Titel:
abhängige Beschäfitung, Programmgestaltung, selbständige Tätigkeit, Slow Motion, Operator
Leitsatz:
Ein Slow Motion Operator kann auch dann selbständig sein, wenn er keine programmgestaltende Tätigkeit ausübt.
Schlagworte:
abhängige Beschäfitung, Programmgestaltung, selbständige Tätigkeit, Slow Motion, Operator
Vorinstanz:
SG München, Gerichtsbescheid vom 15.02.2024 – S 11 BA 41/21
Fundstelle:
BeckRS 2025, 21023
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 15. Februar 2024 wird mit der Maßgabe, dass der Tenor in Ziffer I klarstellend wie folgt gefasst wird, zurückgewiesen:
„Der Bescheid vom 03.09.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.02.2021 wird abgeändert und es wird festgestellt, dass die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene vom 10.10.2016 bis 27.01.2020 im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit ausgeübt wurde und nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag".
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Streitig ist der sozialversicherungsrechtliche Status des Klägers in seiner Tätigkeit als Slow Motion Operator/Highlight Editor für die Beigeladene in der Zeit vom 10.10.2016 bis 27.1.2020 und das Bestehen von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.
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Die Beigeladene hat ihren Sitz in München. Laut Satzung ist Unternehmensgegenstand die Herstellung und Lieferung von Programmteilen und Dienstleistungen im Medienwesen. Sie ist im Handelsregister des Amtsgerichts München mit der Nummer: HRB 2… eingetragen. Sie ist laut Handelsregister aufgelöst. Zum Liquidator ist aktuell M in E bestellt.
3
Der Kläger stellte bei der Beklagten am 6.2.2020 einen Statusfeststellungsantrag nach § 7a SGB IV. Er ist als Slow Motion Operator/Highlight Editor bei Liveübertragungen von Sportsendungen für die Beigeladene tätig. Die Tätigkeit wird im mobilen Fernsehübertragungswagen der Produktionsfirma (N GmbH) ausgeübt. Ort und Zeit ergeben sich aus der Terminierung der Spiele durch den jeweiligen Sportverband bzw. den Sportveranstalter. Während Liveübertragungen von Sportsendungen sitzt der Kläger im Übertragungswagen der Produktionsfirma an einem dort fest installierten, mehrkanaligen Festplattenrekorder und beobachtet das Spiel auf den verschiedenen Kameras und entscheidet dann, welche Sequenz in der Wiederholung und in Zeitlupe (Slow-Motion) gezeigt werden soll. Es geht bei der Tätigkeit als Slow Motion Operator um das verlangsamte Wiederholen von Spielszenen bei Live-Sportübertragungen und als Highlight Editor um das Zusammenfassen besonderer Szenen für Spielanalysen oder das Erstellen von Spielberichten. Der Kläger leitet die Sequenz dem Bildregisseur zu, der sie dann ungesehen einspeist. Wenn der Kläger keine Sequenzen erstellt, kann der Bildregisseur nichts einspeisen. Der Kläger liefert auch nicht verschiedene Sequenzen, aus denen sich der Bildregisseur eine aussucht, sondern der Kläger selbst wählt eine Sequenz aus, die er für die beste hält. Diese wird dann auch eingespeist. Der Bildregisseur entscheidet dann nicht, was er nimmt, da es nur eine Sequenz gibt, sondern nur, wann er sie im Spielverlauf reinschneidet. Vorgaben zur Anzahl der zu produzierenden Slow Motion Sequenzen gibt es nicht. Der Auftrag wird von der Produktionsfirma (N GmbH) disponiert. Die Beigeladene gibt den Auftrag weiter, ist Rechnungsempfänger und kontrolliert die Rechnung. Es sind Tagespauschalen vereinbart je nach Veranstaltung von 330 € bis 420 € zuzüglich einer Fahrkostenpauschale. Der Kläger gab an, dass er bei der Beigeladenen nicht eingegliedert oder weisungsabhängig sei. Diese sei auch nicht bei der Live-Veranstaltung vor Ort anwesend. Er sei programmgestaltend tätig. Bei seiner Tätigkeit überwiege der journalistisch-schöpferische bzw. künstlerische Teil. Der Markt für einen Slow Motion Operator sei sehr klein. Er sei bei allen einschlägigen Auftraggebern bekannt. Er habe eine Vermögensschadenversicherung, Berufshaftpflichtversicherung, entrichte Beiträge zu Verbänden, zur BG und Künstlersozialkasse und trage die Kosten für Schulungen, Internet, Mobilfunk, PC und Laptop. Die Aufträge hat der Kläger ausnahmslos persönlich ausgeführt (bzgl. der weiteren Einzelheiten der Tätigkeit wird auf das Sitzungsprotokoll des Sozialgerichts vom 6.12.2023 verwiesen). Zum Fragebogen ergänzte der Kläger seine Angaben dahingehend, dass bis zum Ende der Saison 2018/2019 Einzelaufträge telefonisch oder per E-Mail von der Beigeladenen angefragt und bei Zustandekommen des Vertrags im D, einer passwortgeschützten Onlineplattform der Produktionsfirma, abschließend bestätigt wurden. So seien seit 10.10.2016 ca. 47 Einzelverträge für unterschiedliche Sportübertragungen zustande gekommen. Seit Beginn der Saison 2019/2020 erfolge die Buchungsanfrage und Buchungsbestätigung durch die Firma N, die Rechnungsstellung erfolge weiterhin an die Beigeladene.
