Titel:
Nachbarklage, Erschließung, Entstehung eines Notwegerechts (verneint)
Normenketten:
BGB § 917
BauGB § 35
BayBO Art. 4
Schlagworte:
Nachbarklage, Erschließung, Entstehung eines Notwegerechts (verneint)
Fundstelle:
BeckRS 2025, 22085
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin wendet sich als Nachbarin gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Zweifamilienhauses. Sie fürchtet u.a. die Entstehung eines Notwegerechts.
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Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Wohngebäude mit Nebengebäuden bebauten Grundstücks H. straße 5, FlNr. 932/2. An der Südseite ihres Grundstücks und zu einem geringen Teil (u.a. ca. 2 m², „Spitz“) auf ihrem Grundstück verläuft die teilweise schmale H. straße. Weiter östlich liegt das Anwesen des Beigeladenen, FlNrn. 926 und 926/2, das ebenfalls an die H. straße angrenzt.
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Die H. straße wurde mit Verfügung vom … Juni 1964 in das Bestandsverzeichnis eingetragen. Am … Oktober 2023 widmete die Beklagte ein Teilstück der FlNr. 932 (nunmehr 932/3) als Ort straße (S. 249 ff. des Amtsblatts Nr. 23/2023). Am … Juni 2025 widmete die Beklagte weitere ergänzende Straßenflächen auf den FlNrn. 933/37, 926/1 TFL, 921/4 TFL, 924/2, 931/4 TFL, 931/5 TFL und 932 TFL als Orts straße (S. 135 des Amtsblatts Nr. 13/2025).
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Unter dem … Juli 2020 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen einen Vorbescheid. Dieser wurde der Klägerin nicht zugestellt.
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Mit Baugenehmigung vom … Juni 2023 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen die bauaufsichtliche Erlaubnis zur Errichtung eines Zweifamilienhauses mit Doppelgarage und Stellplätzen. Das Vorhaben entspreche hinsichtlich der bauplanungsrechtlichen Beurteilung dem genehmigten Vorbescheid. Im Baugenehmigungsverfahren werde daher keine erneute Prüfung durchgeführt. Die Baugenehmigung wurde der Klägerin ebenfalls nicht zugestellt.
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Am 13. Juli 2023 hat die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Klage gegen die Baugenehmigung vom … Juni 2023 erhoben. Sie beantragt,
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Der Bescheid der Beklagten vom …6.2023 wird aufgehoben.
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Das Baugrundstück liege im Außenbereich, führe zur Verfestigung einer Splittersiedlung und sei nicht erschlossen. Die H. straße genüge nicht den Mindestanforderungen an die Breite einer Erschließungsstraße. Durchfahrende Fahrzeuge beschädigten die Hecke der Klägerin. Der Beigeladene könne daher im Fall einer bestandskräftigen Baugenehmigung ein Notwegerecht in Anspruch nehmen, insbesondere für Baumaßnahmen. Die Klägerin sei nicht präkludiert, der Vorbescheid sei ihr gegenüber nicht bekannt gegeben worden und entfalte daher keine Bindungswirkung. Die Beklagte habe die H. straße vermessen, an der engsten Stelle betrage diese am Grundstück der Klägerin exakt 2,5 m. Es sei davon auszugehen, dass die H. straße bis zum Grundstück der Klägerin einschließlich der „spitzen Grundstücksfläche“ dem Verkehr gewidmet sei. Überdies überbaue die H. straße das Grundstück der Klägerin in einem Ausmaß von ca. 2 m². Die Beklagte sei mit der Entfernung des Überbaus durch die Klägerin einverstanden. Die im Amtsblatt Nr. 13/2025 bekannt gemachte Widmung sei hinsichtlich des Flurstücks 932 unwirksam. Die gewidmete Fläche sei dem Amtsblatt nicht zu entnehmen. Die Orts straße mit der gewidmeten Breite von 2,4 m sei nicht ausreichend. Wenn die streitgegenständliche Baugenehmigung in Bestandskraft erwachse, komme es im Sinne einer „Automatik“ dazu, dass ein Notwegerecht zum Nachteil des klägerischen Grundstücks verlangt werden könne. Der Klage könne nicht entgegengehalten werden, dass schon seit längerer Zeit Notwegerechte zugunsten der östlich gelegenen Grundstücke bestehen würden. Bislang sei kein solches Notwegerecht geltend gemacht worden. Dies sei jedoch erforderlich für das Entstehen der Duldungspflicht. Ein solches Verlangen stehe jedoch aufgrund der rechtswidrigen Baugenehmigungspraxis der Beklagten bevor. Für die Klägerin stelle dies eine unzumutbare Intensivierung dar.