Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 07.08.2025 – AN 17 K 24.32310
Titel:

Kuba: Unzufriedenheit mit politischem System reicht nicht für Schutzstatus

Normenketten:
AsylG § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3a Abs. 2, § 3b Abs. 1, § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3
VwGO § 108 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Bloße Unannehmlichkeiten und mangelbedingte Einschränkungen genügen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht aus. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland als solche zieht nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine politische Verfolgung unverfolgt und legal aus Kuba eingereister kubanischer Staatsangehöriger nach sich. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylbewerber aus Kuba, Unzufriedenheit mit dem politischen System, Versorgungsengpässe, nicht ausreichen für Flüchtlingsschutz, Flüchtlingsschutz, Asylantrag, Abschiebung, Verfolgungsgefahr, Herkunftsland, Erkrankung, politische Unzufriedenheit, Kuba, Wirtschaftskrise in Kuba, Kubanisches Regime
Fundstelle:
BeckRS 2025, 21738

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

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Die 1989 geborene Klägerin und ihr 2012 geborener Sohn, der Kläger, sind kubanische Staatsangehörige. Sie reisten im Februar/März 2023 u.a. über Griechenland in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 28. März 2023 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Asylanträge. Sie waren dabei im Besitz von Reisepässen, gültig vom 19. Oktober 2022 bis 19. Oktober 2028 (Klägerin) bzw. vom 8. Juni 2022 bis 8. Juni 2028 (Kläger).
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Bei ihrer Anhörung nach § 25 AsylG gab die Klägerin am 2. Juni 2023 an, dass sie zusammen mit dem Kläger Kuba am 18. Dezember 2022 verlassen habe. Sie habe in Kuba in einem Labor gearbeitet. Zu ihren Asylgründen gab sie an, dass ihr Hauptproblem die Arbeit gewesen sei. Man habe in Kuba keine Rechte auf der Arbeit. Es gebe Regionalismus, d.h. die Leute in der Hauptstadt bekämen ein besseres Gehalt und bessere Arbeit. Im Osten werde das Diplom nicht anerkannt. Sie hätten auf der Arbeit die Meinung kundgetan und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen eingefordert, aber es habe sich nichts geändert. Sie hätten als Gruppe in der Einrichtung demonstriert und es sei weiter auf das Niveau der Polizei gegangen. Die Polizei beobachte einen in Kuba. Eines Tages hätten sie sie auf der Arbeit angerufen. Ihr Sohn habe die Schule verlassen müssen und sie sei auf der Arbeit rausgeworfen worden. Die Ganztagesschule sei nur für Kinder, deren Eltern arbeiteten. Sie sei nie hinter der Regierung gestanden und habe nie an Events teilgenommen. Die lokale Chefin habe sie ständig beobachtet. Es seien dann viele Sachen gewesen, derentwegen sie sich entschlossen habe zu gehen. Ihr Mutter sei im April des vergangenen Jahres gestorben und sie sei allein gewesen. Sie habe schnell das Haus verkauft, bevor es sich der Staat habe aneignen können. Der Kläger sei sehr krank. Für die Sprechstunde habe sie nur in die Einrichtung gehen könne, in der sie auch gearbeitet habe. Bestimmte Untersuchungen z.B. auf Allergien seien nicht gemacht worden. Man bekomme keine Medikamente in Kuba. Er habe keine medizinische Behandlung und nicht einmal eine Diagnose in Kuba bekommen. In Deutschland sei Tuberkulose festgestellt worden. Wegen des Rauswurfs könne sie in Kuba nicht mehr, weder im Krankenhaus noch in Laboratorien, arbeiten. Bevor das Schlimmste passiere, habe sie das Land verlassen. Zweimal, im Januar des vorausgegangenen Jahres, habe sie auch Ladungen unter der Tür hindurchgeschoben bekommen, sei aber nicht hingegangen. Die Chefin des Stadtteils habe ihr gesagt, dass der DTI sie suche. Die Rückkehr nach Kuba wäre eine Katastrophe. Sie habe das Haus verkauft. Kurz bevor sie Kuba verlassen habe, am 18. Dezember 2022, als sie die Sachen schon im Taxi gehabt habe, habe sie mit einem Lippenstift „Nieder mit der Diktatur“ im Park auf die Wand geschrieben.
