Titel:
Kein Verlust der Rechtsfähigkeit einer Stiftung bei Verlagerung des Verwaltungssitzes in das Inland
Normenketten:
AEUV Art. 43, Art. 48
FGO § 44 Abs. 1, § 46 Abs. 1 S. 1
ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2
Schlagwort:
Schenkungsteuer
Fundstellen:
StEd 2025, 441
EFG 2025, 1391
BeckRS 2025, 21294
LSK 2025, 21294
Tenor
1. Der Schenkungsteuerbescheid vom 19.1.2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.2.2024 (Steuernummer …) wird aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Schenkungsteuerbescheids und hierbei insbesondere, ob eine in Liechtenstein gegründete Stiftung durch Verlagerung des Verwaltungssitzes in das Inland ihre Rechtsfähigkeit verloren hat und deshalb eine Schenkung, die an die Stiftung erfolgt ist, schenkungssteuerrechtlich dem Kläger zuzurechnen ist.
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Der (in … wohnhafte) Kläger errichtete (mit Stiftungsurkunde vom …) nach dem Recht des Fürstentums Liechtenstein (FL) die X-Stiftung (im Folgenden als „Stiftung“ bezeichnet). Die Stiftung ist als Eigentümerin diverser Grundstücke im Inland im Grundbuch eingetragen und daneben gewerblich tätig, da sie u.a. eine Photovoltaikanlage betreibt und an mehreren Gesellschaften als Kommanditistin beteiligt ist.
3
Die Rechtsverhältnisse der Stiftung werden in den Stiftungsunterlagen, auf die wegen der näheren Einzelheiten verwiesen wird, geregelt; dazu gehören im Einzelnen: Die Stiftungsurkunde, Reglement Stiftungsbeirat, Reglement Stiftungsvorstand sowie Stiftungszusatzurkunde Begünstigung, jeweils vom … Zweck der Stiftung ist die Förderung des Klägers als Alleinbegünstigten zu dessen Lebzeiten (vgl. Ziffer 5.1, Buchst. c der Stiftungsurkunde sowie Ziffer 3.1 der Stiftungszusatzurkunde Begünstigung). Die Geldausschüttungen erfolgen ausschließlich an den Kläger als Stifter (gl. Ziffer 6.1 der Stiftungszusatzurkunde Begünstigung).
4
Dem Kläger als Stifter waren nach den o.g. getroffenen Vereinbarungen und Regelungen keine Herrschaftsbefugnisse über das Vermögen der Stiftung vorbehalten. Dem Kläger als Stifter wurden in den Stiftungsstatuten und den ergänzenden Regelungen insbesondere keine Entscheidungsbefugnisse in Bezug auf die Anlage und Verwendung des Vermögens eingeräumt. Die Stiftung kann mithin über das ihr übertragene Vermögen dem Kläger als Stifter gegenüber frei verfügen. So leitet der Stiftungsvorstand die Stiftung „in eigener Verantwortung“ (Ziffer 9.1 der Stiftungsurkunde), „weisungsfrei“ (4.2 Reglement Stiftungsbeirat) und „unter Berücksichtigung des mutmaßlichen Stifterwillens bei Errichtung der Stiftung“ (Ziffer 3.1 Reglement Stiftungsvorstand). Der Kläger ist auch nicht berechtigt, die Stiftungsurkunde oder die Stiftungszusatzurkunde Begünstigung zu ändern (Ziffer 20.1 der Stiftungsurkunde).
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Der Kläger stattete die Stiftung im Zuge der Errichtung am … mit einem Stiftungsvermögen in Höhe von 30.000 € aus (Ziffer 6 der Stiftungsurkunde). Das Stiftungsvermögen kann durch Dotationen jederzeit unbegrenzt erhöht werden (Ziffer 13.1 der Stiftungsurkunde). Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die o.g. Stiftungsstatuten verwiesen.
6
Mit Beschluss des Stiftungsvorstandes (ebenfalls) vom … wurde der Verwaltungssitz der Stiftung (…) nach München verlegt, von dem aus eine – in das Stiftungsvermögen eingelegtePhotovoltaikanlage sowie diverse Unternehmens- und Immobilien-Beteiligungen verwaltet werden. Die Verlegung des Verwaltungssitzes in das Inland wurde in der Amtsbestätigung des Amts für Justiz des FL vom … bestätigt.
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Aufgrund des Schenkungsvertrags vom 10.6.2021, auf den wegen der näheren Einzelheiten verwiesen wird, überwies Herr A im Wege der Schenkung einen Betrag i.H. von 30.000 € auf ein (im Einzelnen nicht näher bekanntes) Bankkonto der Stiftung.
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Ausgehend von der beim beklagten Finanzamt (FA) mit Schriftsatz vom 11.6.2021 eingegangenen Schenkungsanzeige, der Aufforderung des FA im Schreiben vom 15.9.2021 und der am 19.10.2021 eingegangenen (vom Kläger unterschriebenen) Schenkungsteuererklärung erließ das FA am 19.1.2022 einen Schenkungsteuerbescheid (Steuernummer …) und setzte – ausgehend von einem Erwerb i.H. von 30.000 € sowie einem Freibetrag i.H. von 20.000 € – Schenkungsteuer i.H. von 1.500 € gegen den Kläger fest. Gegen den Schenkungsteuerbescheid vom 19.1.2022 legte der Kläger mit Schriftsatz vom 22.2.2022 durch seinen steuerlichen Vertreter, den Prozessbevollmächtigten in diesem Klageverfahren, Einspruch ein, den das FA – nachdem der Kläger mit Schriftsatz vom 23.10.2023 (Eingang bei Gericht ebenfalls am 23.10.2023) Untätigkeitsklage Klage erhoben hatte – mit Einspruchsentscheidung vom 20.2.2024 als unbegründet zurückgewiesen hatte.
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage, zu deren Begründung er im Wesentlichen Folgendes vorträgt: Die Stiftung habe durch die Verlegung ihres Verwaltungssitzes … nach Z ihre Rechtsfähigkeit nicht verloren. So habe die Stiftung im Jahr … zunächst im eigenen Namen diverse Immobilien erworben. Im … sei die vermögensverwaltende Tochtergesellschaft XY GmbH & Co. KG gegründet und im Handelsregister eingetragen worden, an deren Kommanditkapital sich die Stiftung zu 90% beteiligt habe. Anschließend seien mehrere Immobilien in die Tochtergesellschaft eingebracht worden. Die beteiligten Grundbuchämter und das Handelsregister hätten die X-Stiftung jeweils als Berechtigte eingetragen. Daher verstoße die Negierung der Rechtsfähigkeit der Stiftung gegen geltendes Recht sowie gegen die Rechtsprechung (insbesondere des Europäischen Gerichtshofs – EuGH-). Mithin habe die Stiftung ihre Rechtsfähigkeit durch die Sitzverlegung … nach München behalten und sei daher durch die streitgegenständliche Zuwendung bereichert im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG).
den Schenkungsteuerbescheid vom 19.1.2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.2.2024 (Steuernummer …) aufzuheben und für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.
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Das beklagte FA beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Das FA verweist zur Klageerwiderung auf die streitgegenständliche Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor: Ein deutsches Internationales Stiftungsrecht sei als Kollisionsnorm nicht kodifiziert. Grundsätzlich sei eine Anknüpfung an das Recht des Sitz- oder des Gründungsstaates möglich. Allerdings habe der Bundesgerichtshof (BGH) bisher noch nicht entschieden, welche Theorie bei im Inland domizilierten Stiftungen ausländischen Rechts Anwendung finde. Da die überwiegende Literaturmeinung in Bezug auf Stiftungen weiterhin die Sitztheorie vertrete und solange die Rechtsfrage, ob bei Stiftungen die Sitz- oder Gründungstheorie eingreife, höchstrichterlich nicht geklärt sei, erscheine es mehr als vertretbar, sich der Literaturmeinung anzuschließen. Nach übereinstimmender Auffassung der Finanzverwaltung und des Bundesfinanzhofs (BFH) sei das Stiftungsvermögen dem Stifter und nicht der ausländischen Stiftung zuzurechnen, soweit die Stiftung im Verhältnis zum Stifter nicht tatsächlich und rechtlich frei über das zugewendete Vermögen verfügen könne. Bei liechtensteinischen Stiftungen sichert sich der Stifter über Mandats- oder Treuhandverträge mit den Stiftungsorganen (mittelbar) umfassende Herrschaftsbefugnisse über das Stiftungsvermögen. Ob auch im Streitfall solche Herrschaftsbefugnisse des Stifters infolge von abseits des Stiftungsgeschäfts getroffener Nebenabreden bestehen, sei nicht bekannt. Jedenfalls würden sich, wie in solchen Fällen oft üblich, im Streitfall aus der Stiftungsurkunde keine derartigen Herrschaftsbefugnisse des Stifters ergeben.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird gem. § 105 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Schenkungsteuerakte des FA, die Gerichtsakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage hat Erfolg. Die zulässige Klage ist begründet.
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1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die (zunächst zulässigerweise als Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO erhobene) Klage mit dem Erlass der außergerichtlichen Einspruchsentscheidung vom 20.2.2024 nach § 44 Abs. 1 FGO zulässig geworden. Die Einspruchsentscheidung vom 20.2.2024 verändert nach § 44 Abs. 2 FGO den Inhalt des angefochtenen Schenkungsteuerbescheids vom 19.1.2022 und ist zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden (von Beckerath in: Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 191. Ergänzungslieferung, Mai 2025, § 46 FGO, Rn. 193 m.w.N.).
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2. Die Klage ist auch begründet. Der Schenkungsteuerbescheid vom 19.1.2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.2.2024 (Steuernummer …) ist rechtswidrig. Das FA hat im Streitfall zu Unrecht eine unentgeltliche Zuwendung an den Kläger angenommen und den Kläger dadurch i.S.d. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO in seinen Rechten verletzt.
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a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unterliegt der Schenkungsteuer jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Die Schenkungsteuer entsteht gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung. Als steuerpflichtiger Erwerb gilt nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist.
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b) Das Vermögen einer wirksam gegründeten, rechtlich selbständigen und damit intransparenten Stiftung ist dem Stifter nicht mehr zuzurechnen.
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aa) Ist einer solchen Stiftung tatsächlich und rechtlich wirksam Vermögen zugeflossen, ist dieses nur noch der Stiftung zuzuordnen. (vgl. BFH-Urteil vom 5.12.2018 II R 9/15, BFHE 263, 283, BStBl II 2020, 655, Rz 21). Sind jedoch nach den getroffenen Vereinbarungen und Regelungen dem Stifter umfassende Herrschaftsbefugnisse über das Vermögen einer ausländischen Stiftung vorbehalten, sodass die Stiftung gehindert ist, über das ihr übertragene Vermögen dem Stifter gegenüber tatsächlich und frei zu verfügen, ist das Vermögen weiterhin dem Stifter zuzurechnen. Herrschaftsbefugnisse in diesem Sinne ergeben sich z.B. durch den Vorbehalt des Stifters in Bezug auf die Entscheidungen über die Anlage und Verwendung des Vermögens, durch die Möglichkeit, ganz oder teilweise die Rückübertragung des Vermögens zu verlangen und durch die Weisungsunterworfenheit der Stiftung und ihrer Organe gegenüber dem Stifter. Der Stifter kann in solchen Fällen aufgrund seiner Befugnisse über das Vermögen der Stiftung wie über ein eigenes Bankguthaben verfügen. Dies gilt vorbehaltlich von Änderungen der getroffenen Vereinbarungen und Regelungen oder anderweitiger Zwischenverfügungen bis zum Todeszeitpunkt (vgl. BFH-Urteile vom 28.6.2007 II R 21/05, BFHE 217, 254, BStBl II 2007, 669, unter II.2.b, und in BFHE 263, 283, Rz 22).
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bb) Die Ermittlung des ausländischen Rechts, dem die Vermögensmasse unterliegt, ist grundsätzlich Aufgabe des FG als Tatsacheninstanz. Hierbei ist das maßgebende ausländische Recht nach § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 293 der Zivilprozessordnung (ZPO) von Amts wegen zu ermitteln (BFH-Urteile in BFHE 263, 283, BStBl II 2020, 655 und vom 25.6.2021 II R 31/19, BFHE 275, 240 m.w.N.). Wie das FG das ausländische Recht ermittelt, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Geleitet wird die Ermessensausübung des FG durch die jeweiligen Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der nach § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) erhöhten Mitwirkungspflicht des Klägers, insbesondere die sich anbietenden Erkenntnisquellen, aber auch den Vortrag der Beteiligten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 275, 240 m.w.N.).
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c) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der streitgegenständliche Schenkungsteuerbescheid vom 19.1.2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.2.2024 (Steuernummer …) zu beanstanden und aufzuheben; dies ergibt sich zur Überzeugung des erkennenden Senats aus dem Umstand, dass die streitgegenständliche Geldschenkung nicht dem Kläger, sondern vielmehr der Stiftung als Zuwendungsempfänger zuzurechnen ist:
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aa) So war die Stiftung am 10.6.2021, als von Herrn A die streitgegenständliche Geldschenkung auf ein Konto der Stiftung überwiesen wurde, rechtlich existent und hat insbesondere durch die Verlagerung des Verwaltungssitzes in das Inland (am …) ihre Rechtsfähigkeit nicht verloren.
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(1) Die Stiftung wurde (ausweislich der – mit dem Klageschriftsatz vorgelegtenAmtsbestätigung des Amts für Justiz des FL und im Übrigen zwischen den Beteiligten auch unstreitig) rechtlich wirksam am … nach dem Recht des FL errichtet, so dass das Personalstatut des FL auf die Stiftung Anwendung findet (vgl. BFH-Urteil in BFHE 263, 283 Rz. 26).
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(2) Die Stiftung hat – entgegen der Rechtsansicht des FA, vgl. insbesondere die entsprechenden Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 20.2.2024 – auch durch die Verlagerung des Verwaltungssitzes … in das Inland ihre Rechtsfähigkeit nicht verloren. Dies ergibt sich zur Überzeugung des erkennenden Gerichts aus dem Umstand, dass die im FL gegründete Stiftung sich auf die im EG-Vertrag garantierte Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV) berufen kann.
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(2.1) Bei der Beurteilung der Rechtsfähigkeit einer ausländischen juristischen Person ist zwar grundsätzlich entsprechend der Sitztheorie das Recht des Staates maßgebend, in dem die juristische Person ihren Verwaltungssitz hat, wobei es nicht auf den in der Satzung genannten, sondern auf den tatsächlichen Verwaltungssitz ankommt. Eine von diesem Grundsatz abweichende Beurteilung kann jedoch geboten sein, wenn in staatsrechtlichen Verträgen besondere Regelungen enthalten sind. So ist insbesondere bei einer juristischen Person, die ihren satzungsgemäßen Sitz in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union hat, die Frage der Rechtsfähigkeit nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem sie gegründet wurde. Das gleiche gilt für eine juristische Person, die in einem EFTA-Staat gegründet wurde, der dem EWR-Abkommen beigetreten ist (vgl. BGH, Urteil vom 19.9.2005, II ZR 372/03, BGHZ 164, 148- 153, Rn. 9; OLG Braunschweig, Beschluss vom 10.6.2020, 3 W 6/18, Rn. 81, juris). Zu diesen Staaten gehört das FL. Wie der BGH im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH, Urteil vom 5.11.2002, Rs C-208/00, Überseering; bestätigt durch EuGH, Urteil vom 30.11.2003, Rs C-167/01, Inspire Art) bereits entschieden hat, ist die in einem Vertragsstaat der Europäischen Gemeinschaft nach dessen Vorschriften wirksam gegründete Gesellschaft in einem anderen Vertragsstaat auf der Grundlage der im EG-Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 AEUV) – unabhängig von dem Ort ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes – in der Rechtsform anzuerkennen, in der sie gegründet wurde. Das gilt selbst dann, wenn die Gesellschaft im Ausland nur ihren gründungs- bzw. satzungsmäßigen Sitz hat, während sie von vornherein ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in der Bundesrepublik Deutschland nimmt und hier auch ihre Geschäfte betreibt und auf diese Weise bewusst die Gründungsvorschriften am Ort ihrer tatsächlichen Geschäftstätigkeit umgeht (EuGH, Urteil vom 30.11.2003, Rs C-167/01, Inspire Art).
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(2.2) Diese Grundsätze hat der BGH auf eine in einem EFTA-Staat, nämlich dem FL, gegründete Kapitalgesellschaft auf der Grundlage des EWR-Abkommens entsprechend angewendet und die Geltung der Niederlassungsfreiheit zu ihren Gunsten gemäß Art. 31 EWR festgestellt (BGH, Urteil vom 19.9.2005 in BGHZ 164, 148 -153).
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(2.3) Damit wird deutlich, dass unabhängig davon, ob eine grenzüberschreitende Sitzverlegung stattgefunden hat, für das Personalstatut einer Stiftung unter Anwendung der Regelungen des Internationalen Gesellschaftsrechts an das Recht des Gründungsstaats anzuknüpfen ist, wenn dieser Gründungsstaat Mitglied der EU oder des EWR ist. Daraus, dass der BGH im Beschluss vom 16.2.2021, II ZB 25/17 die Niederlassungsfreiheit einer im Vereinigten Königreich gegründeten Limited nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU verneint hat, ergibt sich nichts Anderes. Denn anders als das FL ist das Vereinigte Königreich nicht Vertragsstaat des EWR.
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(2.4) Da die Stiftung unter anderem eine Photovoltaikanlage im Inland betreibt und damit ein Erwerbszweck gegeben ist, ist nach Auffassung des erkennenden Senats die Stiftung damit als „sonstige juristische Person“ im Sinne des Art. 54 Abs. 2 AEUV anzusehen, die sich auf die Niederlassungsfreiheit berufen kann (vgl. hierzu auch EuGH, Urteil vom 14.9.2017 – C-646/15 –, juris).
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(2.5) Für einen Missbrauch der Niederlassungsfreiheit durch die Stiftung fehlt jeglicher Anhaltspunkt. Ein solcher liegt selbst dann nicht vor, wenn eine Gesellschaft in einem Vertragsstaat gegründet wird, um in den Genuss vorteilhafter Rechtsvorschriften zu kommen, obwohl sie ihre Tätigkeit von vornherein ausschließlich in einem anderen Vertragsstaat ausübt (BGH, Urteil vom 19.9.2005 II ZR 372/03, BGHZ 164, 148-153).
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(2.6) Da der Rechtsverkehr durch die Stiftungsaufsicht nicht geschützt wird, kann schließlich der Umstand, dass die streitgegenständliche Stiftung keiner Stiftungsaufsicht unterliegt, nicht zur Begründung der Anwendung der Sitztheorie herangezogen werden. In diesem Zusammenhang hat der Kläger im Schriftsatz vom 23.10.2023 (dort Seite 13) zu Recht darauf hingewiesen, dass durch die Verlagerung des Verwaltungssitzes der Stiftung in das Inland kein „Aufsichtsvakuum“ entstanden ist. So unterliegen Stiftungen, die wie die streitgegenständliche Stiftung ausschließlich privatnützige Zwecke verfolgen, nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Stiftungsgesetzes, keiner Stiftungsaufsicht.
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bb) Ferner ist mangels Transparenz der Stiftung das Stiftungsvermögen dem Kläger (als Stifter) nicht zuzurechnen, was zur Folge hat, dass durch die Geldschenkung des Herrn A an die Stiftung schon dem Grunde nach keine nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG steuerbare unentgeltliche Zuwendung an den Kläger ausgelöst werden konnte.
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(1) Denn bei der streitgegenständlichen Stiftung handelt es sich um eine selbständige Vermögensmasse ausländischen Rechts i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG, da sie unwiderruflich ist (vgl. Ziffer 20.1 der Stiftungsurkunde).
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(2) So konnte bzw. kann der Kläger als Begünstigter ausweislich der Stiftungsstatuten keinen Einfluss auf Anlageentscheidungen der Stiftung nehmen. Die gegenteiligen Ausführungen des beklagten FA (vgl. insbesondere Seite 9 der streitgegenständlichen Einspruchsentscheidung vom 20.2.2024) sind rein spekulativ und lassen sich nicht mit den (dem Gericht vorliegenden) Stiftungsstatuten in Einklang bringen. Der erkennende Senat kann mithin (insbesondere in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens nach den Umständen des Einzelfalls und bei umfassender Würdigung der Stiftungsunterlagen und des Vortrags der Beteiligten) von einer weiteren Ermittlung des ausländischen Rechts absehen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 275, 240 Rz. 21, 24, 25), da – nach Aktenlage und dem Vortrag der Beteiligten – für den erkennenden Senat offensichtlich ist, dass es sich bei der Stiftung um eine selbständige Vermögensmasse handelt und das gesamte Stiftungsvermögen dem Kläger nicht zuzurechnen ist.
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cc) Mithin konnte – ausgehend von den obigen Erwägungen, jedoch entgegen der Rechtsauffassung des beklagten FA – durch die Geldschenkung des Herrn A an die streitgegenständliche Stiftung am 10.6.2021 keine nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG steuerbare unentgeltliche Zuwendung an den Kläger ausgelöst werden.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und dem Vollstreckungsschutz folgt aus §§ 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
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5. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der entschiedenen Rechtsfragen zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Insbesondere bedarf (entgegen der Rechtsauffassung des Klägers, vgl. dessen Schriftsatz vom 5.8.2025) die Frage des Fortbestands der Rechtsfähigkeit von im Ausland gegründeten Stiftungen der höchstrichterlichen Klärung.