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Klägerin sei nicht klagebefugt. Es handele sich um befürchtete zivilrechtliche Rechtsbeeinträchtigungen. Es beständen bereits mehrere Wohngebäude, die über die H. straße erschlossen seien. Inwiefern die angefochtene Genehmigung eine erstmalige Beeinträchtigung hervorrufen solle, sei nicht nachzuvollziehen. Die Teilfläche des klägerischen Grundstücks, auf dem die Verkehrsfläche liege, sei im Rahmen der erstmaligen Auslegung des Besitzstandsverzeichnisses als Teil der damaligen FlNr. 921 gewidmet worden. In der H. straße könne entlang des Grundstücks der Klägerin einspuriger Verkehr fließen. Die gesicherte Erschließung im Außenbereich fordere nicht mehr. Auf nahezu der vollen Länge der H. straße sei nunmehr eine Breite von mindestens 3 m oder mehr gewährleistet. Lediglich im Bereich gegenüber der klägerischen Einfahrt sei auf einer Länge von etwa 8 m eine geringere Breite von minimal 2,70 m vorhanden. Aufgrund der gewidmeten Ausweichstellen sei auch unter Berücksichtigung der noch zu realisierenden Bauwünsche ein geordneter Verkehr möglich. Es liege am Bauherrn, eine funktionierende Zufahrt zu seiner Baustelle zu organisieren.
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Der Beigeladene führt aus, dass durch die Widmung aus dem Jahr 2025 die von der Klägerin aufgeführten Punkte hinfällig geworden seien. Ein Anspruch auf ein Notwegerecht sei nicht mehr gegeben.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung der streitgegenständlichen Baugenehmigung, weil diese sie nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Klägerin klagebefugt, § 42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO. Es besteht angesichts der streitgegenständlichen Baugenehmigung zumindest die Möglichkeit, dass diese insbesondere ein Notwegerecht zulasten des klägerischen Grundstücks auslöst (unter bestimmten Voraussetzungen ist diese grundsätzlich zivilrechtliche Frage im öffentlich-rechtlichen Verfahren zu prüfen, s.u.) oder gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstößt.
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Die Klage ist auch nicht aufgrund des am … Juli 2020 erteilten Vorbescheids unzulässig. Zum einen verfügte der Vorbescheid lediglich über eine Geltungsdauer von drei Jahren, Art. 71 Satz 2 BayBO aF, sodass er nunmehr keine Wirkung mehr entfalten kann. Zum anderen führt sogar ein bestandskräftig gewordener Vorbescheid regelmäßig nicht dazu, dass ist die von einem Dritten gegen die nachfolgende Baugenehmigung erhobene Klage unzulässig wird (BVerwG, U.v. 17.3.1989 – 4 C 14/85 – juris Rn. 15).
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Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden Normen beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (vgl. BayVGH, B.v. 21.7.2020 – 2 ZB 17.1309 – juris Rn. 4).
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2. Die angefochtene Baugenehmigung vom … Juni 2023 verletzt keine nachbarschützenden Vorschriften, die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind und auf die sich die Klägerin berufen kann, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, Art. 59 BayBO.
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2.1. Die Klägerin beruft sich vornehmlich auf die unzureichende Erschließung des Baugrundstücks wegen der ihrer Meinung nach zu geringen Breite der südlich ihres Grundstücks verlaufenden H. straße.
