Titel:
Personenbedingte Kündigung, Rechtsmißbrauch, Kündigungsschutzverfahren, Kündigungsschutzklage, Vorbereitungshandlung, Kündigungsschutzgesetz, Sonderkündigungsschutz, Kündigungsrecht, Öffentlich beglaubigte Erklärung, Betriebsversammlung, Betriebsratswahl, Besonderer Kündigungsschutz, Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Begründung des Arbeitsverhältnisses, Ordentliche Kündigung, Beendigung von Arbeitsverhältnissen, Kündigungssachverhalte, Kündigungsschutzantrag, Kündigungsgründe, Kündigungsschutzvorschriften
Schlagworte:
Berufung, Kündigungsschutzklage, Schriftformerfordernis, Wartezeit, Verwirkung, Betriebsratsgründung, Annahmeverzugslohn
Vorinstanz:
ArbG München vom -- – 38 Ca 3864/24
Fundstelle:
BeckRS 2025, 20976
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichtes A-Stadt, Az. 38 Ca 3864/24 wird diese unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert. In Ziffer 1 und 3 wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten der Berufung trägt der Kläger 97%, die Beklagte 3%.
3. Die Revision wird zugelassen hinsichtlich der Klageabweisung der Kündigungsschutzklage.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um eine ordentliche Kündigung und Vergütungsansprüche und hilfsweise um Handlungen im Zusammenhang mit der Initiierung einer Betriebsratswahl.
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Der Kläger ist seit 07.03.2024 als Sicherheitsmitarbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis ist befristet bis zum 31.03.2025.
3
Die Parteien vereinbarten eine Vollzeittätigkeit des Klägers; bei der Beklagten beträgt die Vollzeit mindestens 173 Stunden monatlich. Der Stundenlohn des Klägers lag bei 17,29 € brutto inklusive Zulage.
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Im Arbeitsvertrag vom 05.03.2024 ist vereinbart, dass die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses als Probezeit gelten, während dieser gelten die tariflichen Kündigungsfristen. In einer Ergänzungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag ist geregelt, dass der bundesweite Mantelrahmentarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die F. sowie bei einem Einsatzort in Bayern unter anderem der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer des Wach- und Sicherheitsgewerbes in Bayern gelten.
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Der Arbeitsvertrag und die Ergänzungsvereinbarung sind auf Beklagtenseite unter anderem von Herrn H. unterschrieben worden.
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Im vorliegenden Verfahren legte der Kläger durch Schriftsatz vom 15.10.2024, beim Arbeitsgericht eingegangen am 17.10.2024 eine Kopie (Bl. I/55 f. d.A.) und in der Kammerverhandlung am 13.11.2025 das Original (Bl. I/91b, c d.A.) einer „Erklärung gemäß § 15 Absatz b KSchG“ vom 13.03.2024 vor, in der angegeben ist, dass der Kläger die Errichtung eines Betriebsrats im Sinne der Rechtsvorschrift des § 15 Abs. 3b KSchG im Betrieb der Beklagten beabsichtige. Ausweislich der vorgelegten Kopie des Originals wurde die Echtheit der Unterschrift durch die Notarin I. am 13.03.2024 beglaubigt.
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Am 20.03.2024 erkundigte sich der Kläger per E-Mail bei einem Herrn J. nach der Existenz eines Betriebsrats bei der Beklagten, und teilte mit, dass er, sollte zur Zeit kein Betriebsrat existieren, dessen Gründung beabsichtige. Er wolle zu einer Betriebsversammlung einladen und zur Wahl eines Wahlvorstands. Zu diesem Zwecke bat er um Übersendung eines Verzeichnisses aller nichtleitenden Arbeitnehmer/innen der Beklagten. Bzgl. des Wortlauts wird auf S. 4 des Klägerschriftsatzes vom 07.05.2024, Bl. I/ 10 d.A. Bezug genommen.
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Mit Schreiben vom 21.03.2024 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 28.03.2024, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin (Anlage K1, Bl. I/14 d.A.). Unterschrieben war das Kündigungsschreiben von „i.V. Herr H. Betriebsleitung“ und „i.A. Herr K. Verwaltung“. Der Kündigung beigefügt war eine Vollmacht vom 21.03.2024, mit dem Herr L., geschäftsführender Direktor, Herrn H. Vollmacht zum Ausspruch der Kündigung des Klägers erteilte (Anlage K2, Bl. I/15 d.A.). Die Kündigung wurde dem Kläger am 21.03.2024 persönlich übergeben.
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Für den Monat März 2024 rechnete die Beklagte für den Zeitraum 07.03.2024 bis 28.03.2024 1.581,05 € brutto ab.
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Durch Klage vom 09.04.2024 wehrt sich der Kläger gegen die Kündigung, mit Klageerweiterungen verlangt der Kläger hilfsweise die Übersendung eines Schreibens an alle nichtleitenden Arbeitnehmer/innen betreffend die Gründung eines Betriebsrates und höchst hilfsweise den Aushang eines solchen Schreibens am schwarzen Brett, sowie die Bezahlung von Vergütung für den Ablauf der Kündigungsfrist und Annahmeverzugsvergütung für den restlichen Monat März 2024 und den Monat April 2024.
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In der Güteverhandlung vom 29.05.2024 erklärte der Beklagtenvertreter, dass er die vom Kläger errechnete weitere Vergütung bis zum 28.03.2024 in Höhe von 366,45 € brutto unstreitig stelle. Diese werde an den Kläger bezahlt werden.
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Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht vorgetragen, er halte die Kündigung für unwirksam.
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Der Kläger führte zur Unwirksamkeit der Kündigung in seiner Klagebegründung vom 07.05.2024 aus, er bestreite mit Nichtwissen, dass die streitgegenständliche Beendigungskündigung vom 21.03.2024 sowie die Vollmacht vom gleichen Tag vom Betriebsleiter Herr H., Herr K. und dem geschäftsführenden Direktor L. eigenhändig unterzeichnet worden seien. Später ergänzte der Kläger, die Rechtsfolge ergebe sich aus § 180 S. 1 BGB. Eine Zurückweisung der Kündigung gemäß § 174 S. 1 BGB sei entbehrlich. Der Kläger bestreite nicht die Berechtigung des geschäftsführenden Direktors L. zur alleinigen Vertretung der Beklagten sowie die Berechtigung des Betriebsleiters Herr H., sollte die als Anlage K2 vorgelegte Vollmacht wirksam sein. Auch scheitere die Kündigung an § 126 Abs. 1 BGB i.V.m. § 623 BGB. Der Kläger habe die eigenhändige Unterzeichnung der Kündigung durch die Herren H. und K. bestritten. Indiz sei, dass sowohl das Kündigungsschreiben als auch die Vollmacht das Datum des 21.03.2024 aufweisen. Sollten sich der Betriebsleiter und der geschäftsführende Direktor zu diesem Zeitpunkt am gleichen Ort befunden haben, hätte der letztere das Kündigungsschreiben ohne weiteres selbst unterzeichnen können. Anderenfalls bleibe offen, wie das Original der Vollmacht am 21.03.2024 bis 10:00 Uhr den Betriebsleiter erreicht haben solle.
