Titel:
Popularklage gegen außer Kraft getretene Rechtsvorschriften
Normenketten:
BV Art. 98 S. 4
VfGHG Art. 55 Abs. 1 S. 1
BayIfSMV 2020
Leitsätze:
Zur Unzulässigkeit einer Popularklage gegen Vorschriften in mehreren außer Kraft getretenen Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen, weil kein objektives Interesse mehr an der Feststellung besteht, ob sie mit der Bayerischen Verfassung vereinbar waren. (Rn. 10 – 13)
1. Der bayerische Normgeber, der aufgrund einer bundesrechtlichen Ermächtigung tätig wird, setzt Landesrecht und bleibt in den Bereichen, in denen das Bundesrecht ihm Entscheidungsfreiheit belässt, an die Bayerische Verfassung gebunden. Eine Popularklage gegen derartige Rechtsvorschriften ist also grundsätzlich zulässig. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Außer Kraft getretene Rechtsvorschriften unterliegen der verfassungsgerichtlichen Kontrolle nur dann, wenn noch ein objektives Interesse an der Feststellung besteht, ob sie mit der Bayerischen Verfassung vereinbar waren. Ein solches Interesse kann insbesondere dann bestehen, wenn nicht auszuschließen ist, dass die Rechtsnorm noch rechtliche Wirkungen entfalten kann, weil sie für künftige (zB gerichtliche) Entscheidungen noch rechtlich relevant ist. Ein objektives Interesse wird nicht allein dadurch begründet, dass die außer Kraft getretenen Vorschriften schwerwiegende Grundrechtseingriffe bewirkt haben oder ihre Geltungsdauer zu kurz war, um ein Popularklageverfahren in der Hauptsache durchzuführen. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es besteht kein objektives Interesse an einer nachträglichen verfassungsgerichtlichen Kontrolle der außer Kraft getretenen Corona-Schutzmaßnahmen für Gottesdienste und liturgische Feiern. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Popularklage, Gottesdienstbeschränkungen, Grundrechtseingriff, außer Kraft getretene Rechtsnormen, Corona-Schutzmaßnahmen, Feststellungsinteresse, objektives Verfahren
Fundstelle:
BeckRS 2025, 21095
Tenor
Der Antrag wird abgewiesen.
Entscheidungsgründe
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Corona-Schutzmaßnahmen für Gottesdienste und liturgische Feiern, die das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege im Zeitraum von März 2020 bis Januar 2021 durch Verordnungen auf der Grundlage von § 32 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) in Verbindung mit § 9 Nr. 5 der Delegationsverordnung (DeIV) in der jeweiligen damals geltenden Fassung erlassen hatte.
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Im Einzelnen greift die Antragstellerin folgende Vorschriften an:
- § 1 Abs. 1 i. V. m. § 5 Nr. 1 der Bayerischen Verordnung über Infektionsschutzmaßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie (Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung – BayIfSMV) vom 27. März 2020 (BayMBl Nr. 158, BayRS 2126-1-4-G, 2126-1-5-G), die durch Verordnung vom 31. März 2020 (GVBl S. 194, BayMBl Nr. 162) geändert worden und mit Ablauf des 19. April 2020 außer Kraft getreten ist,
- § 1 Abs. 1, § 7 Nr. 1 der Zweiten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (2. BayIfSMV) vom 16. April 2020 (GVBl S. 214, BayMBl Nr. 205, BayRS 2126-1-5-G), die zuletzt durch Verordnung vom 28. April 2020 (GVBl S. 254, BayMBl Nr. 225) geändert worden und mit Ablauf des 3. Mai 2020 außer Kraft getreten ist,
