Titel:
Beweis einer Forderung im Insolvenzeröffnungsverfahren
Normenketten:
InsO § 14 Abs. 1
ZPO § 91a
BGB § 242
Leitsätze:
1. Erklärt der antragstellende Gläubiger den Insolvenzantrag für erledigt und schließt sich der Schuldner der Erledigungserklärung nicht an, ist über den durch die Erledigungserklärung geänderten Eröffnungsantrag zu entscheiden, darüber also, ob der Antrag zulässig und begründet war und sich durch ein nachträglich eingetretenes Ereignis erledigt hat. (Rn. 12 – 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Beweis für eine Forderung, auf die ein Insolvenzantrag gestützt wird, kann durch Vorlage eines vorläufig vollstreckbaren Titels geführt wurden, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Titel rechtskräftig ist. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Soll der Eröffnungsgrund aus einer Forderung des antragstellenden Gläubigers abgeleitet werden und ist diese Forderung bestritten, muss sie für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewiesen sein. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine Gläubigerin, die gegen Leistung einer Sicherheit die Einstellung sämtlicher Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Berufungsverfahrens zusagt, gleichwohl aber auf der Grundlage dieser Forderung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt, handelt treuwidrig. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
5. Es ist nicht Aufgabe des Insolvenzgerichts, den Bestand ernsthaft bestrittener, rechtlich zweifelhafter Forderungen zu überprüfen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Insolvenzantrag, Gläubigerantrag, Erledigung, Eröffnungsgrund, Titel, vorläufige Vollstreckbarkeit, Rechtskraft, Treuwidrigkeit
Vorinstanz:
AG München, Beschluss vom 14.05.2025 – 1504 IN 12299/24
Fundstellen:
ZInsO 2025, 1971
ZRI 2025, 926
FDInsR 2025, 021573
BeckRS 2025, 21573
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 14.05.2025, Az. 1504 IN 12299/24, wird zurückgewiesen.
2. Die Gläubigerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
4. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 8.000,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Die Gläubigerin wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 03.06.2025 (BI. 212-214 d.A.) gegen den Beschluss des Insolvenzgerichts vom 14.05.2025 (BI. 207- 209 d.A.), wonach der Antrag der Gläubigers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin als unzulässig zurückgewiesen wurde.
2
Mit Schriftsatz vom 23.12.2024 stellte die Gläubiger Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (BI. 1- 6 d.A.). Die Gläubigerin trug vor, dass ihr gegenüber der Schuldnerin fällige Mieten in Höhe von 558.518,25 € zustehen würden, hiervon sei bereits aufgrund eines erstinstanzlichen Endurteils des LG Berlin vom 07.03.2024, Az. 11 O 153/22, ein Hauptsachebetrag in Höhe von 313.039,40 € tituliert. Hinsichtlich eines Teilbetrages in Höhe von 132.42,77 € sei am 09.04.2024 beim LG Berlin, Az. 11 O 137/24, Klage eingereicht worden.
3
Die Schuldnerin legte gegen das Endurteil des LG Berlin vom 07.03.2024, Az. 11 O 153/22, Berufung ein. Die Parteien einigten sich am 30.04.2024 bezüglich dieses Verfahrens sodann bis zu einer instanzbeendenden Entscheidung auf die Einstellung der Zwangsvollstreckung und einen Verzicht auf weitere Vollstreckungsmaßnahmen, wenn die Schuldnerin Sicherheit in Höhe von 200.000,00 € leistet (Anlage 9). Unstreitig leistete die Schuldnerin sodann gegenüber der Hinterlegungsstelle des AG Tiergarten diese Sicherheit.
4
Mit Schriftsatz vom 27.01.2025 beantragte die Schuldnerin den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als unzulässig zurückzuweisen und begründete dies damit, dass die Gläubigern weder ein rechtliches Interesse an der Verfahrensdurchführung noch eine fällige unstreitige Forderung noch einen Insolvenzgrund glaubhaft gemacht habe. Die Gläubigerin verfolgte mit ihrem „Druckantrag“ vielmehr verfahrensfremde Ziele.