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Durch Schriftsatz vom 15.10.2024 hat der Kläger zur Existenz seiner „Erklärung gemäß § 15 Abs. 3 BGB Kündigungsschutzgesetz“ vorgetragen. Durch Schriftsatz vom 08.11.2024 hat der Kläger dargelegt, die Kündigung verstoße gegen das gesetzliche Verbot der Behinderung einer Betriebsratswahl gemäß § 20 Abs. 1 BetrVG sowie gegen das Maßregelungsverbot im Sinne von § 612a BGB und scheitere an dem besonderen Kündigungsschutz für Initiatoren einer Betriebsratswahl im Sinne des § 15 Abs. 3b KSchG. Hinsichtlich der Vorbereitungshandlungen verwies der Kläger auf die E-Mail an die Beklagte vom 20.03.2024, in der er sich nach dem Bestehen eines Betriebsrats erkundigte und die er bereits in der Klagebegründung vom 07.05.2024 erwähnt habe. Des Weiteren habe er per E-Mail am 18.03.2024 bei der Gewerkschaft M. – die Berufsgewerkschaft e.V. gegenüber einer Frau N., einem Herrn O. und einem Herrn P. mitgeteilt, dass er die Gründung eines Betriebsrats bei der Beklagten beabsichtige und gerne mit der Gewerkschaft zu einer Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstands einladen würde. Bereits vor der notariellen Beglaubigung seiner Absicht zur Gründung eines Betriebsrats am 13.03.2024 habe er sich bei einer Mehrzahl seiner Kolleginnen und Kollegen nach der Existenz eines Betriebsrats erkundigt. Der Kläger war der Ansicht, die zeitliche Reihenfolge zwischen notarieller Beglaubigung und Vorbereitungshandlungen zur Gründung eines Betriebsrats sei nicht entscheidend. Ihm stehe der Sonderkündigungsschutz zu, auch wenn die Wartefrist des § 1 KSchG noch nicht abgelaufen sei.
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Als Vergütung für den Ablauf der Kündigungsfrist zwischen 21.03.2024 und 28.03.2024 hat der Kläger 366,00 € brutto eingeklagt. Als weitere Vergütung für den Monat März 2024 hat er für drei Arbeitstage 289,47 € brutto geltend gemacht und als Vergütung für den Kalendermonat April 2024 2.991,17 €.
16
Der Kläger beantragte vor dem Arbeitsgericht zuletzt,
- 1.
-
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Beendigungskündigung mit Datum vom 21.03.2024 nicht aufgelöst wurde.
- 2.
-
die Beklagte hilfsweise zu verurteilen, allen nichtleitenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ihres Betriebes die folgende Nachricht zu übersenden:
„Gründung eines Betriebsrats bei der Firma C. in A-Stadt Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, die Firma C. in A-Stadt hat zurzeit keinen Betriebsrat. Die Beschäftigten sind deshalb von zahlreichen Information-, Beteiligung- und Mitbestimmungsrechten des Betriebsverfassungsgesetzes in personellen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten ausgeschlossen. Um diese unbefriedigende Situation zu ändern, möchte ich als im März 2024 eingetretener Mitarbeiter die Wahl eines Betriebsrats initiieren. Erster Schritt ist eine Betriebsversammlung gemäß § 17 Absatz 2 Satz 1 BetrVG zur Wahl eines Wahlvorstands, welcher anschließend die Wahl des eigentlichen Betriebsrats in die Hand nimmt.
Zu dieser Betriebsversammlung können drei Wahlberechtigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Betriebs einladen und Vorschläge für die Zusammensetzung des Wahlvorstands machen. Diese genießen besonderen Kündigungsschutz
- vom Zeitpunkt der Einladung bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses, bei einem Scheitern der Wahlen jedenfalls für drei Monate gemäß § 15 Abs. 3 a KSchG;
- als Mitglieder des Wahlvorstands und Wahlbewerber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses laut § 15 Absatz 3 KSchG und
- als Mitglieder des Betriebsrats bis zum Ablauf von einem Jahr nach Beendigung ihrer Amtszeit (§ 15 Absatz 1 KSchG).
Zur Betriebsversammlung Einladende sowie Mitglieder des Wahlvorstands sind von einer Kandidatur für das Amt des Betriebsrats nicht ausgeschlossen. In diesem Fall geht der jeweilige Kündigungsschutz nahtlos ineinander über.
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3. die Beklagte höchst hilfsweise zu verurteilen, die Nachricht unter der Ziffer 2. [ursprünglich 3.a] in schwarzer Farbe und einer Schriftgröße von 12 Punkt für vier Wochen am schwarzen Brett in ihren Geschäftsräumen auszuhängen.
4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag zu zahlen in Höhe von 366 € (in Worten: dreihundertsechsundsechzig Euro) brutto.
5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger aufgrund ihres Annahmeverzugs gemäß § 615 Satz 1 BGB bis zum Ablauf des Kalendermonats April 2024 einen Betrag zu zahlen in Höhe von 3.280 € (in Worten: dreitausendzweihundertachtzig Euro) brutto.
17
Die Beklagte hat beantragt,
18
Die Beklagte hat vorgetragen, sie halte die Kündigung für wirksam.
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Die Kündigungsvollmacht für den Betriebsleiter Herrn H. habe der geschäftsführende Direktor bereits am 20.03.2024 persönlich unterschrieben. Herr H. habe zudem aber auch den Arbeitsvertrag unterschrieben. Sogar wenn man der Ansicht des Klägers folgen wolle, sei dies irrelevant. Der Kläger habe die Kündigung erst fast zwei Monate später, also nicht unverzüglich zurückgewiesen.
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Die Abgabe der notariell beglaubigten Absichtserklärung zur Gründung eines Betriebsrats werde mit Nichtwissen bestritten. Die vermeintliche Erklärung des Klägers sei zudem schon deshalb unvollständig, weil sie sein Geburtsdatum nicht erhalte; dies sei aber Voraussetzung für eine öffentlich beglaubigte Erklärung im Sinne der Norm. Für den Sonderkündigungsschutz sei erforderlich, dass der Kläger bereits vor Abgabe der öffentlich beglaubigten Erklärung Vorbereitungshandlungen vorgenommen hätte. Die Anfrage per E-Mail an die Gewerkschaft bestreite die Beklagte.
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§ 15 Abs. 3b KSchG sei nicht auf Kündigungen innerhalb der sechsmonatigen Wartezeit des § 1 KSchG anwendbar. Dies ergebe sich daraus, dass nach dessen Wortlaut nur Kündigungen erfasst seien, die „in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen“. Selbst wenn innerhalb der Wartezeit die Vorschrift anwendbar wäre, würde es vorliegend an einer verhaltens- oder personenbedingten Kündigung fehlen. Die Probezeitkündigung sei ausgesprochen worden, weil der Kläger nicht als Sicherheitsmitarbeiter geeignet sei; weil er den subjektiven Anforderungen der Beklagten nicht gerecht geworden sei. Es handele sich um eine klassische Probezeitkündigung, die schlicht aus dem Wunsch heraus erfolgt sei, den Kläger nicht mehr zu beschäftigen.