- § 2 der Dritten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (3. BayIfSMV) vom 1. Mai 2020 (BayMBl Nr. 239, BayRS 2126-1-7-G), die zuletzt durch § 1 der Verordnung vom 7. Mai 2020 (BayMBl Nr. 247) geändert worden und mit Ablauf des 10. Mai 2020 außer Kraft getreten ist,
- § 6 der Vierten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (4. BayIfSMV) vom 5. Mai 2020 (BayMBl Nr. 240, Nr. 245, BayRS 2126-1-8-G), die zuletzt durch Verordnung vom 20. Mai 2020 (BayMBl Nr. 287) geändert worden und mit Ablauf des 29. Mai 2020 außer Kraft getreten ist,
- § 6 der Fünften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (5. BayIfSMV) vom 29. Mai 2020 (BayMBl Nr. 304, BayRS 2126-1-9-G), die zuletzt durch Verordnung vom 16. Juni 2020 (BayMBl Nr. 338) geändert worden und mit Ablauf des 21. Juni 2020 außer Kraft getreten ist,
- §§ 3, 6 Nrn. 3 und 4 der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (11. BayIfSMV) vom 15. Dezember 2020 (BayMBl Nr. 737, BayRS 2126-1-15-G), die durch Verordnung vom 8. Januar 2021 (BayMBl Nr. 5) geändert worden und mit Ablauf des 7. März 2021 außer Kraft getreten ist.
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Die genannten Vorschriften regelten zunächst bußgeldbewehrt die Untersagung von Veranstaltungen und Versammlungen einschließlich der Zusammenkünfte in Kirchen, Moscheen und Synagogen sowie der Zusammenkünfte anderer Glaubensgemeinschaften und sodann (ab Geltung der Dritten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung) ohne Bußgeldbewehrung Beschränkungen öffentlich zugänglicher Gottesdienste in Kirchen, Moscheen und Synagogen sowie der Zusammenkünfte anderer Glaubensgemeinschaften.
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1. Die Antragstellerin trägt zur Begründung ihrer am 3. April 2020 erhobenen und später mehrfach ergänzten bzw. erweiterten Popularklage vor, die angegriffenen Bestimmungen verletzten insbesondere die Grundrechte der Glaubensfreiheit (Art. 107 Abs. 1 BV) und der freien Religionsausübung (Art. 107 Abs. 2 BV) sowie den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 118 Abs. 1 BV).
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2. Die Bayerische Staatsregierung hält die Popularklage für teilweise unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet.
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Der Bayerische Landtag hat sich am Verfahren nicht beteiligt.
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3. Die Antragstellerin hatte ihre Popularklage mit zwei Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden (zur Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 27. März 2020 und zur Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 15. Dezember 2020), die sie nach Hinweisschreiben wieder zurücknahm. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat in anderen Popularklageverfahren, die ebenfalls (unter anderem) die Beschränkungen von Gottesdiensten zur Eindämmung der Corona-Pandemie betrafen, entsprechende Anträge auf Außervollzugsetzung im Wege der einstweiligen Anordnung abgelehnt (vgl. etwa VerfGH vom 8.5.2020 VerfGHE 73, 80; vom 30.12.2020 VerfGHE 73, 389).
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Die Popularklage, die sich ausschließlich gegen nicht mehr geltendes Recht richtet, ist insgesamt unzulässig geworden, weil es inzwischen mangels objektiven Feststellungsinteresses an einem zulässigen Antragsgegenstand fehlt. Ob der Antrag gegen jede einzelne Vorschrift in zulässiger Weise erhoben worden ist, kann dahinstehen.