5
Mit Schriftsatz vom 18.02.2025 legte die Schuldnerin eine Patronatserklärung ihrer Gesellschafter vom 17.02.2025 (Anlage AG 6) vor, wonach im Falle einer Verurteilung der Schuldnerin im Verfahren LG Berlin, Az. 11 O 137/24, die Gesellschafter entsprechend ihrer Beteiligung an der Schuldnerin gegenüber der Gläubigerin auf erstes Anfordern haften werden.
6
Mit Schriftsatz vom 03.03.2025 erklärte die Gläubigerin den Eröffnungsantrag für erledigt und beantragte mit Schriftsatz vom 08.04.2025 der Schuldnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
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Mit Schriftsatz vom 13.03.2025 widersprach die Schuldnerin der Erledigterklärung.
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Mit Beschluss vom 14.05.2025 wies das AG München – Insolvenzgericht – den Antrag der Gläubigerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als unzulässig zurück (BI. 131-133 d.A.).
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Hiergegen wendete sich die Gläubigerin mit ihrer am 02.06.2025 erhobenen und am 16.06.2025 begründeten sofortigen Beschwerde.
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Mit Beschluss vom 07.07.2025 hat das AG München – Insolvenzgericht – der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akte dem LG München I zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde vorgelegt.
11
Die nach §§ 6, 34 Abs. 1 InsO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet, soweit es das Vorliegen eines zulässigen Gläubigerantrags im Sinne des § 14 Abs. 1 InsO betrifft.
12
Vorliegend wurde der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens von der antragstellenden Gläubigerin für erledigt erklärt. Dies ist zulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 24.9.2020 – IX ZB 71/19).
13
Schließt sich der Schuldner der Erledigung an, ist damit das Eröffnungsbegehren nicht mehr anhängig. Es ist nur noch eine Kostenentscheidung zu treffen. Widerspricht – wie hier – der Schuldner, ist dagegen weiterhin über den durch die Erledigungserklärung geänderten Eröffnungsantrag zu entscheiden, darüber also, ob der Antrag zulässig und begründet war und sich durch ein nachträglich eingetretenes Ereignis erledigt hat. War der Insolvenzantrag von Anfang an unzulässig, so hat das Gericht trotz der einseitigen Erledigungserklärung des Gläubigers in der Sache selbst zu entscheiden und den Antrag auf Kosten des Antragstellers zurückzuweisen (Uhlenbruck/Wegener, 15. Aufl. 2019, InsO § 14 Rn. 171; BGH, Beschluss vom 25.09.2008 – IX ZB 131/07).
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Die vom AG München – Insolvenzgericht – getroffene Entscheidung der Antragszurückweisung ist aus Sicht des Beschwerdegerichts gut vertretbar.
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1. Nach § 13 Abs. 1 S. 1 InsO wird das Insolvenzverfahren nur auf schriftlichen Antrag eröffnet. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde vorliegend durch die Gläubigerin formgerecht am 23.12.2024 gestellt.
16
2. Nach § 14 Abs. 1 InsO muss der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens haben und seine Forderung sowie den Eröffnungsgrund im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über den Antrag (Uhlenbruck/Wegener, 15. Aufl. 2019, InsO § 14 Rn. 22) glaubhaft gemacht haben. Eröffnet wird das Verfahren, wenn zur vollen Überzeugung des Gerichts ein Eröffnungsgrund gegeben ist (§ 16 InsO). Abzustellen ist vorliegend auf den Zeitpunkt der Erledigterklärung.
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Nachfolgend ist zu differenzieren zwischen der bereits erstinstanzlich titulierten Klageforderung in Höhe von 313.039,40 € (2.1.) sowie der erstinstanzlich anhängigen Klageforderung in Höhe von 132.42,77 € (2.2.).
