Titel:
Ursächlichkeit einer fehlerhaften Einmessbescheinigung für Baumangel
Normenketten:
ZPO § 264 Nr. 2, § 269 Abs. 1
BGB § 254 Abs. 1, § 281 Abs. 1, § 633 Abs. 2 S. 1, § 634 Nr. 4
Leitsätze:
1. Wird ein Freistellungsantrag im Laufe des Rechtsstreits in einen Feststellungsantrag umgestellt und dabei qualitativ beschränkt, liegt darin keine gem. § 269 Abs. 1 ZPO zustimmungspflichtige, teilweise Klagerücknahme. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird ein Vermessungsingenieur beauftragt, nach den Bauplänen das zu errichtende Gebäude einzumessen und weist seine Einmessbescheinigung eine unrichtige Null-Kote (Bau-Nullhöhe) auf, stellt dies einen Sachmangel gem. § 633 Abs. 2 S. 1 BGB dar. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Angabe der Null-Kote in der Einmessbescheinigung ist Grundlage für die Bestimmung des Nullwerts auf der Baustelle, sodass eine in der Bescheinigung zu hoch angesetzte Null-Kote ursächlich ist, wenn das Bauwerk in Übereinstimmung mit diesen Messangaben zu hoch errichtet wurde. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Sachmangel, Bauwerkshöhe, Freistellungsantrag, Vermessungsleistungen, Vermessungsfehler, Einmessbescheinigung, Ursächlichkeit, Zustimmung zur Klagerücknahme, Feststellungsantrag, Null-Kote
Vorinstanz:
LG Landshut, Endurteil vom 12.01.2024 – 53 O 2896/19
Fundstelle:
BeckRS 2025, 21053
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 12.01.2024, Az. 53 O 2896/19, in Ziffer 1 des Tenors abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von Zahlungsansprüchen der Eheleute und Dr. (wohnhaft: – -Straße,) freizustellen, die wegen der fehlerhaften Vermessungsangabe in der vom Beklagten erstellten Einmessbescheinigung (falsche Höhenangabe +/-0 Höhe mit 552,55 m über NN anstatt richtig mit +/-0 Höhe 552,33 m über NN) der Baumaßnahme ‚Neubau eines Wohnhauses mit Garage‘ auf dem Grundstück – -Straße, geltend gemacht werden.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben. Die Streithelfer tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können jeweils die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Die Klägerin macht gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche wegen mangelhafter Vermessungsleistungen geltend.
2
Die Klägerin ist ein Bauunternehmen. Sie verpflichtete sich gegenüber den Streithelfern und. mit Vertrag vom 21./26.09.2015, auf dem Grundstück – -Straße, auf Grundlage der von den Bauherren bereitgestellten Planung des Streithelfers Prof. Dipl.-Ing. ein Einfamilienhaus zu errichten. Mit den im Zuge der Errichtung des Hauses erforderlichen Vermessungsleistungen (einschließlich der Einmessung der Höhen) beauftragte die Klägerin den Beklagten. Dieser nahm die Einmessung auf dem Grundstück am 15.10.2015 vor. In der Einmessbescheinigung vom 20.10.2015 gab der Beklagte eine +/- 0 Höhe von 552,55 m ü. N.N. an. Nach den Eingabeplänen hätte die Null-Kote für die Oberkante des Fertigfußbodens im Erdgeschoß bei 552,55 m ü. N.N. liegen sollen.
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Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe die Null-Kote für den Fertigfußboden fehlerhaft auf eine Höhe von 552,73 m ü. NN. bestimmt mit der Folge, dass die Anlage höher hergestellt worden sei und die Abstandsflächen verletzt worden seien. Der Beklagte bestreitet eine Verantwortlichkeit für die zu hohe Ausführung des Bauwerks.
4
Die Klägerin hat den Bauherren, den Eheleuten, und dem Architekten Prof. Dipl.-Ing. mit Schriftsätzen vom 13.09.2019 und vom 17.12.2020 den Streit verkündet. Die Eheleute sind mit Schriftsatz vom 28.02.2020 dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten. Prof. Dipl.-Ing. ist mit Schriftsatz vom 06.04.2021 ebenfalls auf Seiten der Klägerin dem Rechtsstreit beigetreten.