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Auf die Aufforderung vom 20. Juni 2024 hin legte die Klägerin u.a. folgende medizinische Unterlagen für den Kläger vor:
- Röntgenuntersuchung des Klinikums … von März 2023 („Unauffälliger Herz-Lungen-Befund. Kein Hinweis auf eine aktive Lungentuberkulose.“)
- Vorspracheverpflichtung durch das Gesundheitsamt … vom 1. Dezember 2023 – Attest des Kinderarztes … vom 6. Februar 2024 mit der Diagnose latente Tuberkulose und der Mitteilung einer im September 2023 begonnenen und am 6. Februar 2024 beendeten Therapie, die nur irregulär ausgeführt worden sei
- Verordnung … wegen erneuten Husten vom 27. Juni 2024
– Bericht Klinikum … vom 11. Juli 2024
– Laborberichte vom 1. und 2. Juli 2024
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Mit Bescheid vom 21. November 2024, der Klägerin zugestellt am 28. November 2024, erkannte das Bundesamt den Klägern die Flüchtlingseigenschaft nicht zu (Ziffer 1), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab (Ziffer 2), erkannte den subsidiären Schutz nicht zu (Ziffer 3), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 4), drohte den Klägern die Abschiebung – in erster Linie – nach Kuba an, wenn sie die Bundesrepublik Deutschland nicht innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung bzw. unanfechtbarem Abschluss der Asylverfahren verließen (Ziffer 5) und ordnete Einreise- und Aufenthaltsverbote gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG an und befristete diese auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6).
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Zur Begründung wurde ausgeführt, dass aufgrund der vagen und oberflächlichen Einlassungen der Klägerin eine drohende Verfolgungsgefahr bei einer Rückkehr nicht zu erwarten sei. Ein Abschiebungsverbot bestehe auch nicht aus gesundheitlichen Gründen des Klägers. Dieser leide ausweislich der Laborbefundes nicht mehr an Tuberkulose. Eine latente Tuberkulose sei keine Erkrankung. Der kubanische Staat setze sich außerdem erfolgreich gegen die Tuberkulose sein.
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Die Klägerin erhob vor der Rechtsantragsstelle des Verwaltungsgerichts Ansbach für sich und ihren Sohn am 2. Dezember 2024 Klage und beantragte,
den Bescheid vom 21. November 2024 aufzuheben und das Bundesamt zu verpflichten, die Kläger als Asylberechtigte anzuerkennen und ihnen die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutz zuzuerkennen und zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
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Die Beklagte beantragte mit Schriftsätzen vom 5. Dezember 2024,
die Klagen abzuweisen.
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Mit Schriftsatz vom 21. Juli 2025 bestellte sich die Prozessbevollmächtigte für die Kläger.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen. Für den Verlauf der mündlichen Verhandlung und das Vorbringen der Kläger dort wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet und deshalb abzuweisen. Der streitgegenständliche Bescheid vom 21. November 2024 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Den Kläger steht weder ein Anspruch auf Asylanerkennung oder Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG, noch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG oder auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu. Auch im Übrigen stößt der angegriffene Bescheid auf keine rechtlichen Bedenken.
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1. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Asylanerkennung oder Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
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Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (jeweils näher definiert in § 3b Abs. 1 AsylG) außerhalb seines Herkunftslandes befindet und in dieses nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will, wobei nach § 3b Abs. 2 AsylG unerheblich ist, ob die verfolgte Person tatsächlich die Merkmale, aufgrund derer sie verfolgt wird, aufweist oder ihr die Merkmale vom Verfolger nur zugesprochen werden. Als Verfolgung in diesem Sinn gelten gemäß § 3a AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte darstellen (Nr. 1) oder eine Kumulierung von Maßnahmen, die so gravierend ist, das eine Person in vergleichbarer Weise betroffen ist (Nr. 2). Als Verfolgungshandlungen in Sinn des Abs. 1 sind nach § 3a Abs. 2 AsylG u.a. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden und eine unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung, anzusehen. Zwischen den Verfolgungsgründen und den Verfolgungshandlungen muss eine Verknüpfung bestehen, § 3a Abs. 3 AsylG. Ergänzende Regelungen ergeben sich für die Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, aus § 3c AsylG und zu den Akteuren, die Schutz bieten können, aus § 3d AsylG. Kein Schutz wird nach § 3e Abs. 1 AsylG gewährt, wenn der Verfolgte in einem Teil seines Herkunftslandes sicher vor Verfolgung ist und diesen Landesteil sicher und legal erreichen kann, dort aufgenommen wird und eine Niederlassung dort vernünftigerweise erwartet werden kann (inländische Fluchtalternative).
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Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG begründet ist, gilt der Prognosemaßstab der tatsächlichen Gefahr („real risk“). Erforderlich ist eine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass der Betroffene bei einer Rückkehr verfolgt werden wird. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – NVwZ 2011, 1463; U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – NVwZ 2013, 936). Dabei ist die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 Qualifikationsrichtlinie in Form einer widerlegbaren Vermutung zu beachten, wenn der Asylbewerber bereits Verfolgungshandlungen oder Bedrohungen mit Verfolgungscharakter erlebt hat und sich seine Furcht hinsichtlich einer Rückkehr in sein Heimatland aus einer Wiederholung bzw. Fortsetzung der erlittenen Verfolgung ergibt.
