Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 19.02.2025 – W 6 K 24.1380
Titel:

Beitrag zur Industrie- und Handelskammer, Wirtschaftsplanung der IHK, verwaltungsgerichtlicher Kontrollumfang, haushaltsrechtlicher Gestaltungsspielraum einer IHK, Grenzen der Amtsermittlungspflicht, Ausgleichsrücklage, Nettoposition, Digitalisierungsrücklage

Normenketten:
IHKG § 3
VwGO § 86
Leitsätze:
1. Das Maß der gerichtlichen Pflicht zur Sachaufklärung bestimmt sich nach der Substanz des Vorbringens der Beteiligten. Die verwaltungsgerichtliche Amtsermittlungspflicht geht dabei nicht so weit, dass pauschalen Verdachtsäußerungen nachgegangen werden muss. Die Untersuchungsmaxime ist keine prozessuale Hoffnung, das Gericht werde mit ihrer Hilfe die klagebegründenden Tatsachen ermitteln. Darüber hinaus verbietet es die grundsätzliche Gestaltungsfreiheit, die den Industrie- und Handelskammern bei der Aufstellung ihres Haushaltes zukommt, aus Anlass eines Beitragsbescheides die gesamte Wirtschaftsführung der Kammer im Detail zu durchleuchten. Die gerichtliche Aufklärungspflicht endet dort, wo das Vorbringen der Beteiligten keinen tatsächlichen Anlass zu weiterer Aufklärung bietet. Die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen verpflichtet das Gericht nicht, sich „gleichsam ungefragt“ auf Fehlersuche zu begeben. (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach dem haushaltsrechtlichen Gebot der Jährlichkeit hat die IHK die Entscheidung über das Vorhalten einer Rücklage und deren Höhe bei jedem Haushaltsplan erneut und damit jährlich zu treffen. Dem steht jedoch nicht entgegen, eine zweckgebundene Rücklage, die wie die Rücklage „IHK-Digital“ einen über das Wirtschaftsjahr hinausgehenden, bereits verbindlich festgestellten Finanzbedarf sichert, in voller Höhe in den Wirtschaftsplan einzustellen und durch jährliche Entnahmen abzuschmelzen. (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei einer Anschubfinanzierung für eine Multifunktionsarena mit Bedeutung für den gesamten Kammerbezirk handelt es sich um einen sachlichen Zweck zulässiger Kammertätigkeit, der eine Rücklagenbildung rechtfertigt. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beitrag zur Industrie- und Handelskammer, Wirtschaftsplanung der IHK, verwaltungsgerichtlicher Kontrollumfang, haushaltsrechtlicher Gestaltungsspielraum einer IHK, Grenzen der Amtsermittlungspflicht, Ausgleichsrücklage, Nettoposition, Digitalisierungsrücklage, Amtsaufklärung, IHK
Fundstellen:
GewA 2025, 378
BeckRS 2025, 21169
LSK 2025, 21169

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die vorläufige Veranlagung zum IHK-Beitrag für das Jahr 2022.
2
1. Der Kläger betreibt einen Einzelhandel mit Spielwaren in H … in U … und wird zur Gewerbesteuer veranlagt. Er ist Kammermitglied bei der Beklagten und wird von dieser zur Zahlung von Beiträgen herangezogen. Für das Jahr 2019 wurde der Beklagten ein Gewerbeertrag von 47.900,00 EUR mitgeteilt.
3
Die konkrete Heranziehung des Klägers zu Beiträgen erfolgt auf Grundlage der Beitragsordnung sowie der Wirtschaftssatzung der Beklagten der jeweiligen Geschäftsjahre.
4
Der Wirtschaftsplan der Beklagten für das Jahr 2022 enthält unter anderem folgende Positionen:
Nettoposition: 8.700.000,00 EUR
Ausgleichsrücklage: 1.626.853,94 EUR
Durationsausgleichsrücklage: 1.250.249,00 EUR
Rücklage IHK-Digital: 726.500,00 EUR
Rücklage Zukunftsstiftung: 80.000,00 EUR
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Die Beklagte hat für das Geschäftsjahr 2022 eine Wirtschaftssatzung erlassen, in welcher die Grundbeiträge, der Hebesatz der Umlage sowie die Freigrenze zur Beitragsfreistellung geregelt sind.
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Mit Bescheid vom 11. März 2022 zog die Beklagte den Kläger zur Zahlung von IHK-Beiträgen unter anderem für das Jahr 2022 heran. Für das Beitragsjahr 2022 erfolgte eine vorläufige Veranlagung und Heranziehung in Höhe von 233,61 EUR.
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2. Am 14. April 2022 ließ der Kläger hiergegen Klage erheben und beantragen,
Der Bescheid der Beklagten vom 11. März 2022 (Az.: …) wird aufgehoben.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte dürfe nach § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (IHKG) nur insoweit Mitgliedsbeiträge erheben, als ihr nicht anderweitige Mittel zur Verfügung stünden. Insbesondere sei eine pauschale Festlegung von Rücklagen ohne konkrete jährliche Risikoabschätzung unzulässig und das Gebot der Schätzgenauigkeit sei zu beachten. Rücklagen, die in dieser Form gebildet worden seien, seien als anderweitige Mittel vor einer Beitragsveranlagung dem Haushalt zuzuführen. Die Beklagte habe zum 31. Dezember 2014 ihre Nettoposition um 3,7 Mio. EUR angehoben. Gleichzeitig sei der Wert des unbeweglichen Sachanlagevermögens auf der Aktivseite der Bilanz gesunken. Im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei allenfalls eine Erhöhung der Nettoposition in gleicher Höhe vertretbar gewesen. Mit der unzulässigen und rechtswidrigen Überdotierung der Nettoposition habe die Beklagte von Beitragszahlern zur Verfügung gestellte Mittel dauerhaft der Finanzierung der Aufgaben entzogen. Die Zulässigkeit der Anhebung der Nettoposition sei stets aus der ex-ante Sicht zu beurteilen.
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Bei der Ausgleichsrücklage habe die Beklagte in unzulässiger Weise auf ein „risk tool“, ein stochastisches Rechenmodell, zurückgegriffen. Bei der Einführung dieses Modells sei seitens des IHK-Dachverbandes darauf hingewiesen worden, dass bei der Berechnung des Rücklagenbedarfs mit dem Verfahren der Monte-Carlo-Simulation gearbeitet worden sei, welches darauf angelegt sei, prinzipiell ungewisse Ereignisse durch Zufallsstichproben und Zufallsexperimente zu modellieren. Die Beklagte sei jedoch verpflichtet gewesen, naheliegende Möglichkeiten besserer Informationsgewinnung bei ihrer Risikoabschätzung zu nutzen. Das Bundesverfassungsgericht habe vor diesem Hintergrund den Einsatz eines solchen Rechenmodells mit seinen theoretischen mathematischen Methoden, die explizit der Bewältigung technisch-naturwissenschaftlicher Ungewissheiten dienten, ausgeschlossen. Zudem sei fraglich, ob nicht auch bei Anwendung des „risk tools“ in nicht nachvollziehbarer Weise auf tatsächliche oder vermeintliche Erfahrungen zurückgegriffen worden sei. Soweit die Ausgleichsrücklage aufgrund einer möglichen Inanspruchnahme durch eine Ausfallbürgschaft für ein Darlehen für die … GmbH vorgehalten werde, erscheine eine solche Inanspruchnahme vor dem Hintergrund der beteiligten Gesellschafter (Stadt und Landkreis …, Universität …, Handwerksammer …, Technische Hochschule … sowie die Beklagte) äußert unwahrscheinlich. Noch unwahrscheinlicher sei, dass ein solches Risiko kurzfristig im Jahr 2022 über die Beklagte hereinbrechen könne. In den Unterlagen sei davon die Rede, dass das Risiko „theoretisch“ bestehe.
