Inhalt

OLG München, Beschluss v. 19.08.2025 – 25 W 799/25 e
Titel:

Befangenheitsablehnung nach Parteierweiterung auf den Sachverständigen

Normenkette:
ZPO § 41 Nr. 1, § 42 Abs. 1, § 72 Abs. 2, § 145, § 263, § 406 Abs. 1, Abs. 2 S. 2, § 407 Abs. 2
Leitsätze:
1. Hat das Gericht einen Sachverständigen bestimmt, der zunächst nicht Partei des Rechtsstreits war, und wird die Klage auf diesen Sachverständigen erweitert, so begründet dies regelmäßig keine Stellung des Sachverständigen als "Partei" iSv § 41 Nr. 1 Alt. 1, § 42 Abs. 1 Alt. 1, § 406 Abs. 1 ZPO und keinen Ablehnungsgrund nach diesen Vorschriften. Der Zweck dieser Vorschriften, wonach niemand Sachverständiger in eigener Sache sein darf, gebietet es, solche Fälle aus dem Anwendungsbereich auszunehmen, in denen dieser Zweck nicht berührt ist, weil der Sachverständige lediglich eine formale und vorübergehende Parteistellung im selben Rechtsstreit erlangt, die als solche eine neutrale Gutachtenerstattung nicht beeinträchtigt. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Parteierweiterung auf den Sachverständigen ist regelmäßig objektiv rechtsmissbräuchlich. Selbst wenn die klageerweiternde Partei meinen sollte, ein anerkennenswertes Interesse nicht nur an einer Klage gegen den Sachverständigen, sondern auch an deren Verfolgung im selben Verfahren zu haben, ginge es nicht an, entgegen den verfahrensrechtlichen Grundregeln die Stellung des gerichtlich bestellten Sachverständigen der Disposition einer Partei zu überlassen. Deshalb verbietet sich – auch nach dem Rechtsgedanken des § 72 Abs. 2 ZPO – eine Parteierweiterung auf den gerichtlich bestellten Sachverständigen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Lücken und Unzulänglichkeiten des Gutachtens rechtfertigen für sich allein nicht die Ablehnung eines gerichtlichen Sachverständigen wegen Befangenheit, weil dessen Unparteilichkeit dadurch nicht in Frage gestellt wird. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Befangenheitsantrag, Besorgnis der Befangenheit, Ablehnungsgesuch, Parteierweiterung, Rechtsmissbrauch
Vorinstanz:
LG München II, Beschluss vom 17.04.2025 – 10 O 3617/22 Ver
Fundstellen:
BeckRS 2025, 21519
DS 2025, 289

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts München II vom 17.04.2025, Az. 10 O 3617/22 Ver, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
1
Der Kläger unterhielt bei der zunächst alleinigen Beklagten (zu 1) eine Kaskoversicherung für ein Luftfahrzeug. Wegen dessen Absturz am 21. November 2021 erbrachte die Beklagte eine reduzierte Versicherungsleistung. Der Kläger hat die Zahlung einer weiteren Versicherungsleistung, die Beklagte widerklagend die Rückzahlung der erbrachten Leistung verlangt (vgl. Schriftsatz vom 21. Mai 2024, S. 16 unter II = Bl. 266 d. A. LG). Der Kläger hat den vom Landgericht bestimmten Sachverständigen, auf den er die Klage erweitert hat, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Gegen die das Ablehnungsgesuch zurückweisende Entscheidung des Landgerichts wendet sich der Kläger mit seiner sofortigen Beschwerde. Die hierfür besonders erheblichen Teile der Prozessgeschichte lassen sich im Wesentlichen wie folgt zusammenfassen:
2
Mit Beweisbeschluss vom 18. Juli 2023 (Bl. 107/110 d. A. LG) hat das Landgericht die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens angeordnet und … zum Sachverständigen bestimmt. Der Sachverständige hat ein schriftliches Gutachten vom 30. Januar 2024 (Bl. 163/198 d. A. LG) erstattet. Hierzu hat das Landgericht den Parteien eine zuletzt bis 10. April 2024 verlängerte Frist zur Stellungnahme gesetzt. Mit an diesem Tag eingegangenem Schriftsatz vom 10. April 2024 (Bl. 212/245 d. A. LG) hat der Kläger unter anderem eine Besorgnis der Befangenheit geltend gemacht, die sich aus in dem Schriftsatz dargelegten Unzulänglichkeiten des Gutachtens ergebe (aaO S. 33 drittletzter Absatz), und die Entlassung des Sachverständigen beantragt (aaO S. 33 Abs. 4). Nach Anordnung eines ergänzenden Gutachtens desselben Sachverständigen durch Beschluss vom 21. Juni 2024 (Bl. 269/270 d. A. LG; vgl. auch Verfügung vom 17. Juli 2024, Bl. 307/308 d. A. LG) hat der Kläger mit Schriftsatz vom 13. September 2024 (Bl. 316/318 d. A. LG) ausgeführt, er wolle „noch einmal darlegen, warum der Sachverständige … für die weitere Beurteilung der Angelegenheit nicht geeignet und im Übrigen wegen Befangenheit abzulehnen“ sei, der Kläger stelle „den Befangenheitsantrag hiermit bereits heute noch einmal ausdrücklich“.
3
Mit Schriftsatz vom 16. September 2024 (Bl. 319/401 d. A. LG) hat der Kläger mehrere Gründe angeführt, die aus seiner Sicht für eine Voreingenommenheit des Sachverständigen sprächen, und (nochmals) einen Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen gestellt (aaO S. 14). Mit demselben Schriftsatz (S. 62 unter IV) hat der Kläger die Klage gegen die Beklagte zu 1 um einen Antrag auf Herausgabe von Daten erweitert. Ferner hat er die Klage gegen die Beklagte zu 1 und gegen den als Beklagten zu 2 bezeichneten Sachverständigen erweitert (aaO S. 1 f) um einen Feststellungsantrag gegen die Beklagten zu 1 und 2 aufgrund unzulänglicher Erstellung und Fehlerhaftigkeit des Gutachtens (aaO S. 72).
4
Diesen Schriftsatz hat das Landgericht dem Sachverständigen mit folgender Verfügung (vom 18. September 2024, Bl. 405 d. A. LG) zugestellt: „Der Sachverständige erhält hiermit Gelegenheit, sich binnen 3 Wochen zu dem gegen ihn gestellten Befangenheitsantrag, sowie zu den in den Schriftsätzen vom 28.06.2024 und 16.09.2024 hierfür dargelegten Gründen, Stellung zu nehmen. Sollte eine Stellungnahme innerhalb dieser Frist angesichts des Umfangs der klägerischen Schriftsätze nicht möglich sein, wird um rechtzeitige Mitteilung gebeten.“ Mit Verfügung vom 15. Oktober 2024 (Bl. 413/415 d. A. LG) hat das Landgericht die Frist verlängert, die Parteien darauf hingewiesen, dass die Klageerweiterung dem Beklagten zu 2 noch nicht förmlich unter Anordnung einer Verfahrensart zugestellt worden sei, und unter anderem auf Bedenken gegen die Zulässigkeit einer Klageerweiterung gegen den Sachverständigen hingewiesen. Der Sachverständige hat sich mit Schreiben vom 28. Oktober 2024 (Bl. 416/417 d. A.) zu dem Befangenheitsantrag geäußert. Mit Schriftsatz vom 5. November 2024 (Bl. 419/420 d. A. LG) hat der Kläger sich damit einverstanden erklärt, die Zustellung der Klage gegen den Sachverständigen zunächst zurückzustellen. Im Schriftsatz vom 26. November 2024 (Bl. 437/444 d. A. LG, S. 8 letzter Absatz) hat der Kläger ausgeführt: „Der Befangenheitsantrag bleibt daher bestehen, wobei der Sachverständige aber auch wegen der zwischenzeitlich gegen ihn erhobenen Klage in diesem Verfahren nicht weiter tätig werden kann.“
5
Nach Rückfrage des Landgerichts (Bl. 446 d. A. LG), die der Kläger mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2024 beantwortet hat (Bl. 447/450 d. A. LG), hat das Landgericht mit Verfügung vom 9. Dezember 2024 (Bl. 452/453 d. A. LG) „aufgrund der Klageerweiterung auf den Beklagten zu 2 in Bezug auf den Beklagten zu 2 ein schriftliches Vorverfahren“ angeordnet und dem Beklagten zu 2 unter anderem eine Klageerwiderungsfrist von vier Wochen gesetzt. Die Verfügung ist dem Kläger und der Beklagten zu 1 mitgeteilt und dem Sachverständigen als Beklagtem zu 2 zusammen mit dem Schriftsatz vom 16. September 2024 sowie weiteren Schriftsätzen und Verfügungen am 12. Dezember 2024 zugestellt worden. Der Beklagte zu 2 hat durch seine Prozessbevollmächtigte eine Verteidigungsanzeige und eine Klageerwiderung (vom 20. Dezember 2024, Bl. 456/458 d. A. LG) eingereicht, wobei er unter anderem ausgeführt hat, die Klage gegen ihn sei wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig. Die Klageerwiderung ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 27. Dezember 2024 zugestellt worden. Innerhalb der vom Landgericht gesetzten und bis 7. Februar 2025 verlängerten Frist hat der Kläger mit am selben Tag eingegangenem Schriftsatz vom 7. Februar 2025 (Bl. 463/491 d. A. LG) zur Klageerwiderung Stellung genommen.
6
Mit Verfügung vom 18. März 2025 (Bl. 493/494 d. A. LG) hat das Landgericht darauf hingewiesen, vor einer Entscheidung über den Befangenheitsantrag sei dem Sachverständigen auch Gelegenheit zur Stellungnahme zum weiteren, nunmehr geltend gemachten Befangenheitsgrund zu geben, wonach er zwischenzeitlich durch Zustellung der Klageerweiterung als Partei am Verfahren beteiligt (worden) sei und daher als Sachverständiger „nicht weiter tätig werden“ könne. Der Sachverständige hat mit Schreiben vom 24. März 2025 (Bl. 495 d. A. LG) ausgeführt, weder als Folge der Tatsache der Zustellung der Klage als solches noch ansonsten sehe er sich als befangen an. Hierzu hat sich der Kläger mit Schriftsatz vom 7. April 2025 (Bl. 496/497 d. A. LG) geäußert.
7
Mit Beschluss vom 17. April 2025 (Bl. 499/507 d. A. LG) hat das Landgericht den Antrag des Klägers auf Ablehnung des Sachverständigen zurückgewiesen. Gegen den am 25. April 2025 zugestellten Beschluss hat der Kläger mit Schriftsatz vom 9. Mai 2025 (Bl. 509/532 d. A. LG), eingegangen am selben Tag, sofortige Beschwerde eingelegt. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde. Der Kläger hält an seinem Antrag fest, den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit zu entlassen (vgl. Schriftsatz vom 5. Juni 2025, Bl. 544/546 d. A. LG). Mit Beschluss vom 5. Juni 2025 (Bl. 548/550 d. A. LG) hat das Landgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Hierzu hat der Beklagte zu 2 und Sachverständige mit Schriftsatz vom 14. Juli 2025 (Bl. 10/11 d. A. OLG) Stellung genommen, der Kläger mit Schriftsatz vom 29. Juli 2025 (Bl. 12/43 d. A. OLG). Zu diesem Schriftsatz hat sich der Beklagte zu 2 und Sachverständige mit Schriftsatz vom 7. August 2025 (Bl. 44/45 d. A. OLG) geäußert.
II.
8
Die zulässige sofortige Beschwerde des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht das Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen zurückgewiesen. Das Ablehnungsgesuch ist teilweise schon unzulässig und im Übrigen unbegründet.
9
1. Unzulässig ist das Ablehnungsgesuch insoweit, als es auf den Grund gestützt wird, der Sachverständige könne wegen der zwischenzeitlich gegen ihn erhobenen Klage in diesem Verfahren nicht weiter tätig werden.
10
a) Dieser potentielle Ablehnungsgrund (vgl. § 41 Nr. 1 Fall 1, § 42 Abs. 1 Fall 1, § 406 Abs. 1 ZPO) ist nicht innerhalb der Frist des § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO geltend gemacht worden (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2006 – VII ZR 207/04, NJW-RR 2006, 1221 Rn. 8 ff). Hierbei kann dahinstehen, ob eine Geltendmachung dem Kläger schon ab der Einreichung seines Schriftsatzes vom 16. September 2024 möglich war, der die Klageerweiterung auf den Sachverständigen enthält, oder erst ab der Zustellung dieses Schriftsatzes als Klageerweiterung an den Sachverständigen als Beklagten zu 2 im Dezember 2024. In beiden Fällen fehlt es an einer fristgemäßen Geltendmachung.
11
Mit Einreichung des Schriftsatzes vom 16. September 2024 wusste der Kläger, dass er damit seine Klage auf den Sachverständigen als Beklagten zu 2 erweiterte und dieser als Partei in den vorliegenden Rechtsstreit einbezogen werden sollte. Der Kläger war nicht ohne sein Verschulden verhindert, diesen Umstand schon zu diesem Zeitpunkt geltend zu machen. Tatsächlich hat der Kläger erst im Schriftsatz vom 26. November 2024 gerügt, der Sachverständige könne wegen der zwischenzeitlich gegen ihn erhobenen Klage in diesem Verfahren nicht weiter tätig werden.
12
Von der Zustellung des Schriftsatzes vom 16. September 2024 an den Sachverständigen als Klageerweiterung gegen diesen hat der Kläger im Dezember 2024 erfahren, spätestens mit der Zustellung der Klageerwiderung an den Kläger am 27. Dezember 2024. Den Umstand der Klagezustellung hat der Kläger nicht innerhalb der Frist des § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO als Ablehnungsgrund geltend gemacht. Der Kläger hat erst am 7. Februar 2025 wieder einen Schriftsatz eingereicht. Dabei kommt es nicht darauf an, dass damit die vom Gericht gesetzte und verlängerte Frist zur Stellungnahme zur Klageerwiderung gewahrt wurde; der hier infrage stehende Ablehnungsgrund würde sich nicht aus dem Inhalt der Klageerwiderung ergeben, sondern aus dem Umstand der Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses durch die Klagezustellung am 12. Dezember 2024. Der Kläger war nicht ohne sein Verschulden verhindert, diesen Grund geltend zu machen.
13
b) Selbst wenn man das Ablehnungsgesuch im dargestellten Umfang für zulässig halten wollte, könnte es jedenfalls in der Sache keinen Erfolg haben. Die Stellung des Sachverständigen als Adressat einer Parteierweiterung stellt hier keinen Ablehnungsgrund dar.
14
aa) Gemäß § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Richter kann gemäß § 42 Abs. 1 ZPO sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Ein Richter ist gemäß § 41 Nr. 1 Fall 1 ZPO von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes in Sachen ausgeschlossen, in denen er selbst Partei ist.
15
bb) Hat das Gericht einen Sachverständigen bestimmt, der zunächst nicht Partei des Rechtsstreits war, und wird die Klage auf diesen Sachverständigen erweitert, so begründet dies regelmäßig keine Stellung des Sachverständigen als „Partei“ im Sinne von § 41 Nr. 1 Fall 1, § 42 Abs. 1 Fall 1, § 406 Abs. 1 ZPO und keinen Ablehnungsgrund nach diesen Vorschriften. Der Zweck dieser Vorschriften, wonach niemand Sachverständiger in eigener Sache sein darf, gebietet es, solche Fälle aus dem Anwendungsbereich auszunehmen, in denen dieser Zweck nicht berührt ist, weil der Sachverständige lediglich eine formale und vorübergehende Parteistellung im selben Rechtsstreit erlangt, die als solche eine neutrale Gutachtenerstattung nicht beeinträchtigt.
16
(1) Der Eintritt einer neuen Person als Partei während der ersten Instanz wird nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung als Klageänderung angesehen, und zwar ohne Unterschied, ob die neu verklagte Person an die Stelle des bisherigen Beklagten oder neben diesen tritt (BGH, Urteil vom 17. Oktober 1963 – II ZR 77/61, BGHZ 40, 185, juris Rn. 15). Auf die parteierweiternde Klage im ersten Rechtszug sind deshalb die Vorschriften über die Klageänderung entsprechend anwendbar (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 1995 – VII ZR 209/94, BGHZ 131, 76, juris Rn. 12 zur Widerklage; Stein/Roth, ZPO, 24. Aufl., § 263 Rn. 72). Eine Parteiänderung in erster Instanz ist nach § 263 ZPO nur zulässig, wenn der Beklagte einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich hält (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 1990 – III ZR 221/88, juris Rn. 5; Stein/Roth, aaO Rn. 68). Dabei kommt es auf die Zustimmung des neuen Beklagten an (Anders/Gehle/Anders, ZPO, 83. Aufl., § 263 Rn. 28; MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 7. Aufl., § 263 Rn. 85; vgl. Stein/Roth, aaO Rn. 72).
17
(2) Die Zustimmung des Sachverständigen wird sich regelmäßig verbieten.
18
Spätestens dann, wenn der Sachverständige sich zur Erstattung des Gutachtens bereit erklärt hat, ist er zu dieser verpflichtet (vgl. § 407 Abs. 2 ZPO). Mit dieser Pflicht wäre es objektiv unvereinbar, einer Einbeziehung in den Rechtsstreit als beklagte Partei zuzustimmen und hierdurch einen Ablehnungsgrund gemäß § 41 Nr. 1 Fall 1, § 42 Abs. 1 Fall 1, § 406 Abs. 1 ZPO herbeizuführen.
19
(3) Die Parteiänderung ist in einer solchen Konstellation auch nicht sachdienlich. Sie ist vielmehr regelmäßig rechtsmissbräuchlich.
20
Gemäß der mit Wirkung vom 31. Dezember 2006 eingefügten Vorschrift des § 72 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind das Gericht und ein vom Gericht ernannter Sachverständiger nicht Dritter im Sinne der Vorschrift über die Zulässigkeit der Streitverkündung an einen Dritten. Ein Schriftsatz, der eine Streitverkündung an das Gericht oder den Sachverständigen enthält, ist gemäß § 72 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht zuzustellen.
21
Angriffe einer Partei auf den Richter (Dienstaufsichtsbeschwerde, Streitverkündungen, Regressklagen usw.) bergen, wenn sie ohne weiteres die Befangenheit begründen würden, die Gefahr des Rechtsmissbrauchs. Parteien könnten manipulativ tätig werden, um sich des gesetzlich berufenen, ihnen aber missliebigen Richters zu entledigen. Diese Wertung wird durch die bereits genannte Einfügung der Vorschrift des § 72 Abs. 2 ZPO durch den Gesetzgeber bestätigt (OLG Frankfurt, NJW-RR 2017, 191 Rn. 22 mwN). Entsprechendes gilt für Streitverkündungen, Regressklagen und ähnliches gegen einen vom Gericht gemäß § 404 ZPO ausgewählten und ernannten Sachverständigen.
22
Soweit eine Prozesspartei in besonderen Fallkonstellationen möglicherweise ein Interesse an einer Interventionswirkung nach § 68 ZPO haben sollte, das jedenfalls nicht den Hauptstreitpunkt über Richtigkeit oder Unrichtigkeit des Sachverständigengutachtens betreffen kann (vgl. dazu Rickert/König, NJW 2005, 1829), kann dies nicht dazu führen, entgegen den dargestellten verfahrensrechtlichen Grundregeln den Rechtsstreit den Gefahren auszusetzen, die aus einer faktischen Parteidisposition über den Sachverständigen resultieren würden. Vielmehr stellt sich eine Streitverkündung an den Sachverständigen regelmäßig als rechtsmissbräuchlicher Versuch dar, einen Sachverständigen, mit dessen Begutachtung die Partei nicht einverstanden ist, aus dem Rechtsstreit zu entfernen, statt die Bedenken, die gegen die gutachterliche Stellungnahme bestehen mögen, mit den insoweit vorgesehenen prozessualen Mitteln zur Geltung zu bringen (BGH, Beschluss vom 27. Juli 2006 – VII ZB 16/06, BGHZ 168, 380 Rn. 13; vom 19. Dezember 2006 – VIII ZB 49/06, NJW 2007, 919 Rn. 5).
23
Aus den gleichen Erwägungen ist auch eine Parteierweiterung auf den Sachverständigen regelmäßig objektiv rechtsmissbräuchlich. Selbst wenn die klageerweiternde Partei meinen sollte, ein anerkennenswertes Interesse nicht nur an einer Klage gegen den Sachverständigen, sondern auch an deren Verfolgung im selben Verfahren zu haben, ginge es nicht an, entgegen den verfahrensrechtlichen Grundregeln die Stellung des gerichtlich bestellten Sachverständigen der Disposition einer Partei zu überlassen. Deshalb verbietet sich – auch nach dem Rechtsgedanken des § 72 Abs. 2 ZPO – eine Parteierweiterung auf den gerichtlich bestellten Sachverständigen.
24
(4) Folge der demnach unzulässigen Parteierweiterung ist die Abtrennung der Klage gegen den Sachverständigen gemäß § 145 ZPO. Lehnt das Gericht bei verweigerter Zustimmung zur Parteierweiterung in erster Instanz eine Sachdienlicherklärung ab, so ist die neue Klage nach § 145 ZPO abzutrennen (Stein/Roth, ZPO, 24. Aufl., § 263 Rn. 78; vgl. Musielak/Voit/Foerste, ZPO, 22. Aufl., § 263 Rn. 25; Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl., § 263 Rn. 22; vgl. auch BAGE 23, 77, juris Rn. 29).
25
cc) Ausgehend von diesen Grundsätzen besteht im Streitfall gegen den Sachverständigen kein Ablehnungsgrund gemäß § 41 Nr. 1 Fall 1, § 42 Abs. 1 Fall 1, § 406 Abs. 1 ZPO. Der Sachverständige hat durch die Parteierweiterung lediglich eine formale und vorübergehende Parteistellung im selben Rechtsstreit erlangt, die als solche eine neutrale Gutachtenerstattung nicht beeinträchtigt. Es ist mit einer Abtrennung der gegen Sachverständigen gerichteten Klage zu rechnen, weil die Parteierweiterung unzulässig ist.
26
Der Sachverständige hat der Parteierweiterung nicht zugestimmt. Vielmehr hat er in der Klageerwiderung vom 20. Dezember 2024 (Bl. 456/458 d. A. LG) ausführen lassen, die Klage gegen ihn sei wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig, wobei sich der Rechtsmissbrauch gerade aus der Geltendmachung im selben Rechtsstreit ergibt.
27
Die Parteierweiterung ist auch nicht sachdienlich. Aus den dargestellten Gründen (s.o. unter bb (3)) ist sie objektiv rechtsmissbräuchlich, ohne dass die Umstände des Streitfalls Anlass zu einer abweichenden Beurteilung gäben.
28
2. Im Übrigen ist das Ablehnungsgesuch unbegründet. Die insoweit vom Kläger geltend gemachten Gründe, die sich auf den Inhalt des schriftlichen Gutachtens vom 30. Januar 2024 (Bl. 163/198 d. A. LG) beziehen, lassen keine Befangenheit des Sachverständigen besorgen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird Bezug genommen auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses vom 17. April 2025 (Bl. 499/507 d. A. LG) und der Nichtabhilfeentscheidung vom 5. Juni 2025 (Bl. 548/550 d. A. LG). Ergänzend merkt das Beschwerdegericht Folgendes an:
29
a) Lücken und Unzulänglichkeiten des Gutachtens rechtfertigen für sich allein nicht die Ablehnung eines gerichtlichen Sachverständigen wegen Befangenheit, weil dessen Unparteilichkeit dadurch nicht in Frage gestellt wird (BGH, Beschluss vom 27. September 2011 – X ZR 142/08, NJW-RR 2011, 1555 Rn. 4 mwN).
30
b) Der Kläger zeigt keine Äußerungen des Sachverständigen auf, die für sich genommen – aus Sicht einer vernünftigen und besonnenen Partei – eine Parteilichkeit des Sachverständigen nahelegen würden.
31
Nicht geeignet sind insoweit fachliche Einwände des Klägers gegen Methodik und Ergebnisse des Gutachtens (s.o. unter a), die nicht im Verfahren über die Ablehnung des Sachverständigen zu klären sind. Die umfangreich ausgeführten Rügen des Klägers wiederholen sich der Sache nach in der Weise, dass er dem Sachverständigen eine Voreingenommenheit gegen ihn anlastet, weil die Methodik und bestimmte Aussagen des Sachverständigen – nach Ansicht des Klägers – (fachlich) falsch seien. Da dies von vornherein ungeeignet ist, um eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen, erübrigt sich ein weiteres – über die Begründung des Landgerichts hinausgehendes – Eingehen auf die vom Kläger herangezogenen Einzelpunkte.
32
c) Der Schriftsatz vom 29. Juli 2025 (Bl. 12/43 d. A. OLG) beschäftigt sich insbesondere eingehend mit dem Vorwurf, der Sachverständige habe eine falsche Flughöhe zugrunde gelegt.
33
Hierzu hat das Landgericht im Nichtabhilfebeschluss angemerkt, der Sachverständige habe ersichtlich die gerichtlich festgestellten Tatsachen zugrunde gelegt. Die klägerische Stellungnahme argumentiert jedoch, warum statt einer Flughöhe von 2.820 m NN eine solche von 2.880 m NN zugrunde zu legen sei. Für das Beschwerdegericht ist nicht nachvollziehbar, warum diese fachliche Auseinandersetzung nicht im Rahmen eines – vom Landgericht bereits angeordneten – Ergänzungsgutachtens oder einer mündlichen Anhörung des Sachverständigen ausgetragen wird, sondern angebliche Unzulänglichkeiten des Gutachtens entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (s.o. unter a) als Ablehnungsgrund angeführt werden.
34
Weiter unverständlich ist vor diesem Hintergrund, dass der Kläger dem Sachverständigen auch vorwirft, seine Angaben zur Flughöhe nicht in dem Moment korrigiert zu haben, als ihm „die Fehlerhaftigkeit vorgehalten und bekannt“ geworden sei (Schriftsatz vom 29. Juli 2025, S. 6 drittletzter Absatz; vgl. auch aaO S. 26 oben, S. 32 Abs. 2): Eine Ergänzung des Sachverständigengutachtens ist (allein) wegen des klägerischen Ablehnungsgesuchs derzeit zurückgestellt.
35
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
36
Ein Beschwerdewert ist für die Erhebung der Gerichtsgebühren nicht festzusetzen, weil Nr. 1812 KV GKG eine Festgebühr vorsieht.