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Die Klägerin hat in erster Instanz Freistellung von – nicht bezifferten – Ansprüchen der Streithelfer aufgrund der fehlerhaften Vermessungsangabe begehrt, ferner Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für Schäden der Klägerin aufgrund der Vermessungsfehlleistung.
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Hinsichtlich der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstands sowie die Antragstellung in erster Instanz wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Landshut vom 12.01.2024 Bezug genommen.
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Das Landgericht hat nach Einholung von Sachverständigengutachten der Klage stattgegeben. Aus den Ausführungen des Sachverständigen ergebe sich, dass der Beklagte fehlerhaft die Null-Kote mit 552,55 m ü. NN. angesetzt habe anstatt richtig mit 552,33 m ü. NN.. Die „Bau-Nullhöhe“ leite sich aus der Oberkante Fertigfußboden abzüglich 0,22 m ab und betrage folglich 552,33 m ü. NN.. Die Höhe der Oberkante des ausgeführten Fertigfußbodens im Erdgeschoß liege bei 552,73 m ü. NN., mithin 0,22 m höher als im Eingabeplan vorgesehen. Auch die Oberkante des Gebäudes liege 0,22 m höher als geplant. Die festgestellten Höhenunterschiede lägen im Verantwortungsbereich des Beklagten. Es lägen zwar auch Planungs- bzw. Ausführungsfehler vor, da die Erhöhung um 0,22 m allein zu einer geringeren Überschreitung der Abstandsflächen geführt hätte als tatsächlich festgestellt. Die Frage der Mitursächlichkeit und des prozentualen Anteils der jeweiligen Fehler sei jedoch nicht entscheidungserheblich, weil die Klägerin nur Freistellung bezüglich der durch die fehlerhafte Vermessungsangabe entstandenen Ansprüche verlange. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
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Hiergegen wendet sich der Beklagte vollumfänglich mit seiner Berufung vom 29.01.2024. Zur Begründung führt er aus:
Die Verurteilung zur Freistellung von einer Verbindlichkeit gegenüber den Streithelfern Zils sei unzulässig, da die Höhe der Forderung, mit der die Klägerin belastet sei, nicht vorgetragen worden sei. Auch habe das Erstgericht den Antrag der Klägerin selbstständig verändert; dadurch sei es unzulässig gemäß § 308 Abs. 1 ZPO über den Antrag der Klägerin hinausgegangen. Die Einmessbescheinigung sei nicht falsch, es sei nur die +/- 0 Höhe falsch angegeben worden. Die Einmessbescheinigung diene nur der Dokumentation gegenüber der Genehmigungsbehörde, nicht jedoch dazu, den Baukörper höhenmäßig abzustecken. Nach der Einmessbescheinigung werde nicht gebaut. Daher sei deren Inhalt – auch wenn er unzutreffend gewesen sein sollte – nicht für die unzutreffende höhenmäßige Positionierung des Gebäudes verantwortlich. Auf die Angaben des Zeugen L. dürfe der Senat seine Entscheidung nicht stützen, da das Landgericht dessen Aussage nicht gewürdigt habe. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung und die Schriftsätze vom 28.06.2024, 10.10.2024 und 11.12.2024 Bezug genommen.
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Der Beklagte beantragt im Berufungsverfahren:
Das Urteil des Landgerichts Landshut, Az., vom 12.01.2024 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
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Die Klägerin beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
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Sie trägt vor, bei der Höhenangabe von 552,23 m ü. N.N. im ursprünglichen Antrag 1 handle es sich um ein offensichtliches Schreibversehen. Eine Verletzung von § 308 ZPO sei mit Hinblick auf den in der Sitzung vom 27.09.2023 gestellten Antrag nicht erfolgt. Das Gebäude sei exakt nach der Einmessung des Beklagten errichtet worden; sie treffe kein Mitverschulden. Sie werde von den Streithelfern wegen des Vermessungsfehlers in Anspruch genommen. Die Klägerin könne auch (vor dem Hintergrund des Eintritts eigener Schäden) gemäß Antrag 2 Feststellung der Schadensersatzpflicht verlangen. Der Klägerin sei aufgrund der bislang nicht erfolgten Zahlung ihrer Werklohnforderungen ein Zinsschaden entstanden. Darüber hinaus ergebe sich ein Feststellungsinteresse auch vor dem Hintergrund der im Parallelverfahren entstehenden Rechtsverfolgungskosten. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 16.04.2024 und 01.08.2024 Bezug genommen.
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Nach Hinweis des Senats auf die Unzulässigkeit des Freistellungsantrags hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 06.11.2024 den Antrag 1 wie folgt umgestellt:
„Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von Zahlungsansprüchen der Eheleute und. (wohnhaft: – -Straße,) freizustellen, die wegen der fehlerhaften Vermessungsangabe in der vom Beklagten erstellten Einmessbescheinigung (falsche Höhenangabe +/-0 Höhe mit 552,55 m über NN anstatt richtig mit +/-0 Höhe 552,33 m über NN) der Baumaßnahme ‚Neubau eines Wohnhauses mit Garage‘ auf dem Grundstück – -Straße, geltend gemacht werden.“
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Ferner hat sie klargestellt, dass sie vom Beklagten Freistellung bzw. Feststellung der Freistellungspflicht nur insoweit verlange, als sich sein Fehler ausgewirkt habe, und nicht hinsichtlich des gesamten Tekturschadens, soweit bei diesem noch andere Ursachen mitgewirkt haben.
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Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.11.2024 wird Bezug genommen.
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Der Streithelfer führt aus, dass im vorliegenden Rechtsstreit ein Mitverschuldensanteil nicht festzusetzen sei, da sich der Antrag der Klägerin lediglich auf Schäden beziehe, die kausal auf die fehlerhafte Vermessungsangabe zurückgehen. Im Übrigen wird auf den Schriftsatz vom 25.11.2024 Bezug genommen.
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Die Streithelfer weisen darauf hin, dass der Beklagte nicht bestreite, eine falsche Höhenangabe in die Einmessbescheinigung aufgenommen zu haben. Auf den Schriftsatz vom 05.08.2024 wird verwiesen.
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Der Senat hat mit Verfügung vom 13.06.2024 Hinweise erteilt. Hierzu haben der Beklagte mit Schriftsätzen vom 28.06.2024 und 10.10.2024 sowie die Klägerin mit Schriftsatz vom 01.08.2024 Stellung genommen.
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1. Die Klage ist zulässig.
19
a) Die Änderung des Klageantrags 1 stellt gemäß § 264, Nr. 2 ZPO keine Klageänderung dar (OLG Düsseldorf Urteil vom 02.08.2012 –, Rn. 30 juris). Daher kommt auch § 533 ZPO nicht zur Anwendung (BGH Urteil vom 19.03.2004 – V ZR 104/03, Rn. 25 juris). Mit der (in der Umstellung auf einen Feststellungsantrag liegenden) qualitativen Reduzierung des ursprünglichen Freistellungsantrags geht jedenfalls im Fall des § 264, Nr. 2 ZPO auch keine teilweise Klagerücknahme gemäß § 269 Abs. 1 ZPO einher (BAG Urteil vom 15.06.2016 –, Rn. 27 juris; Anders in Anders/Gehle ZPO 82. Auflage § 264, Rn. 8). Dementsprechend kommt es insoweit insgesamt nicht auf die Zustimmung des Beklagten zu der Antragsumstellung an.
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b) Nachdem die Antragsänderung nicht mit einer Klageerweiterung einhergeht, bedarf es für die Antragsumstellung der Klägerin auch nicht der Einlegung einer Anschlussberufung (BGH Urteil vom 23.02.2024 –, Rn. 18 juris).
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c) Durch die Antragsumstellung der Klägerin ist der Antrag, über den das Erstgericht nach der Meinung des Beklagten unter Verstoß gegen § 308 ZPO hinausgegangen sein soll, nicht mehr zur Entscheidung unterbreitet. Ein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO ist jedoch auch durch das Landgericht nicht erfolgt. Nach den eigenen Ausführungen des Beklagten (Berufungsbegründung, S. 2) hat die Klägerin ihren Antrag in der mündlichen Verhandlung erster Instanz vom 27.09.2023 umgestellt (Protokoll vom 27.09.2023, S. 13). Diesem geänderten Antrag entspricht das Ersturteil in Ziffer 1. Das Erstgericht ist damit nicht über den Antrag der Klägerin hinausgegangen.
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d) Die Voraussetzungen der Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO sind gegeben.
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(1) Es liegt ein Rechtsverhältnis vor. Dabei handelt es sich um die aus einem konkreten Lebenssachverhalt resultierende rechtliche Beziehung von Personen untereinander (BGH Urteil vom 02.09.2021 –, Rn. 25 juris). Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche aus einem zwischen ihnen bestehenden Werkvertrag.
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(2) Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse liegt bezüglich beider Anträge der Klägerin vor. Ein rechtliches Interesse ist gegeben, wenn einem subjektiven Recht des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und das Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (BGH Urteil vom 13.01.2010 –, Rn. 12 juris).
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(a) Eine solche Gefahr besteht regelmäßig, wenn der Beklagte das geltend gemachte Recht des Klägers ernsthaft bestreitet (BGH Urteil vom 22.01.2019 –, Rn. 12 juris). Der Beklagte hat seine Haftung für einen Vermessungsfehler bis zur letzten mündlichen Verhandlung bestritten (Protokoll vom 06.11.2024, S. 2).
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(b) Auch bei drohender Verjährung ist das Feststellungsinteresse gegeben, wobei die Verjährung nicht unmittelbar bevorstehen muss (BGH Urteil vom 28.04.2015 –, Rn. 20 juris). Vorliegend droht die Verjährung. Die fünfjährige Verjährungsfrist des § 634a Abs. 1, Nr. 2 BGB beginnt mit der Abnahme, § 634a Abs. 2 BGB. Diese tritt bei vorbereitenden Leistungen für die Errichtung eines Bauwerks mit der Abnahme des vorbereitenden Werks ein, nicht erst mit der Abnahme des Gesamtwerks (Moufang/ Koos in Messerschmidt/ Voit Privates Baurecht 4. Auflage § 634a, Rn. 52). Dementsprechend trat hier die Abnahme der Leistung des Beklagten, zu der die Parteien nicht ausdrücklich vorgetragen haben, jedenfalls durch die konkludente Abnahme ein, indem die Klägerin die Leistung des Beklagten der nachfolgenden Errichtung des Hauses zu Grunde gelegt hat. Die Vermessung wurde am 15.10.2015 durchgeführt (Klage, S. 3); die Einmessbescheinigung wurde am 20.10.2015 erstellt und an die Klägerin übermittelt (Klageerwiderung, S. 2). Der Baubeginn erfolgte spätestens im Jahr 2016, nachdem das Haus bis Ende 2016 im Wesentlichen fertiggestellt war (Klage, S. 4).
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(c) Das Feststellungsinteresse fehlt auch nicht wegen des Vorrangs einer auf Freistellung gerichteten Leistungsklage. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann auf Freistellung nicht geklagt werden, solange die Höhe der Verbindlichkeit, von der Befreiung verlangt wird, nicht feststeht (BGH Urteil vom 02.09.2021 –, Rn. 42 juris). So liegt der Fall hier. Der Streithelfervertreter für die Streithelfer hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die Höhe ihrer Forderung gegen die Klägerin noch nicht endgültig feststehe (Protokoll vom 06.11.2024, S. 3).
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(d) Das Feststellungsinteresse ist auch bezüglich des Klageantrags 2 gegeben. Ein Schadensersatzanspruch umfasst grundsätzlich auch die Kosten der Rechtsverfolgung. Für die Geltendmachung dieses materiellen Kostenerstattungsanspruchs fehlt das Rechtsschutzbedürfnis nur, soweit ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch gegeben ist (BGH Urteil vom 21.07.2011 –, Rn. 16 juris). Dies ist vorliegend derzeit nicht der Fall. Der Ausgang des Verfahrens 11 O 18374/19 vor dem Landgericht München I ist nach dem Parteivortrag offen. Ob dort die Voraussetzungen des § 101 ZPO für die Klägerin erfüllt sein werden, kann nicht beurteilt werden.
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2. Die Berufung ist teilweise begründet. Die Klägerin hat bezüglich des Antrags 1 nur Anspruch auf Feststellung der Verpflichtung zur Freistellung; die Freistellung selbst kann sie derzeit vom Beklagten (noch) nicht verlangen. Bezüglich Antrag 2 ist die Berufung ohne Erfolg.
30
a) Die Klägerin hat Anspruch auf Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zur Freistellung der Klägerin von einer Schadensersatzforderung der Streithelfer. Der Klägerin steht dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch gemäß § 634, Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB zu.
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(1) Zwischen den Parteien wurde unstreitig ein Werkvertrag über Vermessungsleistungen geschlossen.
32
(2) Die Vermessungsleistung des Beklagten weist einen Sachmangel gemäß § 633 Abs. 2, S. 1 BGB auf. Der Beklagte war unstreitig damit beauftragt, nach den ihm zur Verfügung gestellten Bauplänen das zu errichtende Gebäude auf dem Grundstück der Streithelfer -Str., einzumessen (Klageerwiderung, S. 2). Dieser vertraglichen Verpflichtung wird die Einmessungsbescheinigung des Beklagten nicht gerecht. Aus den Plänen ergibt sich für das Bauwerk eine +/- 0 Höhe von 552,33 m ü. N.N.; in der Einmessbescheinigung ist jedoch eine +/- 0 Höhe von 552,55 m ü. N.N. ausgewiesen (Sachverständiger, Protokoll vom 27.09.2023, S. 5). Es kann auf die Ausführungen des Landgerichts (Ersturteil, S. 5/ 7) Bezug genommen werden. Diese Umstände, insbesondere auch die unzutreffende Angabe der +/- 0 Höhe in der Einmessbescheinigung, werden vom Beklagten in der Berufungsinstanz auch nicht mehr in Frage gestellt (Berufungsbegründung, S. 3/4).
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(3) Der Mangel ist vom Beklagten zu vertreten. Den Entlastungsbeweis gemäß § 280 Abs. 1, S. 2 BGB hat der Beklagte nicht geführt.
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(4) Eine Fristsetzung nach § 634, Nr. 4, 281 Abs. 1 BGB ist hier gemäß § 281 Abs. 2 BGB entbehrlich, da besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzes rechtfertigen. Dies ist der Fall, wenn die Nachbesserung unmöglich ist (Moufang/Koos in Messerschmidt/ Voit Privates Baurecht 4. Auflage § 636, Rn. 118 i.v.m. Rn. 35). Hier wurde das gesamte Haus aufgrund des Vermessungsfehlers bereits zu hoch errichtet. Dieser Umstand kann auch durch eine neuerliche (korrekte) Einmessung nicht mehr verändert werden. Eine vollständige Neuerrichtung des Gebäudes auf Grundlage einer neuen korrekten Einmessung wird nach dem Parteivortrag von den Streithelfern Zils nicht verlangt und wäre dem Beklagten auch unzumutbar, § 636, 3. Alt. BGB.
35
(5) Ein Schaden gemäß § 249 Abs. 1 BGB ist gegeben. Die Belastung mit einer Forderung stellt einen Schaden dar (BGH Urteil vom 10.12.1992 –, Rn. 23 juris). Vorliegend machen die Streithelfer gegen die Klägerin Schadensersatzansprüche geltend. Diese sind auf die wegen der falschen Höhenlage des Hauses erforderlichen Umbauarbeiten zurückzuführen.
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(6) Der Vermessungsfehler war für den Schaden ursächlich. Soweit die zur Einhaltung der baurechtlich zulässigen Höhen notwendigen Kosten in einer einheitlichen Schadensposition aufgehen, die auf mehrere Ursachen zurückzuführen ist, lässt dies die Zurechnung nicht entfallen. Es genügt, dass eine Ursache für den Schaden mitursächlich ist (BGH Urteil vom 18.12.2008 –, Rn. 20 juris). Soweit der Beklagte in Frage stellt, dass die Einmessbescheinigung Grundlage für die Höhenlage des Gebäudes ist (Berufungsbegründung, S. 3/4; Schriftsatz vom 28.06.2024, S. 2; Schriftsatz vom 11.12.2024, S. 2), kann dem nicht gefolgt werden. Entgegen den Ausführungen in der Berufungsbegründung gab der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vom 27.09.2023 ausdrücklich an, dass die Einmessbescheinigung gerade die Grundlage für die Bestimmung des Nullwerts auf der Baustelle sei (Protokoll vom 27.09.2023, S. 12). Weiter hat der Sachverständige eine Höhenlage des Gebäudes festgestellt, die um + 0,22 m von der Planung abweicht. Um diesen Wert weicht auch die Angabe des Nullwerts in der Einmessbescheinigung von den Plänen ab (522,55 m ü. N.N. anstatt 522,33 m ü. N.N.). Die fehlerhafte Bestimmung des Nullwerts in der Einmessbescheinigung hat sich dementsprechend auf die Bauausführung ausgewirkt (Handout des Sachverständigen als Anlage zum Protokoll vom 27.09.2024, S. 6). Schließlich gab auch der Beklagte an, er habe die Baugrube nachgemessen; dabei habe er festgestellt, dass diese nach seiner Höhenmarkierung zutreffend ausgehoben worden sei (Protokoll vom 30.06.2020, S. 4). Nach den Feststellungen des Sachverständigen wurde das Gebäude jedoch tatsächlich um 0,22 m höher als in der Planung vorgesehen errichtet (Handout des Sachverständigen als Anlage zum Protokoll vom 27.09.2024, S. 5/6). Auch dieser Umstand spricht dafür, dass eine fehlerhafte Höheneinmessung des Beklagten stattgefunden hat. Andernfalls hätte ihm die Abweichung im Rahmen der Messung auffallen müssen. Auf die Angaben des Zeugen kam es vor dem Hintergrund vorstehender Ausführungen nicht mehr an.
37
(7) Ein der Klägerin zurechenbares Mitverschulden war vorliegend nicht auszusprechen. Der Klägervertreter hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass die Feststellung der Freistellung nur bezüglich solcher Schäden verlangt wird, die auf den Vermessungsfehler des Beklagten zurückgehen (Protokoll vom 06.11.2024, S. 3). Die Ersatzpflicht war daher bereits durch die Antragstellung begrenzt. Dementsprechend hatte keine Aufteilung der Verantwortlichkeit für den gesamten Tekturschaden zu erfolgen.
38
b) Bezüglich des Antrags 2 hat die Berufung keinen Erfolg. Die Klägerin hat Anspruch auf Feststellung der weitergehenden Schadensersatzpflicht. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin gemäß §§ 634a Abs. 1, Nr. 4, 249 BGB umfasst die Kosten der Rechtsverfolgung (BGH Urteil vom 21.07.2011 –, Rn. 16 juris). Die Klägerin stützt ihren Feststellungsantrag 2 ausdrücklich auf die ihr im Verfahren entstehenden Rechtsverfolgungskosten (Berufungserwiderung, S. 3).
39
1. In Anwendung von § 92 Abs. 1, § 269 Abs. 3, S. 2 ZPO entsprechend waren die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben. Nachdem die Berufung teilweise Erfolg hat, ist über die Kosten des Berufungsverfahrens in Anwendung des § 92 Abs. 1 ZPO zu entscheiden (Herget in Zöller ZPO 35. Auflage § 97, Rn. 2). Im Rahmen der Kostenentscheidung ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass mit der Umstellung des Antrags 1 vom ursprünglichen Freistellungsantrag auf den Feststellungsantrag eine qualitative Reduzierung der Klage erfolgt. Insoweit ist § 269 Abs. 3, S. 2 ZPO entsprechend anzuwenden (Anders in Anders/Gehle ZPO 82. Auflage § 264, Rn. 8). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass sich auch die umgestellte Feststellungsklage in Antrag 1 nach der Klarstellung des Antragsumfangs durch den Klägervertreter am 06.11.2024 nur auf einen Teil der (zur Untermauerung des Antrags) vorgetragenen Forderung beziehen kann. In den dargestellten Schadenspositionen sind unstreitig auch Kosten berücksichtigt, die nicht durch die fehlerhafte Leistung des Beklagten, sondern durch andere Schadensursachen ausgelöst wurden. Andererseits obsiegt die Klägerin mit dem Feststellungsantrag 2 in vollem Umfang.
40
Ein Kostenerstattungsanspruch gemäß § 101 Abs. 1 ZPO steht den Streithelfern nicht zu, da die Kosten der Hauptparteien gegeneinander aufgehoben wurden (BGH Beschluss vom 08.10.2019 –, Rn. 10 juris; BGH Beschluss vom 03.04.2003 – V ZB, Rn. 9ff.).
41
2. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
42
3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in der Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.