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Das Erfordernis der gesicherten planungsrechtlichen Erschließung dient grundsätzlich nur den öffentlichen Interessen und hat folglich keine nachbarschützende Funktion (vgl. BayVGH, B.v. 1.3.2016 – 1 ZB 15.1560 – juris; B.v. 5.3.2018 – 2 ZB 15.1558 – juris). Eine Ausnahme hiervon ist nur dann gegeben, wenn eine wegen fehlender Erschließung rechtswidrige Baugenehmigung eine unmittelbare Rechtsverschlechterung für den Nachbarn in Richtung einer erstmaligen Begründung oder unzumutbaren Ausweitung eines Notwegerechts nach § 917 Abs. 1 BGB am Grundstück des Nachbarn bewirkt und dem Nachbarn in diesem Fall ein unmittelbar herzuleitender Abwehranspruch zusteht, weil er sonst gehindert ist, der Inanspruchnahme des Notwegerechts die Rechtswidrigkeit des Vorhabens entgegenzuhalten (vgl. BVerwG, U.v. 26.3.1976 – IV C 7.74 – BVerwGE 50, 282; B.v. 11.5.1998 – 4 B 45.98 – BRS 60 Nr. 182). In diesem Fall haben Verwaltungsbehörden und Gerichte als zivilrechtliche Vorfrage zu prüfen, ob die Zufahrt ausreichend gesichert und nicht auf ein Notwegerecht angewiesen ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.3.1976 – IV C 7.74 – juris Rn. 20; VG München, B.v. 6.6.2006 – M 1 SN 06.1698 – juris Rn. 24; U.v. 6.12.1998 – M 8 K 98.5847 – juris Rn. 42).
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Für die Beurteilung einer Begründung oder Intensivierung eines Notwegerechts im Sinn von § 917 BGB ist allein auf die von der Baugenehmigung abgedeckte bauliche Nutzung und ihre ordnungsmäße Ausübung abzustellen (BayVGH, B.v. 5.3.2018 – 2 ZB 15.1558 – BeckRS 2018, 4367 Rn. 6). Die bauordnungsrechtliche Erschließung – Art. 4 BayBO – wird im hier einschlägigen vereinfachten Genehmigungsverfahren nicht geprüft, sodass die Baugenehmigung insoweit keine Aussage hinsichtlich der Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit dem öffentlichen Recht trifft und Nachbarrechte nicht verletzt sein können, Art. 68 Abs. 1 Satz 1, Art. 59 Satz 1 BayBO (vgl. VG München, B.v. 16.5.2018 – M 11 SN 18.2107 – BeckRS 2018, 10662 Rn. 22).
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2.2. Die Zufahrt zum Bauvorhaben ist hinreichend gesichert und nicht auf ein Notwegerecht am klägerischen Grundstück angewiesen.
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2.2.1. Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg, so kann der Eigentümer nach § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden.
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§ 917 BGB setzt nicht voraus, dass einem Grundstück jedwede Verbindung mit einem öffentlichen Weg fehlt; vielmehr genügt es, dass eine zur „ordnungsmäßigen Benutzung“ notwendige Verbindung nicht vorhanden ist. Ist ein Weg vorhanden, kann er trotzdem ungeeignet sein, einen so beschaffenen Zugang zum Grundstück zu ermöglichen. Hindernisse können sich dabei auch aus der tatsächlichen Beschaffenheit des Verbindungswegs ergeben. Maßgeblich sind die aktuellen rechtlichen und technischen Voraussetzungen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (Brückner in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2023, § 917 Rn. 10 m.w.N.).
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Bei einem Wohngrundstück ist in der Regel notwendig, dass dieses mit dem eigenen Kraftfahrzeug und Versorgungsfahrzeugen angefahren werden kann (vgl. BGH, U.v. 12.12.2008 – V ZR 106/07 – NJW-RR 2009, 515). Wie breit der Notweg sein muss, hängt von den örtlichen Gegebenheiten und der Benutzung des Grundstücks ab (Brückner in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2023, § 917 Rn. 20 m.w.N.). Eine Breite von 2 m kann für die Erschließung eines Wohngrundstücks ausreichen (OLG München, U.v. 19.2.2014 – 7 U 4085/11 – IBRRS 2014, 1840).
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Für privilegierte sowie für sonstige Vorhaben im Außenbereich ist nach § 35 BauGB eine „ausreichende“ Erschließung erforderlich, was sich grds. ebenfalls nach den jeweiligen Gegebenheiten des Einzelfalls richtet (Jeromin in: Kröninger/Aschke/Jeromin, Baugesetzbuch, 5. Auflage 2025, § 35 Rn. 47). Erforderlich ist ein Mindestmaß an Zugänglichkeit des Grundstücks für Kraftfahrzeuge (Söfker/Kment in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand: November 2024, § 35 Rn. 545).
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2.2.2. Dieses berücksichtigend verfügt die H. straße entlang dem klägerischen Grundstück über eine nach den Umständen des Einzelfalls ausreichende Erschließungsbreite, sodass die Entstehung eines Notwegerechts nicht zu besorgen ist. Die Erschließungssituation des Vorhabens entspricht den vorhandenen Gegebenheiten und wirft die Erschließungsfrage nicht neu und unabhängig von der bisherigen Erschließungslage auf.
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Nach dem von der Klägerin vorgelegten „Vermessungsplan“ der Beklagten vom … Juli 2023 – „H. straße, Straßenverlauf bei Flurstück 932/2“ hat die H. straße an der engsten Stelle eine Breite von 2,5 m. Insoweit kann offenbleiben, ob die Widmung eines Teilstücks der FlNr. 932 vom … Juni 2025 – wie die Klägerin meint – unwirksam ist, da die engste Stelle der Straße östlich hiervon liegt. Aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten (unstreitig wirksamen) Widmungen verfügt die H. straße zudem über mehrere Ausweichstellen für Begegnungsverkehr. Für den zu erwartenden, durch das Wohngrundstück ausgelösten Verkehr – im Wesentlichen Anfahrt mit Pkw und Versorgungsfahrzeugen der Beklagten – ist dies ausreichend. Zur Ausübung der genehmigten Wohnnutzung und dem damit verbundenen Verkehrsaufkommen ist eine Inanspruchnahme des klägerischen Grundstücks nicht notwendig, zumal die Beklagte um die langjährig bestehende gegebene Situation weiß und die von ihr eingesetzten Versorgungsfahrzeuge entsprechend anpassen kann.
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2.2.3. Bei dem im vorgenannten Plan grün markierten Grundstücksteil („Spitz“) des klägerischen Grundstücks handelt es sich (unstreitig) um einen gewidmeten Straßenbestandteil, sodass eine Rechtsverletzung insoweit ausscheidet.
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2.2.4. Eine Rechtsverletzung i.S.d. „Aufzwingens“ eines Notwegerechts durch eine Baugenehmigung scheidet überdies aus, wenn der betroffene Eigentümer die Benutzung seines Grundstücks aus anderen Gründen hinzunehmen hat (VG München, U.v. 11.5.2015 – M 8 K 14.841 – juris Rn. 55 m.w.N.). Ein Eingriff in das Eigentum läge nämlich nur dann vor, wenn die künftige Inanspruchnahme des Wegegrundstücks gerade als Folge der Umsetzung der streitgegenständlichen Baugenehmigung nicht nur derart unwesentlich ist, dass der Betroffene die damit verbundenen Nachteile nach der Interessenwertung des § 906 Abs. 1 BGB im Vergleich zur bisherigen Situation ohne Weiteres hinnehmen muss (BVerwG, U. v. 26.3.1976 – IV C 7.74 – juris Rn. 28; im Anschluss: VGH BW, B.v. 21.12.2001 – 8 S 2749/01 – juris Rn. 3 f.; OVG NW, B.v. 14.5.2003 – 10 B 787/03 – juris Rn. 6 ff., BayVGH, B.v. 6.2.2017 – 15 ZB 16.398 – juris Rn. 70).
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Angesichts der bereits vorhandenen Wohnbebauung auf insgesamt sechs Grundstücken östlich des Grundstücks der Klägerin beständen ohnehin schon seit längerer Zeit Notwegerechte zu Gunsten von Anwohnern und Versorgungsfahrzeugen sowie von sonstigen Fahrzeugen, die im öffentlichen Interesse auf das jeweilige Baugrundstück gelangen müssen. Nicht entscheidend ist, ob ein solches Notwegerecht bereits in Anspruch genommen wurde, sondern ob dieses in Anspruch genommen werden könnte. Die Klägerin kommt durch die Baugenehmigung nicht erstmals in die Situation, die Benutzung eines Teils ihres Grundstücks als Zuwegung zu dulden, vielmehr wird eine seit Jahren bestehende Situation geringfügig ausgeweitet. Insoweit fehlt es an der notwendigen Kausalität zwischen der Erteilung der streitgegenständlichen Baugenehmigungen und der Entstehung eines Notwegerechts. Die zusätzliche Nutzung führt auch nicht zu einer unzumutbar erhöhten Inanspruchnahme oder Intensivierung, da sie sich täglich auf einige wenige zusätzliche Pkw-Fahrten beschränken dürfte (vgl. auch: VGH BW, B.v. 21.12.2001 – 8 S 2749/01 – IBRRS 2002, 0964, wonach die zusätzliche Inanspruchnahme eines Wegs für ein weiteres Wohnhaus nur einen unwesentlichen Nachteil für den Nachbarn darstellt). Für das Bauvorhaben wurden lediglich zwei Garagenstellplätze und zwei Besucherstellplätze genehmigt. Versorgungs- und Rettungsfahrzeuge nutzen den Weg bereits für die vorhandenen Wohngebäude, sodass damit eine Intensivierung nicht einhergeht.