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Der Sonderkündigungsschutz des § 15 Abs. 3b KSchG sei dem Kläger zudem deshalb verwehrt, weil er sich nicht unmittelbar – spätestens zwei Wochen – nach Zugang der Kündigung darauf berufen habe. Andernfalls könne dies zu enormen wirtschaftlichen Nachteilen für den Arbeitgeber führen. Der Beklagten sei nicht bekannt gewesen, ob der Kläger einen Betriebsrat gründen wollte oder bereits Vorbereitungshandlungen getroffen habe. Der Kläger habe, indem er sich erst kurz vor dem Kammertermin auf den Sonderkündigungsschutz berufen habe, treuwidrig verhindert, dass die Beklagte eine wirksame Nachkündigung innerhalb der Wartezeit habe aussprechen können.
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Der Sonderkündigungsschutz sei dem Kläger jedenfalls wegen Rechtsmissbrauchs zu versagen. Da der Kläger die vermeintliche Vorbereitungshandlung zur Gründung eines Betriebsrats und die Absichtserklärung bereits im ersten Monat seines Arbeitsverhältnisses vorgenommen haben möchte, deute dies darauf hin, dass es ihm nie um die Gründung eines Betriebsrats, sondern allein um den Sonderkündigungsschutz gegangen sei.
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Die Vergütung für März 2024 sei bereits vollständig abgerechnet und bezahlt worden.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat die Kündigung vom 21.03.2024 für unwirksam erachtet. Zwar könne nicht von einem Verstoß gegen das Schriftformerfordernis des § 623 BGB ausgegangen werden und der Kläger könne sich auch auf eine fehlende Vollmacht nicht berufen. Doch stehe dem Kläger Sonderkündigungsschutz gemäß § 15 Abs. 3b KSchG als sogenannter „Vorfeld-Initiator“ einer Betriebsratswahl zu. Die beiden in der Vorschrift genannten Voraussetzungen – Vorbereitungshandlung und notarielle Beglaubigung – lägen vor. Die E-Mail vom 20.03.2024 an die Beklagte sei eine solche Vorbereitungshandlung, da sie ein für Dritte erkennbares Verhalten darstelle, das zur Vorbereitung einer Betriebsratswahl geeignet sei. Auch die geforderte notarielle Beglaubigung liege vor. Dass die Erklärung das Geburtsdatum des Klägers nicht enthalte, sei unschädlich, da es sich insoweit lediglich um eine Soll-Vorschrift handle. Auf die Reihenfolge von Vorbereitungshandlungen und Absichtserklärung komme es nach der Gesetzesbegründung nicht an. Der Kläger könne sich auf § 15 Abs. 3b KSchG berufen, obwohl das Arbeitsverhältnis noch keine 6 Monate bestanden habe. Eine derartige ausdrückliche Vorgabe mache die Vorschrift nicht. Allein aus der Tatsache, dass der Kläger bereits im ersten Monat der Beschäftigung die Vorbereitungshandlung und die notariell beurkundete Absichtserklärung vorgenommen habe, begründe noch keinen Rechtsmissbrauch. Auch sei es dem Kläger nicht verwehrt, sich erst später – vorliegend erst am 15.10.2024 – auf den Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 3b KSchG zu berufen. Die Vorschrift sehe keine Frist vor. Eine analoge Anwendung der Rechtsprechung zum Sonderkündigungsschutz für Schwerbehinderte und diesen gleichgestellten Menschen sei nicht veranlasst. Es sei das erklärte Ziel des Gesetzes zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt, mit welchen der § 15 Abs. 3b KSchG neu geschaffen wurde, gewesen, die Gründung und Wahl von Betriebsräten zu fördern und zu erleichtern und zugleich die Fälle der Behinderung von Betriebsratswahlen zu reduzieren. Eine Einschränkung durch das Verlangen einer Frist erscheine gesetzgeberisch nicht gewollt.
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Die geltend gemachten Vergütungsansprüche würden dem Kläger aus § 611 Abs. 2 BGB in Vermittlung mit dem Arbeitsvertrag und § 615 BGB zustehen. Für den Zeitraum vom 22.03.2024 bis 28.03.2024 habe der Kläger Anspruch auf eine weitere Vergütung i.H.v. 366,- € brutto. Der rechnerische Verdienst für den Zeitraum 07.03.2024 bis 28.03.2024 – die Gesamtdauer des Bestehens des Arbeitsverhältnisses bei einer unterstellt wirksamen Kündigung – läge bei einer Arbeitszeit von 173 Stunden monatlich im vollen Monat und einem Stundenlohn von 17,29 € und somit einem rechnerischen Bruttomonatsverdienst 2.991,17 € in einem vollen Monat, für 22 Kalendertage bei 2.122,77 € brutto. Die Beklagte habe aber nur 1.581,05 € brutto abgerechnet. Damit steht dem Kläger der geltend gemachte Betrag von 366,- € brutto zu; es dürfe ihm wegen § 308 Abs. 1 ZPO aber auch nicht mehr zugesprochen werden als beantragt. Für den Zeitraum 29.03.2024 bis 30.04.2024 stünde dem Kläger die geltend gemachte Vergütung in Höhe von 3.280,- € brutto aus dem Gesichtspunkt der Annahmeverzugsvergütung nach § 615 BGB zu, wobei 96,49 € brutto auf die restlichen Tage im März und 2991,17 € brutto auf den Monat April entfallen würden.
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Hinsichtlich des gesamten erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien sowie der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf das Urteil vom 12.12.2024 (Bl. I/108 ff. d. A.) Bezug genommen.
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Die Beklagte hat gegen das ihr am 03.01.2025 zugestellte Urteil am 03.01.2025 Berufung eingelegt und diese innerhalb verlängerter Frist am 03.04.2025 begründet. Der Kläger hat am 07.06.2025 innerhalb verlängerter Frist erwidert.
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Die Beklagte bleibt bei ihrer Ansicht, dass die ordentliche Kündigung vom 21.03.2024 wirksam sei, da sie als Probezeitkündigung keiner sozialen Rechtfertigung bedurft habe. Sie habe das Arbeitsverhältnis gekündigt, da sie bereits zwei Wochen nach dem Arbeitsbeginn zur Überzeugung gelangt sei, dass der Kläger aus ihrer Sicht nicht als Sicherheitsmitarbeiter geeignet sei. Ausschlaggebend hierfür sei unter anderem das ungepflegte Erscheinungsbild des Klägers gewesen, auf welches er mehrfach hingewiesen worden sei sowie die Tatsache, dass er wiederholt und deutlich sichtbar am Empfang des jeweiligen Kunden der Beklagten die Tageszeitung gelesen habe. Zutreffend habe das Arbeitsgericht festgestellt, dass nicht von einem Verstoß gegen das Schriftformerfordernis des § 623 BGB ausgegangen werden könne und der Kläger sich insbesondere nicht auf eine fehlende Vollmacht berufen könne. Die Unterschrift unter der Vollmachtsurkunde sei von Herrn L., dem geschäftsführenden Direktor am Morgen des 21.03.2024 unterschrieben worden. Es sei bei der Beklagten üblich, dass Herr L., da er die Mitarbeiter selbst nicht kennt, für einen Mitarbeiter, der den zu kündigenden Arbeitnehmer kennt eine Vollmacht ausstellt und dieser dann die Kündigung unterschreibt. Nachdem Herr L. die Vollmacht unterschrieben habe, habe er sie Herrn H. zukommen lassen. Beide Herren hätten ihren Dienstsitz in A-Stadt. Weiter sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger die Kündigung nicht unverzüglich zurückgewiesen habe.