18
2.1. Soll der Eröffnungsgrund aus einer Forderung des antragstellenden Gläubigers abgeleitet werden und ist diese Forderung bestritten, muss sie für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewiesen sein. Der Beweis gelingt, wenn die Forderung des Schuldners in einer Entscheidung zumindest als vorläufig vollstreckbar tituliert ist (Uhlenbruck/Wegener, 15. Aufl. 2019, InsO § 14 Rn. 43). Dies gilt auch dann, wenn die titulierte Forderung noch nicht rechtskräftig ist. Der BGH unterscheidet nicht zwischen rechtskräftigen und nicht rechtskräftigen Titeln, solange die Forderung auch bei einem nicht rechtskräftigen Titel vorläufig vollstreckbar ist (Uhlenbruck/Wegener, 15. Aufl. 2019, InsO § 14 Rn. 44 mit Verweis auf BGH Beschluss vom 6.5.2010 – IX ZB 176/09). Jedoch ist die Zwangsvollstreckung aus einem nicht rechtskräftigen Titel grds erst nach Sicherheitsleistung des Gläubigers zulässig, § 709 ZPO (Uhlenbruck/Wegener, 15. Aufl. 2019, InsO § 14 Rn. 43). Hat der Gläubiger die nach § 709 ZPO erforderliche Sicherheitsleistung nicht erbracht und ist der Titel daher nicht vorläufig vollstreckbar, ist die titulierte Forderung wertungsmäßig mit einer nicht titulierten Forderung vergleichbar (Uhlenbruck/Wegener, 15. Aufl. 2019, InsO § 14 Rn. 45). Gleiches muss aus Sicht des Beschwerdegerichts auch dann gelten, wenn der Schuldner Sicherheit geleistet hat und sich die Parteien darauf verständigt haben, dass keine weiteren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aus dem Titel eingeleitet werden, zumal die Schuldnerin im zugrundeliegenden Verfahren Einwendungen erhoben hat, die nunmehr im Berufungsverfahren geprüft werden. Aufgrund der geleisteten Sicherheit sind die Einwendungen des Schuldners gegen die nicht rechtskräftig titulierte, aber vorläufig vollstreckbare Forderung, wieder zu berücksichtigen ((Uhlenbruck/Wegener, 15. Aufl. 2019, InsO § 14 Rn. 44; BGH (9. Zivilsenat), Beschluss vom 06.05.2010 – IX ZB 176/09). Nicht man aufgrund des laufenden Berufungsverfahrens und der dort vorgetragenen Einwendungen (insbesondere, die der unwirksamen Befristungsvereinbarung) sodann die fehlende Glaubhaftmachung der Forderung an, ist dies im Ergebnis nicht zu beanstanden.
19
Jedenfalls die Entscheidung des AG München – Insolvenzgericht – aufgrund der Vereinbarung über die Einstellung der Zwangsvollstreckung vom 30.04.2024 (Anlage 9) das Rechtsschutzbedürfnis der Gläubigerin entfallen zu lassen, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden (vgl. hierzu Uhlenbruck/Wegener, 15. Aufl. 2019, InsO § 14 Rn. 80). Auch wenn aufgrund des Wortlautes der Vereinbarung nicht von einer Stundung auszugehen ist, findet hier gleichfalls der Grundsatz von Treu und Glauben Anwendung. Eine Gläubigerin, die einerseits für die Zahlung einer Sicherheit in Höhe von 200.000,00 € die Einstellung sämtlicher Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Berufungsverfahrens zusagt, andererseits aber auf der Grundlage dieser Forderung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt, handelt treuwidrig. Auf die Ausführungen des Insolvenzgerichts wird ausdrücklich Bezug genommen.
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2.2. Der Gläubiger hat bei einer nicht titulierten Forderung den Forderungsgrund schlüssig darzulegen und den Bestand der dem Antrag zugrunde liegenden Forderung durch geeignete Unterlagen glaubhaft zu machen. Aufgrund des klagestattgebenden erstgerichtlichen Urteils im Verfahren LG Berlin vom 07.03.2024, Az. 11 O 153/22 kann hinsichtlich der Forderung im Verfahren LG Berlin vom 07.03.2024, Az. 11 O 153/22 durchaus bereits von einer Glaubhaftmachung ausgegangen werden.