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Dies gilt auch für ein etwaiges temporäres Befahren der H. straße mit Baufahrzeugen, zumal die streitgegenständliche Baugenehmigung keine bestimmte Bauausführung vorgibt oder diese gestattet. Vielmehr obliegt es allein dem Beigeladenen, die Bauausführung, etwa durch den Einsatz kleinerer Baufahrzeuge oder eines Krans, so zu organisieren, dass es hierbei nicht zu Beeinträchtigungen am Eigentum der Klägerin kommt.
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Von der Klägerin in diesem Zusammenhang befürchtete Beschädigungen ihres Eigentums, etwa der grenzständigen Hecke, sind auf dem Privatrechtsweg zu klären.
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2.2.5. Die Baugenehmigung führt auch deswegen nicht im Wege einer „Automatik“ zur Begründung oder Ausweitung eines Notwegerechts, da die baurechtliche Genehmigung der auf einem Grundstück genutzten Bauten nur eine notwendige, aber noch keine hinreichende Voraussetzung für ein Notwegerecht darstellt (BGH, U.v. 19.11.2021 – V ZR 262/20 – BeckRS 2021, 45613 Rn. 10 und 13 zum Fall eines nicht mit Fahrzeugen erreichbaren Grundstücksteils). Bei mehreren möglichen Nachbargrundstücken richtet sich das Notwegerecht gegen den Nachbarn, für den die Duldungspflicht die geringste Belastung mit sich bringt. Ein brachliegendes Grundstück kommt gegenüber einem wirtschaftlich genutzten Grundstück „naturgemäß“ eher für die Belastung mit einem Wegerecht in Betracht (Brückner in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2023, § 917 Rn. 34). So liegt es hier. Gegenüber dem wirtschaftlich genutzten und bebauten klägerischen Grundstück grenzt auf der Südseite der H. straße die nur mit einem Nebengebäude bebaute, im Außenbereich liegende FlNr. 932 an.
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2.2.6. Ohne dass es darauf ankäme, ist der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass sich hinsichtlich der Erschließung des Bauvorhabens keine Darstellung in den genehmigten Plänen (PlanNr. 173/22) findet, die das klägerische Grundstück zeigt, insbesondere keine von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angesprochene „Enteignungslinie“. Auch der mit Vorbescheid vom … Juli 2020 genehmigte Lageplan enthält keine solche Linie (mehr). Die zunächst eingezeichnete gestrichelte Linie nördlich der H. straße auf dem klägerischen Grundstück wurde vor der Genehmigung abgestrichen.
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2.3. Die Beeinträchtigung öffentlicher Belange i.S.d. § 35 Abs. 3 BauGB, insbesondere, dass das Vorhaben die Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen soll, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB, kann die Klägerin mangels nachbarschützenden Charakters der Vorschrift nicht mit Erfolg rügen.
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Auch ein Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme hinsichtlich des zu erwartenden Verkehrsaufkommens ist nicht gegeben. Der einem Vorhaben zuzurechnende Fahrzeugverkehr kann nur in Ausnahmefällen, etwa wenn der hierdurch bewirkte Park- oder Parksuchverkehr den Nachbarn unzumutbar beeinträchtigt oder wenn die bestimmungsgemäße Nutzung des Nachbargrundstücks nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich ist, zu einer Unzumutbarkeit für die betroffenen Nachbarn führen (vgl. BayVGH, U.v. 25.8.2009 – 1 CS 09.287 – juris Rn. 39). Hierbei muss es aufgrund der örtlichen Verhältnisse zu chaotischen Verkehrsverhältnissen im unmittelbaren Umgriff des Nachbargrundstücks kommen (BayVGH, B.v. 12.2.2020 – 15 CS 20.45 – juris Rn. 18). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass mit dem Vorhaben eine unzumutbare Verkehrsbelastung einhergehen könnte, zumal hierfür lediglich zwei Stellplätze sowie zwei Besucherstellplätze genehmigt wurden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Es entspricht der Billigkeit i.S.v. § 162 Abs. 3 VwGO, den Beigeladenen seine außergerichtlichen Kosten selbst tragen zu lassen, weil er keinen Antrag gestellt hat und damit kein Kostenrisiko eingegangen ist.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.