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Nach Anhörung der Beteiligten vom 29.7.2020 stellte die Beklagte mit Bescheiden vom 3.9.2020 fest, dass die Tätigkeit des Klägers als Slow Motion Operator bei der Beigeladenen in der Zeit vom 10.10.2016 bis 27.1.2020 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt wird und Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht. In der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung besteht wegen des voraussichtlichen Überschreitens der regelmäßigen Arbeitsentgeltgrenze Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI. Der Kläger sei in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen eingegliedert und unterliege einem Weisungsrecht. Ein unternehmerisches Risiko fehle.
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Dagegen legten Kläger und Beigeladener fristgerecht Widerspruch ein. Der Widerspruch des Klägers vom 17.9.2020 wurde dahingehend begründet, dass dieser aufgrund seiner besonderen Qualifikation und langjährigen Berufserfahren gebucht werde. Deshalb führe die persönliche Leistungserbringung nicht zu einer abhängigen Beschäftigung. Der Bildregisseur habe kein Weisungsrecht gegenüber dem Slow Motion Operator. Die zusammengestellten Zeitlupenwiederholungen würden ohne Nachbearbeitung in das laufende Programm eingefügt. Das könne dazu führen, dass auch fehlerhafte Sequenzen gesendet werden, gerade weil keine Endkontrolle stattfinde. Ort und Zeit der Tätigkeit seien der Natur der Sache geschuldet. Da die Festplattenrecorder sehr teuer seien, würden diese von den Produktionsfirmen ausgeliehen. Die Übernahme der Reise- und Übernachtungskosten entspreche der üblichen Praxis bei der Beauftragung von freiberuflichen Slow Motion Operatoren. Es wurde auf die Entscheidung des LSG Chemnitz vom 16.5.2018, L 1 KR 252/16 Bezug genommen, das einen Slow Motion Operator als selbständig beurteilte.
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Mit Widerspruchsbescheiden vom 2.2.2021 wurden die Widersprüche als unbegründet zurückgewiesen. Der Kläger sei nicht programmgestaltend tätig. Eine Eingliederung in die Betriebsorganisation erfordere nicht notwendigerweise das Eingebundensein am Betriebssitz des Auftraggebers. Ein unternehmerisches Risiko wurde verneint. Die Vergütung werde nicht erfolgsabhängig bezahlt.
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Hiergegen erhoben Kläger und Beigeladene fristgerecht jeweils Klage zum Sozialgericht München. Das Klageverfahren der Beigeladenen ruht am Sozialgericht (S 11 BA 50/21). Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf den bisherigen Vortrag im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren verwiesen sowie auf den Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 14.9.2022, das die Tätigkeit als Slow Motion Operator des Klägers für den W als eine selbständige Tätigkeit eingestuft und somit den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten bejaht hat, als auch auf die Entscheidung des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 12.9.2007 (5 K 87/04), das die Tätigkeit des Klägers als freiberufliche, journalistische Bildberichterstattung einstufte und somit eine Gewerbesteuerpflicht verneinte.
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Nach Anhörung der Beteiligten hob das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 15.2.2024 die streitigen Bescheide auf und stellte fest, dass der Kläger eine selbständige Tätigkeit ausgeübt habe. Nach der Einvernahme des Klägers im Erörterungstermin vom 06.12.2023 und unter Berücksichtigung des Akteninhaltes stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum vom 10.10.2016 bis 27.01.2020 bei der Beigeladenen nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe.