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Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts könne sich der Kläger nicht auf einen Sonderkündigungsschutz gemäß § 15 Abs. 3b KSchG berufen. So sei in der E-Mail des Klägers vom 20.03.2024 schon keine Vorbereitungshandlung zu sehen, da es sich lediglich um eine äußerst rudimentäre Interessensbekundung gegenüber dem Arbeitgeber handle. Würde eine solche Erklärung ausreichen, sei fraglich, warum das Gesetz dann zusätzlich auch noch eine notariell beglaubigte Absichtserklärung fordere. Die Behauptung, dass der Kläger an die Gewerkschaft eine E-Mail versandt habe, werde von der Beklagten weiterhin mit Nichtwissen bestritten. Soweit der Kläger vorträgt, er habe sich bereits vor der notariellen Beglaubigung seiner Absichtsbekundungen am 13.03.2024 bei einer Mehrzahl seiner Arbeitskollegen nach der Existenz eines Betriebsrates erkundigt, sei dies ebenfalls keine Vorbereitungshandlung, da es kein für Dritte erkennbares Verhalten darstelle, welches zur Vorbereitung einer Betriebsratswahl geeignet sei. Die bloße Frage nach der Existenz eines Betriebsrats sei keine Vorbereitungshandlung, da sie nicht mit konkreten Gründungsabsichten im Zusammenhang stehen müsse. Selbst wenn man die E-Mail vom 20.03.2024 als geeignete Vorbereitungshandlung ansehen wollte, sei sie jedenfalls erst eine Woche nach der notariellen Beglaubigung erfolgt. Notwendig für den Schutz des § 15 Abs. 3b KSchG sei jedoch, dass die Vorbereitungshandlungen bereits vor der notariellen Beglaubigung erfolgen müssten. Nach der Gesetzesbegründung setze der Sonderkündigungsschutz voraus, dass beide Voraussetzungen kumulativ vorliegen. Dies könne nur so verstanden werden, dass die Vorbereitungshandlungen bereits vor der notariellen Beglaubigung ergriffen werden müsse. Käme es auf die Reihenfolge der Erfüllung der Voraussetzungen nicht an, gelte der Sonderkündigungsschutz immer ab dem Zeitpunkt, in welchem beide erstmalig kumulativ erfüllt seien. Dies würde jedoch dem eindeutigen Wortlaut der Norm widersprechen, nach welchem der Sonderkündigungsschutz stets von der Abgabe der Erklärung gemäß S. 1 gelten solle. Der Arbeitnehmer hätte es dann vollkommen willkürlich in der Hand, diesen Sonderkündigungsschutz „bei Bedarf“ entstehen zu lassen. Des Weiteren sei die Absichtserklärung des Klägers nicht hinreichend, da sie das Geburtsdatum des Klägers nicht enthalte. In der Gesetzesbegründung sei abschließend geregelt, welche Angaben diese Absichtserklärung enthalten solle. Sämtliche Angaben, wie Name des Arbeitnehmers, Geburtsdatum, Adresse, konkrete Bezeichnung des Unternehmens und des einzelnen Betriebes sowie die Gründungsabsicht würden gleichrangig nebeneinanderstehen. Da es erkennbar nicht gewollt sein könne, wenn die notarielle Beglaubigung z.B. die eigentliche Absicht zur Betriebsratsgründung nicht enthalten würde, seien die in der Gesetzesbegründung aufgeführten Angaben trotz der Bezeichnung als „Soll-Inhalt“ Mindestanforderungen der Absichtserklärung, die nicht zuletzt dazu dienen solle, den Arbeitnehmer und den Betrieb eindeutig identifizierbar zu machen.
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Unzutreffend sei ferner die Rechtsansicht des Arbeitsgerichts, dass ein Arbeitnehmer sich bereits vor Ablauf der Wartezeit gemäß § 1 Abs. 1 KSchG auf den Kündigungsschutz des § 15 Abs. 3b KSchG berufen können soll. Ein solches Verständnis der Norm missachte den konkreten Wortlaut. Anders als in den übrigen Absätzen des § 15 KSchG wie beispielsweise in den Abs. 1 und 2, welche den Sonderkündigungsschutz explizit nicht auf einzelne Kündigungsgründe beschränken und aus diesem Grund unstreitig während der Wartezeit gemäß § 1 Abs. 1 KSchG Anwendung finden, habe der Gesetzgeber in Abs. 3b ausdrücklich eine solche Einschränkung vorgenommen. Die dortige Begrenzung des Sonderkündigungsschutzes auf Kündigungen, welche aus Gründen erfolgen, die in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, könne nicht anders verstanden werden, als dass der dort geregelte Sonderkündigungsschutz erst nach der Wartezeit eingreifen solle. Vor Ablauf dieser Wartezeit finde keine Differenzierung zwischen personen-, verhaltens- und betriebsbedingten Gründen statt. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass der Sonderkündigungsschutz nach Abs. 3b im Gleichlauf zu den vorherigen Absätzen des § 15 KSchG bereits vor Ablauf der Wartezeit eingreifen solle, hätte es dieser sprachlichen Beschränkung auf personen- und verhaltensbedingte Kündigungen nicht bedurft. Zu beachten sei auch, dass würde der Sonderkündigungsschutz bereits während der Wartezeit eingreifen, der mit diesem beabsichtigte Zweck, dem Arbeitgeber das „Kennenlernen“ des Arbeitnehmers sowie dessen Erprobung zu ermöglichen, in ungerechtfertigter Weise zeitlich erheblich verkürzt würde. Wollte man dies anders sehen, hätte der Arbeitnehmer in der Probezeit die Möglichkeit sich prophylaktisch eine notarielle Beglaubigung seiner Betriebsratsgründungsabsicht zu besorgen und bei kleinsten Störungen im Arbeitsverhältnis durch notwendige Vorbereitungshandlungen jegliche Probezeitkündigung effektiv auszuschließen.
32
Darüber hinaus habe der Kläger, die Möglichkeit sich auf den Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 3b KSchG zu berufen, verwirkt. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei die Rechtsprechung zum Sonderkündigungsschutz Schwerbehinderter und diesen gleichgestellten Menschen und die Notwendigkeit sich innerhalb von drei Wochen darauf zu berufen auf den streitgegenständlichen Fall zu übertragen. Auch im Schwerbehindertenrecht gebe es keine gesetzliche Regelung dazu. Die Interessenlagen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer seien bei beiden Sonderkündigungsschutztatbeständen vergleichbar. Es sei kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb der Sonderkündigungsschutz von Schwerbehinderten weniger schützenswert sein solle als der von Betriebsratsinitiatoren. In beiden Fällen sowohl bei Schwerbehinderten als auch bei Betriebsratsinitiatoren sei dem Arbeitgeber das Bestehen eines Sonderkündigungsschutzes in der Regel unbekannt. Das Gebot der Rechtssicherheit erfordere daher in beiden Fällen gleichermaßen eine zeitliche Begrenzung bei der Geltendmachung des besonderen Kündigungsschutzes. Die Interessenlage sei nur noch mit dem Sonderkündigungsschutz von Schwangeren vergleichbar, da in allen anderen Fällen (z.B. Betriebsratsmitgliedschaft, Eltern-/Pflegezeit usw.) dem Arbeitgeber das Vorliegen der sonderkündigungsschutzbegründenden Umstände bereits bekannt sei. Der Unkenntnis des Arbeitgebers von der Schwangerschaft habe der Gesetzgeber durch die Einführung einer 2-wöchigen „Anzeigefrist“ Rechnung getragen. Bei Schwerbehinderten habe die Rechtsprechung eine gesetzlich nicht geregelte Anzeigefrist von drei Wochen festgelegt. Aufgrund der vergleichbaren Interessenlage sei auch beim Sonderkündigungsschutz von Betriebsratsinitiatoren eine solche Anzeigefrist erforderlich. Der Kläger habe sich jedoch nicht binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigung am 21.03.2024 auf den von ihm behaupteten Sonderkündigungsschutz berufen, sondern erstmals mit Schriftsatz vom 15.10.2024 und somit mehr als 6 Monate nach Ausspruch der Kündigung.