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Hinsichtlich der Rücklage „Zukunftsstiftung“ bestünden erhebliche Zweifel, ob die finanzielle Beteiligung der Beklagten auch im Wege einer Anschubfinanzierung überhaupt mit dem gesetzlichen Auftrag in Einklang stehe. Es liege jedenfalls ein Verstoß gegen das haushaltsrechtliche Gebot der Jährlichkeit vor, wenn die Beklagte die vollständigen, für diese über fünf Jahre benötigten Mittel über eine Rücklage, die aus Beitragseinnahmen früherer Jahre gespeist werde, bereitstelle. Hierdurch würden insbesondere Kammermitglieder in nicht gerechtfertigter Weise belastet, die in den folgenden Geschäftsjahren gar nicht mehr Mitglied der Beklagten seien.
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Die Bildung der Rücklage … sei dem Grunde nach rechtswidrig. Mit dieser Rücklage solle kein im Wirtschaftsjahr bestehender Bedarf, sondern ein Bedarf, der erst in den nachfolgenden Jahren entstehen werde, gedeckt werden. Es handele sich um eine unzulässige Vermögensbildung auf Vorrat.
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Auch unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum sog. „risk-tool“ sei weiter völlig unklar, welches Konfidenzintervall zu Grunde gelegt worden sei. Hinsichtlich der Rücklage … sei festzustellen, dass eine konkrete Kalkulation und jedwede Unterlagen, die auf eine verbindliche Festlegung zum Verbrauch dieser Mittel schließen ließen, weiter fehlten.
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Mit weiterem Schriftsatz vom 17. Februar 2025 ließ der Kläger sein Vorbringen vertiefen. Die Erhöhung der Nettoposition im Jahr 2014 sei rechtswidrig gewesen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei auch die Beibehaltung einer erhöhten Nettoposition rechtswidrig. Aussagekräftige Dokumente seien durch das Gericht weiterhin nicht beigezogen worden. Dies gelte auch für die Risikoerfassungsbögen und deren Auswertung im Hinblick auf die Ausgleichsrücklage und konkretisierende Unterlagen zur Kalkulation der Rücklage IHK-Digital. Es fehle an jeglichem Beleg für die Behauptung der Beklagten, dass seitens der … … für das Wirtschaftsjahr ein Bedarf von 308.000,00 EUR ermittelt werde. Dass die Beklagte den Bedarf für die Jahre 2023 und 2024 jeweils ohne weitere Erläuterung mit dem vermeintlich bezifferten Bedarf für das Jahr 2022 festsetze, sei offenkundig willkürlich gegriffen. Denn der Finanzbedarf ergebe sich einerseits aus den zu finanzierenden Aufgaben und andererseits aus dem Umsetzungsstand. Für eine lineare Fortschreibung des Finanzbedarfs spreche sachlich nichts und eine solche entspreche nicht dem Gebot der Schätzgenauigkeit.
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Die Beklagte ließ beantragen,
die Klage abzuweisen.
15
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Der Beitragsbescheid sei bezogen auf die vorläufige Veranlagung für das Jahr 2022 rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Mitgliedsbeiträge sowie für die vorläufige Festsetzung des Mitgliedsbeitrags sei § 3 Abs. 2 und 3 IHKG i.V.m. der Beitragsordnung und Wirtschaftssatzung der Beklagten für die Geschäftsjahre 2019 bis 2022. Danach würden die Kosten der Errichtung der Tätigkeit der Beklagten, soweit sie nicht anderweitig gedeckt seien, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß der Beitragsordnung aufgebracht. Der Kläger sei unstrittig Kammerzugehöriger im Sinne von § 2 Abs. 1 IHKG, da er als natürliche Person des privaten Rechts im Bezirk der Beklagten eine Betriebsstätte unterhalte und dem Grunde nach zur Gewerbesteuer veranlagt werde. Es sei nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen, dass die konkrete Erhebung des Mitgliedsbeitrages für 2019 bzw. die vorläufige Veranlagung für das Jahr 2022 fehlerhaft gewesen seien. Soweit der Kläger die Willensbildung der Beklagten im Bereich der Aufstellung ihrer Wirtschaftspläne für die verfahrensgegenständlichen Wirtschaftsjahre bemängele, sei anzumerken, dass die Beklagte hinsichtlich der Aufstellung der Wirtschaftspläne einen weiten Gestaltungsspielraum habe. Der Kläger habe nicht substantiiert vorgetragen, warum die Wirtschaftsplanung der Beklagten aus seiner Sicht rechtswidrig sei.
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Hinsichtlich der Erhöhung der Nettoposition von 5.000.000,00 EUR auf 8.700.000,00 EUR bestünden keine rechtlichen Bedenken, denn die Nettoposition übersteige im Wirtschaftsjahr 2022 der Höhe nach nicht die im Sachanlagevermögen gebundenen Vermögenswerte und entspreche damit den Vorgaben des Finanzstatuts der Beklagten. Es sei hierdurch kein zweckfreies und zur Beitragsreduzierung zur Verfügung stehendes Vermögen gebildet bzw. aufrechterhalten worden. Die Nettoposition sei als Rechnungsposition in der Eröffnungsbilanz entstanden. Sie dürfe im Regelfall nicht größer sein als das zur Erfüllung der Aufgaben der IHK notwendige, um Sonderposten verminderte unbewegliche Sachanlagevermögen. Eine Anpassung könne bei erheblicher Änderung der Verhältnisse beim unbeweglichen Sachanlagevermögen im Vergleich zum Eröffnungsbilanzstichtag angepasst werden. Die Nettoposition sei in der Eröffnungsbilanz mit 5.000.000,00 EUR ausgewiesen und in dieser Höhe zunächst unverändert geblieben. Zum 31. Dezember 2014 sei sie durch Beschluss der Vollversammlung auf 8.700.000,00 EUR erhöht worden. Die Höhe der Nettoposition sei zu dem in diesem Verfahren einzig maßgeblichen Zeitpunkt 2022 durch die in den Jahren 2015 und 2018 vorgenommenen Änderungen im Anlagebestand gerechtfertigt. Es sei ein Grundstück erworben worden und es hätten Ertüchtigungen an zwei Gebäuden in gesamter Höhe von 5.217.104,72 EUR stattgefunden. Die Ertüchtigung bzw. Erweiterung der vorhandenen Räumlichkeiten diene insbesondere der Durchführung von Prüfungen bzw. vorbereitenden Lehrgängen und zur notwendigen Neuausrichtung der Dienstgebäude auf die aktuellen Erfordernisse. Insoweit erfolge sie aufgrund einer Änderung der Verhältnisse, die durch einen sachlichen Grund im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit gedeckt gewesen sei. Prüfung und Weiterbildung seien Kernaufgaben der Industrie- und Handelskammern, dementsprechend gehöre auch das Vorhalten der hierfür erforderlichen Gebäude bzw. deren Ertüchtigung zu ihren Aufgaben.
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Die Ausgleichsrücklage sei rechtmäßig gebildet. Das Bilden angemessener Rücklagen sei trotz des Verbots der Vermögensbildung zulässig, sofern es an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit gebunden und auch das Maß der Rücklage noch von diesem sachlichen Zweck gedeckt sei. Insbesondere sei die Bildung einer Ausgleichsrücklage zur Absicherung von Beitragsschwankungen durch einen solchen Zweck gedeckt und grundsätzlich gerechtfertigt. Die Ausgleichsrücklage halte sich der Höhe nach in dem durch das Finanzstatut der Beklagten vorgegebenen Rahmen. Darüber hinaus seien bei der Aufstellung des Wirtschaftsplans für das Jahr 2022 hinsichtlich der Ausgleichsrücklage die Grundsätze staatlichen Haushaltsrechts und dabei insbesondere das Gebot der Schätzgenauigkeit beachtet worden. Das Vorhalten der Ausgleichsrücklage im Wirtschaftsplan 2022 beruhe auf einer dem Gebot der Schätzgenauigkeit genügenden Prognoseentscheidung unter Verwendung eines Bewertungstools, welches in seiner Anwendbarkeit durch eine neutrale Wirtschaftsprüfungsgesellschaft überprüft worden sei. Die Beklagte wende im Rahmen der Risikoermittlung das Standard-Konfidenzniveau von 95% an. Die Risikoermittlung werde stets auch im Rahmen der jährlichen Beschlussfassung der Vollversammlung über die Wirtschaftsplanung erörtert. Die verbindlich eingegangene Bürgschaftsverpflichtung für das Darlehen der … … zur Errichtung ihres neuen Gebäudes habe berücksichtigt werden dürfen, da das Ausfallrisiko nicht unrealistisch gewesen sei. Der wirtschaftliche Erfolg des unterstützten Gründerzentrums hänge stark von der möglichen Vermietung an geeignete Existenzgründer in der Region ab. Gerade in den Gründungsjahren hingen die Erfolgschancen stark von der konjunkturellen Entwicklung ab, weshalb es recht kurzfristig zur Beendigung des Geschäftsbetriebs von Gründern und damit zu ungeplanten Leerständen kommen könne. Angesichts der globalen und regionalen Krisen bei den Mietern sei die Liquiditätslage des … … angespannt. Die Beklagte habe angesichts der Unwägbarkeiten zwar nur eine geringe Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikos berücksichtigt, aber dennoch mit einem Eintritt der vollen Höhe des Schadensausmaßes rechnen dürfen. Der Einwand, es bedürfe angesichts der an der … … beteiligten Gesellschafter keiner Absicherung der Bürgschaftsverpflichtung, gehe fehl. Die Beklagte bürge nicht für die Gesellschafter, sondern für die GmbH als eigenständiges und insolvenzfähiges Rechtssubjekt. Ohne entsprechende Sicherheiten könne dieses keine Bankdarlehen erhalten. Die Dotierung weiche nicht erheblich und erst recht nicht mehr als 20% von dem ermittelten Risikoausmaß ab.
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Die Rücklage Zukunftsstiftung entspreche den rechtlichen Vorgaben. Die Errichtung einer … in W … für …, … und … sei das Leuchtturmprojekt der Zukunftsstiftung W … Die Beklagte beabsichtige sich im Zuge einer Anschubfinanzierung über fünf Jahre mit je 20.000,00 EUR an diesem Projekt zu beteiligen, was eine zulässige Unterstützung einer Einrichtung, die der Förderung der gewerblichen Wirtschaft diene, darstelle. Hier sei es aufgrund der unvorhergesehenen Verzögerungen bei der Realisierung des umfangreichen Bauprojekts entgegen der eigentlichen Planung noch nicht zu den geplanten Entnahmen von jährlich 20.000,00 EUR gekommen.
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In Bezug auf die Durationsausgleichsrücklage sei festzustellen, dass eine gesetzliche Neuregelung zur Berechnung der Pensionsrückstellungen im Jahr 2016 den vorgegebenen Rechnungszins von einem 7-Jahres-Durchschnitt auf einen 10-Jahres-Durchschnitt geändert habe. Die dadurch geschaffene einmalige Entlastung bei der Zuführung zu Pensionsrückstellungen werde jedoch bei weiter niedrigem Zinsniveau in den Folgejahren durch einen sinkenden Durchschnittszins wieder aufgezehrt. Um für die Zukunft vorzusorgen, sei eine Rücklage in Höhe der Entlastung durch die gesetzliche Neuregelung gebildet worden. Zur Berechnung liege ein versicherungsmathematisches Gutachten vor.
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Schließlich sei auch die Bildung der Rücklage … rechtmäßig erfolgt, da sie durch einen sachlichen Grund im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit gedeckt sei. Der Gesetzgeber stelle an die Industrie- und Handelskammern hohe Anforderungen im Bereich Digitalisierung von Verwaltungsleistungen, im Bereich E-Government sowie im Bereich der IT-Sicherheit. Die hoheitlichen Aufgaben, die den Industrie- und Handelskammern übertragen worden seien, sowie die sich permanent und immer kurzfristiger ändernden Kundengewohnheiten erforderten überdies einen zunehmend hohen Digitalisierungsgrad der Prozessabläufe bei der Beklagten. Die Rücklage decke die Kosten bis zum Jahr 2024 ab und werde dementsprechend abgeschmolzen. Die Rücklage diene der Finanzierung der Digitalisierung der IHK-Organisation und damit auch der Beklagten. Der abgesicherte Finanzbedarf basiere auf den Mitteilungen der … …, welche insofern jährlich das erforderliche Gesamtbudget sowie den IHKspezifischen Anteil hieran kalkuliere. Im Zeitpunkt der Feststellung des Wirtschaftsplans 2022 habe die Rücklage auf den Angaben im Haushaltsanschreiben der … … vom 13. September 2021 nebst zugehöriger Preisliste basiert. Im Rahmen der Beschlussfassung der Vollversammlung habe dieser konkretisierte Finanzbedarf die Grundlage für die Dotierung der Digitalisierungsrücklage gebildet. Die Rücklage sei im Hinblick auf ihren Zweck angemessen dotiert. Sie werde nicht nur planerisch, sondern auch tatsächlich entsprechend ihrem jeweiligen Zweck in Anspruch genommen und insoweit abgeschmolzen.
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3. In der mündlichen Verhandlung am 28. Juni 2023 wurde das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Verfahren Az.: 8 C 5.23 ruhend gestellt.
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Die Beteiligten haben sich jeweils mit einer Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
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4. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Behördenakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 28. Juni 2023 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat keinen Erfolg.
25
Der Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 11. März 2022 aufzuheben, ist bei verständiger Würdigung (§ 88 VwGO) dahingehend auszulegen, dass dieser sich allein auf die vorläufige Beitragsveranlagung für das Jahr 2022 bezieht, denn soweit der Bescheid eine Abrechnung für das Jahr 2019 betrifft, ist er Gegenstand des zwischen den Beteiligten anhängigen Verfahrens W 6 K 23.870.