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1. Bei den angegriffenen Corona-Schutzmaßnahmen für Gottesdienste und liturgische Feiern handelt es sich um Rechtsvorschriften des bayerischen Landesrechts, deren Verfassungswidrigkeit jedermann durch Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (Popularklage) geltend machen kann (Art. 98 Satz 4 BV und Art. 55 Abs. 1 Satz 1 VfGHG). Dem steht nicht entgegen, dass sie auf einer bundesrechtlichen Ermächtigung beruhen. Denn der bayerische Normgeber, der aufgrund einer bundesrechtlichen Ermächtigung tätig wird, setzt Landesrecht und bleibt in den Bereichen, in denen das Bundesrecht ihm Entscheidungsfreiheit belässt, an die Bayerische Verfassung gebunden (vgl. VerfGH vom 27.9.2023 BayVBl 2024, 78 Rn. 34 zur 4. BayIfSMV). Die angegriffenen Verordnungsregelungen sind jedoch kein zulässiger Prüfungsgegenstand im Popularklageverfahren mehr.
10
Der Verfassungsgerichtshof hat bei der Prüfung, ob eine Rechtsvorschrift verfassungswidrig ist, seiner Beurteilung grundsätzlich den Rechtszustand im Zeitpunkt seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Außer Kraft getretene Rechtsvorschriften unterliegen der verfassungsgerichtlichen Kontrolle nur dann, wenn noch ein objektives Interesse an der Feststellung besteht, ob sie mit der Bayerischen Verfassung vereinbar waren. Der Verfassungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ein solches Interesse insbesondere dann bestehen kann, wenn nicht auszuschließen ist, dass die Rechtsnorm noch rechtliche Wirkungen entfalten kann, weil sie für künftige (z. B. gerichtliche) Entscheidungen noch rechtlich relevant ist (vgl. VerfGH vom 30.8.2017 VerfGHE 70, 162 Rn. 75; vom 20.8.2019 VerfGHE 72, 157 Rn. 18; vom 7.12.2021 VerfGHE 74, 265 Rn. 41; vom 14.6.2023 - Vf. 15-VII-18 – juris Rn. 51; BayVBl 2024, 78 Rn. 36, jeweils m. w. N.; Müller in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 6. Aufl. 2020, Art. 98 Satz 4 Rn. 14; Wolff in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 98 Rn. 23). Ein objektives Interesse wird hingegen nicht allein dadurch begründet, dass die außer Kraft getretenen Vorschriften schwerwiegende Grundrechtseingriffe bewirkt haben oder ihre Geltungsdauer zu kurz war, um ein Popularklageverfahren in der Hauptsache durchzuführen (VerfGH BayVBl 2024, 78 Rn. 36; vom 18.12.2024 – Vf. 15-VII-17 – juris Rn. 28; vom 28.1.2025 – Vf. 2-VII-19 – juris Rn. 9).
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Denn die Popularklage nach Art. 98 Satz 4 BV, die an die Antragsberechtigung geringe Anforderungen stellt (Art. 55 Abs. 1 Satz 1 VfGHG: „jedermann“) und keiner Fristbindung unterliegt, dient nicht in erster Linie dem Schutz der verfassungsmäßigen Rechte des Einzelnen, der unter Umständen auch bei überholten Grundrechtseingriffen nachträglichen – subjektiven – gerichtlichen Rechtsschutz in einem Hauptsacheverfahren beanspruchen kann (vgl. BVerfG vom 3.3.2004 BVerfGE 110, 77/85 ff.; zur nachträglichen gerichtlichen Klärung in einem Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO vgl. BVerwG vom 22.11.2022 NVwZ 2023, 1000 Rn. 12 ff.). Die verfassungsgerichtliche Popularklage ist vielmehr – anders als die Verfassungsbeschwerde nach Art. 120 BV zum Schutz der eigenen Grundrechte – ein objektives Verfahren (vgl. VerfGHE 74, 265 Rn. 42; VerfGH vom 14.6.2023 – Vf. 15-VII-18 – juris Rn. 54 und 58; BayVBl 2024, 78 Rn. 36 m. w. N.; Wolff in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 98 Rn. 8). Der Verfassungsgerichtshof soll im Popularklageverfahren über die Geltung der angegriffenen Norm entscheiden, nicht über konkrete Anwendungsfälle. Daher ist die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs nicht in dem Sinn zu verstehen, dass jede mögliche noch andauernde Rechtswirkung zum Nachteil Einzelner automatisch ein objektives Interesse an der Kontrolle von außer Kraft getretenem Recht im Rahmen einer Popularklage begründet. Hinzukommen muss vielmehr, dass die Grundrechte als Institution betroffen sind, etwa weil es um eine Vielzahl nicht abgeschlossener Fälle und nicht nur um einzelne Verfahren geht, in denen die Betroffenen auf Individualrechtsschutz zu verweisen sind (vgl. VerfGH vom 14.6.2023 – Vf. 15-VII-18 – juris Rn. 58; vom 18.12.2024 – Vf. 15-VII-17 – juris Rn. 28; vgl. auch VerfGH vom 13.3.2025 – Vf. 5-VIII-18 u. a. – juris Rn. 71 zur Verfahrenseinstellung nach Erledigterklärung).
