Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 07.04.2025 – AN 1 S 25.50049
Titel:

Erfolgloser Eilantrag gegen Abschiebungsanordnung nach Polen, Wiederaufnahmepflicht Polens nach Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin-III-VO, Keine systemischen Mangel des polnischen Asylsystems, Erfolgreicher Eilantrag gegen die Anordnung eines auf 60 Monate befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots ohne Vorliegen besonderer Umstände

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 114 Satz 1
AsylG § 34a
Dublin-III-VO Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 und 3 Verordnung (EU) Nr. 604/2013
Dublin-III-VO Art. 18 Abs. 1 lit. b) Verordnung (EU) Nr. 604/2013
AufenthG § 11 Abs. 1 Satz 1
AufenthG § 11 Abs. 3 Satz 1 und 2
Schlagworte:
Erfolgloser Eilantrag gegen Abschiebungsanordnung nach Polen, Wiederaufnahmepflicht Polens nach Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin-III-VO, Keine systemischen Mangel des polnischen Asylsystems, Erfolgreicher Eilantrag gegen die Anordnung eines auf 60 Monate befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots ohne Vorliegen besonderer Umstände
Fundstelle:
BeckRS 2025, 21059

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 12. Februar 2025 gegen Ziffer 4 des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 3. Februar 2025 wird angeordnet. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
2. Von den Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Antragsteller ¾, die Antragsgegnerin ¼.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller sind Staatsangehörige der Republik Tadschikistan usbekischer Volkszugehörigkeit. Die Antragsteller zu 1) und 2) sind die Eltern der übrigen Antragsteller.
2
Nach den Angaben der Antragsteller zu 1) und zu 2) in Gesprächen zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates und zur persönlichen Anhörung zur Klärung der Zulässigkeit des gestellten Asylantrages am 13. Januar 2025 verließen die Antragsteller am 25. Oktober 2024 Tadschikistan und reisten am 9. November 2024 über Usbekistan und Belarus nach Polen ein, wo sie Asyl beantragten.
3
Am 16. Dezember 2024 reisten die Antragsteller in das Bundesgebiet ein und stellten am 13. Januar 2025 einen förmlichen Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland.
4
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) stellte hinsichtlich der Antragsteller zu 1) und zu 2) EURODAC-Treffer der Kategorie 1 für Polen fest, aus denen sich ergibt, dass die Antragsteller bereits am 8. November 2024 in Lublin einen Asylantrag gestellt hatten. Daraufhin richtete das Bundesamt am 15. Januar 2025 unter Bezugnahme auf Art. 18 Abs. 1 lit. b) der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) Wiederaufnahmeersuchen an die polnischen Behörden.
5
Mit Schreiben vom 17. Januar 2025 stimmten die polnischen Behörden den Wiederaufnahmeersuchen auf der Grundlage von Art. 18 Abs. 1 lit. b) der Dublin-III-VO zu.
6
In seiner Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags am 24. Januar 2025 führte der Antragsteller zu 1) aus, er nehme Metformin wegen eines Diabetes Typ II sowie Jenavi, das das Metformin unterstütze. Dass er in Polen einen Asylantrag gestellt habe, habe er nicht gewusst. Er sei als Flüchtling eingereist. Dann seien sie nach Deutschland gekommen, weil es hier mehr Gerechtigkeit gebe. In Polen sei weder ihm noch den Kindern persönlich etwas zugestoßen. Polen sei auch ein gutes Land. Sie seien nach Deutschland gekommen, weil sie an die deutsche Gerechtigkeit glaubten. Er habe auch nichts gegen Polen. Sein Bruder sei nach Tadschikistan abgeschoben worden. Er wolle nicht nach Polen. Er glaube an die Gerechtigkeit des deutschen Staates. Das bedeute aber nicht, dass der polnische Staat ungerecht sei.
7
Die Antragstellerin zu 2) führte in ihrer Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrages am 24. Januar 2025 aus, sie wisse nicht, wie ihr Asylverfahren in Polen ausgegangen sei. Sie seien auf der Durchreise gewesen. Einen Monat hätten sie dort bleiben müssen, weil ihr Sohn umgefallen sei und sich die Schulter gebrochen habe. Ihr und den Kindern sei persönlich in Polen nichts zugestoßen, nur der Antragsteller zu 6) sei umgefallen und habe sich verletzt. Deutschland sei ihr Ziel gewesen. Polen sei für sei nicht in Frage gekommen. Ihr Bruder lebe in … Mit Bescheid vom 3. Februar 2025 lehnte das Bundesamt den Asylantrag der Antragsteller als unzulässig ab (1.), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (2.), ordnete die Abschiebung nach Polen an (3.) und ordnete gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG ein auf 60 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot an (4.).
8
Die Asylanträge seien gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG unzulässig, da Polen auf Grund der dort bereits gestellten Asylanträge gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b) i.V.m. Art. 3 Dublin-III-VO für die Behandlung der Asylanträge zuständig sei. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG lägen nach Erkenntnissen des Bundesamtes nicht vor. Der Antragsteller zu 1) habe in seinem Vortrag in keiner Weise darlegen können, inwiefern die angegebenen gesundheitlichen Beschwerden eine erhebliche konkrete Gefahr für ihn darstellten. Soweit die Antragstellerin zu 2) vorgetragen habe, dass sich ihr Bruder in Deutschland aufhalte, sei die vorgebrachte persönliche Bindung im vorliegenden Fall nicht berücksichtigungsfähig, da ihr durch die Dublin-III-VO unabhängig vom Aufenthaltsstatus kein Schutz beigemessen werde. Das vorgetragene Verwandtschaftsverhältnis sei nicht von Art. 2 lit. g) der Dublin-III-VO umfasst. Die Ausreise sei rechtlich und tatsächlich möglich. Im Fall einer Abschiebungsandrohung nach §§ 34, 35 AsylG oder einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG habe das Bundesamt gemäß § 75 Nr. 12 AufenthG das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG anzuordnen. Die Dauer dieses Einreise- und Aufenthaltsverbots werde gemäß § 11 Abs. 3 AufenthG in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalles festgesetzt und dürfe grundsätzlich fünf Jahre nicht überschreiten. Bei der Festsetzung der Frist sei ein Ausgleich zwischen dem privaten Interesse der Antragsteller, sich im Bundesgebiet aufzuhalten, und dem öffentlichen Interesse der Bundesrepublik Deutschland, unrechtmäßige Aufenthalte zu vermeiden bzw. zu unterbinden, herzustellen. Die Antragsteller verfügten nach eigenen Angaben im Bundesgebiet über keine wesentlichen persönlichen, wirtschaftlichen oder sonstigen Bindungen, die im Rahmen der Ermessensprüfung zu berücksichtigen wären. Sie hätten sonst keine Belange vorgetragen, die es angezeigt erscheinen ließen, eine kürzere Frist festzusetzen. Es lägen auf der anderen Seite keine Anhaltspunkte vor, die das Festsetzen einer höheren Frist rechtfertigen würden.
