ob eine Überprüfung des Umfangs seines Tätigwerdens für die Gesellschaft anhand der hierfür geltenden Kriterien (vgl. Wegner in PStR 2021, 221) erfolgte und ob er im Falle einer Inanspruchnahme für die Antragsgegnerin greifbar und eine Vollstreckung in sein Vermögen erfolgversprechend wäre. Vielmehr hat die Antragsgegnerin ihre Auswahlentscheidung allein mit der Stellung des Antragstellers als alleiniger formaler Geschäftsführer und den daraus erwachsenden Pflichten begründet.
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Ermessenserwägungen beim Auswahlermessen können nur dann als entbehrlich angesehen werden, wenn aus der Rechtsentscheidung die Ermessenserwägung, etwa aus dem Maß des Verschuldens des Klägers als Haftungsschuldner, gewissermaßen vorgeprägt gewesen wäre, sodass die Ermessenserwägung aus der rechtlichen Beurteilung mit einer jeden Zweifel ausschließenden Deutlichkeit hätten abgelesen werden können (BFH, U.v. 3.2.1981 – VII R 86/78 – juris Rn. 9). Ansonsten muss die Behörde näher begründen, weshalb sie den Kläger neben den anderen Gesamtschuldnern überhaupt und gerade in der von ihm für richtig gehaltenen Höhe in Anspruch nimmt. Die formale – wenn auch alleinige – Geschäftsführerstellung des Antragstellers lässt in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls die Begründungspflicht nicht entfallen. Insbesondere hätte die Antragsgegnerin ermitteln und in den Bescheidsgründen darstellen müssen, welche Rolle der Alleingesellschafter in der UG innehatte und ob er für eine Inhaftungnahme erlangbar wäre. Die Kammer stellt nicht in Abrede, dass die alleinige Inhaftungnahme des Antragstellers auch das Ergebnis einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung sein hätte können. Jedoch ist keine insoweit tragfähige Ermittlung des ihr zugrunde liegenden Sachverhalts zu erkennen.
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Die angedeutete eigene Ermessensausübung der Widerspruchsbehörde vermag den Mangel nicht zu beseitigen. Da es sich bei der Gewerbesteuererhebung um eine Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises, Art. 57 GO, handelt, ist die Widerspruchsbehörde nach Art. 109 Abs. 1 und Art. 118 Nr. 1 GO auf eine Rechtmäßigkeitsprüfung beschränkt und es kommt ihr keine Ermessensausübungsbefugnis zu. Nur sofern die Widerspruchsbehörde im Rahmen der Zweckmäßigkeitsprüfung pflichtgemäß ein eigenes Ermessen ausübt, so ersetzt der Widerspruchsbescheid den Ausgangsbescheid (Hüttenbrink in Posser/Wolff/Decker, BeckOK VwGO, Stand: April 2025, § 73 VwGO Rn. 14). Zudem beruht der Ermessensfehler nach Ansicht der Kammer auf einer unzureichenden Sachverhaltsermittlung, sodass für ein – im Übrigen nicht zulässiges – Nachschieben von Gründen im Widerspruchsbescheid für die getroffene Ermessensentscheidung keine geeignete Grundlage vorhanden war. Auch ging die Widerspruchsbehörde vom Vorhandensein eines weiteren potentiellen Haftungsschuldners aus, stellt sich aber ohne nähere Ausführungen zu dessen Position innerhalb der UG und Erreichbarkeit für die Antragsgegnerin auf den Standpunkt, dass der Antragsteller als formaler Geschäftsführer ohne Weiteres vorrangig heranzuziehen sei. Dies greift in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls, wie sie vollumfänglich im gerichtlichen Verfahren bekannt geworden sein dürften, zu kurz.
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Die aufschiebende Wirkung war daher im tenorierten Umfang bis zum Ergehen einer Entscheidung in der Hauptsache anzuordnen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und – hinsichtlich des auf die Säumniszuschläge entfallenden Teils der Haftungssumme – § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
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Der Streitwert wurde entsprechend § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 21. Februar 2025 festgesetzt.