Inhalt

OLG München, Beschluss v. 10.02.2025 – 34 Wx 329/24 e
Titel:

(Weitere) Grundbuchfähigkeit des Idealvereins ohne Rechtspersönlichkeit auch nach Inkrafttreten des MoPeG

Normenketten:
BGB § 21, § 25, § 54 Abs. 1 S. 1
GBO § 29, § 47 Abs. 2
Leitsätze:
Auch nach Inkrafttreten des MoPeG ist der Verein ohne Rechtspersönlichkeit, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, grundbuchfähig. (Rn. 10 und 15)
Für den Nachweis gegenüber dem Grundbuchamt, dass dem Verein ohne Rechtspersönlichkeit kein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zugrunde liegt, kann im Hinblick auf das Formerfordernis des § 29 Abs. 1 S. 2 GBO auch eine nur in privatschriftlicher Form vorgelegte Satzung genügen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Grundbuchfähigkeit, Idealverein, wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, Nachweis gegenüber dem Grundbuchamt, Satzung in privatschriftlicher Form, Formerfordernis, Grundbuchfähigkeit des Idealvereins ohne Rechtspersönlichkeit, Eintragungshindernis, MoPeG
Fundstelle:
BeckRS 2025, 2167

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Beteiligten wird der Beschluss des Amtsgerichts Memmingen – Grundbuchamt – vom 5.11.2024 aufgehoben.
II. Das Grundbuchamt wird angewiesen, den Antrag nicht aus den Gründen des aufgehobenen Beschlusses zurückzuweisen.

Gründe

I.
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Begehrt wird die Eintragung der Beteiligten zu 1) und 2) als Mitglieder des Beteiligten zu 3), eines Vereins ohne Rechtspersönlichkeit, als Berechtigte eines Nießbrauchsrechts sowie als Gläubiger einer Briefgrundschuld.
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Mit Schreiben vom 4.9.2024 beantragte der Urkundsnotar auch im Namen der Gläubigerin sowohl die Eintragung eines Nießbrauchrechts wie auch die Eintragung einer Briefgrundschuld für die Beteiligten zu 1) und zu 2) als Mitglieder des Beteiligten zu 3). Beigefügt waren sowohl die Nießbrauchs- als auch die Grundschuldbestellungsurkunde. Mit Hinweis vom 19.9.2024 legte das Grundbuchamt dar, dass die Eintragung der Beteiligten zu 1) und 2) als Mitglieder in Gesamthandsgemeinschaft des Beteiligten zu 3) als Berechtigte eines Nießbrauchsrechts und als Gläubiger einer Grundschuld nicht möglich sei. Der nicht eingetragene Idealverein sei nicht grundbuchfähig, sondern bedürfe in entsprechender Anwendung des § 47 Abs. 2 GBO n. F. erst einer Eintragung ins Vereinsregister. Mit Schreiben vom 19.9.2024 bat der Urkundsnotar unter ausführlichem Hinweis auf Literatur und Rechtsprechung um Überprüfung der grundbuchamtlichen Rechtsauffassung.
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Das Grundbuchamt hielt allerdings an seiner Meinung fest und wies den Eintragungsantrag mit Beschluss vom 5.11.2024 zurück.
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Mit Schreiben vom 19.11.2024 legte der Urkundsnotar in Vollmacht der Beteiligten gegen den Zurückweisungsbeschluss Beschwerde ein. Der nicht eingetragene Verein sei weiterhin grundbuchfähig, weil hieran durch das MoPeG nichts geändert worden sei und geändert werden sollte.
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Mit Beschluss vom 11.12.2024 hat das Grundbuchamt der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht München vorgelegt.
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Mit Schreiben vom 19.12.2024 hat der Urkundsnotar vorsorglich klar gestellt, dass die Eintragung für den benannten Verein beantragt worden sei, hilfsweise für den Fall, dass die Nennung der Mitglieder nicht für möglich erachtet werde, werde dessen Eintragung ohne Nennung der Mitglieder bewilligt und beantragt.
II.
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Die zulässige Beschwerde hat – jedenfalls vorläufig – Erfolg.