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Gegen den ihnen am 10. Februar 2025 zugestellten Bescheid erhoben die Antragsteller am 12. Februar 2025 zur Niederschrift Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach und beantragten zugleich,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
10
Der Bevollmächtigte der Antragsteller, der sich im Nachgang anzeigte, führte zur Begründung von Klage und Eilantrag aus, dass die Antragsgegnerin nach einer Anzahl von Gerichtsentscheidungen hier verpflichtet sei, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen. Wegen der vielen Geflüchteten aus der Ukraine und einer daraus folgenden Überlastung des Aufnahmesystems drohe eine Verletzung grundlegender Rechte. Die Antragsteller selbst hätten Benachteiligungen auch in Polen erfahren. Der Antragsteller zu 6) habe sich, kurz nachdem die Antragsteller in Polen angekommen seien, den Arm gebrochen. Die Antragsteller hätten um ärztliche Hilfe gebeten, ein entsprechender ärztlicher Termin sei den Antragstellern jedoch nicht gegeben worden. In Deutschland habe ein Arzt festgestellt, dass der Armbruch falsch zusammengewachsen sei. Dies belege, dass die Antragsteller in Polen keine entsprechende ärztliche Versorgung erhalten hätten und deute auch darauf hin, dass hier die polnischen Behörden auf Grund der Vielzahl der Flüchtlinge überfordert seien. Dazu komme, dass die Antragsteller in Deutschland Verwandte hätten, die das gleiche Flüchtlingsschicksal erlitten hätten und die die Antragsgegnerin als Flüchtlinge anerkannt habe.
11
Die Antragsgegnerin beantragte,
den Antrag abzulehnen.
12
Zur Begründung bezog sich die Antragsgegnerin auf die angefochtene Entscheidung.
13
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Behörden- und Gerichtsakten im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wie im Klageverfahren (AN 1 K 25.50050) Bezug genommen.
II.
14
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage vom12. Februar 2025 anzuordnen, richtet sich nach sachgerechter Auslegung sowohl gegen die Abschiebungsanordnung in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids als auch gegen die Anordnung und Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots in Ziffer des Bescheids, die beide einen vollziehbaren Inhalt haben und somit einer Suspendierung im Sinne des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO zugänglich sind.
15
Der so verstandene Antrag ist zulässig.
16
Der Antrag ist statthaft. Dies gilt auch, soweit sich die Klage gegen die Anordnung eines auf 60 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots richtet (vgl. VGH BW, B.v. 13.11.2019 – 11 S 2996/19 – juris Rn. 40). Die Klage hat nicht bereits aus sich selbst heraus aufschiebende Wirkung, da sie sich gegen – nach § 83c AsylG auch hinsichtlich der Anordnung eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG – Entscheidungen nach dem Asylgesetz richtet und keine Fälle des § 38 Abs. 1 AsylG bzw. des § 73b Abs. 7 Satz 1 AsylG vorliegen (§ 75 Abs. 1 Satz 1 AsylG). Auch die Antragsfrist nach § 34a Abs. 2 AsylG ist eingehalten.
17
Der Antrag ist aber nur im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
18
Die nach § 80 Abs. 5 VwGO durch das erkennende Gericht zu treffende Ermessensentscheidung fällt hinsichtlich der Abschiebungsanordnung in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids zu Lasten der Antragsteller aus, hinsichtlich der Anordnung eines auf 60 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots in Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheids dagegen zu Lasten der Antragsgegnerin.
19
Von besonderem Gewicht im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen, des Suspensivinteresses der Antragsteller und des Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin, sind dabei die anhand einer summarischen Prüfung zu beurteilenden Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache (vgl. etwa: BVerwG, B.v. 7.7.2010 – 7 VR 2.10 u.a. – juris Rn. 20; auch zum allgemeinen Maßstab: BVerwG, B.v. 23.1.2015 – 7 VR 6.14 – juris Rn. 8).
20
Nach diesem Maßstab ist der Antrag, soweit er sich auf die Abschiebungsanordnung in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids bezieht, begründet.
21
Die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotene, aber auch ausreichende summarische Prüfung ergibt hier, dass die Anordnung der Abschiebung der Antragsteller nach Polen in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids vom 3. Februar 2025, gegen die sich der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 12. Februar 2025 in erster Linie richtet, nicht rechtswidrig ist und die Antragsteller nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), mit der Folge, dass das öffentliche Interesse an einer sofortigen Beendigung des Aufenthalts der Antragsteller im Bundesgebiet deren privates Interesse an einem – vorläufig – weiteren Verbleib überwiegt.
22
Auch nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 AsylG) hat die Antragsgegnerin zu Recht die Abschiebung der Antragsteller nach Polen angeordnet.
23
Die angefochtene Abschiebungsanordnung findet ihre gesetzliche Grundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 bis 3 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt dann, wenn ein Ausländer in einem sicheren Drittstaat im Sinne des § 26a AsylG oder in einem im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat abgeschoben werden soll, ohne vorherige Androhung und Fristsetzung die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat.
24
Die Antragsteller sollen hier nach Polen abgeschoben werden, weil Polen zur Wiederaufnahme der Antragsteller verpflichtet ist. Diese Verpflichtung haben sowohl das Bundesamt als auch die polnischen Behörden zu Recht aus Art. 18 Abs. 1 lit. b) der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) entnommen. Danach ist der nach der Dublin-III-VO zuständige Mitgliedsstaat verpflichtet, einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedsstaat einen Antrag gestellt hat oder sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaates aufhält, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 der Dublin-III-VO wiederaufzunehmen.
25
Dabei muss die Zuständigkeit Polens für die (inhaltliche) Prüfung des Asylantrags der Antragsteller im vorliegenden Kontext einer Wiederaufnahme nach den Art. 23 ff. der Dublin-III-VO nicht abschließend feststehen (vgl. EuGH, U. v. 2.4.2019 – C-582/17 und C-583/17 – Rn. 61).
26
Auf der Grundlage der vom Bundesamt festgestellten EURODAC-Treffer der Kategorie 1 ging das Bundesamt zu Recht davon aus, dass die Antragsteller bereits am 8. November 2024 in Polen einen Asylantrag gestellt hatten. Das haben die Antragsteller zu 1) und zu 2) in ihren Erstbefragungen auch, wenn auch mit einem um einen Tag abweichender Datumsangabe, auch selbst eingeräumt. Das daraufhin am 15. Januar 2025 an die polnischen Behörden gestellte Wiederaufnahmegesuch wahrte die sich aus Art. 23 Abs. 2 der Dublin-III-VO ergebende zweimonatige Frist, da die Fingerabdrucknahme in der Bundesrepublik Deutschland am 19. Dezember 2024 erfolgte. Folglich ist die Zuständigkeit nicht nach Art. 23 Abs. 3 der Dublin-III-VO auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen. Die polnischen Behörden haben das Gesuch des Bundesamtes mit Schreiben vom 17. Januar 2025 unter expliziter Bezugnahme auf Art. 18 Abs. 1 lit. b) der Dublin-III-VO angenommen und damit ihre Bereitschaft zur Wiederaufnahme der Antragsteller gemäß dieser Norm erklärt. Damit ist Polen der für das Asylverfahren der Antragsteller zuständige Mitgliedsstaat, dem zunächst nach Art. 20 Abs. 5 der Dublin-III-VO, der auch in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Antragsteller den Antrag in dem ersten Mitgliedstaat, in dem sie Asyl beantragt haben, zwar nicht ausdrücklich, doch aber stillschweigend durch Wegzug zurückgenommen haben, anwendbar ist (so ausdrücklich EuGH, U.v. 2.4.2019 – C-582/17 und C-583/17 – Rn. 50), obliegt, das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zum Abschluss zu bringen.
27
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 29 Abs. 2 der Dublin-III-VO auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, denn die Überstellungsfrist, die nach Art. 29 Abs. 1 der Dublin-III-VO sechs Monate nach der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs beträgt, ist nicht abgelaufen.
28
Entgegen der Annahme des Bevollmächtigten der Antragsteller ist die Zuständigkeit auch nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 UAbs. 3 der Dublin-III-VO auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil eine Überstellung nach Polen als dem zuständigen Mitgliedsstaat an Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 der Dublin-III-VO scheitern würde. Danach hat der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedsstaat die Prüfung (der Zuständigkeit) fortzusetzen, wenn es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst zuständigen Mitgliedsstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen der Antragsteller in diesen Mitgliedsstaat systematische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh mit sich bringen. Kann unter diesen Voraussetzungen an keinen anderen zuständigen Mitgliedsstaat überstellt werden, wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedsstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.
29
Das polnische Asylverfahren und die dortigen Aufnahmebedingungen weisen keine systemischen Schwachstellen auf, die für den Antragsteller die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh, Art. 3 EMRK mit sich brächten.
30
Nach dem System der normativen Vergewisserung (siehe dazu BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93 – juris Rn. 181 ff.) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (siehe dazu EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris Rn. 75 ff.; U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 80 ff.) gilt die Vermutung, dass die Behandlung von Asylbewerbern in jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entspricht. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine unwiderlegliche Vermutung; vielmehr obliegt es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Antragsteller nicht an den zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass ein Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigen-den Behandlung ausgesetzt zu werden (EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris Rn. 105 f.; U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 84 f.). An die Feststellung systemischer Mängel sind hohe Anforderungen zu stellen. So fallen Schwachstellen nur dann unter Art. 4 GRCh, der Art. 3 EMRK entspricht und nach Art. 52 Abs. 3 GRCh die gleiche Bedeutung und Tragweite hat, wie sie ihm in der genannten Konvention verliehen wird, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, die von sämtlichen Umständen des Falls abhängt. Dies wird indessen erst dann anzunehmen sein, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung ab-hängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 91 f.).
31
Nach diesem Maßstab ergeben sich auch mit Blick auf das dem Gericht gegenwärtig vorliegende Erkenntnismaterial keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass den Antragstellern bei einer Überstellung nach Polen wegen dort bestehender systemischer Schwachstellen im Asylverfahren oder in den Aufnahmebedingungen oder im Falle einer etwaigen Anerkennung als international Schutzberechtigte eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRCh drohen würde.
32
Hierzu wird zunächst gemäß § 77 Abs. 3 AsylG auf die Feststellungen und die Begründung des angefochtenen Bescheids vom 3. Februar 2025 Bezug genommen, denen das Gericht folgt.
33
Ergänzend wird auch im Hinblick auf die sich zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ergebende aktuelle Auskunftslage für Polen wie folgt ausgeführt:
34
In Polen besteht ein mehrstufiges Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten. Befindet sich ein Dublin-Rückkehrer in einem laufenden Asylverfahren oder stellt er einen weiteren Asylantrag oder wurde sein Verfahren zwar eingestellt, kann aber wiedereröffnet werden, kann der Rückkehrer an ein offenes Unterbringungszentrum verwiesen werden. Stellt der Rückkehrer einen Erstantrag auf internationalen Schutz, durchläuft er zunächst die Erstaufnahme. Im Falle der Rücküberstellung von Ausländern aus anderen Mitgliedsstaaten nach Polen im Rahmen der Dublin III-VO werden diese, wenn ihr Asylverfahren noch läuft, meist an eine offene Aufnahmestelle des Fremdenamtes weitergeleitet, wo sie versorgt werden. Bei u.a. erheblicher Fluchtgefahr, zur Vollstreckung der Außerlandesbringung, oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit, kann der Rückkehrer auch festgenommen werden und in einem bewachten Flüchtlingszentrum oder in einer Hafteinrichtung für Ausländer untergebracht oder alternative Maßnahmen zur Inhaftierung angewendet werden. Dublin-Rückkehrer nach Polen haben Zugang zum Asylverfahren, sowie zu Unterbringung und Versorgung. Wurde ohne Schuld des Antragstellers nach sechs Monaten noch keine Entscheidung in seinem Asylverfahren getroffen, hat dieser zudem unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. Das polnische Ausländeramt ist zuständig für die Versorgung der Asylwerber in Polen. Auf der Webseite der Behörde ist eine Liste mit mehr als 20 Organisationen verfügbar, welche Asylwerbern verschiedenste Hilfestellung bieten. Das Recht auf Versorgung entsteht mit der Registrierung in einem Erstaufnahmezentrum (lediglich das Recht auf medizinische Versorgung besteht ab Antragstellung). Es gibt zwei Formen von materiellen Aufnahmebedingungen. Die Asylwerber können in einem Aufnahmezentrum wohnen oder finanzielle Unterstützung erhalten, welche die Kosten für die private Unterbringung decken soll. Asylwerber, die in einem Zentrum leben, erhalten Unterkunft, Mahlzeiten (oder PLN 11,- (EUR 2,58)/Tag für Selbstverpflegung), Taschengeld (PLN 50,- (EUR 11,72)/Monat), Geld für Hygieneartikel (PLN 20,- (EUR 4,69)/Monat) und eine Einmalzahlung (bzw. Coupons) für Bekleidung (PLN 140,- (EUR 32,83). Asylwerber, die außerhalb der Zentren leben, erhalten PLN 25,- (EUR 5,86)/Tag für eine Einzelperson bis hin zu PLN 12,50 (EUR 2,93) pro Tag und Person für Familien mit vier oder mehr Familienmitgliedern als finanzielle Beihilfe. Beide Gruppen erhalten einen Polnisch-Sprachkurs und Unterrichtsmaterialien, Unterstützung für Schulkinder (und außerschulische Aktivitäten), Geld für notwendige Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln und medizinische Versorgung. NGOs kritisieren immer wieder die finanziellen Zuwendungen für Asylwerber in den Zentren als zu niedrig, weswegen NGOs und Privatpersonen in den Zentren kontinuierlich humanitäre Hilfe leisten. Offiziell gibt es keine Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Asylwerbern. Wenn jedoch das Zentrum grundlos für mehr als zwei Tage verlassen wird, wird die Unterstützung bis zur Rückkehr einbehalten. Die Asylbehörde entscheidet, in welche Aufnahmeeinrichtung Asylsuchende aufgenommen werden. In der Praxis bleiben Kernfamilien generell im selben Zentrum. Auch Vulnerabilität oder die Fortsetzung der medizinischen Behandlung wird bei dieser Entscheidung berücksichtigt. Aus dem Erstaufnahmezentrum werden Asylwerber nach einigen Tagen in andere Zentren verlegt. In Polen gibt es neun Unterbringungszentren mit insgesamt 1.479 Plätzen. 2023 dienten die Zentren Podkowa Leśna-Dębak und Biała Podlaska als Erstaufnahmezentren (für Registrierung, medizinische Untersuchungen usw.). Die Unterbringungsbedingungen in den Zentren sind unterschiedlich. Gewisse Grundlagen müssen vertraglich erfüllt werden, der Rest ist abhängig vom Willen und den finanziellen Möglichkeiten des Vertragspartners. Die Unterbringungsbedingungen haben sich in den letzten Jahren verbessert, werden laut NGOs von den Untergebrachten selbst aber als eher dürftig bewertet. Alle diese Zentren sind offen, das bedeutet, sie dürfen bis 23.00 Uhr frei verlassen und betreten werden. Antragsteller mit besonderen Bedürfnissen sind entsprechend unterzubringen. Spezielle Unterbringungsbedürfnisse bestehen, wenn eine behindertengerechte Unterbringung, eine Unterbringung in einem Einzelzimmer für alleinstehende Frauen mit Kindern, eine Unterbringung in einer medizinischen (Pflege-)Einrichtung (auch aus psychologischen Gründen) oder die Beachtung angepasster Ernährung erforderlich ist. Die Identifizierung von vulnerablen Gruppen geschieht durch die Grenzwache bei der Registrierung des Asylantrags bzw. durch die Asylbehörde. Als vulnerabel gelten in Polen laut Gesetz Minderjährige, Behinderte, Alte, Schwangere, Alleinerziehende, Opfer von Menschenhandel, ernsthaft Kranke, psychisch Beeinträchtigte, Folteropfer und Opfer psychischer, physischer bzw. sexueller Gewalt. Die Behörde ist verpflichtet, bei Verfahren von Angehörigen dieser Gruppen unmittelbar nach Antragstellung, bzw. zu jedem Zeitpunkt im Verfahren, zu prüfen, ob sie spezielle Bedürfnisse haben. Dazu kann die Behörde eine medizinische oder psychologische Untersuchung des Antragstellers veranlassen. Seit Juni 2019 wird jeder Asylwerber, der den sogenannten epidemiologischen Filter (medizinische Eingangsuntersuchung) durchläuft, auch einem Vulnerabilitätsscreening unterzogen. Das Zentrum für alleinstehende Frauen und solche mit Kindern in Warschau wurde im August 2021 geschlossen und Frauen mit Kindern daher seither im Aufnahmezentrum Podkowa Leśna-Debak in einem separaten, eigens für diesen Zweck renovierten Gebäude mit 138 Plätzen, untergebracht. Ein weiteres Zentrum für alleinstehende Frauen und solche mit Kindern in Jachranka ist in Planung. Das Gesetz fördert für alleinstehende Frauen das Leben außerhalb des Zentrums. Wenn nötig wird eine finanzielle Unterstützung gewährt. Seit 2008 hat die Behörde eine spezielle Vereinbarung mit der Polizei, UNHCR, der Stiftung „La Strada“ und dem Rechtshilfezentrum Halina Niec getroffen, um geschlechtsspezifische Gewalt in Aufnahmezentren besser zu erkennen, zu verhindern und darauf zu reagieren. Für alle Aufnahmezentren wurden spezielle Teams gebildet. Ihre Aufgabe ist es, Gewalttaten in den Aufnahmezentren wirksam zu verhindern und schnell zu reagieren, wenn es zu solchen kommt. UNHCR berichtete, dass es in den Zentren für Asylwerber keine größeren oder anhaltenden Probleme mit Missbrauch gab. In den Zentren kam es zu einigen Vorfällen von geschlechtsspezifischer Gewalt, die aber von lokalen Teams aus Ärzten, Psychologen, Polizisten und Sozialarbeitern behandelt wurden. Derzeit verfügt Polen über sechs geschlossene Unterbringungszentren (guarded centers) mit zusammen 877 Plätzen und ein sogenanntes rigoroses Haftzentrum mit 24 Plätzen. Geschlossene Zentren sind für Asylwerber und Migranten gleichermaßen verwendbar. Ein rigoroses Haftzentrum ist gefängnisähnlicher und dient etwa der Unterbringung von Personen, welche die Regeln in geschlossenen Zentren verletzt haben. Geschlossene Unterbringung ist für Asylwerber in Polen prinzipiell in jeglichem Verfahren aus einer Reihe von Gründen (z. B. Identitätsabklärung, Fluchtgefahr, Sicherheitsgründe) für maximal sechs Monate möglich. Aufnahmebedingungen werden gewährt bis zwei Monate nach einer endgültigen positiven Asylentscheidung; oder bis 14 Tage nach einer rechtskräftigen Entscheidung über die Einstellung des Asylverfahrens (z. B. in Zulassungsverfahren); oder bis 30 Tage nach einer