26
Die so verstandene Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 11. März 2022 ist im streitgegenständlichen Umfang rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Im Einzelnen:
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1. Über die Klage konnte nach § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 15. Oktober 2024 (Beklagte) und 23. Oktober 2024 (Kläger) entsprechende Erklärungen abgebeben.
28
2. Die Klage ist unbegründet.
29
Der Bescheid vom 11. März 2022 ist, soweit er die hier streitgegenständliche vorläufige Veranlagung zum IHK-Beitrag für das Jahr 2022 zum Gegenstand hat, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Rechtsgrundlage für die endgültige Festsetzung der Mitgliedsbeiträge sowie für die vorläufige Festsetzung der Mitgliedsbeiträge ist § 3 Abs. 2 und Abs. 3 IHKG i.V.m. der Beitragsordnung und Wirtschaftsatzung der Industrie- und Handelskammer W.-S. für das Geschäftsjahr 2022. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG werden die Kosten der Errichtung und der Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Haushaltsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß der Beitragsordnung aufgebracht. Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG ist der Wirtschaftsplan jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen. Gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 IHKG erhebt die Kammer als Beiträge Grundbeiträge und Umlagen.
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Mit Blick auf die Beitragserhebung legt das Gesetz eine zweistufige Willensbildung der Industrie- und Handelskammer zugrunde. Auf einer ersten Stufe stellt die Kammer den Wirtschaftsplan auf, welcher jeweils für ein Wirtschaftsjahr gilt und als Plan im Voraus aufzustellen ist; vor dem Hintergrund der in diesem Jahr beabsichtigten Tätigkeiten der Kammer prognostiziert er unter Berücksichtigung der zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben den voraussichtlichen Bedarf, den es durch die Beiträge zu decken gilt. Auf einer zweiten Stufe wird dieser voraussichtliche Bedarf gemäß einer Beitragsordnung im Wege der Beitragserhebung auf die Kammerzugehörigen umgelegt (vgl. BVerwG, U.v. 27.3.2024 – 8 C 5.23 – juris Rn. 15; U.v. 22.1.2020 – 8 C 9.19 – Rn. 10).
32
Die Prüfung, ob ein Beitragsbescheid rechtmäßig ist, erfordert folglich nicht nur die Feststellung, ob der im Wirtschaftsplan festgesetzte Mittelbedarf der Kammer, der nicht durch Einnahmen anderweitig gedeckt ist, durch eine Beitragsordnung rechtmäßig auf die Kammerzugehörigen umgelegt und ob die Beitragsordnung auch im Einzelfall fehlerfrei angewendet wurde. Geboten ist zudem die Feststellung, ob die Festsetzung des Mittelbedarfs der Kammer im Wirtschaftsplan den insofern zu stellenden rechtlichen Anforderungen genügt. Der Wirtschaftsplan ist damit der (inzidenten) gerichtlichen Überprüfung im Beitragsrechtsstreit nicht schlechthin entzogen. Dies wäre mit dem Gebot des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, gegen die Beitragserhebung der Industrie- und Handelskammer effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu gewähren, unvereinbar (vgl. BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 10 C 6/15 – juris Rn. 13).
33
Der Kläger ist unstreitig Kammerzugehöriger im Sinne des § 2 Abs. 1 IHKG, da er in H … in U … im Bezirk der Beklagten einen Einzelhandel mit Spielwaren und Drachen betreibt und zur Gewerbesteuer veranlagt wird. Die Beklagte durfte den Kläger somit gemäß § 3 Abs. 2 und Abs. 3 IHKG i.V.m. § 1 Abs. 1 BO grundsätzlich zur Zahlung von Beiträgen heranziehen.
34
Hinsichtlich der konkreten Höhe der (vorläufigen) Veranlagung für das Jahr 2022 von 233,61 EUR und der Anwendung der Beitragsordnung auf den Kläger sind keine Fehler ersichtlich, zumal dieser hiergegen nichts substantiiert vorgetragen hat.
35
Soweit der Kläger die Rechtmäßigkeit der Willensbildung der Beklagten im Rahmen der Aufstellung des Wirtschaftsplans für das in Rede stehende Wirtschaftsjahr 2022 rügt, dringt er hiermit ebenfalls nicht durch. Diese ist bei der vorliegend gebotenen inzidenten Prüfung anhand der vom Kläger vorgebrachten Aspekte nicht zu beanstanden. Eine Verpflichtung des Gerichts zur weiteren Sachverhaltsaufklärung, insbesondere zur Beiziehung der vom Kläger gewünschten Unterlagen, bestand auch vor dem Hintergrund der gerichtlichen Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht.
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Dies ergibt sich aus Folgendem:
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Bei der hier in Streit stehenden Willensbildung der Beklagten im Bereich der Aufstellung ihres Wirtschaftsplans für das Wirtschaftsjahr 2022 ist nach den oben dargelegten Grundsätzen inzident zu prüfen, ob die Festsetzung des Mittelbedarfs der Kammer im Wirtschaftsplan den insoweit zu stellenden rechtlichen Anforderungen genügt. Hierbei ist zu beachten, dass die Beklagte hinsichtlich der Aufstellung des Wirtschaftsplanes einen weiten Gestaltungsspielraum hat und Inhalt der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle daher nur die Überprüfung sein kann, ob die rechtlichen Vorgaben gewahrt wurden und ob die Beklagte bei der Aufstellung des Wirtschaftsplanes den ihr zustehenden weiten Gestaltungsspielraum überschritten hat (vgl. BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 10 C 6/15 – juris Rn. 13; VG Düsseldorf, U.v. 18.5.2022 – 20 K 730/20 – juris Rn. 122; VG Würzburg, U.v. 22.1.2025 – W 6 K 24.599 – BeckRS 2025, 1785 Rn. 52).
38
Der in den jeweils zu beachtenden Rechtsnormen vorgegebene Rahmen wird dabei gebildet durch die genannten Maßgaben des § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG, die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung (vgl. § 3 Abs. 7a IHKG), die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts sowie durch ergänzende Satzungsbestimmungen. Zu den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts zählt auch das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt. Dies bedeutet, dass Prognosen aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen müssen; ist dies der Fall, ist es unschädlich, wenn sich eine Prognose im Nachhinein als unrichtig erweist (vgl. BVerwG, U.v. 27.3.2024 – 8 C 5.23 – juris Rn. 15; U.v. 9.12.2015 – 10 C 6.15 – juris Rn. 16). Die Kammern sind zu einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung sowie zur pfleglichen Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen verpflichtet. Die Bildung von Vermögen ist den Kammern verboten (BVerwG, U.v. 27.3.2024 – 8 C 5.23 – juris Rn. 15). Jeder Bedarfsansatz muss von einem sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit getragen werden und der Höhe nach von diesem gedeckt sein (vgl. BVerwG, U.v. 22.1.2020 – 8 C 10.19 – juris Rn. 15; U.v. 26.6.1990 – 1 C 45.87). Das Verbot der Vermögensbildung schließt die Bildung von Rücklagen jedoch nicht aus, da die Bildung von angemessenen Rücklagen zu einer geordneten Haushaltsführung gehört. Daran ist auch für die Zukunft festzuhalten, da die Bildung von angemessenen Rücklagen auch nach Einführung der Verwaltungsdoppik und der damit verbundenen Orientierung an der kaufmännischen Buchführung für die Industrie- und Handelskammern als nicht gewinnorientierte, öffentlich-rechtliche Körperschaften weiterhin notwendig ist (BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 10 C 6.15 – juris Rn. 17). Angemessene Rücklagen sind stets an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit gebunden, wozu die Vorhaltung einer Mittelreserve zur Überbrückung von Einnahmeverzögerungen oder Einnahmeausfällen gehört. Allerdings muss auch das Maß der Rücklage noch von diesem sachlichen Zweck gedeckt sein, da eine hierdurch in ihrer Höhe nicht mehr gedeckte Rücklage nicht mehr angemessen wäre und einer unzulässigen Vermögensbildung gleichkäme (BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 10 C 6.15 – juris Rn. 18).