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2. Danach ist die Popularklage insgesamt unzulässig. Es besteht kein objektives Interesse an einer nachträglichen verfassungsgerichtlichen Kontrolle der außer Kraft getretenen Corona-Schutzmaßnahmen für Gottesdienste und liturgische Feiern.
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Für noch andauernde Rechtswirkungen im dargestellten Sinn ist nichts ersichtlich. Anders als bei der mit Entscheidung vom 27. September 2023 inhaltlich geprüften allgemeinen Maskenpflicht nach §§ 8 und 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 4. BayIfSMV (VerfGH BayVBl 2024, 78 Rn. 37) können die hier beanstandeten Vorschriften insbesondere keine Rechtswirkungen mehr für eine Vielzahl noch nicht rechtskräftig abgeschlossener Ordnungswidrigkeitenverfahren entfalten. Das gilt zunächst für diejenigen Handlungsgebote, die von vornherein nicht bußgeldbewehrt waren und damit keine Ordnungswidrigkeitenverfahren ausgelöst haben können, wie etwa die in § 6 Satz 1 Nr. 2 4. BayIfSMV geregelte Maskenpflicht bei Gottesdiensten und Zusammenkünften von Glaubensgemeinschaften (vgl. insoweit bereits VerfGH a. a. O.). Das gilt der Sache nach aber auch für diejenigen Beschränkungen (Untersagung) von Gottesdiensten und liturgischen Feiern, die in der Frühzeit der Corona-Pandemie bußgeldbewehrt waren, namentlich in § 1 Abs. 1 i. V. m. § 5 Nr. 1 BayIfSMV und § 1 Abs. 1, § 7 Nr. 1 2. BayIfSMV (jeweils i. V. m. § 73 Abs. 1 a Nr. 24, Abs. 2 IfSG). Denn nach einem per Pressemitteilung veröffentlichten Beschluss der Bayerischen Staatsregierung vom 5. November 2024 werden laufende Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen Verstößen gegen Corona-Rechtsvorschriften nicht mehr weiterverfolgt. Davon erfasst sind sämtliche bei den Kreisverwaltungsbehörden, den Staatsanwaltschaften und den Gerichten anhängigen Bußgeldverfahren und Vollstreckungsverfahren wegen Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit Verstößen gegen Corona-Rechtsvorschriften, insbesondere auch gegen die anlässlich der Corona-Pandemie erlassenen Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen. Bei den zuständigen Verfolgungsbehörden anhängige Verfahren sollen eingestellt werden und die Staatsanwaltschaften bei den Gerichten die Einstellung dort noch anhängiger Verfahren anregen. Bei bereits rechtskräftigen Bußgeldbescheiden findet keine weitere Vollstreckung statt, noch ausstehende Geldbußen werden erlassen (https://www.bayern.de/bericht-aus-der-kabinettssitzung-vom-5-november-2024/). Damit sind insoweit noch andauernde Rechtswirkungen für künftige Behörden- oder Gerichtsentscheidungen auszuschließen. Bereits bezahlte Bußgelder könnten auch dann nicht zurückgefordert werden, wenn die Popularklage Erfolg hätte, da in Bestands- bzw. Rechtskraft erwachsene Rechtsanwendungsakte von einer positiven Entscheidung über die Popularklage unberührt blieben (vgl. § 183 VwGO sowie zur entsprechenden Anwendung von § 79 BVerfGG VerfGH vom 29.4.1993 VerfGHE 46, 137/140; vom 27.8.2018 VerfGHE 71, 223 Rn. 25). Die nur theoretische Möglichkeit der Wiederaufnahme von Bußgeldverfahren entsprechend § 79 Abs. 1 BVerfGG (vgl. dazu Bethge in Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 79 Rn. 39 m. w. N.) reicht zur Begründung eines objektiven Feststellungsinteresses nicht aus (vgl. VerfGH vom 10.11.2021 BayVBl 2022, 116 Rn. 24). Die Popularklage dient dem objektivrechtlichen Schutz der Grundrechte gegenüber Rechtsvorschriften, von denen noch rechtliche Wirkungen ausgehen können, nicht dagegen der nachträglichen Beseitigung von Entscheidungen, die trotz der gegebenen Rechtsmittel des Individualrechtsschutzes einschließlich der damit inzident verbundenen Möglichkeiten der Normüberprüfung rechtskräftig geworden sind (vgl. VerfGHE 46, 137/140). Dass die angegriffenen Vorschriften möglicherweise den Gegenstand einer noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen fachgerichtlichen Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. Art. 4 Satz 1 AGVwGO bilden, begründet bereits wegen der unterschiedlichen Prüfungsmaßstäbe kein objektives Interesse an einer Entscheidung im Popularklageverfahren nach Art. 98 Satz 4 BV, Art. 55 VfGHG (VerfGH BayVBl 2024, 78 Rn. 37).
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Für – sonstige – andauernde rechtliche Wirkungen nach dem Außerkrafttreten oder ein objektives Interesse aus anderen Gründen ist nichts ersichtlich. Das gilt umso mehr, als die beanstandeten Corona-Schutzmaßnahmen auf einer bundesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage beruhten und deshalb von vornherein nur einer eingeschränkten Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof unterliegen (vgl. VerfGH BayVBl 2024, 78 Rn. 45 ff., 69).
15
Ein fortbestehendes Feststellungsinteresse kann auch nicht mit der allgemeinen Erwägung begründet werden, im Fall einer erneuten Pandemie müsse wiederum mit vergleichbaren Beschränkungen auf infektionsschutzrechtlicher Grundlage gerechnet werden. Wie die im Verlauf der Corona-Pandemie zu beobachtende Dynamik des Infektionsgeschehens zeigt, die in wiederholten Präzisierungen der bundesgesetzlichen Vorgaben und in zahlreichen Neufassungen der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen ihren Niederschlag gefunden hat, ließe sich das Ergebnis der verfassungsrechtlichen Überprüfung von Grundrechtsbeschränkungen, die in einem länger zurückliegenden Zeitraum gegolten haben, nicht auf mögliche künftige Pandemielagen übertragen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich der wissenschaftliche Erkenntnisstand zur Gefährlichkeit und zu den Verbreitungswegen eines bestimmten Virus wie auch zur Wirksamkeit von Schutzvorkehrungen fortlaufend weiterentwickelt, sodass die Prüfung der Vertretbarkeit und Verhältnismäßigkeit konkreter Vorsorgemaßnahmen immer nur mit Blick auf die jeweils aktuellen Umstände erfolgen kann.
16
Damit würde die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der hier angegriffenen Regelungen letztlich im Rahmen eines – für die Zulässigkeit der Popularklage nicht ausreichenden – theoretischen Feststellungsinteresses, nicht aber in einem die konkrete Rechtsanwendung betreffenden Zusammenhang erfolgen.
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Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG).