Inhalt

AG Hof, Beschluss v. 18.08.2025 – 001 F 648/25
Titel:

Akteneinsicht eines Verfahrensbeteiligten in ein abgeschlossenes einstweiliges Anordnungsverfahren

Normenkette:
FamFG § 13 Abs. 2, Abs. 7, § 54 Abs. 2
Leitsätze:
1. Der Anspruch auf Akteneinsicht der Verfahrensbeteiligten nach Abschluss des Verfahrens bestimmt sich nach § 13 Abs. 2 FamFG. (Rn. 11)
2. Ein einstweiliges Anordnungsverfahren ist durch Erlass des Beschlusses in der Hauptsache abgeschlossen, wenn nicht Antrag auf Neuentscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung nach § 54 Abs. 2 FamFG gestellt ist. (Rn. 12)
3. Ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht muss von dem jeweiligen Antragsteller dargelegt und ggf. glaubhaft gemacht werden, § 13 Abs. 2 FamFG. (Rn. 14 und 17)
Schlagworte:
Akteneinsicht, Anordnung, Aufenthalt, berechtigtes Interesse, Darlegung, einstweilige Anordnung, Glaubhaftmachung, Kenntnis, Umgang, Verfahren, Verfolgung, von Amts wegen, Akteneinsichtsgesuch, Ermessensausübung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 21024

Tenor

Der Antrag der Kindsmutter auf Akteneinsicht wird abgelehnt.

Gründe

I.
1
Das Kind M., geboren am XX.XX.2018, ist das ehelich geborene Kind der F. und des U. Die Ehe ist mittlerweile geschieden.
2
Der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes ist bei der Kindsmutter.
3
Bei dem Amtsgericht Hof wird das Verfahren 1 F 1115/23 wegen Umgang des Kindsvaters mit dem Kind geführt. Im dortigen Verfahren wurde eine Begutachtung bei der Sachverständigen K. in Auftrag gegeben, die am 08.07.2025 telefonisch vorab mitgeteilt hat, dass sie die Anordnung eines Umgangsausschlusses empfehle.
4
Das Gericht hat daraufhin das gegenwärtige Verfahren von Amts wegen eingeleitet und mit Beschluss vom 09.07.2025 im Wege der einstweiligen Anordnung den Umgang des Kindsvaters mit dem Kind bis zum 08.11.2025 unter Anordnung von Schutzmaßnahmen ausgesetzt. Dieser Beschluss wurde der Kindsmutter zugestellt am 10.07.2025.
5
Am 23.07.2025 hat bei Gericht sich der Bevollmächtigte der Kindsmutter angezeigt und beantragt für diese Akteneinsicht.
6
Auf Hinweis des Gerichts vom 24.07.2025, dass das Verfahren abgeschlossen ist und dass zur Bewilligung von Akteneinsicht die Darlegung und Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses erforderlich ist, zweifelt der Bevollmächtigte der Kindsmutter den Abschluss des Verfahrens an und hält an dem gestellten Antrag auf Bewilligung von Akteneinsicht fest.
7
Im Verfahren 1 F 1115/23 hat das Gericht den Beschluss aus dem gegenwärtigen Verfahren vom 09.07.2025 mit Verfügung vom 31.07.2025 den Beteiligten zur Kenntnisnahme übermittelt.
II.
8
Das Akteneinsichtsgesuch der Kindsmutter ist abzulehnen.
9
Für die Entscheidung über das Gesuch ist der Richter des Ausgangsverfahrens zuständig, § 13 Abs. 7 FamFG. Es handelt sich um eine besondere Aufgabe der Justizverwaltung, die Kraft Gesetz dem jeweiligen Richter zugewiesen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 15.11.2023 – IV ZB 6/23; BayObLG, Beschluss vom 17.07.2025 – 102 VA 53/25).
10
Der Kindsmutter steht ein Anspruch auf Akteneinsicht mangels Darlegung und Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses an der Akteneinsicht nicht zu.
11
Nach Abschluss eines Verfahrens richten sich auch Akteneinsichtsgesuche Beteiligter nach § 13 Abs. 2 FamFG (vgl. BayObLG, Beschluss vom 24.10.2024 – 102 VA 105/24; OLG Bamberg, Beschluss vom 04.05.2023 – 2 UF 244/22).
12
Das Verfahren ist (derzeit) abgeschlossen. Allein der Umstand, dass das Verfahren durch Antrag auf Neuentscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung wieder betrieben werden könnte, ändert an dem aktuellen Status des Verfahrens nichts. Ein anderer Verfahrensstand kann nicht fingiert werden, auch kann keine „Karenzzeit“ nach Abschluss des Verfahrens angenommen werden, auf Grund derer von den Erfordernissen des § 13 Abs. 2 FamFG abzusehen wäre. Für solche Überlegungen mangelt es an einer rechtlichen Grundlage.
13
Die Kindsmutter hat – auch auf Hinweis des Gerichts – ein berechtigtes Interesse weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, sodass in eine Ermessensausübung nicht eingetreten werden kann.
14
Über die Bewilligung von Akteneinsicht ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Die Ermessensausübung hat auf Grund einer Abwägung zu erfolgen, der eine mehrstufige Prüfung vorauszugehen hat. Zunächst ist festzustellen, ob ein berechtigtes Interesse dargelegt ist. Erforderlich ist im nächsten Schritt eine Glaubhaftmachung. Weiter dürfen keine schutzwürdigen Interessen eines Beteiligten oder Dritten entgegenstehen. Sodann sind gegebenenfalls die unterschiedlichen Interessen abzuwägen (vgl. BGH, aaO.; BayObLG, Beschluss vom 17.07.2025 – 102 VA 53/25; BayObLG, Beschluss vom 07.05.2025 – 101 VA 12/25).
15
Ein berechtigtes Interesse ist anzunehmen, wenn ein vernünftiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse besteht, das auch tatsächlicher, etwa wirtschaftlicher oder wissenschaftlicher Art sein kann und im Allgemeinen dann vorliegen wird, wenn ein künftiges Verhalten des Antragstellers durch Kenntnis vom Akteninhalt beeinflusst werden kann. Ein berechtigtes Interesse liegt regelmäßig vor, wenn Rechte des Antragstellers durch den Streitstoff der Akten auch nur mittelbar berührt werden können und die Kenntnis vom Inhalt der Akten für ihn zur Verfolgung von Rechten oder zur Abwehr von Ansprüchen erforderlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 15.11.2023 – IV ZB 6/23; BayObLG, Beschluss vom 17.07.2025 – 102 VA 53/25).
16
Das berechtigte Interesse des Beteiligten eines abgeschlossenen Verfahrens an der Akteneinsicht ist in der Regel zu bejahen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 24.10.2024 – 102 VA 105/24), dies entbindet den Beteiligten aber nicht von der Pflicht, sein Interesse wenigstens zu benennen (vgl. BayObLG aaO. – dem dortigen Verfahren lag zu Grunde, dass ausdrücklich die Prüfung von Amtshaftungsansprüchen als Grund für das Akteneinsichtsgesuch angegeben war und das Ausgangsgericht nur die „Berechtigung“ dieses Interesses in Zweifel zog).
17
Legt ein Antragsteller – wie hier die Kindsmutter – kein berechtigtes Interesse (oder auch nur irgendeinen Grund) für die begehrte Akteneinsicht dar, kann Akteneinsicht nicht bewilligt werden. Das Gericht ist ausweislich des klaren Wortlauts des § 13 Abs. 2 FamFG nicht berechtigt, ohne Angabe desjenigen, der Akteneinsicht begehrt, aus eigenen Überlegungen ein berechtigtes Interesse zu schöpfen oder zu unterstellen, das zur Bewilligung von Akteneinsicht ausreichen würde.