endgültigen negativen Asylentscheidung der Asylbehörde oder der ersten Beschwerdeinstanz, nicht aber während weiterer Beschwerden vor einem Woiwodschaftsverwaltungsgericht und Verwaltungsgerichtshof, außer das Gericht erkennt dieses Recht wieder zu. Asylwerber in Polen haben ab Registrierung ihres Asylantrags (in Notfällen schon ab Asylantragstellung) das gesetzlich garantierte Recht auf medizinische Versorgung im selben Ausmaß wie für versicherte polnische Staatsbürger. Dieses Recht besteht auch dann weiter, wenn die materielle Versorgung, aus welchen Gründen auch immer, reduziert oder eingestellt wird. Die medizinische Versorgung von Asylwerber wird öffentlich finanziert. Sie wird über die Krankenreviere der Unterbringungszentren gewährleistet, in denen Ärzte und Krankenschwestern medizinische Hilfe leisten und umfasst auch spezialisierte Behandlungen, psychologische Betreuung und zahnärztliche Versorgung. Petra Medica ist gemäß Vertrag mit der Ausländerbehörde UDSC für die Organisation des medizinischen Versorgungssystems für Asylwerber in Polen zuständig. Für Ausländer, die einen Flüchtlingsstatus beantragen und sich beim Sozialamt gemeldet haben, ist die medizinische Versorgung kostenlos, unabhängig davon, ob sie in einem Zentrum für Ausländer oder außerhalb des Zentrums leben. Die von Petra Medica koordinierten Gesundheitsdienste umfassen medizinische Versorgung in Aufnahmezentren, einschließlich eines epidemiologischen Filters, der die Implementierung von Früherkennung für Tuberkulose-, Infektions-, Geschlechts- und Parasitenkrankheiten gewährleistet; medizinische Versorgung in den Unterbringungseinrichtungen durch den Betrieb medizinischer Reviere, in denen grundlegende Gesundheits- und psychologische Betreuung geboten werden; medizinische Versorgung von Asylwerbern, die außerhalb eines Zentrums leben, auf der Grundlage eigener Ressourcen und eines Netzwerks an Partnerinstitutionen. Bei gesundheitlichen Problemen meldet sich der Patient beim Medical Center des nächstgelegenen Ausländerzentrums oder vereinbart einen Termin in einer kooperierenden Einrichtung. Dort werden gegebenenfalls Überweisungen an Fachärzte ausgestellt bzw. autorisiert. Nach Erhalt der Entscheidung über die Schutzgewährung dürfen die Betroffenen für die Dauer von höchstens zwei Monaten in einer Unterbringungseinrichtung für Asylbewerber verbleiben. Sie genießen volle Niederlassungsfreiheit in ganz Polen, wenngleich sich die Wohnungssuche aufgrund des generellen, d.h. sowohl für Schutzberechtigte wie auch für polnische Staatsbürger bestehenden, Mangels an Wohnraum und Sozialwohnungen oftmals schwierig gestaltet und die Situation im Jahr 2022 zusätzlich durch den Zuzug von Menschen aus der Ukraine im Rahmen des Ukrainekonflikts erschwert wurde. Die Stadt Warschau, in der die meisten Schutzberechtigten leben, unterhält neben der Möglichkeit, sich im herkömmlichen Wege um eine Kommunalwohnung zu bewerben, ein spezielles Programm „geschützter Wohnungen“ für Fremde in Integrationsprogrammen, welche in der Regel für 12 Monate vergeben werden. Schutzberechtigte haben in Polen vollen Zugang zum Arbeitsmarkt, es besteht keine Differenzierung zwischen anerkannten Flüchtlingen oder subsidiär Schutzberechtigten, wobei sich in der Praxis die mangelnde Sprachkompetenz und Qualifikation vieler Schutzberechtigter als Problem darstellt. Innerhalb von 60 Tagen ab Statuszuerkennung besteht die Möglichkeit, die Teilnahme an dem zwölfmonatigen „Individual Integration Program“ (IPI), welches verschiedene Integrationshilfen wie etwa eine Beihilfe für die Teilnahme an Sprachkursen, die Übernahme der Kosten für eine Krankenversicherung, Sozialberatung, Unterstützung bei der Wohnungs- und Arbeitssuche sowie finanzielle Unterstützungsleistungen – 1.376 PLN/318,79 EUR/Monat für eine Einzelperson in den ersten sechs Monaten und 1238 PLN/286,82 EUR/Monat für eine Einzelperson in den zweiten sechs Monaten – umfasst, zu beantragen. Sozialarbeiter bieten im Rahmen des IPI Unterstützung bei der Zusammenstellung der erforderlichen Unterlagen für die Registrierung als arbeitssuchend, der Suche nach Arbeitsmöglichkeiten sowie der Kontaktaufnahme zu potentiellen Arbeitgebern an. Schutzberechtigte verfügen des Weiteren im selben Maße wie auch polnische Staatsbürger über Zugang zum polnischen Sozialsystem und können Sozialhilfe erhalten, wenn gewisse Einkommensgrenzen nicht überschritten werden. Ebenfalls besteht Zugang zu verschiedenen Familienbeihilfen, wie finanzielle Unterstützung zu Beginn des Schuljahres oder für kinderreiche Familien. Im Hinblick auf die medizinische Versorgung stehen Schutzberechtigten dieselben Leistungen wie polnischen Staatsbürgern zu, was allerdings in der Regel das Bestehen einer Krankenversicherung voraussetzt. International Schutzberechtigte (und deren Familienangehörige) besitzen eine befristete Aufenthaltserlaubnis und erhalten somit auch unversichert Zugang zu den öffentlichen Gesundheitsdiensten, solange ihr Einkommen den Vorgaben des Gesetzes über Sozialhilfe entspricht. Schutzberechtigte im Integrationsprogramm IPI sind zudem im Rahmen dieses Programms für die Dauer des IPI durch die öffentliche Hand in der Nationalen Krankenkasse versichert; anschließend muss die Krankenversicherung durch den Arbeitgeber, ein regionales Jobcenter des Sozialhilfezentrums oder aber durch den Betroffenen selbst bezahlt werden. Personen unter 18 Jahren haben stets Zugang zu medizinischer Versorgung, die in ihrem Fall voll vom Staat übernommen wird. Schülern unter 19 Jahren steht zudem Zugang zur präventiven Gesundheitsvorsorge zu. Die polnische Krankenversicherung deckt – mit Ausnahme einiger Zahnbehandlungen und bestimmter Medikamentenkosten sowie der Altenpflege – die meisten medizinischen Behandlungen, unter anderem medizinische Grund- und Spezialbehandlungen, Impfungen, diagnostische Tests (Labor oder andere), Rehabilitation, Krankenhausbetreuung und medizinische Rettungsdienste, Notfallambulanz und Krankentransport ab. Als größte Hürde für den Zugang zu medizinischer Versorgung gelten sprachliche und kulturelle Barrieren. Andere Herausforderungen – wie etwa lange Wartezeiten bei Fachärzten sowie teure Privatleistungen und Medikamente – treffen Schutzberechtigte und polnische Staatsangehörige gleichermaßen (vgl. zum Ganzen: Republik Österreich – BFA, Länderinformationsblatt Polen, 28.6.2024, S. 3 ff.; Republik Österreich – BFA, Länderinformationsblatt Polen, 5.7.2023, S. 13 ff.; AIDA, Country Report Poland, 2023 Update, S. 129 ff.).
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Nach alledem bestehen keine Anhaltspunkte, dass den Antragstellern bei einer Überstellung nach Polen wegen dort bestehender systemischer Schwachstellen im Asylverfahren, in den Aufnahmebedingungen oder im Falle einer etwaigen Anerkennung als international Schutzberechtigter eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen würde (vgl. zur Einschätzung ebenso VG Potsdam, B.v. 1.8.2024 – VG 1 L 652/24.A – juris; VG Kassel, U.v. 22.4.2024 – 7 K 1423/23.KS.A – juris Rn. 23 ff.; VG Ansbach, B.v. 22.1.2024 – AN 18 S 22.50404 – juris; VG Bremen, U.v. 12.12.2023 – 3 K 107/23 – juris Rn. 27 ff.; VG München, B.v. 10.10.2023 – M 10 S 23.50893 – juris Rn. 19 f.; VG Berlin, B.v. 6.4.2023 – 33 L 54/23 A – juris).
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Entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten der Antragsteller führen auch die derzeit fortdauernde Kriegslage in der Ukraine und die sich hieraus ergebenden Flüchtlingsbewegungen nach Polen zu keiner anderen Betrachtung. Zwar hat sich die Situation für Flüchtlinge nach Beginn des Ukrainekrieges infolge des Zustroms einer Vielzahl ukrainischer Flüchtlinge nach Polen verschärft; dennoch geht das Gericht davon aus, dass die Aufnahmebedingungen in Polen nicht regelhaft so defizitär sind, dass Flüchtlingen dort eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. So ist nicht ersichtlich, dass Polen seine Pflichten im Rahmen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen nicht mehr ordnungsgemäß erfüllen könnte, zumal Polen wie auch andere Mitgliedstaaten Unterstützung bei der Deckung des Bedarfs für Flüchtlinge erhält. Zudem müssen Schutzsuchende aus der Ukraine aufgrund des Durchführungsbeschlusses (EU) 2022/382 des Rates der Europäischen Union vom 4. März 2022 zur Feststellung des Bestehens eines Massenzustroms von Vertriebenen aus der Ukraine im Sinne des Artikels 5 der RL 2001/55/EG und zur Einführung eines vorübergehenden Schutzes kein üblicherweise vorgesehenes Asylverwaltungsverfahren durchlaufen, sondern können in einem vereinfachten Verwaltungsverfahren einen europaweit gültigen vorübergehenden Schutz mit entsprechendem Zugang zum Arbeitsmarkt und etwaigen Sozialleistungen erhalten. Nach der aktuellen Länderinformation des österreichischen Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl sieht das am 27. Juni 2023 überarbeitete Gesetz zur Unterstützung ukrainischer Bürger im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten vor, dass Ukrainer legal im Land bleiben können und gewährt das Recht auf Arbeit und freien Zugang zur Gesundheitsversorgung und Bildung. Mit Stand 12. Dezember 2023 waren ca. 950.000 Ukrainer registriert, die sich im Rahmen des EU-Mechanismus für vorübergehenden Schutz in Polen befanden. Im Mai 2024 wurde der vorübergehende Schutz für ukrainische Staatsangehörige bis zum 30. September 2025 verlängert (Republik Österreich – BFA, Länderinformation der Staatendokumentation Polen, 28.6.2024, S. 1). Überdies haben im Rahmen einer vom UNHCR durchgeführten und am 25. Mai 2023 veröffentlichten Befragung von Flüchtlingen aus der Ukraine lediglich 7% der Befragten erklärt, eine der staatlich angebotenen Unterkünfte in Polen in Anspruch zu nehmen (vgl. UNHCR, Refugee Arrivals from Ukraine into Poland, 25.5.2022), stattdessen leben die meisten der aus der Ukraine vertriebenen Personen privat in Polen (Republik Österreich – BFA, Länderinformation der Staatendokumentation Polen, 5.7.2023, S. 1).
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Zudem hat Polen vorliegend mit Schreiben vom 17. Januar 2025 die Wiederaufnahmeersuchen des Bundesamtes fristgerecht beantwortet und der Aufnahme der Antragsteller ausdrücklich zugestimmt. Es gilt somit zur Überzeugung des Gerichts nach wie vor die Vermutungswirkung des Prinzips des gegenseitigen Vertrauens (vgl. auch VG Bremen, U.v. 12.12.2023 – 3 K 107/23 – juris Rn. 32 ff; VG München, B.v. 10.10.2023 – M 10 S 23.50893 – juris Rn. 20; OVG SH, U.v.
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Eine abweichende Betrachtung ergibt sich auch im Einzelfall der Antragsteller sowie unter Berücksichtigung ihrer individuellen Umstände und ihres Vortrags nicht. Die Antragsteller haben keine Belange vorgetragen, die systemische Mängel in Polen aufzeigen könnten. Soweit der Bevollmächtigte der Antragsteller ausführt, dass den Antragstellern im Zusammenhang einem Armbruch des Antragstellers zu 6) ein Arzttermin nicht gegeben worden sei, führt dies nicht zur Annahme systemischen Mängel in Polen. Denn zum einen legt der Bevollmächtigte der Antragsteller zur Glaubhaftmachung des Umstandes, dass es tatsächlich Defizite in der medizinischen Versorgung des Antragstellers zu 6) in Polen gegeben habe, schon keinerlei medizinische Unterlagen vor. Zum anderen lässt sich die Darstellung des Bevollmächtigten der Antragsteller nicht mit den Angaben der Antragsteller zu 1) und 2) in ihren jeweiligen Anhörungen in Einklang bringen. Der Antragsteller zu 1) gab ausdrücklich auch auf Nachfrage an, dass es in Polen auch hinsichtlich der Kinder keine Probleme gegeben habe. Die Antragstellerin zu 2) gab zwar an, der Antragsteller zu 6) habe sich die Schulter gebrochen bzw. sei umgefallen und habe sich verletzt. Aber auch sie gab aber keine Defizite in der medizinischen Versorgung an, sondern gab demgegenüber an, dass die Antragsteller wegen der Verletzung des Antragstellers zu 6) einen Monat in Polen bleiben mussten. Anhaltspunkte dafür, dass, wie der Bevollmächtigte ausführt, ein Bruch wegen falscher oder fehlender medizinischer Versorgung falsch zusammengewachsen sei, lassen sich dem nicht entnehmen, wären aber zu erwarten gewesen.
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Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 UAbs. 1 der Dublin-III-VO notwendig machen würden, sind ebenso weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dabei ist davon auszugehen, dass die Dublin-III-VO nicht darauf ausgelegt ist, subjektive Rechte der Antragsteller gegenüber einem bestimmten Mitgliedsstaat auf Durchführung eines Asylverfahrens gerade durch diesen zu begründen (VG Ansbach, B.v. 5.3.2015 – AN 14 S 15.50026 – juris Rn. 22). Stimmt, wie hier, der nach der Dublin-III-VO zuständige Mitgliedsstaat der Übernahme eines Asylbewerbers zu, kann dieser der Heranziehung der die (anhaltende) Zuständigkeit dieses Mitgliedsstaates begründenden Kriterien nur damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedsstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu werden (EuGH, U.v. 10.12.2014 – C-394/12 – Rn. 60). Dies ist, wie ausgeführt, nicht der Fall.
40
Die rechtliche und tatsächliche Durchführbarkeit der Abschiebung der Antragsteller nach Polen ist gegeben, so dass der Tatbestand des § 34a Abs. 1 AsylG erfüllt ist.
41
Nach der Rechtsprechung u.a. des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 12.3.2014 – 10 CE 14.429 – und vom 28.10.2013 – 10 CE 13.2257 – juris) ist neben der Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ferner Voraussetzung einer Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylG, dass sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende Vollzugshindernisse (inlandsbezogene Abschiebungshindernisse) nicht entgegenstehen.
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Dies ist hier der Fall. Die Abschiebung nach Polen kann gemäß § 34a Abs. 1 AsylG durchgeführt werden. Polen ist nach den obigen Ausführungen nach wie vor nach Art. 18 Abs. 1 lit. b) der Dublin-III-VO verpflichtet, die Antragsteller wiederaufzunehmen. Dass sich Polen – entgegen der Wiederaufnahmezusage vom 17. Januar 2025 – nun weigern würde, ist nicht ersichtlich. Der Abschiebung entgegenstehende Vollzugshindernisse sind weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich. Zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse kommen zwar grundsätzlich nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG in Betracht. Nach den obigen Feststellungen liegen die Voraussetzungen für ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 5  AufenthG, nachdem ein Ausländer nicht abgeschoben werden darf, soweit sich aus der europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist, nicht vor. Auch aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ergibt sich kein Abschiebungsverbot hinsichtlich der Antragsteller. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von einer Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht, wobei nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vorliegt, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Erforderlich, aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist damit, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers auf Grund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib und Leben führt, d.h., dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (BVerwG, B.v. 17.8.2011 – 10 B 13.11 – juris Rn. 3). Nach diesen Maßstäben ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass hinsichtlich der Antragsteller ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorläge. Insbesondere ist der vom Antragsteller zu 1) angegebene Diabetes Typ II, den dieser offensichtlich auch schon in der Vergangenheit erfolgreich behandelt hat, nicht geeignet, ein solches Abschiebungsverbot auszulösen.
43
Hinsichtlich der Abschiebungsanordnung ergibt sich auch nichts Anderes aus dem Umstand, dass, wie im Folgenden auszuführen ist, die Anordnung des befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots voraussichtlich rechtswidrig sein dürfte. Denn ein Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Abschiebungsanordnung und dem Einreise- und Aufenthaltsverbot besteht nicht (vgl. BVerwG, U.v. 21.8.2018 – 1 C 21.17 – juris Rn. 22 f. zu einer Abschiebungsandrohung). Selbst wenn man entgegen gewichtiger Gründe in der Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylG eine Rückkehrentscheidung im Sinne der RL 2008/115/EG erblickte, stellen die Abschiebungsanordnung und die Anordnung eines (befristeten) Einreise- und Aufenthaltsverbots jeweils eigenständige Entscheidungen dar, die auch gesondert anfechtbar sind (BVerwG, U.v. 21.8.2018 – 1 C 21.17 – juris Rn. 22).
44
Der Antrag ist dagegen begründet, soweit die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheids begehrt wird.
45
Die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotene, aber auch ausreichende summarische Prüfung ergibt hier, dass die Anordnung des auf 60 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots in Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheids vom 3. Februar 2025 im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) voraussichtlich rechtswidrig ist und die Antragsteller in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies führt insoweit zum Überwiegen des Suspensivinteresses der Antragsteller über das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin.
46
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist oder gegen den eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG erlassen wurde, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Dieses ist nach § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen, wobei nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG über die Länge der Frist nach Ermessen entschieden wird. Die Frist darf nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG – außer in den Fällen der § 11 Abs. 5 bis 5b AufenthG – fünf Jahre nicht überschreiten. Zuständig ist nach § 75 Nr. 12 AufenthG im Fall einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG, wie vorliegend, das Bundesamt.
47
Nach § 114 Satz 1 VwGO prüft das Gericht bei Ermessensentscheidungen auch, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Letzteres ist hier der Fall, so dass sich die Anordnung des befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots als rechtswidrig erweist. Die im vorliegenden Fall vom Bundesamt vorgenommene Befristung auf 60 Monate stellt sich nach diesem Maßstab als ermessensfehlerhaft dar, weil von dem Ermessen nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde. Dies führt zur Rechtswidrigkeit der Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbost insgesamt.
48
Denn die Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist als ein einheitlicher, auch in sich nicht teilbarer belastender Verwaltungsakt anzusehen (vgl. nur: BVerwG, U.v. 7.9.2021 – 1 C 47.20 – juris Rn. 10; OVG Greifswald, U.v. 19.2.2024 – 4 LB 179/23 OVG – juris Rn. 17; auch bereits OVG Lüneburg, U.v. 6.5.2020 – 13 LB 190/19 – juris Rn. 54). Folglich führt ein Ermessensfehler bei der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots zur Rechtswidrigkeit des einheitlichen Verwaltungsaktes insgesamt (BVerwG, U.v. 7.9.2021 – 1 C 47.20 – juris Rn. 10).
49
Bei der Ermessensausübung im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist speziell in asylrechtlichen Verfahren nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts durch das Bundesamt in einem ersten Schritt eine Prognose anzustellen, wie lange das Verhalten des Betroffenen das öffentliche Interesse an einer Gefahrenabwehr durch Fernhaltung des Ausländers von dem Bundesgebiet zu tragen vermag (BVerwG, U.v. 7.9.2021 – 1 C 47.20 – juris Rn. 16). Das Gewicht des gefahrenabwehrrechtlich geprägten öffentlichen Interesses an einem befristeten Fernhalten des abgeschobenen Ausländers wird maßgeblich durch den Zweck des § 11 Abs. 1 AufenthG geprägt, mit dem der Gesetzgeber gewichtige spezial- und generalpräventive Zwecke verfolgt. Das unter der aufschiebenden Bedingung einer Abschiebung zu erlassende Einreise- und Aufenthaltsverbot ist zum einen in Bezug auf den betroffenen ausreisepflichtigen Ausländer zur Durchsetzung des Vorrangs der freiwilligen Ausreise vor der Abschiebung und zum anderen auch in Bezug auf sonstige ausreisepflichtige Ausländer zur Förderung der freiwilligen Ausreise zu dienen bestimmt (BVerwG, U.v. 7.9.2021 – 1 C 47.20 – juris Rn. 16). In spezialpräventiver Hinsicht soll der Ausländer aus dem Unionsgebiet ferngehalten werden, weil er Anlass zu Vollstreckungsmaßnahmen gegeben hat und die Besorgnis besteht, dass selbige bei einem künftigen Aufenthalt erneut erforderlich werden. Zugleich soll in generalpräventiver Hinsicht verhindert werden, dass sich andere Ausländer in dem Vorhaben, ebenfalls nicht freiwillig auszureisen, ohne ein an die erforderlich gewordene Vollstreckungsmaßnahme anknüpfendes Einreise- und Aufenthaltsverbot bestärkt fühlen könnten (BVerwG, U.v. 7.9.2021 – 1 C 47.20 – juris Rn. 16). Dem gefahrenabwehrrechtlich geprägten öffentlichen Interesse sind in einem zweiten Schritt die Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die private Lebensführung des Ausländers gegenüberzustellen (BVerwG, U.v. 7.9.2021 – 1 C 47.20 – juris Rn. 17). Dieser zweite Prüfungsschritt zielt im Lichte von Art. 6 und Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 7 GRCh sowie des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf eine Begrenzung der einschneidenden Folgen eines Einreise- und Aufenthaltsverbots für das Familien- und Privatleben des Betroffenen (BVerwG, U.v. 7.9.2021 – 1 C 47.20 – juris Rn. 17). Es bezweckt zudem, dem Interesse des Ausländers an einer „angemessenen Rückkehrperspektive“ bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen Rechnung zu tragen, weshalb zwar weder die Gründe für die Beendigung eines vormals bestehenden Aufenthaltsrechts noch die Erfüllung der Voraussetzungen für die Erteilung eines neuerlichen Aufenthaltstitels, wohl aber das Gewicht des individuellen Interesses, sich wieder im Bundesgebiet aufhalten zu dürfen, bei der Bemessung der Frist zu berücksichtigen ist (BVerwG, U.v. 7.9.2021 – 1 C 47.20 – juris Rn. 17 m.w.N.).
50
Gemessen an diesen Maßstäben stellt sich die Befristung auf 60 Monate, mithin auf die nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zulässige Höchstfrist als ermessensfehlerhaft dar. Weder den Gerichts- und Behördenakten noch dem streitgegenständlichen Bescheid sind Umstände zu entnehmen, die es aus gefahrenabwehrrechtlichen, spezial- oder generalpräventiven Gründen angezeigt erscheinen ließen, die Höchstfrist des § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG auszuschöpfen, um die Antragsteller für diesen Zeitraum nach einer gegebenenfalls erfolgten Abschiebung dem Bundesgebiet fernzuhalten. Zwar weist die Antragsgegnerin zutreffend darauf hin, dass keine wesentlichen persönlichen, wirtschaftlichen oder sonstigen Bindungen der Antragsteller ersichtlich sind, die zu Gunsten der Antragsteller zu berücksichtigen wären. Gleichwohl vermag dies die Verfügung der maximal zulässigen Frist nicht zu tragen. Denn hierfür reicht es nicht aus, dass keine besonderen zu Gunsten der Antragsteller sprechenden Umstände gegeben sind, sondern es müssten demgegenüber positive Anhaltspunkte dafür vorliegen, die Antragsteller nach einer etwaigen Abschiebung so lange wie es gesetzlich im höchsten Fall möglich ist vom Bundesgebiet fernzuhalten. Andernfalls würde die Höchstfrist des § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG entgegen der gesetzlichen Zielsetzung der Ermächtigungsgrundlage zur Ausübung von behördlichem Ermessen zu einer Regelfrist (vgl. so schon: OVG Koblenz, U.v. 8.11.2016 – 7 A 11058/15 – juris Rn. 38 f.; VG Würzburg, Gerichtsbescheid v. 14.1.2025 – W 6 K 24.50466 – juris Rn. 28 f.).
51
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 161 Abs. 1, 155 Abs. 1 VwGO. Dabei geht das Gericht davon aus, dass der Antrag, soweit er sich gegen die Abschiebungsanordnung in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids richtet, größeres Gewicht hat, zumal bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung auch die Entscheidungen über die Zulässigkeit des Asylantrages der Antragsteller in der Bundesrepublik Deutschland (Ziffer 1) und die Frage der Abschiebungsverbote (Ziffer 2) inzident zu prüfen sind. Im Ergebnis erscheint eine Gewichtung im Verhältnis von ¾ zu ¼ angemessen.
52
Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
53
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).