39
Diesen Anforderungen genügt die Wirtschaftsplanung der Beklagten für das Wirtschaftsjahr 2022. Der Kläger hat nichts substantiiert vorgetragen, was diese Annahme in Zweifel ziehen würde. Insbesondere sind die Bildung und Dotierung der Ausgleichsrücklage (a), Rücklage IHK-Digital (b) und Rücklage Zukunftsstiftung (c) sowie das Vorhalten sowie die Höhe der Nettoposition (d) im maßgeblichen Wirtschaftsjahr nicht zu beanstanden und entsprechen haushaltsrechtlichen Grundsätzen. Auch im Weiteren begegnet die Wirtschaftsplanung der Beklagten keinen rechtlichen Bedenken (e).
40
a.) Die Bildung einer Ausgleichsrücklage in Höhe von 1.626.853,94 EUR ist nicht zu beanstanden.
41
Ausgehend von oben Gesagtem ist die Bildung angemessener Rücklagen grundsätzlich zulässig (siehe hierzu nur BVerwG, U.v. 27.3.2024 – 8 C 5.23 – juris Rn. 16), was letztlich auch vom Kläger nicht in Zweifel gezogen wird. Die Beklagte hat die Ausgleichsrücklage ausweislich der vorgelegten Unterlagen (Erläuterungen zur Wirtschaftssatzung und zum Wirtschaftsplan für das Geschäftsjahr 2022, S. 7) gebildet, um ergebniswirksame Schwankungen auszugleichen und insbesondere einem ermittelten Ausfallrisiko hinsichtlich einer Bürgschaft für ein Darlehen der … … … … … an welcher die Beklagte als Gesellschafterin beteiligt ist, zur Errichtung ihres Gebäudes Rechnung zu tragen, was einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit darstellt. Dies gilt vor dem Hintergrund von § 1 Abs. 1 Nr. 2 IHKG, wonach die Kammern die Aufgabe haben, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft in ihrem Bezirk zu wirken, sowohl für die Beteiligung an einem derartigen Gründerzentrum und die Übernahme einer Bürgschaft für ein Darlehen der Trägergesellschaft als auch für die Absicherung eines entsprechenden Ausfalls im Rahmen der Ausgleichsrücklage.
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Die Beklagte hat bei der Ermittlung der Höhe der Ausgleichsrücklage zulässigerweise auf das sog. „Risiko-Tool“ zurückgegriffen. Das Gebot der Schätzgenauigkeit verpflichtet die Kammer nicht dazu, die Mittelbedarfsprognose auf der Grundlage einer bestimmten Methode zu ermitteln und schließt den Einsatz eines Risiko-Tools nicht grundsätzlich aus. Maßgeblich ist vielmehr, ob der für einen bestimmten Zweck veranschlagte Mittelbedarf unter Einsatz der jeweiligen Methode aufgrund der bei der Aufstellung des Wirtschaftsplans verfügbaren Informationen sachgerecht und vertretbar prognostiziert wurde und auch im Übrigen den rechtlichen Anforderungen genügt (vgl. BVerwG, U.v. 27.3.2024 – 8 C 5.23 – juris Rn. 19).
43
Diesen Anforderungen wird die Ausgleichsrücklage bzw. deren Höhe vorliegend gerecht. Die Beklagte hat unter Anwendung eines Konfidenzniveaus von 95% eine Schadenssumme von 1.678.148 EUR als Risiko ermittelt (vgl. Risiko-Simulation 2022 vom 28.9.2021). Als Ausgleichsrücklage wurde ein Betrag in Höhe von 1.626.853,94 EUR angesetzt. Dass die Ausgleichsrücklage hinter dem ermittelten Gesamtrisiko zurückbleibt, führt zunächst nicht zu einem Verstoß gegen das Gebot der Schätzgenauigkeit. Dieses verlangt bei der Bildung der Ausgleichsrücklage eine realitätsnahe Prognose, verpflichtet die Kammer aber nicht, in jedem Fall das ermittelte Gesamtrisiko in vollem Umfang in den Wirtschaftsplan einzustellen. Es liegt im Gestaltungsspielraum der Kammer, im Interesse der pfleglichen Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen (§ 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG) hinter diesem Wert zurückzubleiben und das damit verbundene Risiko, etwa der Inanspruchnahme von Kassenkrediten einzugehen. Ist der erforderliche Zusammenhang zwischen dem ermittelten Gesamtrisiko und der gebildeten Ausgleichsrücklage jedoch nicht mehr erkennbar, ist das Gebot der Schätzgenauigkeit verletzt. Unterschreitet die in den Wirtschaftsplan eingestellte Ausgleichsrücklage den ermittelten Wert erheblich, ist der Ansatz nicht mehr vom Zweck der Rücklage gedeckt und erweist sich als „gegriffen“. Beträgt die Abweichung der Ausgleichsrücklage von dem ermittelten Gesamtrisiko – wie hier – rund 3%, ist der erforderliche Zusammenhang zwischen beiden Beträgen aber in jedem Fall noch erkennbar und der Gestaltungsspielraum der Kammer nicht überschritten (vgl. zum Ganzen: BVerwG, a.a.O. Rn. 26; Abweichung von rund 20%).
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Die Anwendung eines Konfidenzniveaus von 95% ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Es handelt sich hierbei um einen standardisierten und als üblich anerkannten Wert, der zum Ausdruck bringt, dass keine Gründe für eine besonders konservative oder besonders risikofreudige Herangehensweise bestehen und dessen Annahme keiner besonderen Begründung bedarf. Das Gebot der Schätzgenauigkeit, das eine realitätsnahe Prognose verlangt, schließt die Annahme eines solchen anerkannten Standardwertes nicht aus. Sie hält sich im Rahmen des Gestaltungsspielraums der Kammer (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 25).
45
Im Übrigen hält sich die Ausgleichsrücklage der Höhe nach in dem in § 15a Abs. 2 des Finanzstatuts der Beklagten genannten Rahmen von höchstens 50% der geplanten Aufwendungen (hier: 8%).