33
Im Übrigen sei das Verhalten des Klägers rechtsmissbräuchlich. Das Arbeitsgericht habe nicht gewürdigt, dass der Kläger bereits weniger als eine Woche nach Beginn seines Beschäftigungsverhältnisses die Absichtserklärung notariell habe beglaubigen lassen. Ferner liege mit dem bewussten „Zuwarten“ bis zur Mitteilung des behaupteten Sonderkündigungsschutzes, den E-Mails des Klägers und seinen weiteren (Bestandsschutz-) Streitigkeiten offenkundig weitere Tatsachen vor, welche die Rechtsmissbräuchlichkeit des Verhaltens des Klägers offenbaren. Es dränge sich der Eindruck auf, dass der Kläger sich allein deswegen so spät auf seinen Sonderkündigungsschutz berufen habe, weil er habe ausschließen wollen, dass die Beklagte während der Wartezeit (und der gleichlaufenden Probezeit) eine betriebsbedingte Kündigung erkläre, bei welcher der Sonderkündigungsschutz gemäß § 15 Abs. 3 KSchG schon nach dem Wortlaut ausgeschlossen gewesen wäre. Alternativ hätte die Beklagte, hätte sie Kenntnis von dem behaupteten Sonderkündigungsschutz gehabt, nach Ablauf der Dreimonatsfrist des § 15 Abs. 3b KSchG innerhalb der Probezeit hilfsweise eine weitere (wirksame) Probezeitkündigung erklären können. Auch eine solche habe der Kläger durch sein Verhalten vorsätzlich vereitelt. In dem vermeintlichen Wissen, dass die Kündigung vom 21.03.2024 aufgrund des behaupteten Sonderkündigungsschutzes für unwirksam erklärt werden würde, habe der Kläger somit nicht zuletzt versucht, eine mögliche Abfindungszahlung in die Höhe zu treiben. Einen sachlichen Grund dafür, weshalb er sich erst im Oktober 2024 auf den Sonderkündigungsschutz und seine nicht einmal eine Woche nach Arbeitsbeginn beglaubigte Erklärung vom 13.03.2024 berufen habe, sei nicht ersichtlich.
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Ein Verstoß gegen § 20 Abs. 1 BetrVG liege nicht vor. Die Beklagte wolle nicht die Bildung eines Betriebsrats verhindern. Innerhalb der C. Unternehmensgruppe bestünden Betriebsräte.
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Die Kündigung sei auch nicht nach § 612a BGB unwirksam. Das Arbeitsverhältnis sei, wie vorgetragen, innerhalb der Probezeit gekündigt worden, da man zur Überzeugung gelangt sei, dass der Kläger nicht als Sicherheitsmitarbeiter geeignet sei.
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Bemerkenswerterweise führe und führte der Kläger derzeit mehrere Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht München und verfolge Zahlungsansprüche/Annahmeverzugsansprüche für sich überschneidende Zeiträume so z.B. für die Monate Februar und März 2024 gegen den Bewachungsdienst Q. GmbH (28 Ca 2708/24).
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Zu den Zahlungsanträgen trägt die Beklagte vor, die Vergütung des Klägers vom 07.03.2024 bis zum 28.03.2024 sei vollständig abgerechnet und ausgezahlt. Die vom Kläger tatsächlich geleisteten 76 Arbeitsstunden für den Zeitraum vom 07.03.2024 bis zum 20.03.2024 sowie 22,8 Stunden für eine 3-tägige Urlaubsgewährung während der Kündigungsfrist seien vollständig abgerechnet worden. Die 3-tägige Urlaubsgewährung habe der tatsächlichen Einteilung des Klägers im Dienstplan entsprochen. Aufgrund der Tatsache, dass der Kläger im vorgenannten Verfahren 28 Ca 2708/24 erfolgreich Annahmeverzugslohnansprüche für den Monat März 2024 eingeklagt habe, müsse er sich diesen anderweitigen Verdienst in jedem Fall gemäß § 615 S. 2 BGB anrechnen lassen. Da der Beklagten nicht bekannt sei, in welcher Höhe dem Kläger für diesen Monat Annahmeverzugslohnansprüche zugesprochen worden seien, werde er höchst hilfsweise aufgefordert, dies belastbar offenzulegen. Im Übrigen stünden dem Kläger aufgrund des vorstehend dargestellten Rechtsmissbrauchs bis zur Bekanntgabe seines behaupteten Sonderkündigungsschutzes keine Annahmeverzugs Lohnansprüche zu.
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Für den Zeitraum ab dem 29.03.2024 bestünden aufgrund der wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 28.03.2024 keine Vergütungsansprüche. Vorsorglich werde der Kläger nochmals ausdrücklich aufgefordert, Auskunft darüber zu erteilen, was er in dem streitgegenständlichen Zeitraum verdient bzw. böswillig unterlassen hat zu verdienen und was ihm an öffentlich-rechtlichen Leistungen infolge Arbeitslosigkeit gezahlt worden ist. Weiter werde er insbesondere aufgefordert mitzuteilen, welche Beschäftigungsverhältnisse zum Zeitpunkt März und April 2024 bestanden bzw. über welche eine Bestandsschutzstreitigkeit anhängig war, ob er für diese Monate Entgelt erhalten hat und ob und mit welchem Ergebnis Annahmeverzugslohnansprüche für diesen Zeitraum eingeklagt worden sind, ob er für diese Monate Leistung der Agentur für Arbeit (oder sonstige Sozialleistungen) bezogen hat, welche Vermittlungsangebote er von dieser erhalten und wie er sich mit diesen auseinandergesetzt hat. Der Kläger werde ferner aufgefordert, etwaige anderweitige außerhalb von Beschäftigungsverhältnissen in diesen Monaten erzielte Verdienste mitzuteilen. Im Übrigen habe die Beklagte Kenntnis davon, dass der Kläger beginnend mit dem 15.04.2024 bei einer anderen Firma ein Vollzeitarbeitsverhältnis begründet habe, dass bis Juni 2024 bestanden habe. Der Kläger habe in diesem Arbeitsverhältnis gearbeitet und Entgelt erhalten, insbesondere auch für April 2024. Beginnend mit dem 15.04.2024 habe der Kläger für im April geleistete 81 Arbeitsstunden 1.281,41 € brutto erhalten.
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Insgesamt gehe die Beklagte davon aus, dass der Kläger gezielt Arbeitsverhältnisse begründe und eine Kündigung provoziere, um anschließend wirtschaftlich günstige Vergleiche abzuschließen. Ansonsten sei nicht erklärlich, dass der durchaus wortgewandte intelligente Kläger regelmäßig nach ein paar Wochen gekündigt werde.
40
Die Beklagte beantragt,
das Teilurteil des Arbeitsgerichts München vom 12.12.2024, AZ: 38 Ca 3864/24, abzuändern und die Klage abzuweisen.
die Berufung zurückzuweisen.
42
Der Kläger ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe der Kündigungsschutzklage zu Recht stattgegeben. Soweit die Beklagte nunmehr Vorwürfe erhebe und vortrage, es habe ein ungepflegtes Erscheinungsbild des Klägers gegeben, auf das er mehrfach hingewiesen worden sei sowie, er habe wiederholt und deutlich sichtbar am Empfang des jeweiligen Kunden der Beklagten die Tageszeitung gelesen, seien diese Behauptungen entweder unzutreffend oder unerheblich. Der Kläger bestreite ein ungepflegtes Erscheinungsbild gezeigt zu haben und darauf auch nur ein einziges Mal angesprochen worden zu sein. Die Lektüre einer Tageszeitung während der Arbeitsbereitschaft, die in den Arbeitszeiten des Klägers enthalten gewesen sei, habe die Beklagte zu keinem Zeitpunkt beanstandet, ebenso wie sie das stundenlange Surfen der Kolleginnen und Kollegen auf ihren privaten Mobiltelefonen grundsätzlich toleriert habe.
43
Zu Recht sei das Arbeitsgericht von der Unwirksamkeit der Kündigung gemäß § 15 Abs. 3b KSchG ausgegangen. Der Kläger habe vor Ausspruch der Kündigung Vorbereitungshandlungen unternommen. Er habe sich bereits vor dem 13.03.2024 bei einer Mehrzahl seiner Kolleginnen und Kollegen nach der Existenz eines Betriebsrats erkundigt. Er habe am 18.03.2024 den M. um Mitteilung von Bedenken gebeten hinsichtlich der gemeinsamen Einladung zu einer Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstands. Auf diese Anfrage hin sei der Kläger vom Gewerkschaftssekretär P. am 19.03.2024 zu einem persönlichen Gespräch eingeladen worden. Er habe gegenüber der Beklagten am 20.03.2024 diese Betriebsversammlung gemäß § 17 Abs. 2 S. 1 BetrVG zur Wahl eines Wahlvorstandes angekündigt und habe um Übersendung eines Verzeichnisses aller nicht leitenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gebeten. Er habe mit Klageerweiterung um die Sachanträge unter der Ziff. 3 einen Anspruch auf Erteilung eines Motivationsschreibens zur Gründung eines Betriebsrats bei der Beklagten geltend gemacht. Die Ansicht der Beklagten, die Vorbereitungshandlung des § 15 Abs. 3b S. 1 KSchG müsse zeitlich zwingend vor der öffentlich beglaubigten Erklärung erfolgen, finde bereits im Wortlaut der Rechtsvorschrift keine Stütze. Aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber für die Vorbereitungshandlungen das Tempus des Präsens für die öffentlich beglaubigte Erklärung dagegen das Tempus des Perfekt verwende, ergebe sich ohne weiteres, dass er die Abgabe der öffentlich beglaubigten Erklärung als vorzeitig ansehe im Verhältnis zur Vorbereitungshandlung und letztere deshalb zeitlich auch erst danach erfolgen könne. Der Einwand, nur die Einhaltung der von der Beklagten behaupteten Reihenfolge verhindere öffentlich beglaubigte Erklärungen auf Vorrat, sei vorliegend bereits in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend. Der Kläger habe – wie ausgeführt – schon vor Ausspruch der Kündigung Vorbereitungshandlungen unternommen. Die Beklagte habe davon durch die E-Mail vom 20.03.2024 Kenntnis erlangt. Die Behauptung der Beklagten, dass die notarielle Absichtserklärung kein Geburtsdatum enthalte sei gleichermaßen zutreffend wie unerheblich, da die Anl. K4 (Bl. I./56 d. A.) sein Geburtsdatum zutreffend wiedergebe. Beide Anlagen seien Bestandteil der beglaubigten Urkunde. Entgegen der Ansicht der Beklagten finde der besondere Kündigungsschutz für Vorfeld-Initiatoren auch schon während der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG Anwendung. Diese seine Ansicht werde von der Literatur geteilt (vgl. im Einzelnen die Ausführungen im Schriftsatz vom 02.06.2025, S. 8 ff., Bl. II/72 ff. der Akten).
44
Auch habe der Kläger diesen Sonderkündigungsschutz nicht verwirkt. Die Beklagte habe bereits mit Mailnachricht vom 20.03.2024 von einer Mehrzahl von Vorbereitungshandlungen durch den Kläger erfahren. Im Übrigen habe es ihr offen gestanden, sich beim Kläger nach der Existenz einer öffentlich beglaubigten Erklärung gemäß § 15 Abs. 3b S. 1 KSchG zu erkundigen. In rechtlicher Hinsicht bestehe auch keine Pflicht auf Seiten von VorfeldInitiatoren ihren Arbeitgeber vor Ablauf der in § 6 S. 1 KSchG kodifizierten Fristen von einem Sonderkündigungsschutz in Kenntnis zu setzen. Dagegen spreche, dass der Gesetzgeber diese Pflicht andernfalls in einer mit § 17 Abs. 1 S. 1 MuSchG vergleichbaren Form zum Ausdruck gebracht hätte und dass weder Literatur noch Rechtsprechung eine solche Pflicht weder für Mitglieder des Wahlvorstandes noch für Wahlbewerber bislang auch nur erwogen hätten.
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Auch sei das Handeln des Klägers nicht rechtsmissbräuchlich. Der Kläger habe die Beklagte von Vorbereitungshandlungen bereits vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung mit Mailnachricht vom 20.03.2024 in Kenntnis gesetzt. Zwischen der Begründung des Arbeitsverhältnisses am 05.03.2024 und dem Zeitpunkt der öffentlich beglaubigten Erklärung hätten nahezu 2 Wochen gelegen. Im Übrigen hätte er seinen besonderen Kündigungsschutz im Rahmen der verlängerten Anrufungsfrist des § 6 S. 1 KSchG erst in der mündlichen Verhandlung am 13.11.2024 zulässig geltend machen können. Zur Begründung weiterer Arbeitsverhältnisse sei der Kläger aufgrund seiner Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 S.1 GG spätestens seit der streitgegenständlichen Beendigungskündigung berechtigt und sie seien im Hinblick auf die Anrechnungsvorschriften der § 615 S. 2 BGB und § 11 Ziff. 1 KSchG auch im wirtschaftlichen Interesse der Beklagten.
46
Die Kündigung werde auch als Verstoß gegen das Verbot der Behinderung von Betriebsratswahlen gemäß § 20 Abs. 1 BetrVG angegriffen. Die Vorschrift erfasse auch Beendigungskündigungen, soweit damit die Wahl eines Betriebsrats behindert werden solle und der Arbeitnehmer nicht gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen habe.
47
Im Übrigen liege auch ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB vor. Die Berechtigung des Klägers zu den mit Mailnachricht vom 20.03.2024 unterbreiteten Auskünften und Bitten resultiere unmittelbar aus der Betriebsverfassung. Am Folgetag sei die Kündigung ausgesprochen worden. Der zeitliche Zusammenhang begründe einen Anscheinsbeweis dafür, dass die Maßregelung für die Kündigung das tragende Motiv gewesen sei. Der Vortrag der Beklagten hinsichtlich weiterer Arbeitsverhältnisse des Klägers, die frühzeitig gekündigt worden und die Behauptung, der Kläger ziele auf günstige Vergleichsabschlüsse ab, sei Spekulation.
48
Das Arbeitsgericht habe die Zahlungsansprüche für den Kalendermonat März 2024 zu Recht als begründet angesehen. Die Beklagte übersehe im Rahmen ihrer Berufungsbegründung, dass sich die zu vergütende Arbeitszeit nicht nach ihrem Dienstplan, sondern nach dem arbeitsvertraglich geschuldeten Beschäftigungsumfang von 173 Stunden monatlich richte. Hinsichtlich der Höhe der Ansprüche greife die Beklagte das arbeitsgerichtliche Urteil zum Kalendermonat April 2024 nicht an. Soweit die Beklagte Auskunftsansprüche nach § 615 S. 2 BGB geltend mache, bestünden solche nicht, da die Bewachungsdienst Q. GmbH den Kläger mit Schreiben vom 23.02.2024 unter Anrechnung seines Anspruchs auf Erholungsurlaub unwiderruflich von der Arbeit freigestellt habe und den Zahlungsansprüchen des Klägers deshalb seit diesem Tag keine anderweitigen Dienste entgegenstünden. Durch Schriftsatz vom 28.07.2025 trägt der Kläger weiterhin vor, den Zahlungsansprüchen des Klägers stünden keine anderweitigen Dienste auch bei anderen Arbeitgebern gegenüber. Einkünfte aus selbstständiger oder nichtselbstständiger Arbeit hätten bei 0 € gelegen, die Anzahl der Vermittlungsangebote durch die Bundesagentur für Arbeit und durch das Jobcenter hätten ebenfalls bei 0 gelegen. In der mündlichen Verhandlung vom 30.07.2025 erklärt der Kläger auf die Frage, ob er in der Zeit vom 29. März bis 30.04.2024 Arbeitslosengeld bezogen habe, die Beklagte müsse davon Kenntnis haben, da sie in einem solchen Fall eine Überleitungsanzeige von der Bundesagentur für Arbeit hätte erhalten haben müssen. Außerdem habe die Beklagte nach der Entscheidung des Arbeitsgerichts den ausgeurteilten Betrag gezahlt, den sie allenfalls im Rahmen der ungerechtfertigten Bereicherung zurückverlangen könne. Ein Rechtsschutzinteresse für eine Auskunft über Zahlungen der Bundesagentur für Arbeit bestehe deshalb zu diesem Zeitpunkt nicht. Zum Vortrag der Beklagten, er habe in diesem Zeitraum, zumindest seit dem 15.04.2024 in einem Vollzeitarbeitsverhältnis gestanden und für geleistete Arbeit 1.281,41 € brutto erhalten, erklärt der Kläger, er könne dazu keine detaillierten Angaben machen. Er habe in diesem Arbeitsverhältnis Schicht gearbeitet und wisse im Moment nicht, wann er gearbeitet und wofür er vergütet worden sei. Es sei sehr wohl möglich, anrechnungsfrei in einem anderen Arbeitsverhältnis zu arbeiten, da Voraussetzung für die Anrechnung Kausalität sei.
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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufung wird auf die Schriftsätze vom 03.04.2025 (Bl. II/29 ff. d. A.), vom 02.06.2025 (Bl. II/65 ff. d. A.), vom 22.07.2025 (Bl. II/78 ff. d. A.), vom 28.07.2025 (Bl. II/84 ff. d. A.) nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 30.07.2025 (Bl. II/93 ff. d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Die Kündigungsschutzklage ist abzuweisen, da die Kündigung vom 21.03.2025 das Arbeitsverhältnis zum 28.03.2025 beendet hat und der Kläger keine Zahlungsansprüche über diesen Termin hinaus hat. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.
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Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).
52
Die Berufung ist teilweise begründet. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts hat die Kündigung vom 21.03.2025 das Arbeitsverhältnis beendet. Über diesen Zeitpunkt hinausgehende Zahlungsansprüche hat der Kläger nicht. Für den Zeitraum vom 07.03.2024 bis 31.03.2025 hat das Arbeitsgericht die Beklagte zurecht zur Zahlung von 366,- € brutto verurteilt.
53
1. Die Kündigung vom 21.03.2025 ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis zum 28.03.2025 beendet.
54
a) Zurecht ging das Arbeitsgericht zunächst davon aus, dass kein Verstoß gegen das Schriftformerfordernis, § 623 BGB vorliegt. Die Kündigung wahrt die nach § 623 BGB erforderliche Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB.
55
aa) Gemäß § 623 BGB bedarf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Dies soll Rechtssicherheit für die Vertragsparteien und eine Beweiserleichterung im Rechtsstreit bewirken. Die Schriftform wird nach § 126 Abs. 1 BGB dadurch erfüllt, dass die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet wird.
56
bb) Die Umstände, aus denen sich die Wahrung der Schriftform nach § 623 iVm. § 126 Abs. 1 BGB ergibt, sind von der Partei darzulegen und zu beweisen, die Rechte aus der Kündigung herleiten will. Im Kündigungsschutzprozess hat der kündigende Arbeitgeber die Wahrung der Schriftform gemäß § 138 Abs. 1 ZPO substantiiert darzulegen. Zu den diesbezüglich behaupteten Tatsachen hat sich der Kündigungsempfänger nach § 138 Abs. 2 ZPO zu erklären. Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO), Verhandlungsgrundsatz (§ 128 ZPO) und Prozessförderungspflicht (§ 282 ZPO) führen zu einer dem gegnerischen Vorbringen entsprechenden Erklärungslast. Der Umfang der jeweils erforderlichen Substantiierung des Vortrags ergibt sich aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist. Trägt der Kündigungsempfänger zur Schriftform nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gilt der schlüssige Sachvortrag des Kündigenden gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.
57
cc) Dies ist hier der Fall. Der Kläger ist dem substantiierten Vorbringen der Beklagten nicht hinreichend entgegengetreten. Die Beklagte hat vorgetragen, der Betriebsleiter, Herr H. habe die Kündigung am Tag der Übergabe persönlich unterschrieben. Warum der Kläger dies bezweifelt, hat er nicht nachvollziehbar dargelegt. Unbestritten hat Herr H. auch den Arbeitsvertrag des Klägers unterschrieben. Dem Kläger lag also eine Urkunde mit einer Originalunterschrift des Herrn H. vor. Welche Anhaltspunkte der Kläger hat, dass die Unterschrift unter der Kündigung keine Originalunterschrift des Herrn H. sein soll, erschließt sich nicht. Soweit der Kläger darauf verweist, dass sich die Frage stelle, warum die Vollmacht zum Kündigungsausspruch von Herrn H. durch den am 21.03.2024 unterschrieben worden sei und nicht gleich die Kündigung, so ist dies kein nachvollziehbares Indiz dafür, dass die Unterschrift des Herrn H. keine Originalunterschrift ist. Unternehmen organisieren ihre Abläufe unterschiedlich. Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, es sei bei ihr üblich, dass die Kündigungen von einem Mitarbeiter unterschrieben werden, der den zu Kündigenden kennt, während der eine Vollmacht für diesen Mitarbeiter unterzeichne. Der Kläger hat dazu keine Stellungnahme abgegeben. Jedenfalls ist dieses Vorgehen kein Anhaltspunkt dafür, dass die Unterschrift des Herrn H. auf der Kündigung, die der auf dem Arbeitsvertrag entspricht, keine Originalunterschrift ist. Argumente warum die Unterschrift des Herrn K. keine Originalunterschrift sein soll, benennt der Kläger nicht.