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Hiergegen legte die Beklagte mit Schriftsatz vom 23.2.2024 Berufung beim Bay. Landessozialgericht ein. Zur Begründung führte sie mit Schriftsatz vom 10.4.2024 aus, dass der Kläger von der Beigeladenen beauftragt werde. Die Tätigkeit werde in einem Fernsehübertragungswagen eines technischen Dienstleisters ausgeübt, der Vertragspartner der Beigeladenen sei. Die Produktion erfolge insgesamt für einen Fernsehsender. Der Kläger sei Teil einer Kette des gesamten Produktionsteams. Damit werde eine Eingliederung in einen fremden Betriebsablauf begründet. Es habe Vorgaben zu Zeit und Ort der Tätigkeit gegeben. Der Kläger sei während seiner Tätigkeit in den Betrieb und eine einseitig vorgegebene Organisation eingegliedert. Für jede Produktion gebe es einen Produktionsplan, an den sich alle Teilnehmer zu halten hatten. Der Kläger hatte den Ü-Wagen der Produktion und dessen Hard- und Software zu nutzen. Er habe dort mit dem Bildregisseur zusammengearbeitet und habe das Bildmaterial der Produktionskameras genutzt. Dies liefere er dann als Zusammenschnitt an den Bildregisseur, der die Sequenz in die Sendung einfüge. Dass der Schnitt wiederum ungesehen in das Programm eingefügt werde, bedeute nicht, dass deswegen eine selbständige Tätigkeit vorliege. Der Bildregisseur sei hier für das Endprodukt verantwortlich. Ihm gegenüber sei der Kläger insofern auch weisungsgebunden.
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Der Bevollmächtigte der Beigeladenen erwiderte mit Schriftsatz vom 17.5.2024, dass die Beklagte sich auf die Entscheidung des LSG NRW vom 30.11.2022, L 8 R 597/17, stütze, der aber ein wesentlich anderer Sachverhalt zugrunde liege. Die Tätigkeit des Klägers sei mit der eines Editors nicht vergleichbar, dessen Leistungen engmaschig vorgegeben würden. Der Kläger habe im Hinblick auf seine Produkte die volle unternehmerische Gestaltungsfreiheit. Außerdem sei er für zahlreiche weitere Auftraggeber tätig. Nicht jedes Fehlen von Produktionsmitteln lasse eine Tätigkeit als abhängig erscheinen, zumal wenn es wie hier um die Vermeidung von Kompatibilitätsproblemen gehe.
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Der Bevollmächtigte des Klägers äußerte sich mit Schriftsatz vom 18.6.2024 im Wesentlichen dahingehend, dass die Ausführungen der Beklagten von einer Unkenntnis der Verhältnisse bei Sportliveübertragungen zeugten. Der grundsätzliche Fehler der Beklagten liege darin, dass diese eine Tätigkeit als Slow Motion Operator bzw. Highlight Editor bei Sportliveübertragungen mit einer namensähnlichen Tätigkeit des Cutters/Editors beim Real Life Format „B“ gleichsetze. Bei der Liveübertragung gebe es anders als bei einem Real Life Format keinen Produktionsplan oder Drehbuch, der bei Spielbeginn festlege, wie das Endergebnis des zu übertragenden Eishockeymatches zu lauten habe und dass die Übertragung dementsprechend zu gestalten sei. Es gebe lediglich ein Produktionsdispo von S, dem übertragenden Sender. Dieses beinhalte die Stabliste und einen zeitlichen Ablaufplan. Darin werde der Kläger nur mit seiner Ankunftszeit erwähnt. Ansonsten tauche er dort nicht weiter auf, so dass hieraus auch keine Weisungsgebundenheit konstruiert werden könne. Bei Liveübertragungen gebe es kein Letztentscheidungsrecht des Senders. Der Regisseur entscheide, ob es Zeit sei, eine Wiederholung einzuspielen. Er kontrolliere die Wiederholung nicht und lehne sie inhaltlich nicht ab. Fehlentscheidungen, die der Kläger treffe, würden so falsch gesendet, wie der Kläger sie entschieden habe. Außerdem werde der journalistische Anteil seiner Tätigkeit ausgeblendet, die ihm das FG BW attestiert habe, weswegen ihn die Künstlersozialkasse als journalistisch Tätigen aufgenommen habe. Ort und Zeit der Sendung und seiner Tätigkeit ergäben sich allein aus der Festlegung des Sportverbands zum Spieltermin. Bei Liveübertragungen sei keine Zeit für Zusammenschnitte, weil dann das Zeitfenster verstreiche, um eine Zeitlupe zu senden. Es sei also eine weitere Fähigkeit eines erfahrenen Slow Motion Operators zu wissen, wann der günstigste Zeitpunkt ist, eine Zeitlupe anzubieten, damit sie zeitlich gesendet werden kann und sie in der Wiedergabegeschwindigkeit und im Ein- und Ausstiegspunkt so zu wählen, dass möglichst keine Liveaktion des Spiels verpasst werde.
12
Auf die gerichtliche Anfrage vom 24.1.2025 hat die Bundesagentur mitgeteilt, dass sie keinen Antrag auf Beiladung stellt (Schriftsatz vom 3.2.2025).
13
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 15.2.2024 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
14
Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
15
Der Bevollmächtigte der Beigeladenen hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
16
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143,144, 151 SGG) ist unbegründet. Der Bescheid vom 3.9.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2.2.2021 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
17
Bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung überwiegen vorliegend die Umstände, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen. Die Tätigkeit des Klägers als Slow Motion Operator/Highlight Editor für die Beigeladene in der Zeit vom 10.10.2016 bis 27.1.2020 unterliegt nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.
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Rechtsgrundlage für die Feststellung der Versicherungspflicht durch die Beklagte ist § 7a SGB IV. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. u.a. BSG vom 12.6.2024, B 12 BA 8/22 R; BSG vom 23.4.2024, B 12 BA 9/22 R; BSG vom 27.4.2021, B 12 R 16/19 R; BSG vom 7.6. 2019, B 12 R 6/18 R; BSG vom 24.1.2007, B 12 KR 31/06 R; BSG vom 4.7.2007, B 11 AL 5/06 R) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Weisungsgebundenheit und Eingliederung in den Betrieb stehen weder in einem Rangverhältnis zueinander noch müssen sie stets kumulativ vorliegen. Eine Eingliederung geht nicht zwingend mit einem umfassenden Weisungsrecht einher. Die in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV genannten Merkmale sind schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nur „Anhaltspunkte“ für eine persönliche Abhängigkeit, also im Regelfall typische Merkmale einer Beschäftigung und keine abschließenden Bewertungskriterien. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Abgrenzung zwischen Beschäftigung und Selbständigkeit ist nicht abstrakt für bestimmte Berufs- und Tätigkeitsbilder vorzunehmen. Je nach konkreter Ausgestaltung kann ein und derselbe Beruf in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis oder als selbständige Tätigkeit ausgeübt werden.
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Dies gilt auch für Tätigkeiten im Bereich von Film und Fernsehen. Modifikationen sind diesbezüglich im Hinblick auf die Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG grundsätzlich nicht geboten. Weder die künstlerische Gestaltungsfreiheit, noch die fachliche Weisungsfreiheit von höher qualifizierten Mitarbeitern schließen eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers im Rahmen der funktionsgerecht dienenden Teilhabe von vornherein aus. An den Abgrenzungskatalog der Spitzenverbände der Versicherungsträger für den Bereich Film- und Fernsehproduktionen u.a. sind die Gerichte im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung nicht gebunden (vgl. BSG vom 12.12.2023, B 12 R 12/21 R, Rn 15).
20
Folglich kann im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung die Frage offen bleiben, ob es sich bei der Tätigkeit des Klägers um eine programmgestaltende Tätigkeit handelt oder nicht.
21
Der Kläger und die Beigeladene haben keine schriftlichen Vereinbarungen getroffen. Die Beigeladene gibt den Auftrag der Produktionsfirma zur Ausführung an den Kläger weiter. Darin liegt keine Arbeitnehmerüberlassung. Eine solche wäre mit dem satzungsgemäßen Unternehmensgegenstand nicht vereinbar und von den Vertragspartnern auch nicht gewollt. Der Tagessatz wird für die jeweilige Veranstaltung ausgehandelt. Nach den vorgelegten Rechnungen variierte er zwischen 330 € und 420 €. Der Kläger erbrachte seine Dienstleistung weisungsfrei. Er erstellte während der Sportliveübertragung eigenverantwortlich ohne Einflussnahme von außen Wiederholungsszenen in unterschiedlicher Geschwindigkeit bzw. stellte aus den Kamerabildern die besten Spielszenen und eine Spielzusammenfassung zusammen. Er war nicht zur Nacharbeitung verpflichtet, noch fand eine Endkontrolle statt. Auch die Anzahl der Wiederholungsszenen war nicht vorgegeben. Slow Motion Szenen, als auch eine Zusammenstellung der besten Spielszenen bzw. eine Spielzusammenfassung sind im Rahmen von Live-Übertragungen eigenständige (Teil-) Werke, zu deren Erstellung der Kläger keiner arbeitsteiligen Zusammenarbeit mit dem Produktionsteam oder Bildregisseur bedarf. Ort und Zeit der Tätigkeit sind nicht Ausdruck eines bestehenden Weisungsrechts. Weder die Beigeladene noch deren Endkunde legen die Termine und den Veranstaltungsort fest, sondern der jeweilige Sportveranstalter bzw. der Sportverband. Auch im Verhältnis zur Produktionsfirma unterlag er keinem Weisungsrecht. So war deren Bildregisseur nicht berechtigt, ihm Weisungen zu erteilen.
22
Dies unterscheidet den Kläger entgegen der Auffassung der Beklagten von einem Cutter/Editor, der im Rahmen einer Produktion für ein Reality-Format tätig wird, das nach einem Drehbuch inszeniert wird und einer bestimmten vom Regisseur vorgegebenen Dramaturgie zu folgen hat.
23
Schließlich ist der Kläger in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen oder der Produktionsfirma nicht eingegliedert. Zwar saß der Kläger während der Liveübertragung im mobilen Fernsehübertragungswagen der Produktionsfirma und nutzte deren Festplattenrecorder, was nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich ein gewichtiges Indiz für eine abhängige Beschäftigung zu werten ist (vgl. BSG vom 23.4.2024, B 12 BA 9/22 R). Gleichwohl stellt sich die Tätigkeit des Klägers als Slow Motion Operator oder Highlight Editor nicht als eine fremdbestimmte, in der Organisation der Produktionsfirma aufgehende Tätigkeit dar. So ist die Nutzung der technischen Betriebsmittel nicht mit weiteren von der Produktionsfirma vorgegebenen Verpflichtungen verknüpft. Vor allem findet kein arbeitsteiliges Zusammenwirken mit anderen Mitarbeitern der Produktionsfirma statt. Die Slow Motion- und Highlight Editor-Tätigkeit erfolgt vielmehr unabhängig von den weiteren technischen Mitarbeitern, selbst vom Bildregisseur. Der Kläger ist diesem nicht untergeordnet. Er erstellt diese Bildszenen eigenverantwortlich ohne Einflussnahme von Beigeladener oder Produktionsfirma. Für eine selbständige Tätigkeit spricht schließlich, dass er für unterschiedliche Auftraggeber tätig ist und über seine Einsätze frei disponiert.
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Der Kläger trug, wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat, ein wesentliches unternehmerisches Risiko. Ein solches ist gegeben, wenn eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Ein unternehmerisches Risiko ist allerdings nur dann hinreichendes Indiz für eine selbständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (vgl. BSG vom 19.8.2015, B 12 KR 9/14 R, Rn 32). Die Vergütung erfolgte auf der Grundlage von Tagessätzen, die jeweils individuell ausgehandelt wurden. Fiel eine Veranstaltung aus, hatte der Kläger einen Einnahmenverlust zu tragen, denn ihm wurde nicht automatisch eine Ersatzveranstaltung angeboten. Selbst wenn ein Nachholtermin für ein ausgefallenes Spiel angesetzt wurde, hat er nicht zwingend hierfür den Auftrag erhalten. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung erneut überzeugend dargelegt, dass es einen erheblichen zusätzlichen zeitlichen und organisatorischen Aufwand bedeuten würde, wenn er sein eigenes Gerät vor jeder Liveübertragung vor Ort mit der gesamten Bildtechnik der Produktionsfirma koppeln müsste. Kompatibilitätsprobleme sind nicht auszuschließen, zumal jede Produktionsfirma ihre eigene Hard- und Software hat. Der technische Aufwand bei einem Mietgerät wäre nicht geringer. Bei einem Mietgerät käme ein nicht unerheblicher zeitlicher Aufwand hinzu, um sich das Gerät von einer Leihfirma zu beschaffen, da es nach Angaben des Klägers bundesweit nicht viele Anbieter hierfür gibt. Dass der Kläger auf die Beschaffung eines eigenen bzw. gemieteten Festplattenrecorders verzichtet, ist daher angesichts des zusätzlichen zeitlichen und technischen Aufwandes nachvollziehbar und spricht in der vorliegenden Fallkonstellation nicht von vornherein gegen eine selbständige Tätigkeit. Dass der Kläger den Festplattenrekorder auch nicht von der Produktionsfirma anmietete, fällt angesichts des vorliegenden unternehmerischen Risikos bei Ausfall der Veranstaltung, das der Kläger zu tragen hatte, nicht ins Gewicht (vgl. BSG vom 12.12.2023, B 12 R 12/21 R, Rn 30).
25
Bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung überwiegen daher im Ergebnis die Umstände, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen.
26
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
27
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.