46
Die Risikobeschreibung der Beklagten, dass mit der Ausgleichsrücklage eine Bürgschaft für ein Darlehen der … … abgesichert werden soll, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Diese beruht auf einer plausiblen Annahme und nicht auf bewusst falschen oder gegriffenen Ansätzen. Die Beklagte hat Bürgschaften für Darlehen der … … für den Neubau eines Gebäudes in Höhe von 2.100.000,00 EUR und 500.000,00 EUR übernommen (Erläuterungen zur Wirtschaftssatzung und zum Wirtschaftsplan für das Geschäftsjahr 2022, S. 10). Eine Inanspruchnahme dieser Bürgschaften ist dabei auch unter Berücksichtigung des klägerischen Vorbringens jedenfalls nicht völlig unplausibel oder unrealistisch. Zwar mag die Inanspruchnahme der Beklagten durch die Ausfallbürgschaft aufgrund der genannten Gesellschafter der … … nicht überwiegend wahrscheinlich sein. Andererseits hat die Beklagte aber nachvollziehbar ausgeführt, weshalb aufgrund der im Bereich von Existenzgründern bestehenden konjunkturellen Schwankungen und Unsicherheiten eine zeitnahe Inanspruchnahme auch nicht ausgeschlossen ist. Dem ist der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Im Übrigen darf die Beklagte bei der Rücklagenbildung auch Risiken berücksichtigen, die potentiell möglich sind (vgl. Günther in Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, 93. EL März 2024, § 3 IHKG, Rn. 114a mw.N.).
47
Vor diesem Hintergrund genügt die Bildung der Ausgleichsrücklage durch die Beklagte dem Grunde und der Höhe nach den hierzu geltenden Grundsätzen, insbesondere auch soweit diese durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts konkretisiert wurden.
48
Eine weitere gerichtliche Aufklärung, auch durch Beiziehung der vom Kläger geforderten Unterlagen (Risikoerfassungsbögen und die Auswertung) war vorliegend nicht angezeigt.
49
Das Maß der gerichtlichen Pflicht zur Sachaufklärung bestimmt sich nach der Substanz des Vorbringens der Beteiligten (BVerwG, U.v. 2.8.2001 – 7 C 2.01 – juris Rn. 19). Die verwaltungsgerichtliche Amtsermittlungspflicht geht dabei nicht so weit, dass pauschalen Verdachtsäußerungen nachgegangen werden muss (vgl. etwa BVerwG B.v. 24.9.2012 – 5 B 30.12 – juris Rn. 9 zum Thema der Beweisermittlungsanträge). Die Untersuchungsmaxime ist keine prozessuale Hoffnung, das Gericht werde mit ihrer Hilfe die klagebegründenden Tatsachen ermitteln. Darüber hinaus verbietet es die grundsätzliche Gestaltungsfreiheit, die den Industrie- und Handelskammern bei der Aufstellung ihres Haushaltes zukommt (siehe hierzu bereits oben), aus Anlass eines Beitragsbescheides die gesamte Wirtschaftsführung der Kammer im Detail zu durchleuchten (vgl. hierzu VG Würzburg, U.v. 22.1.2025 – W 6 K 24.599 – BeckRS 2025, 1785 Rn. 58; VG Düsseldorf, U.v. 18.5.2022 – 20 K 730/20 – juris Rn. 232; VG Gera, U.v. 22.11.2018 – 4 K 492/17 – juris Rn. 37; VG Ansbach, U.v. 30.11.2017 – AN 4 K 17.537; zu alledem auch Günther in Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, Werkstand: 93. EL Dezember 2024, § 3 IHKG Rn. 264).
50
Aufklärungsmaßnahmen in tatsächlicher Hinsicht sind in der Regel nur dann veranlasst, wenn sich diese nach den Umständen des Einzelfalls aufdrängen (vgl. BVerwG, U.v. 25.2.1993 – 2 C 14.19 – juris Rn. 30). In rechtlicher Hinsicht besteht keine Verpflichtung, in nicht durch entsprechendes Vorbringen oder andere konkrete Anhaltspunkte veranlasste Nachforschungen darüber einzutreten, ob nicht ein bisher nicht entdeckter Umstand auf die Rechtmäßigkeit des zu beurteilenden Verwaltungshandelns von Einfluss sein könnte (vgl. BVerwG, U.v. 23.11.1982 – 9 C 74.81 – BeckRS 1982, 30424873, Rn. 9). Mit anderen Worten endet die gerichtliche Aufklärungspflicht dort, wo das Vorbringen der Beteiligten keinen tatsächlichen Anlass zu weiterer Aufklärung bietet (vgl. BayVGH, B.v. 17.2.2025 – 22 ZB 23.1625 – juris Rn. 31). Die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen verpflichtet das Gericht nicht, sich „gleichsam ungefragt“ auf Fehlersuche zu begeben (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 86 Rn. 34 m.w.N.).
51
Dies zu Grunde gelegt bot das Vorbringen des Klägers keinen Anlass zu weiterer Sachverhaltsaufklärung und die von ihm geforderten Unterlagen beizuziehen. Der Kläger hat insoweit nicht substantiiert dargelegt, inwieweit die von der Beklagten angestellte Risikoprognose unter Berücksichtigung der vorgelegten Unterlagen und des Vorbringens im gerichtlichen Verfahren rechtlich zu beanstanden wäre. Dem Kläger geht es ersichtlich darum, sich durch die Beiziehung der genannten Unterlagen überhaupt erstmalig Kenntnis von diesen zu verschaffen und dann zu prüfen, ob sich aus deren Inhalt möglicherweise Fehler in der Wirtschaftsplanung der Beklagten ergeben könnten. Exemplarisch ist hierbei auf den klägerischen Schriftsatz vom 1. März 2023 zu verweisen (Bl. 112 ff. der elektronischen Gerichtsakte), in welchem er die aus seiner Sicht relevanten Unterlagen benennt, um eine Vertiefung der Klagebegründung vornehmen zu können. Der Kläger moniert im weiteren Verfahren wiederholt, ihm werde eine sachgerechte Begründung seiner Klage verwehrt, wenn die von ihm begehrten Unterlagen nicht beigezogen werden.
52
Insoweit verkennt er, dass es ihm – gerade auch vor dem Hintergrund seiner anwaltlichen Vertretung – ohne weiteres möglich und zumutbar wäre, bei der Beklagten Einsicht in die begehrten Unterlagen zu nehmen und daraufhin sein Vorbringen zu substantiieren (vgl. zu dieser Vorgehensweise: VG Würzburg, U.v. 22.1.2025 – W 6 K 24.599 – BeckRS 2025, 1785, Rn. 59; VG Düsseldorf, U.v. 18.5.2022 – 20 K 730/20 – juris Rn. 228 ff; Günther in Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, 93. EL März 2024, § 3 IHKG, Rn. 264)
53
Es ist nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen, dass die Beklagte dem Kläger diese Möglichkeit vorenthalten bzw. er überhaupt einen dahingehenden Versuch unternommen hat. Darüber hinaus ist es nicht die Aufgabe des Gerichts, für den Kläger Unterlagen ohne Kenntnis darüber, ob diese überhaupt entscheidungserheblich sind, beizuziehen, um diesem eine Prüfung und ggf. einen substantiierten Vortrag zu ermöglichen. Pauschalen Verdachtsäußerungen oder Vermutungen, die Wirtschaftsplanung der Beklagten könnte in bestimmten Punkte möglicherweise fehlerhaft sein, lösen keine Verpflichtung des Gerichts zur Beiziehung der begehrten Unterlagen aus.
54
Soweit sich der Kläger wiederholt auf eine „Aufklärungsverfügung“ des Gerichts vom 10. Juni 2022 beruft, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Ihm ist insoweit zwar zuzugeben, dass die Beklagte jedenfalls nicht alle geforderten Unterlagen vorgelegt hat, was nicht der guten Ordnung im Rahmen ordnungsgemäßer Verfahrensführung entspricht. Gleichwohl ist das gerichtliche Anschreiben nicht dahingehend zu verstehen, dass die genannten Unterlagen in jedem Fall entscheidungserheblich wären. Vielmehr lag zu diesem Zeitpunkt noch eine in Teilen völlig unsubstantiierte, mit Fragen versehene Klagebegründung vor, welche ohnehin nicht geeignet war, eine weitere Amtsermittlungspflicht auszulösen. Die von der Beklagten bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegten Unterlagen sind für die Kammer ausreichend, um – ausgehend von der Substanz des klägerischen Vortrags – die Wirtschaftsplanung der Beklagten hinsichtlich der Ausgleichsrücklage, aber auch im Übrigen überprüfen zu können. Dem Kläger letztlich darum, Einsicht in möglichst umfangreiche Unterlagen der Beklagten zu erhalten, in der Hoffnung, dass das Gericht dort ggf. einen Fehler in der Willensbildung auffindet. Hierfür ist im gerichtlichen Verfahren nach obigen Ausführungen aber gerade kein Raum. Es ist – wie oben bereits ausgeführt – nicht die Aufgabe und Verpflichtung des Gerichts aus Anlass der Überprüfung eines Beitragsbescheids eine umfassende Wirtschaftsprüfung bei der Beklagten vorzunehmen.
55
b.) Die Bildung der Rücklage „IHK-Digital“ ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
56
Zunächst ist auch insoweit festzustellen, dass die Bildung einer Rücklage für die Abdeckung von Kosten, welche im Zuge gestiegener Anforderungen an die Beklagte im Bereich Digitalisierung entstehen, einen sachlichen Grund für die Rücklagenbildung im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit darstellt (vgl. auch OVG RhPf., U.v. 25.4.2023 – 6 A 11192/22.OVG – juris Rn. 43 f.). Hieran gibt es keine Zweifel.
57
Die Bildung der Rücklage in ihrer konkreten Form verstößt weiter nicht gegen das haushaltsrechtliche Gebot der Jährlichkeit. Grundsätzlich hat die Beklagte diesem folgend die Entscheidung über das Vorhalten einer Rücklage und deren Höhe bei jedem Haushaltsplan erneut und damit jährlich zu treffen (BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 10 C 6.15 – juris Rn. 18). Dem steht jedoch nicht entgegen, eine zweckgebundene Rücklage, die wie die Rücklage „…“ einen über das Wirtschaftsjahr hinausgehenden, bereits verbindlich festgestellten Finanzbedarf sichert, in voller Höhe in den Wirtschaftsplan einzustellen und durch jährliche Entnahmen abzuschmelzen (BVerwG, U.v. 27.3.2024 – 8 C 5.23 – juris Rn. 29).
58
Die Dotierung der Rücklage „…“ in Höhe von 726.500,00 EUR genügt diesen Anforderungen. Die Beklagte hat die Höhe der Rücklage anhand einer konkreten Preisliste der … … aus dem Jahr 2022 für die erforderlichen Digitalisierungsmaßnahmen ermittelt (vgl. Bl. 5 des mit Schriftsatz vom 20. Januar 2025 vorgelegten ergänzenden Verwaltungsvorgangs). Auch trifft es nicht zu, wie der Kläger meint, der Bedarf für die Jahre 2023 und 2024 wäre linear angesetzt worden. Für das Jahr 2023 wurde ein Endbedarf in Höhe von 347.451.00 EUR und für das Jahr 2024 in Höhe von 378.898,00 EUR angesetzt (vgl. Bl. 6 des genannten ergänzenden Verwaltungsvorgangs). Dass dieser Bedarf unsachgemäß ermittelt oder unangemessen hoch wäre, hat der Kläger nicht vorgetragen und ist auch sonst anhand der zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht ersichtlich. Ein Verstoß gegen das Gebot der Schätzgenauigkeit liegt mithin nicht vor.
59
Ausgehend von dem konkret für die Jahre 2023 und 2024 ermittelten Bedarf handelt es sich bei dem mit der Rücklage „…“ vorgehaltenen Betrag um einen feststehenden Finanzbedarf für die kommenden Jahre und dieser durfte demgemäß in voller Höhe im Jahr 2022 im Wirtschaftsplan angesetzt werden. Auch wird dieser durch jährliche Entnahmen „abgeschmolzen“ und verstößt vor diesem Hintergrund nicht gegen das Prinzip der Jährlichkeit.
60
Auch insoweit kann die Kammer die Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden Rücklage anhand der vorgelegten Unterlagen hinreichend beurteilen und es bedurfte keiner weiteren Aufklärung. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen.
61
c.) Die Bildung der Rücklage „Zukunftsstiftung“ begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken.
62
Ausweislich der Erläuterungen zum Wirtschaftsplan 2022 (S. 8) wurde die Rücklage „Zukunftsstiftung“ für eine Anschubfinanzierung der Beklagten für die Errichtung einer … in W … für Sport, Kultur und Wirtschaft/Wissenschaft in Höhe von insgesamt 100.00,00 EUR gebildet, wobei eine Beteiligung ab dem Jahr 2022 über fünf Jahre mit je 20.000,00 EUR erfolgen soll.
63
Hierbei handelt sich wiederum um einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit. Es ist, wie oben bereits ausgeführt, Aufgabe der Beklagten, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft in ihrem Bezirk zu wirken (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 IHKG). Hierfür ist eine Anschubfinanzierung für eine … mit Bedeutung für den gesamten Kammerbezirk dienlich und nicht zu beanstanden.
64
Ein Verstoß gegen das Prinzip der Jährlichkeit liegt ebenfalls nicht vor. Im maßgeblichen Wirtschaftsjahr 2022 stand ein Bedarf von insgesamt 100.000,00 EUR für die Anschubfinanzierung fest, welcher jährlich in Höhe von 20.000,00 EUR abgeschmolzen werden soll. Die Abschmelzung wird dadurch belegt, dass in den Wirtschaftsplan bereits lediglich noch eine Summe von 80.000,00 EUR eingestellt wurde. Dies ist nach obigen Ausführungen (b) nicht zu beanstanden.
65
Dass bislang aufgrund der fehlenden Realisierung des Bauvorhabens noch keine (weitere) Entnahme erfolgt ist, führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Rücklage „Zukunftsstiftung“. Die Mittelbedarfsprognose ist bei der gebotenen ex-ante Sicht sachgerecht und vertretbar (vgl. hierzu: BVerwG, U.v. 22.1.2020 – 8 C 11.19 – juris Rn. 14; U.v. 9.12.2015 – 10 C 6.15 – juris Rn. 16). Denn zum Zeitpunkt der Aufstellung des Wirtschaftsplans war eine Realisierung bzw. ein Anlaufen des Projekts im angesetzten Zeitraum (fünf Jahre) nicht ausgeschlossen, zumal gerade eine Anschubfinanzierung nicht allein als Zuschuss für Baukosten, sondern auch für die vorgelagerte Planungsphase zu verstehen sein dürfte. Der Umstand, dass das Projekt bislang noch nicht realisiert wurde, liegt im Übrigen nicht im Einflussbereich der Beklagten. Ihre Prognose bei der Aufstellung des Wirtschaftsplans für das Jahr 2022 ist mithin nicht zu beanstanden. Das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt, ist nicht bereits dann verletzt, wenn sich eine Prognose im Nachhinein als falsch erweist, also ein prognostizierter Bedarf im Wirtschaftsjahr tatsächlich nicht eintritt (vgl. BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 10 C 6.15 – juris Rn. 16).
66
Der Kläger hat nichts substantiiert vorgetragen, was zu einer abweichenden Beurteilung führen würde.
67
d.) Das Vorhalten einer Nettoposition in Höhe von 8.700.000,00 EUR ist im maßgeblichen Wirtschaftsjahr 2022 zuletzt ebenfalls nicht zu beanstanden.
68
Voranzustellen ist insoweit, dass es für die Beurteilung der Wirtschaftsplanung für das Jahr 2022 allein auf die Höhe der Nettoposition, wie sie für dieses Wirtschaftsjahr vorgesehen ist, ankommt. Nicht streitgegenständlich ist die Frage, ob die Erhöhung der Nettoposition im Jahr 2014 von 5.000.000,00 EUR auf 8.700.000,00 EUR rechtmäßig erfolgt ist. Denn auch wenn der Kläger im Ausgangspunkt zutreffend ausführt, dass die Kammern nicht nur kein Vermögen bilden, sondern solches auch nicht um ihrer selbst willen bewahren dürfen und mithin eine unzulässige Erhöhung der Nettoposition nicht ohne Weiteres beibehalten werden darf (vgl. BVerwG, U.v. 22.1.2020 – 8 C 9.19 – juris Rn. 31), bedeutet dies nicht, dass eine etwaige rechtswidrige Erhöhung der Nettoposition in der Vergangenheit dazu führen würde, dass sich dieser Fehler für die Zukunft gewissermaßen fortsetzt und eine Nettoposition in der Folge rechtswidrig macht, obwohl diese der Höhe nach im maßgeblichen Wirtschaftsjahr gerechtfertigt ist. Ein solches Verständnis kann der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht entnommen werden und käme im Übrigen einer bloßen Förmelei gleich. Es ist insoweit auch nicht ersichtlich, inwieweit sich eine etwaige rechtswidrige Erhöhung der Nettoposition in der Vergangenheit noch auf den streitgegenständlichen Beitrag für das Jahr 2022 auswirken sollte, wenn deren Höhe im maßgeblichen Wirtschaftsjahr aufgrund der bestehenden tatsächlichen Verhältnisse gerechtfertigt ist.
69
Ausgehend hiervon kann es im vorliegenden Verfahren dahinstehen, ob die Erhöhung der Nettoposition im Jahr 2014 rechtmäßig war (dies bejahend: VG Würzburg, U.v. 25.4.2018 – W 6 K 17.376 – juris Rn. 49 ff.). Denn jedenfalls im maßgeblichen Wirtschaftsjahr 2022 war die Nettoposition in Höhe von 8.700.000,00 EUR sachlich gerechtfertigt und nicht überhöht.
70
Aus den vorgelegten Erläuterungen zum Wirtschaftsplan 2022 (S. 7) und der Planbilanz (Aktiva; A. II.1) ergeben sich Sachanlagen in Form von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten der Beklagten für das Jahr 2022 in Höhe von 11.538.400,00 EUR, welchen eine Nettoposition in Höhe von 8.700.000,00 EUR gegenübersteht. Wie die Beklagte hierzu ausgeführt hat, ist die Höhe der Nettoposition im Jahr 2022 durch Änderungen im Anlagebestand in den Jahren 2015 und 2018 durch den Erwerb eines Grundstücks mit Gebäude sowie die Ertüchtigungen zweier weiterer Gebäude der Beklagte in einer Höhe von insgesamt 5.217.104,72 EUR gerechtfertigt.
71
Hiervon ausgehend stellt das Vorhalten der Nettoposition in der genannten Höhe nicht allein den Wunsch der Beklagten dar, den Wert ihres langfristig gebundenen Vermögens in dem in der Nettoposition festgesetzten Kapitals abzubilden. Vielmehr hat die Beklagte vorgetragen, die Ertüchtigung bzw. Erweiterung der Räumlichkeiten diene insbesondere der Durchführung von Prüfungen und zur notwendigen Neuausrichtung der Dienstgebäude auf die aktuellen Erfordernisse. Insoweit ist die Nettoposition in der in Rede stehenden Höhe durch einen sachlichen Grund im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit gedeckt und der Höhe nach – ausgehend von den oben genannten Aktiva in der Planbilanz – nicht unangemessen. Dem ist der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten.
72
Soweit der Kläger im Ansatz – inhaltlich zutreffend – vorträgt, dass eine rückwirkende Bemessung der Beiträge bzw. eine nachträgliche Anpassung der Wirtschaftsplanung unzulässig ist (vgl. hierzu: BayVGH, B.v. 9.12.2024 – 21 ZB 23.160 – juris Rn. 13 ff.), liegt ein solcher Fall hier nicht vor. Denn die Grundlage für die Beitragserhebung des Jahres 2022 ist der im Wirtschaftsplan für dieses Jahr ermittelte Finanzbedarf, einschließlich der für das Jahr 2022 erforderlichen Nettoposition in Höhe von 8.700.000,00 EUR.
73
Da es – wie dargestellt – auf die Rechtmäßigkeit der Erhöhung der Nettoposition im Jahr 2014 nicht entscheidungserheblich ankommt, waren diesbezüglich auch keine weiteren Unterlagen durch das Gericht von der Beklagten beizuziehen.
74
e.) Hinsichtlich weiterer Posten der Wirtschaftsplanung, insbesondere der Durationsausgleichsrücklage und deren Dotierung sind keine Rechtsfehler ersichtlich, zumal der Kläger diesbezüglich nichts substantiiert vorgetragen hat. Die Bildung einer Rücklage, um gesetzlichen Neuregelungen zur Berechnung der Pensionsrückstellungen zu begegnen, stellt einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit dar. Die Höhe beruht nach Angaben der Beklagten auf einem versicherungsmathematischen Gutachten und es bestehen keine Anhaltspunkte eines unangemessenen Ansatzes der genannten Rücklage.
75
3. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
76
4. Die Berufung war nicht – wie vom Kläger sinngemäß im Schriftsatz vom 17. Februar 2025 beantragt – nach § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung aufweist (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) noch eine Abweichung der Kammer von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vorliegt (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO).
77
Der Sache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, da es sich um die konkrete Haushaltsführung der beklagten Industrie- und Handelskammer handelt, deren Rechtmäßigkeit anhand obergerichtlich und durch das Bundesverwaltungsgericht geklärter Fragen beantwortet werden kann. Darüber hinaus liegt keine Abweichung von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur einer rechtswidrig beibehaltenen überhöhten Nettoposition vor (U.v. 22.1.2020 – 8 C 9.19 – juris). Denn die vorliegende Konstellation ist mit der vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen nicht vergleichbar. In der dortigen Konstellation wurde eine Nettoposition rechtswidrig erhöht und in der Folge mit identischer Begründung ohne Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse beibehalten. So liegt es hier – wie oben näher ausgeführt – nicht, da die Nettoposition in der eingestellten Höhe aufgrund der im Vergleich zum Zeitpunkt vor der Erhöhung stattgefundenen Veränderungen im Anlagenbestand der Beklagten zum maßgeblichen Zeitpunkt gerechtfertigt war.