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Eine Anerkennung als Asylberechtigter scheidet nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a AsylG dann aus, wenn der Antragsteller aus einem anderen Staat der Europäischen Union oder einem sicheren Drittstaat eingereist ist.
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Mit Rücksicht darauf, dass sich der Schutzsuchende hinsichtlich asylbegründender Vorgänge in einem gewissen, sachtypischen Beweisnotstand befindet, genügt bezüglich der Vorgänge im Herkunftsland für die nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO gebotene richterliche Überzeugungsgewissheit in der Regel die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller und darf das Gericht keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen. Es hat sich vielmehr mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit zu begnügen (vgl. BVerwG, U.v. 29.11.1977 – 1 C 33/71 – NJW 1978, 2463). Andererseits muss der Asylbewerber von sich aus unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen, widerspruchsfreien Sachverhalt schildern. Bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag kann ihm in der Regel nur bei einer überzeugenden Auflösung der Unstimmigkeiten geglaubt werden (vgl. BVerwG B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – NVwZ 1990, 171).
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Dies zu Grunde gelegt ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass den Klägern im Falle einer Rückkehr nach Kuba mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine dem Schutzbereich des § 3 Abs. 1 AsylG unterfallende Gefährdung droht. Der Asylstatus scheidet auch aufgrund von Art. 16a Abs. 2 GG, § 26a AsylG aus.
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a) Eine Vorverfolgung im o.g. Sinne haben die Kläger nicht glaubhaft gemacht. Aus den Schilderungen der Klägerin ergeben sich keine Maßnahmen, denen von der Schwere und der Zielgerichtetheit her asylrechtliche Relevanz zukäme. Die Angaben der Klägerin zu dem in Kuba Erlebten gehen über bloße Unannehmlichkeiten und mangelbedingte Einschränkungen nicht hinaus. Dass sie auf einem Grund nach § 3 Abs. 1, § 3b AsylG – insbesondere aufgrund einer regimekritischen politischen Einstellung der Klägerin – beruhen, ist nicht ersichtlich. Befragungen und Beobachtungen stellen, jedenfalls wenn sie nur gelegentlich stattfinden und nicht in intensivere Maßnahmen münden, noch keine politische Verfolgung dar. Nach § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG sind vielmehr gravierende Verletzungen grundlegender Menschenrechte erforderlich, was sich auch aus der Art oder Wiederholung der Maßnahmen ergeben kann. Derartiges hat die Klägerin aber nicht geschildert. Dass der Kläger die Schule habe verlassen müssen, hing damit zusammen, dass die Klägerin nicht mehr gearbeitet hat und dem Sohn deshalb der Platz in der Ganztagesschule nicht mehr zugestanden hat. Ihm wurde aber, wie die Klägerin auch zugestand, nicht die Schulbildung insgesamt verweigert, sondern nur die Wunschschule. Die Arbeitsstelle hat die Klägerin selbst aufgegeben. Ihre Kritik an den Arbeitsbedingungen und dass sie Abgaben nicht gezahlt hat, hatte nach ihren Schilderungen keine unmittelbare Auswirkung. Eine eventuell unzureichende medizinische Behandlung und Betreuung des Klägers hing, wie es die Klägerin schilderte, mit dem Mangel an Medikamenten und Untersuchungsmaterial in Kuba zusammen, nicht aber mit einer Diskriminierung bzw. einer Versagung aus politischen Gründen. Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht hat und auch beim Bundesamt deutlich zum Ausdruck gekommen ist, hat ihre Ausreise mit ihrer großen Unzufriedenheit mit dem politischen System in Kuba und der Lebenswirklichkeit dort zu tun. Dass es sich bei Kuba nicht um einen demokratischen und rechtstaatlichen Staat mit Meinungs- und Versammlungsfreiheit handelt und ein Leben der Bevölkerung dort von Einschränkungen in der Versorgung und in der persönlichen Freiheit und teilweise von Willkürmaßnahmen geprägt ist, genügt für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aber nicht. Nur wenn dem einzelnen aufgrund eines Verfolgungsgrundes nach § 3 Abs. 1 AsylG mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine von der Schwer her asylrechtlich relevante Maßnahme droht, greift der Flüchtlingsschutz ein. Dies konnten die Kläger nicht glaubhaft machen.
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b) Auch Nachfluchtgründe sind für die Kläger nicht ersichtlich. Insbesondere zieht die Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland als solche nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine politische Verfolgung unverfolgt und legal aus Kuba eingereister kubanischer Staatsangehöriger nach sich (BVerwG, B.v. 7.12.1999 – 9 B 474.99; BayVGH, U.v. 29.7.2002 - 7 B 01.31054; B.v. 5.6.2008 – 15 ZB 07.30102; ständige Rechtsprechung des VG Ansbach, U.v. 24.9.2015 – AN 3 K 14.30542; B.v. 6.10.2020 – AN 17 K 20.30350 – alle juris). Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass den kubanischen Behörden die Asylantragstellungen der Kläger bekannt geworden ist.
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Ob den Klägern eine Rückkehr nach Kuba tatsächlich möglich ist und ihnen die kubanischen Behörden die Rückkehr erlauben werden, kann dahinstehen, da ein eventueller Verlust der Rückkehrberechtigung, wie er jedenfalls in der Vergangenheit bei einem Auslandsaufenthalt von über 24 Monaten eingetreten ist, keine Verfolgungsmaßnahme darstellen würde. Die Einreiseverweigerung knüpft(e) nämlich allein an den Ablauf der Rückkehrfrist und nicht an die in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Merkmale an (vgl. VG Ansbach, U.v. 5.5.2023 – AN 17 K 22.31100, U.v. 6.10.2020 – AN 17 K 20.30350, U.v. 14.9.2015 – AN 3 K 14. 30542 – jeweils juris). Ein derartiger Verlust droht kubanischen Staatsbürgern, die sich länger als 24 Monate außerhalb Kubas aufgehalten haben, aber wohl auch nicht mehr, jedenfalls nicht generell. Wer einen Permiso de Residencia en el Exterior (Auslandaufenthaltsberechtigung) besitzt, kann ohne weiteres zurückkehren (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich [BFA], Anfragebeantwortung der Staatendokumentation: Kuba – alleinstehende Pensionistin vom 27.10.2023, S. 8 ff.; BFA, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation: Kuba – Auslandsaufenthalt, Aufenthaltsrecht, Habilitacion vom 31.3.2023, S. 2 ff.). Aufgrund von Gesetzesänderungen 2018 und zum 21. April 2021 können aber auch diejenigen zurückkehren, die Kuba illegal verlassen haben; sie können entweder bei der Auslandvertretung oder nach der Einreise beim Innenministerium einen entsprechenden Antrag stellen (vgl. BFA, Anfragebeantwortung vom 27.10.2023, S. 8 ff). Auch der Verlust von Staatsbürgerschaftsrechten geht mit einem mehr als 24-monatigen Auslandsaufenthalt nicht (mehr) einher (vgl. noch BFA, Länderinformationsblatt von 23.7.2019, S. 29 und Länderinformationsblatt von 1.12.2023, S. 27).
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2. Den Klägern steht auch kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG zu.
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Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG). Vorliegend sind keine Gründe dafür ersichtlich, dass den Klägern bei einer Rückkehr in ihr Heimatland ein ernsthafter Schaden in diesem Sinne droht.
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3. Auch nationale Abschiebungsverbote sind nicht gegeben. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK – ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach § 60 Abs. 7 AufenthG ist eine Abschiebung unzulässig, wenn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit des Asylantragstellers alsbald nach seiner Rückkehr nach Kuba zu erwarten ist. Hierfür ist nichts ersichtlich. Ein individuelles Abschiebungsverbot etwa aufgrund von gesundheitlichen Problemen des Klägers besteht nicht. Zum einen leidet der Kläger nach den vorgelegten ärztlichen Unterlagen nicht (mehr) an einer behandlungsbedürftigen Krankheit, zum anderen ist nicht anzunehmen, dass er erneut nicht behandelt würde, wenn die – nunmehr diagnostizierte – latente Tuberkulose sich zu einer akuten Tuberkulose entwickeln sollte. Ein schwerwiegender, lebensbedrohlicher Gesundheitszustand des Klägers alsbald nach der Rückkehr nach Kuba ist nicht zu erwarten.
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4. Auch die in dem angefochtenen Bescheid enthaltene Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Voraussetzungen der §§ 34 Abs. 1, 38 Abs. 1 AsylG liegen vor. Inlandsbezogene, der Abschiebungsandrohung entgegenstehende Abschiebungshindernisse nach § 34 Abs. 1 Nr. 4 AsylG bestehen nicht. Eine Trennung der Kläger voneinander steht nicht im Raum.
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5. Rechtmäßig ist auch die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots mit Befristung in Ziffern 6 des Bescheids. Dieses folgt aus §§ 11 Abs. 1, Abs. 2, 75 Nr. 12 AufenthG. Die Befristung steht dabei im Ermessen der Behörde, vgl. § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, womit das Gericht die Festsetzung in zeitlicher Hinsicht nur auf – im vorliegenden nicht vorgetragene und erkennbare – Ermessensfehler hin überprüft (§ 114 Satz 1 VwGO).
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6. Nach alledem waren die Klagen mit der Kostenfolge aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen, wobei Gerichtskosten gemäß § 83b AsylG nicht erhoben werden.