21
Soll der Eröffnungsgrund jedoch aus einer einzigen Forderung des antragstellenden Gläubigers abgeleitet werden und ist diese Forderung bestritten, genügt die Glaubhaftmachung nicht; sie muss dann für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewiesen sein. Vorliegend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass bezüglich beider dargelegter Klageforderungen lediglich „eine“ Forderung in diesem Sinne anzunehmen ist. In beiden Verfahren vor dem LG Berlin sind Mietrückstände aus demselben Mietverhältnis streitgegenständlich, die in ihrer Gesamtheit nur dann tatsächlich bestehend würden, wenn – wie erstinstanzlich entschieden – von einem befristeten Mietverhältnis auszugehen wäre. Dies ist jedoch zwischen den Parteien streitig und die Wirksamkeit der ausgesprochenen ordentlichen Kündigung ist Gegenstand der Überprüfung durch das Berufungsgericht.
22
Es ist nicht Aufgabe des Insolvenzgerichts, den Bestand ernsthaft bestrittener, rechtlich zweifelhafter Forderungen zu überprüfen (BGH, Beschluss vom 23.6.2016 – IX ZB 18/15). Fällt die tatsächliche oder rechtliche Beurteilung der bestrittenen Forderung durch das Gericht nicht eindeutig aus, ist der Gläubiger mit seiner Glaubhaftmachung gescheitert. Zweifel gehen zu seinen Lasten. Der Insolvenzantrag ist nach der Rechtsprechung als unzulässig zurückzuweisen und der Antragsteller – da das Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren nicht zu einer Beweisaufnahme befugt ist – auf den ordentlichen Rechtsweg zu verweisen. Auch diesbezüglich sind die Ausführungen des Insolvenzgerichts nicht zu beanstanden.
23
2.3. Aufgrund des Streits über die Wirksamkeit der Befristung bzw. der Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung ist aus Sicht des Beschwerdegerichts – auch unter Berücksichtigung der geleisteten Sicherheit in Höhe von 200.000,00 € – nicht auszuschließen, dass eine bloße Zahlungsunwilligkeit auf Seiten der Schuldnerin vorliegt.
24
Den vorstehenden Gesichtspunkten hat das Insolvenzgericht ausreichend Rechnung getragen. Der insoweit angelegte Maßstab für die Glaubhaftmachung ist streng aber nicht überzogen. Letztlich sind die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien und die Frage des Bestehens wechselseitiger Forderungen mithin nicht hinreichend erhellt. Dies zu tun liegt – jedenfalls im vorliegenden Fall – indes nicht im Aufgabenbereich des Insolvenzgerichts. Dies ist bereits in der angefochtenen Entscheidung deutlich und zutreffend zum Ausdruck gebracht worden. Von Seiten des Beschwerdegerichts ist insoweit nichts hinzuzufügen.
25
Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens war daher bereits vor Erledigung unzulässig und damit zurückzuweisen.
26
Die sofortige Beschwerde hat somit keinen Erfolg.
27
Die Kostenfolge beruht auf § 14 InsO i.V.m. § 97 ZPO.
28
Maßgebend für den Wert der Beschwer im Rechtsmittelverfahren ist das Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Nach einer einseitigen Erledigungserklärung richtet sich die Beschwer des Rechtsmittelführers regelmäßig nach der Summe der bis zum Zeitpunkt der Erledigungserklärung entstandenen Kosten. An die Stelle des Sachinteresses tritt für beide Parteien das Kosteninteresse (BGH, Beschluss vom 18.6.2015 – V ZR 224/14).
29
Das Kosteninteresse wird mit 8.000,00 € bemessen.
30
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, §§ 4 InsO, 574 Abs. 2 ZPO. Die Sache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung.