Inhalt

FG München, Urteil v. 25.06.2025 – 4 K 2077/24
Titel:

Rechtmäßigkeit der Bescheide über die Grundsteueräquivalenzbeträge und den Grundsteuermessbetrag

Normenketten:
BayGrStG Art. 3, Art. 6 Abs. 2 S. 1, Art. 8
FGO § 52d, § 74, § 100 Abs. 1 S. 1
Schlagworte:
Bayerische Grundsteuer, Verfassungsmäßigkeit, konkurrierende Gesetzgebung, Grundsteuerreform, Gleichheitssatz, Gleichbehandlungsgrundsatz, Coronavirus
Fundstelle:
BeckRS 2025, 21298

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

I.
1
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Bescheiden über die Grundsteueräquivalenzbeträge und über den Grundsteuermessbetrag.
2
Das am 1.1.2022 in Kraft getretene BayGrStG vom 10.12.2021 (GVBl. S. 638, BayRS 611-7-2-F) regelt in seinem Teil 1 Grundstücke/Grundsteuer B in Art. 1 Abs. 1 als Steuergegenstand der Grundsteuer B die Grundstücke als wirtschaftliche Einheiten des Grundvermögens. Das BayGrStG stellt keine „Vollregelung“ dar. Bei den streitgegenständlichen Regelungen zur Grundsteuer B handelt es sich vielmehr um eine Abweichung von den bundesrechtlichen Regelungen des Grundsteuergesetzes und des Bewertungsgesetzes (Bayerischer Landtag, LT-Drs. 18/15755, S. 10; Krumm/Paeßens, in: Krumm/Paeßens, GrStG, 1. Auflage 2022, Grundlagen Rn. 85). Das BayGrStG sieht ein dreistufiges Verfahren vor:
- Die Äquivalenzbeträge werden nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayGrStG auf den 1.1.2022 allgemein festgestellt (Hauptfeststellung). Der Äquivalenzbetrag des Grund und Bodens ergibt sich nach Art. 1 Abs. 3 BayGrStG durch eine Multiplikation der Fläche des Grund und Bodens mit der Äquivalenzzahl von 0,04 € je m², die Äquivalenzbeträge von Wohn- und Nutzflächen der Gebäude durch eine Multiplikation der maßgeblichen Gebäudeflächen mit der Äquivalenzzahl von 0,50 € je m². Eine Berücksichtigung des wirtschaftlichen Werts des Grundstücks oder der Lage findet nicht statt.
- Die Grundsteuermessbeträge werden nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 BayGrStG auf den 1.1.2025 allgemein festgesetzt (Hauptveranlagung). Der Grundsteuermessbetrag des Grundstücks ist nach Art. 1 Abs. 2 BayGrStG die Summe aus dem Produkt aus dem Äquivalenzbetrag des Grund und Bodens und der Grundsteuermesszahl nach Art. 4 BayGrStG sowie dem Produkt aus den Äquivalenzbeträgen von Wohn- und Nutzflächen nach Abs. 3 Satz 2 BayGrStG und der jeweiligen Grundsteuermesszahl. Die Grundsteuermesszahl beträgt im Regelfall nach Art. 4 Abs. 1 BayGrStG 100% und wird für Wohnflächen auf 70% ermäßigt.
- Die durch die jeweilige Gemeinde ab dem Jahr 2025 festzusetzende Grundsteuer ergibt sich durch eine Multiplikation des Grundsteuermessbetrags des Grundstücks mit dem von der Gemeinde festgelegten jeweiligen Hebesatz.
3
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Miteigentumsanteils von 313/10.000 sowie eines Miteigentumsanteils von 1/10.000 an dem im Grundbuch des Amtsgerichts A-Stadt von …, Blatt …, Flurstück … eingetragenen 1.049 m² großen Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohneinheit Nr. 36 sowie dem Tiefgaragenstellplatz Nr. 71. Es handelt sich dabei um eine Eigentumswohnung mit einer Wohnfläche von 68 m² in der B-Straße …, … A-Stadt. Der Tiefgaragenstellplatz steht in einem räumlichen Zusammenhang zu der Wohnung.
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Der Beklagte (im Folgenden: das Finanzamt – FA) folgte im Ergebnis den Angaben der Klägerin in der Grundsteuererklärung vom 27.4.2023 und erließ jeweils am 23.10.2023 folgende Bescheide:
- Mit Bescheid über die Grundsteueräquivalenzbeträge Hauptfeststellung auf den 1.1.2022 wurde der Äquivalenzbetrag für die Wohnfläche in Höhe von 34,00 € und der Äquivalenzbetrag für den Grund und Boden in Höhe von 1,28 € festgestellt. Zudem wurden die Zurechnung zur Klägerin in Höhe von 1/1, die Wohnfläche von 68 m² sowie die auf die Klägerin anhand des Miteigentumsanteils entfallende Fläche des Grund und Bodens von 32 m² festgestellt. Den Äquivalenzbetrag für die Wohnfläche von 34,00 € ermittelte das FA, indem es die Wohnfläche von 68 m² mit der Äquivalenzzahl von 0,50 € je m² (Art. 3 Abs. 2 BayGrStG) multiplizierte. Den Äquivalenzbetrag für den Grund und Boden von 1,28 € ermittelte das FA, indem es die anteilige Grundstücksfläche von 32 m² mit der Äquivalenzzahl von 0,04 € je m² (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayGrStG) multiplizierte. Die Nutzfläche für den Tiefgaragenstellplatz wurde aufgrund des räumlichen Zusammenhangs zur Wohnung mit 0 m² angesetzt.
- Mit Bescheid über den Grundsteuermessbetrag Hauptveranlagung auf den 1.1.2025 wurde der Grundsteuermessbetrag für das Grundstück auf 25,08 € festgesetzt. Dabei ging das FA von einer Grundsteuermesszahl von jeweils 100% für den Grund und Boden sowie von einer Grundsteuermesszahl von 70% für die Wohnfläche aus. Damit ergab sich ein Grundsteuermessbetrag für die Wohnfläche und das Gebäude in Höhe von jeweils 23,80 €. Der Grundsteuermessbetrag für den Grund und Boden betrug 22,40 €.
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Die gegen diese Bescheide mit Fax vom 27.11.2023 eingelegten Einsprüche wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 11.9.2024 als unbegründet zurück.
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Hiergegen richtet sich die fristgerecht am 16.10.2024 bei Gericht eingegangene Klage, zu deren Begründung die Klägerin im Wesentlichen Folgendes vorträgt: Die streitgegenständlichen Regelungen des BayGrStG seien verfassungswidrig, da ein Verstoß gegen den das Grundgesetz (GG), insbesondere gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG vorliege. So erfolge keine Differenzierung bei den Äquivalenzzahlen nach der Lage, Nutzbarkeit, Verkehrsanbindung. Ausstattung oder dem Baujahr. Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus dem Urteil vom 10.4.2018 1-BvL-11/14, 1-BvL-12/14, 1- BvL-1/1 seien nicht beachtet. Ein Nachweis eines niedrigeren Grundstückswerts sei nicht möglich.
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Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
1.
den Bescheid über die Grundsteueräquivalenzbeträge Hauptfeststellung auf den 1.1.2022 vom 23.10.2023 (Aktenzeichen: …) sowie den Bescheid über den Grundsteuermessbetrag Hauptveranlagung auf den 1.1.2025 (Aktenzeichen: …) vom 23.10.2023 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.9.2024 aufzuheben.
2.
das Verfahren wegen der beim Bundesfinanzhof anhängigen Musterverfahren zum Ruhen zu bringen.
8
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
9
Das FA ist der Ansicht, dass das BayGrStG verfassungskonform sei. Dem Ruhen des Verfahrens werde nicht zugestimmt.
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Mit Schriftsätzen vom 23.6.2025 (Klägerin) und 6.11.2024 (Beklagter) haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) einverstanden erklärt.
11
Wegen der weiteren Einzelheiten wird gem. § 105 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Behördenakte des FA und die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

II.
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Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet.
13
Die angefochtenen Bescheide vom 23.10.2023 über die Grundsteueräquivalenzbeträge Hauptfeststellung auf den 1.1.2022 und über den Grundsteuermessbetrag Hauptveranlagung auf den 1.1.2025 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
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1. Der angefochtene Bescheid über die Grundsteueräquivalenzbeträge Hauptfeststellung auf den 1.1.2022 ist rechtmäßig.
15
a) Der Bescheid über die Grundsteueräquivalenzbeträge ist in einfachrechtlicher Hinsicht – zwischen den Beteiligten unstreitig – nicht zu beanstanden. So sind die Feststellungen nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayGrStG über die Äquivalenzbeträge, über die anteilige Fläche von Grund und Boden (Grundstücksgröße 32 m²) und der Wohnfläche (68 m²), deren Einordnung als Wohnfläche sowie die Zurechnung zur Klägerin zwischen den Beteiligten der Höhe nach unstreitig und beruhen insbesondere im Ergebnis auf der Erklärung der Klägerin.
16
b) Die im Streitfall entscheidungserheblichen Vorschriften des BayGrStG zu den Äquivalenzbeträgen der Grundsteuer B (Grundstücke des Grundvermögens) sind nach Überzeugung des Senats verfassungskonform. Die von der Klägerin gerügten Verfassungsverstöße liegen nicht vor.
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aa) Das BayGrStG ist formell verfassungsgemäß.
18
Der Bund hat nach Art. 105 Abs. 2 Satz 1 GG die konkurrierende Gesetzgebung über die Grundsteuer. Die Rechtsetzungsbefugnis des Freistaates Bayern ergibt sich aus der Länderöffnungsklausel des Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 sowie Art. 125b Abs. 3 GG. Bei der Grundsteuer handelt es sich auch um eine Steuer im finanzverfassungsrechtlichen Sinn. Die Bayerische Grundsteuer begründet eine Gemeinlast, die ohne individuelle Gegenleistung und ohne konkreten Verwendungszweck allen Grundstückseigentümern auferlegt wird, bei denen der steuerliche Tatbestand zutrifft. Sie knüpft auch an Grundstücke an und wird als Objektsteuer ohne Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse der Grundstückseigentümer erhoben (vgl. Finanzgericht -FGHamburg, Urteil vom 13.11.2024 3 K 176/23, juris).
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bb) Die im Streitfall entscheidungserheblichen Vorschriften des BayGrStG zu den Äquivalenzbeträgen sind auch materiell mit dem GG vereinbar und verstoßen insbesondere nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG.
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(1) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Gleichheitsrechtlicher Ausgangspunkt im Steuerrecht ist der Grundsatz der Lastengleichheit. Die Steuerpflichtigen müssen dem Grundsatz nach durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden. Der Gleichheitssatz belässt dem Gesetzgeber einen weitreichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes. Abweichungen von der mit der Wahl des Steuergegenstandes einmal getroffenen Belastungsentscheidung müssen sich indessen ihrerseits am Gleichheitssatz messen lassen (Gebot der folgerichtigen Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands). Demgemäß bedürfen sie eines besonderen sachlichen Grundes, der die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen vermag (BVerfG-Urteil vom 17.12.2014 1 BvL 21/12, BStBl II 2015, 50; BVerfG-Beschluss vom 23.6.2015 1 BvL 13/11, BStBl II 2015, 871; BVerfG-Urteil vom 10.4.2018 1 BvR 1236/11, BStBl II 2018, 303; BVerfG-Urteil vom 10.4.2018 1 BvL 11/14, BVerfGE 148, 147).
21
Art. 3 Abs. 1 GG verlangt stets auch eine gleichheitsgerechte Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage einer Steuer. Die Bemessungsgrundlage muss, um die gleichmäßige Belastung der Steuerpflichtigen zu gewährleisten, so gewählt und ihre Erfassung so ausgestaltet sein, dass sie den mit der Steuer verfolgten Belastungsgrund in der Relation der Wirtschaftsgüter zueinander realitätsgerecht abbildet (vgl. BVerfG-Beschluss vom 22.6.1995 2 BvL 37/91, BStBl II 1995, 655; BVerfG-Beschluss vom 22.6.1995 2 BvR 552/91, BStBl II 1995, 671; BVerfG-Beschluss vom 7.11.2006 1 BvL 10/02, BStBl II 2007, 192-215; BVerfG-Beschluss vom 23.6.2015 1 BvL 13/11, BStBl II 2015, 871; stRspr). Dies gilt besonders, wenn die Steuer mit einem einheitlichen Steuersatz erhoben wird, da aus der Bemessung resultierende Ungleichheiten dann nicht mehr auf einer späteren Ebene der Steuererhebung korrigiert oder kompensiert werden können (vgl. BVerfG-Beschluss vom 22.6.1995 2 BvL 7/91, BStBl II 1995, 655). Um beurteilen zu können, ob die gesetzlichen Bemessungsregeln eine in der Relation realitätsgerechte Bewertung der erfassten Güter und damit die Vergleichbarkeit der Bewertungsergebnisse im Einzelfall sicherstellen, muss das Gesetz das für den steuerlichen Belastungsgrund als maßgeblich erachtete Bemessungsziel erkennen lassen (BVerfG-Urteil vom 10.4.2018 1 BvL 11/14, BVerfGE 148, 147).
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Ausgehend von diesen Vorgaben hat der Gesetzgeber für die Wahl der Bemessungsgrundlage und die Ausgestaltung der Regeln ihrer Ermittlung einen großen Spielraum, solange sie nur prinzipiell geeignet sind, den Belastungsgrund der Steuer zu erfassen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 4.2.2009 1 BvL 8/05, BStBl II 2009, 1035; BVerfG-Beschluss vom 23.6.2015 1 BvL 13/11, BStBl II 2015, 871). Bei der Wahl des geeigneten Maßstabs darf sich der Gesetzgeber auch von Praktikabilitätserwägungen leiten lassen, die je nach Zahl der zu erfassenden Bewertungsvorgänge an Bedeutung gewinnen und so auch in größerem Umfang Typisierungen und Pauschalierungen rechtfertigen können, dabei aber deren verfassungsrechtliche Grenzen wahren müssen (vgl. dazu BVerfG-Urteil vom 5.11.2014 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, 350; BVerfG-Beschluss vom 23.6.2015 1 BvL 13/11, BStBl II 2015, 871). Jedenfalls muss das so gewählte und ausgestaltete Bemessungssystem, um eine lastengleiche Besteuerung zu gewährleisten, in der Gesamtsicht eine in der Relation realitäts- und damit gleichheitsgerechte Bemessung des steuerlichen Belastungsgrundes sicherstellen (BVerfG-Urteil vom 10.4.2018 1 BvL 11/14, BVerfGE 148, 147).
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Der Steuergesetzgeber darf aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung typisieren und dabei die Besonderheiten des einzelnen Falles vernachlässigen, wenn die daraus erwachsenden Vorteile im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen, er sich realitätsgerecht am typischen Fall orientiert und ein vernünftiger, einleuchtender Grund vorhanden ist (BVerfG-Beschluss vom 23.6.2015 1 BvL 13/11, BStBl II 2015, 871; BVerfG-Urteil vom 5.11.2014 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, 350-378, Rn. 66 m.w.N.).
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(2) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall verstoßen die im Streitfall entscheidungserheblichen Vorschriften des BayGrStG zur Feststellung der Äquivalenzbeträge nicht gegen das Grundgesetz, insbesondere nicht gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Ausgestaltung der Grundsteuer B als wertunabhängiges Flächenmodell ist vom Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt und mit dem Grundsatz der Lastenfreiheit vereinbar.
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(I) Der dem Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts regelmäßig zustehende weite Entscheidungsspielraum beinhaltet auch eine weitreichende Änderung des Belastungsgrundes und der Bemessungsgrundlage der Grundsteuer. Das Grundgesetz selbst enthält keine Vorgabe zur Ausgestaltung der Grundsteuer durch die Länder. Aus Art. 72 Abs. 3 Nr. 7 GG kann auch kein „abweichungsfester Kern“ abgeleitet werden, wonach die Grundsteuer in ihren Grundzügen nach dem bisherigen wertabhängigen Verfahren zu ermitteln wäre (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 13.11.2024 3 K 176/23, juris; Schmidt, DStR 2020, 249, 250). Vielmehr sollte mit Art. 72 Abs. 3 Nr. 7 GG eine „umfassende abweichende Regelungskompetenz“ eröffnet werden (Deutscher Bundestag, BT-Drs. 19/11084). Auch das Bundesverfassungsgericht hält eine völlige Neugestaltung der Bewertungsvorschriften für die Grundsteuer grundsätzlich für möglich (vgl. BVerfG-Urteil vom 10.4.2018 1 BvL 11/14, BVerfGE 148, 147).
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(II) Das BayGrStG lässt sowohl den Belastungsgrund als auch das Bemessungsziel hinreichend deutlich erkennen. Der Senat sieht den Belastungsgrund in der Möglichkeit zur Nutzung der allgemeinen gemeindlichen Infrastruktur und Leistungen.
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Der Belastungsgrund erklärt, warum auf einen Steuergegenstand zugegriffen wird und welche Bemessungsgrundlage deshalb mit welcher Erhebungstechnik und welchen Auswirkungen gewählt wird (G. Kirchhof, DB 2023, 1116, 1117). Steuergegenstand der Grundsteuer B sind nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayGrStG die Grundstücke des Grundvermögens. Hierin sieht der Gesetzgeber auch die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen. Ausweislich der Gesetzesbegründung wird bei der Grundsteuer B auf die Grundstücke des Grundvermögens als Steuergegenstand zurückgegriffen, weil nach Auffassung des Gesetzgebers Verbesserungen der kommunalen Infrastruktur den Grundstückseigentümern zugutekommen (Bayerischer Landtag, LT-Drs. 18/15755, S. 11). Den Grundstückseigentümern ist nach der Gesetzesbegründung auch ein Aufwand für bestimmte lokale öffentliche Leistungen ihrer Gemeinde zuordenbar. Beispielhaft nennt die Gesetzesbegründung als derartige öffentliche Leistungen den Schutz des Privateigentums durch Brandschutz oder Räumungsdienste, Infrastrukturausgaben, Ausgaben für Kinderbetreuung und Spielplätze, für kulturelle Einrichtungen sowie Ausgaben zugunsten der Wirtschaftsförderung. Aus Sicht des Senats liegt der Belastungsgrund damit in der Möglichkeit zur Nutzung der allgemeinen gemeindlichen Infrastruktur und der Inanspruchnahme von kommunalen Leistungen (a.A.: vgl. FG Hamburg, Urteil vom 13.11.2024 3 K 176/23, juris). Bei der Wahl der Bemessungsgrundlage der Grundsteuer B und der Erhebungstechnik geht die Gesetzesbegründung des BayGrStG davon aus, dass die Verbesserungen der kommunalen Infrastruktur den Eigentümern von Grundstücken in umso höherem Maße zugutekommt je größer das zu besteuernde Grundstück ist. Der Gesetzgeber zieht damit den Äquivalenzgedanken heran und bemisst die Grundsteuer B in erster Linie anhand der Grundstücksgröße.
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(III) Durch die Bemessung der Grundsteuer B anhand des wertunabhängigen Flächenmodells erfolgt eine folgerichtige und realitätsgerechte Abbildung des Belastungsgrundes in der Relation der Wirtschaftsgüter zueinander.
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(III.1) Die Äquivalenzbeträge richten sich nach der Grundstücksgröße und der Gebäudeflächen sowie der maßgeblichen Äquivalenzzahl (Art. 1 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1 und 2 BayGrStG). Damit knüpfen die Äquivalenzbeträge an die Grundstücks- und Gebäudeflächen und nicht an den Grundstückswert als Bemessungsgrundlage der Grundsteuer an.
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(III.2) Die Begründung des Gesetzgebers, wonach den einzelnen Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümern in der Regel umso mehr Aufwand für bestimmte lokale öffentliche Leistungen ihrer Gemeinde zuordenbar ist, je größer das zu besteuernde Grundstück ist (Bayerischer Landtag, LT-Drs. 18/15755, S. 11), ist bei typisierender Betrachtungsweise realitätsgerecht. Größere Grundstücke werden typischerweise von einer größeren Personenzahl genutzt, was sich in einer intensiveren Nutzung der kommunalen Infrastruktur und der angebotenen Leistungen niederschlägt. Eine entsprechende Pauschalierung des Gesetzgebers ist bei einem Massenverfahren wie der Grundsteuer nicht zu beanstanden, da sie sich am typischen Regelfall orientiert. Soweit größere Grundstücke in manchen Fällen nur von einer geringen Personenzahl genutzt werden, steht dies der Zulässigkeit der Pauschalierung des Gesetzgebers nicht entgegen, da sich diese am typischen Regelfall orientiert. Eine exakte einzelfallbezogene Ermittlung der Möglichkeit zur Nutzung der kommunalen Infrastruktur und Leistungen scheidet im Massenverfahren aus.
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(III.3) Eine Berücksichtigung der Grundstückswerte bei der Bemessung der Grundsteuer ist nicht zwingend geboten. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 10.4.2018 (1 BvL 11/14) auch keine Entscheidung für ein wertunabhängiges oder ein wertabhängiges Modell vorgegeben. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Wert eines Grundstücks und den Kosten für die Vorhaltung der kommunalen Infrastruktur und der gemeindlichen Leistungen nicht erkennbar. Zum einen beruhen Grundbesitzwerte maßgeblich auf den örtlichen Bodenrichtwerten, die aber von einer Vielzahl an Faktoren abhängen und mit Verbesserungen bei der gemeindlichen Infrastruktur und Leistungen nur bedingt ansteigen. So kann beispielsweise der starke Anstieg der Bodenrichtwerte vor und während der Corona-Pandemie nicht durch eine verbesserte kommunale Infrastruktur erklärt werden. Auch der teilweise in der Literatur (Krumm/Paeßens, in: Krumm/Paeßens, GrStG, 1. Auflage 2022, Grundlagen, Rn. 126, m.w.N.) gezogene Vergleich zwischen den gemeindlichen Aufwendungen in (hochpreisigen) Innenstadtlagen im Vergleich zu weniger frequentierten Randlagen überzeugt nicht. Auch Grundstückseigentümer in (preisgünstigeren) Randgebieten können die kommunale Infrastruktur in hochpreisigen Innenstadtlagen nutzen, etwa wenn sich dort ihr Arbeitsplatz befindet (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 13.11.2024 3 K 176/23, juris). Soweit für bestimmte Städte und Gemeinden insgesamt über- oder unterdurchschnittliche Aufwendungen im Vergleich zu anderen Kommunen entstehen, kann dies durch eine entsprechende Anpassung der Hebesätze berücksichtigt werden. Die Belastung in Relation der Grundstücke zueinander bleibt dennoch realitätsgerecht. Bei der Entscheidung für das wertunabhängige Flächenmodell hat sich der Gesetzgeber auch in zulässiger Weise von Praktikabilitätserwägungen leiten lassen. Angesichts von rund 5,3 Mio. wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens in Bayern (Bayerischer Landtag, LT-Drs. 18/15755, S. 3) kommt den Praktikabilitätserwägungen ein nicht unbedeutendes Gewicht zu. So vermeidet das Flächenmodell eine aufwändige und streitanfällige Ermittlung nach den Wertermittlungsmethoden des Bewertungsgesetzes sowie regelmäßige Anpassungen an Wertänderungen der Bemessungsgrundlage und stellt sich damit als transparent, effizient und aufgrund der fehlenden Grundstückswertermittlung wenig streitanfällig dar.
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Vor diesem Hintergrund ist eine Bemessung der Grundsteuer anhand der wertunabhängigen Grundstücks- und Gebäudeflächen folgerichtig und entspricht einer realitäts- und gleichheitsgerechten Bemessungsgrundlage.
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(IV) Auch die Differenzierung bei den Äquivalenzzahlen nach Art. 3 BayGrStG nach der Fläche des Grund und Bodens (Äquivalenzzahl grundsätzlich 0,04 € je m²) und Gebäudeflächen (Äquivalenzzahl 0,50 € je m²) begegnet keinen (insbesondere verfassungsrechtlichen) Bedenken.
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Die Äquivalenzzahlen bilden lediglich die Relation der Belastungsverteilung ab, sollen aber nicht die Wertverhältnisse bestimmen (Bayerischer Landtag, LT-Drs. 18/15755, S. 12). Die Begründung des Gesetzgebers, wonach kommunale Leistungen primär „gebäudebezogen“, also von den Bürgern und Unternehmen in Anspruch genommen werden, ist nachvollziehbar. Auch die Höhe der Äquivalenzzahlen erscheint in Relation zueinander nicht unverhältnismäßig. Eine erheblich höhere Äquivalenzzahl für bebaute Grundstücke ist realitätsgerecht, da von den Personen, die das Gebäude als Wohn- oder Nutzfläche nutzen, im Regelfall eine größere Inanspruchnahme der kommunalen Infrastruktur und höhere Aufwendungen zu erwarten sind als von einem unbebauten Grundstück (Freund, jM 2022, 203, 206). Auch wenn in bestimmten Einzelfällen von einer geringeren Inanspruchnahme der Infrastruktur und Leistungen auszugehen ist, ist eine entsprechende Pauschalierung des Gesetzgebers nicht zu beanstanden, da sie sich am typischen Regelfall orientiert. Eine Überschreitung des gesetzgeberischen Entscheidungsspielraums ist daher nicht gegeben (ebenso: vgl. FG Hamburg, Urteil vom 13.11.2024 3 K 176/23, juris).
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(V) Im Rahmen der Verfassungsmäßigkeit sind zudem die Regelungen zum erweiterten Erlass nach Art. 8 BayGrStG zu berücksichtigen.
36
(V.1) Um im Einzelfall unverhältnismäßige Steuerfestsetzungen zu vermeiden, können die Gemeinden bei der Erhebung Ansprüche aus dem Grundsteuerschuldverhältnis gemäß Art. 8 Abs. 1 Satz 1 BayGrStG erlassen, soweit nach dem durch dieses Gesetz vorgeschriebenen Systemwechsel nach Lage des einzelnen Falles eine unangemessen hohe Steuerbelastung eintritt. Damit sollen unbillige Härten infolge des Systemwechsels erfasst werden (Bayerischer Landtag, LT-Drs, 18/16068, S. 2).
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(V.2) Zudem bleiben nach Art. 8 Abs. 1 Satz 2 BayGrStG die §§ 163 und 227 der Abgabenordnung (AO) sowie §§ 32 bis 34 des Grundsteuergesetzes (GrStG) unberührt.
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(VI) Dass das BayGrStG die individuelle Leistungsfähigkeit der einzelnen Grundstückseigentümer und deren persönliche Verhältnisse unberücksichtigt lässt, ergibt sich in zulässiger Weise aus der Ausgestaltung der Grundsteuer als Objektsteuer (BVerfG-Beschluss vom 25.10.1977 1 BvR 15/75, BStBl II 1978, 125).
39
(VII) Eine Regelung zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts des Grundstücks ist beim wertunabhängigen Flächenmodell nicht geboten und wäre darüber hinaus nicht folgerichtig, da die maßgeblichen Größen zur Feststellung der Äquivalenzbeträge an die Grundstücksgröße bzw. die Wohn- und Nutzflächen anknüpfen. Die Berücksichtigung von objektspezifischen Grundstücksmerkmalen und wertbeeinflussenden Faktoren spielt bei der Grundsteuer B gerade keine Rolle und würde zudem im Widerspruch zum Belastungsgrund des BayGrStG und zum Äquivalenzprinzip stehen.
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(VIII) In der Gesamtschau ist bei der Grundsteuer B nach dem BayGrStG entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts eine gleichheitsgerechte Abbildung des steuerlichen Belastungsgrundes gegeben.
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2. Der angefochtene Bescheid über den Grundsteuermessbetrag Hauptveranlagung auf den 1.1.2025 ist ebenfalls rechtmäßig. Die Festsetzung des Grundsteuermessbetrags entspricht den Vorgaben des BayGrStG. Hinsichtlich der Wohnflächen beträgt im Streitfall die Grundsteuermesszahl 70% und hinsichtlich des Grund und Bodens 100% (Art. 4 Abs. 1 BayGrStG). Die höhere Grundsteuermesszahl für die Flächen des Grund und Bodens ist sachlich gerechtfertigt. Mit der niedrigeren Steuermesszahl für Wohnflächen möchte der Gesetzgeber das Bedürfnis der Bevölkerung nach bezahlbarem Wohnraum fördern (vgl. Bayerischer Landtag, LT-Drs. 18/15755, S. 12, 19) und verfolgt damit aus Gründen des Gemeinwohls ein legitimes Ziel. Die Ermäßigung auf 70% ist auch der Höhe nach realitätsgerecht.
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3. Da der Senat überzeugt ist, dass die streitgegenständlichen Normen des BayGrStG zur Grundsteuer B verfassungsgemäß sind, musste das Klageverfahren nicht ausgesetzt (§ 74 FGO) und dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt werden (Art. 100 GG).
43
4. Die Anträge auf Ruhen des Verfahrens sind abzulehnen, da der Beklagte diesen nicht zugestimmt hat und insoweit keine übereinstimmenden Anträge vorliegen (§ 155 Satz 1 FGO, § 251 der Zivilprozessordnung). Die Entscheidung über die Ablehnung des Antrages auf Ruhen des Verfahrens kann – wie vorliegend – im Urteil erfolgen (vgl. BFH-Beschluss vom 07.09.1993 X B 14/93, BFH/NV 1994, 253 zur Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO; FG Münster, Urteil vom 18.2.2020 6 K 46/17 E, G, EFG 2020, 919).
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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6. Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Nach Art. 5 Satz 2 AGFGO sind die Vorschriften der FGO über die Revision anzuwenden (§ 118 Abs. 1 Satz 2 FGO).