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1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 71 Abs. 1 GBO. Der Urkundsnotar hat die Beschwerde ausdrücklich im Namen der Beteiligten eingelegt.
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2. In der Sache hat das Rechtsmittel zumindest vorläufig Erfolg. Das vom Grundbuchamt angenommene Eintragungshindernis rechtfertigt keine Antragszurückweisung.
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a) Ein Verein ohne Rechtspersönlichkeit ist auch nach dem Inkrafttreten des MoPeG am 1.1.2024 grundbuchfähig. Anders als vom Grundbuchamt angenommen bedarf es keiner Voreintragung in das Vereinsregister.
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§ 54 Abs. 1 S. 1 BGB n. F. verweist für den Idealverein ohne Rechtspersönlichkeit auf die entsprechende Anwendung des gesamten materiellen Vereinsrechts (§§ 24 – 53 BGB), ausdrücklich nicht mehr auf Gesellschaftsrecht und damit auch nicht auf § 47 Abs. 2 GBO n. F. In der Gesetzesbegründung wird hervorgehoben, dass sich mit diesem Verweis nunmehr unmittelbar aus dem Gesetz ergebe, dass die Mitglieder des Idealvereins ohne Rechtspersönlichkeit – vorbehaltlich der Regelung in § 54 Abs. 2 BGB n. F. – nicht per se für die Verbindlichkeiten des Idealvereins persönlich haften (BegrRegE, BT-Drs. 19/27635, 123 f.). Zur Frage der Grundbuchfähigkeit verhält sich die Begründung nicht, ebenso wenig setzt sie sich mit der grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21.01.2016 – V ZB 19/15 (FGPrax 2016, 97) auseinander.
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In Literatur und Rechtsprechung werden letztlich zwei Auffassungen vertreten:
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Gewichtige Stimmen (Enneking/Wöffen NZG 2023, 308, 311; Staudinger/Schwennicke, BGB, Stand 04.11.2024, § 54 Rn. 107; MüKoBGB/Leuschner, 10. Aufl., § 54 Rn. 34; Schöpflin ZStV 2024, 95, 98 f.), die die Grundbuchfähigkeit des Idealvereins ohne Rechtspersönlichkeit ablehnen, argumentieren, das Schweigen des Gesetzgebers zur Grundbuchfähigkeit sei als Versehen zu qualifizieren, so dass eine planwidrige Regelungslücke vorliege, die zur Grundbuchunfähigkeit des Idealvereins ohne Rechtspersönlichkeit führe. Der Idealverein müsse sich in Anlehnung an den Gedanken des § 47 Abs. 2 GBO n. F. zunächst in das Vereinsregister eintragen lassen, bevor er Rechte an einem Grundstück erwerben könne. Die Regierungsbegründung zu § 47 Abs. 2 GBO n. F. zeige, dass der Gesetzgeber die Eintragung einer BGB-Außengesellschaft nur unter ihrem Namen ohne vorherige Eintragung in das Gesellschaftsregister habe verhindern wollen, weil sich Existenz, Identität und ordnungsgemäße Vertretung regelmäßig nicht in der Form des § 29 GBO nachweisen ließen (BT-Drs. 19/27635, 194). Diese Überlegung müsse auf den Idealverein ohne Rechtspersönlichkeit übertragen werden. Zudem verweise § 54 Abs. 1 S. 1 BGB nicht auf § 21 BGB, worin aber die Grundbuchfähigkeit des eingetragenen Vereins wurzle. Hinzu komme, dass der Verein ohne Rechtspersönlichkeit in § 15 GBV nicht erwähnt sei.
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Das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. (Beschluss vom 10.10.2024 – 20 W 186/24, FGPrax 2024, 249, 250) ist der gegenteiligen Meinung, der Verein ohne Rechtspersönlichkeit, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, unterliege keiner Voreintragungsobliegenheit (so auch Schulze/Dörner, BGB, 12. Aufl., § 54 Rn. 8; Grüneberg/Ellenberger, BGB, 84. Aufl., § 54 Rn. 8; Erman/Westermann/Anzinger, BGB, 17. Aufl., § 54 Rn. 7a; Schulteis EWiR 2023, 654; Schäfer/Wertenbruch, Das neue Personengesellschaftsrecht, 2022, § 13 Rn. 14 ff.; Bauer/Schaub/Bayer/Lieder, GBO, 5. Aufl., J. Rn. 30 ff.; BeckOK GBO/Reetz, Stand 09.12.2024, § 47 Rn. 59; Keller/Munzig/Keller, Grundbuchrecht, 9. Aufl., § 4 Rn. 59; Gummert ZPG 2024, 370, 376; Holzer FGPrax 2023, 99, 101; Waldner RNotZ 2023, 450, 452; Böhringer NotBZ 2022, 161, 164 f.). Dies folge aus § 54 Abs. 1 S. 1 BGB n. F., wonach auf diese Vereine die Vorschriften der §§ 24 bis 53 BGB entsprechend anzuwenden seien, weshalb sie sich von den eingetragenen Vereinen, die unzweifelhaft grundbuchfähig seien, nur im Hinblick auf die Eintragung im Vereinsregister unterscheiden würden. Das Gegenargument, es werde gerade nicht auf § 21 BGB verwiesen, beruhe auf einem Zirkelschluss. Es gehe ja gerade um die Frage der Verknüpfung der Eintragung im Vereinsregister mit der Grundbuchfähigkeit. Entgegen der Gegenansicht bestehe insoweit keine Regelungslücke, so dass von vornherein kein Raum für eine Analogie sei, unabhängig von der Frage der Rechtsähnlichkeit zwischen Verein ohne Rechtspersönlichkeit und GbR. Zwar fehle es an einer ausdrücklichen Regelung der Grundbuchfähigkeit des Vereins ohne Rechtspersönlichkeit, aber auch für den eingetragenen Verein bestehe keine solche ausdrückliche Regelung. § 15 Abs. 1 Nr. 2 GBV, der die Grundbuchfähigkeit des eingetragenen Vereins voraussetzt, könne zur Auslegung nicht herangezogen werden, da es sich bei der GBV um eine Rechtsverordnung handle (Demharter, GBO, 33. Aufl., § 1 Rn. 104), die nicht den Inhalt des höherrangigen Gesetzesrechts bestimmen könne. Eine Regelungslücke bestehe auch nicht deshalb, weil in der Gesetzesbegründung zum MoPeG die Frage der Grundbuchfähigkeit des Vereins ohne Rechtspersönlichkeit nicht ausdrücklich erwähnt werde. Gegenstand des MoPeG sei mit der Änderung des § 54 BGB die endgültige Ausgliederung des bisherigen nicht eingetragenen Vereins aus dem Recht der GbR und dessen Unterstellung als Verein ohne Rechtspersönlichkeit unter das als bekannt vorausgesetzte Vereinsrecht. Aus diesem ergebe sich die Antwort auf die Frage, so dass keine Notwendigkeit bestanden habe, dies in der Gesetzesbegründung ausdrücklich zu wiederholen. Schon gar nicht könne aus der Gesetzesbegründung, wonach hinsichtlich des Vereins ohne Rechtspersönlichkeit lediglich eine Anpassung des Gesetzestextes an die ohnehin bestehende Rechtslage erfolgt sei, gefolgert werden, der Gesetzgeber habe die in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21.1.2016 – V ZB 19/15 (FGPrax 2016, 97) für den nicht eingetragenen Verein beschriebene Rechtslage beibehalten wollen. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs stütze sich auf die Verweisung in § 54 S. 1 BGB a. F. auf das Recht der GbR und damit auch § 47 Abs. 2 GBO a. F. Beide Vorschriften seien durch das MoPeG grundlegend geändert, so dass schwerlich angenommen werden könne, der Gesetzgeber habe gleichwohl den Inhalt der Entscheidung des Bundesgerichtshofs beibehalten wollen. Die weiteren Argumente zur Entlastung der Grundbuchämter und der zweckmäßigen Aufgabenteilung zwischen Grundbuchamt und Registergericht mögen rechtspolitisch ihre Berechtigung haben. Der Gesetzgeber habe sich aber für ein anderes Regelungsmodell entschieden.
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Nach Überzeugung des Senats sprechen die besseren Argumente für die (weitere) Grundbuchfähigkeit des Idealvereins ohne Rechtspersönlichkeit. Zwar hat sich der Gesetzgeber des MoPeG in der Gesetzesbegründung zur Streichung von § 50 Abs. 2 ZPO und § 735 ZPO lediglich dahingehend geäußert, dass der Idealverein ohne Rechtspersönlichkeit materiell rechtsfähig und auch aktiv und passiv parteiwie auch vollstreckungsfähig sei (BegrRegE, BT-Drs. 19/27635, 202). Der Gesetzgeber wollte mit § 54 Abs. 1 S. 1 BGB n. F. die Verweisung aber nur „an die schon seit langem bestehende Rechtslage“ anpassen (RegE, BT-Drs. 19/27635, 124). Diese ist aber durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gekennzeichnet, die eine Grundbuchfähigkeit des nicht eingetragenen Vereins bejaht hat (Beschluss vom 21.1.2016 – V ZB 19/15 = FGPrax 2016, 97). Dass § 47 Abs. 2 GBO n. F. nicht mehr für Idealvereine ohne Rechtspersönlichkeit herangezogen werden kann, dient nicht als Gegenargument, zumal auf § 47 Abs. 1 GBO rekurriert werden kann. Ebenso wenig spricht die Neufassung des § 15 GBV gegen die vom Senat vertretene Auffassung. Zum einen kann auch eine neu gefasste Rechtsverordnung nicht den Inhalt eines höherrangigen Rechts bestimmen, zum anderen regelt sie nur die Fassung der Eintragung. Aus der Verweisung in § 54 Abs. 1 S. 1 BGB n. F. auf die §§ 24 – 53 BGB lässt sich wiederum weder für die eine noch für die andere Auffassung Eindeutiges entnehmen.
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b) Der Senat kann nicht selbst in der Sache entscheiden, da weitere Eintragungshindernisse bestehen. Diese sind allerdings behebbar und deshalb zum Gegenstand einer durch das Grundbuchamt zu erlassenden Zwischenverfügung zu machen. Zum einen fehlt der Nachweis der Vertretungsbefugnis des Vorstands (Gummert ZPG 2024, 370, 376). Zum anderen ist z. B. durch Vorlage der Vereinssatzung nachzuweisen, dass dem Beteiligten zu 3) kein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zugrunde liegt. Denn danach ist zu beurteilen, ob sich die Grundbuchfähigkeit nach § 54 Abs. 1 S. 1 BGB und damit nach Vereinsrecht oder aber nach S. 2 der Vorschrift und damit nach Gesellschaftsrecht richtet. Im Hinblick auf § 29 Abs. 1 S. 2 GBO weist der Senat dabei auf Folgendes hin: Nach § 54 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 25 BGB bedarf bei einem Verein ohne Rechtspersönlichkeit die Satzung keiner Form (Grüneberg/Ellenberger § 25 Rn. 3; MüKoBGB/Leuschner § 25 Rn. 32; BeckOGK/Segna, BGB, Stand: 1.4.2024, § 25 Rn. 32). Es besteht daher für die Gründungsmitglieder oftmals keine Notwendigkeit, die Satzung beurkunden zu lassen. Würde an dem strengen Formerfordernis des § 29 Abs. 1 S. 2 GBO festgehalten, könnte dies zu einer unüberwindbaren Beweisnot der Beteiligten führen. Daher kann auch eine nur in privatschriftlicher Form vorgelegte Satzung als Nachweis genügen (zur vergleichbaren Situation bei Gesellschaftsverträgen von BGB-Gesellschaften in der Zeit vor Inkrafttreten des MoPeG: Senat, Beschluss vom 28.7.2015 – 34 Wx 106/15 = FGPrax 2015, 250; Beschluss vom 24.10.2014 – 34 Wx 176/14 = FGPrax 2015, 57, 58; BayObLGZ 1992, 259, 261 ff.; Demharter § 22 Rn. 42).
III.
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Eine Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist nicht veranlasst, weil die Beteiligten diese zunächst gemäß § 22 Abs. 1 GNotKG schon von Gesetzes wegen zu tragen haben und ihre diesbezügliche Haftung aufgrund ihres Obsiegens gemäß § 25 Abs. 1 GNotKG ebenfalls von Gesetzes wegen erloschen ist.