58
b) Soweit der Kläger rügt, die Unterschrift unter der Vollmacht für Herrn H., sei nicht die Originalunterschrift des geschäftsführenden Direktors L., so gilt hier dasselbe. Letztlich kann jedoch offenbleiben, ob es sich unter der Vollmacht um eine Originalunterschrift des Herrn L. handelt. Denn diese Rüge ist nicht geeignet einen Verstoß gegen das Schriftformerfordernis des § 623 BGB zu begründen. § 623 BGB fordert nur, dass der Kündigende das Kündigungsschreiben im Original unterschreibt. Der Kläger könnte in diesem Zusammenhang allenfalls rügen, dass die Voraussetzung des § 174 BGB nicht eingehalten ist mangels Vorlage einer im Original unterschriebenen Vollmachtsurkunde. Dies macht jedoch gemäß § 174 S. 1 2. HS BGB das Rechtsgeschäft nur dann unwirksam, wenn es aus diesem Grund unverzüglich zurückgewiesen wird. Eine solche unverzügliche Zurückweisung liegt nicht vor. Der Kläger hat die entsprechende Rüge erstmals durch Schriftsatz vom 07.05.2024 erhoben und somit ca. 8 Wochen nach Zugang der Kündigung.
59
c) Der Kläger kann sich nicht auf den allgemeinen Kündigungsschutz nach § 1 Abs. 2 KSchG berufen, da die 6-monatige Wartezeit gemäß § 1 Abs. 1 KSchG nicht erfüllt ist. Die Kündigung wurde zwei Wochen nach Beginn des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen.
60
d) Der Kläger kann sich auch nicht auf den besonderen Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 3b KSchG – sog. Kündigungsschutz für Vorfeldinitiatoren – berufen, da diese Vorschrift in der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG keine Anwendung findet. Darüber hinaus wäre das Sichberufen des Klägers auf diese Vorschrift verwirkt.
61
aa) Zunächst geht das Berufungsgericht mit dem Arbeitsgericht davon aus, dass die in § 15 Abs. 3b KSchG genannten Voraussetzungen der Vorbereitungshandlungen zur Errichtung eines Betriebsrates und der Abgabe einer öffentlich beglaubigten Erklärung mit dem Inhalt, dass er die Absicht hat einen Betriebsrat zu errichten, in keiner bestimmten Reihenfolge vorliegen müssen und dass jedenfalls die E-Mail vom 20.03.2024 eine Vorbereitungshandlung darstellt. Insoweit wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts unter II. 1. b der Entscheidungsgründe Bezug genommen, § 69 Abs. 3 ArbGG. Auch genügt die vorgelegte notarielle Beglaubigung den Anforderungen, obwohl auf der Erklärung selbst das Geburtsdatum des Klägers nicht enthalten ist. Unabhängig von der Frage, ob das Geburtsdatum genannt werden „soll“ oder „muss“, ist das Geburtsdatum jedenfalls auf dem mit der Absichtserklärung verbundenen Beglaubigungsvermerk enthalten. Dies ist ausreichend, da es eine hinreichende Identifizierung ermöglicht.
62
bb) Nach Ansicht des Berufungsgerichts greift der besondere Kündigungsschutz vom § 15 Abs. 3b jedoch – trotz Fehlens einer ausdrücklichen Regelung – während der Wartezeit von § 1 Abs. 1 KSchG nicht. Vielmehr ergibt die Auslegung der Bestimmung, dass sie ausschließlich für Kündigungen im zeitlichen Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes gilt.
63
aaa) Bereits der Wortlaut von § 15 Abs. 3b S. 1 KSchG macht deutlich, dass die Vorschrift ausschließlich Fälle erfasst, in denen das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist. Eine ausdrückliche zeitliche Begrenzung oder Bezugnahme auf das Kündigungsschutzgesetz enthält die Vorschrift zwar nicht. Eine Kündigung soll jedoch nur dann unzulässig sein „soweit sie aus Gründen erfolgt, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen“. Damit wird erkennbar an die Terminologie von § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG angeknüpft, der formuliert „Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist“. Dies zeigt, dass nur Kündigungen ausgeschlossen werden sollen, die (personen- oder verhaltensbedingte) Gründe im Sinne von § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG erfordern. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, sich an die Begrifflichkeiten aus § 1 Abs. 2 KSchG anzulehnen, wenn hierdurch nicht ein Bezug zu dieser Vorschrift hergestellt werden sollte (so BAG, Urteil vom 03.04.2025, 2 AZR 178/24, Rd. 16, juris zu § 167 Abs. 1 SGB IX). Bestätigt wird diese Auslegung dadurch, dass die übrigen Absätze des § 15 KSchG ordentliche Kündigungen generell ausschließen. Der Gesetzgeber wollte also im Gegensatz dazu für die sogenannten Vorfeldinitiatoren die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung nicht generell ausschließen. Da für Kündigungen während der Wartezeit gemäß § 1 Abs. 1 KSchG keine Kündigungsgründe vorliegen müssen und dementsprechend auch keine Differenzierung zwischen personen-, verhaltens- und betriebsbedingten Gründen erfolgt, kann dies nur zu dem Ergebnis führen, dass der besondere Kündigungsschutz des § 15 Abs. 3b KSchG während der Wartezeit keine Anwendung findet.
64
bbb) Ein anderes Verständnis dieser Vorschrift würde darüber hinaus dazu führen, dass der mit der Wartezeit beabsichtigte Zweck, dem Arbeitgeber das „Kennenlernen“ des Arbeitnehmers sowie dessen Erprobung zu ermöglichen, in ungerechtfertigter Weise zeitlich erheblich eingeschränkt, wenn nicht sogar völlig unmöglich gemacht würde. Der Arbeitnehmer hätte dann die Möglichkeit dem Arbeitgeber, der sich von ihm in der Wartezeit trennen möchte, dies unmöglich zu machen, unabhängig davon, ob er tatsächlich ein Interesse an der Errichtung eines Betriebsrats hat oder nicht. Auf der anderen Seite würde es für Arbeitnehmer, die ein echtes Interesse an der Errichtung eines Betriebsrats haben und Probleme mit dem Arbeitgeber befürchten, keine unzumutbare Einschränkung bedeuten mit ihrer Initiative erst nach Ablauf der Probezeit zu beginnen, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass es in der Regel einige Wochen dauern wird bis ein neuer Arbeitnehmer soweit in einen Betrieb integriert ist, dass er die Interessen der Belegschaft kennt und Mitstreiter suchen und finden kann.
65
cc) Darüber hinaus ist das Recht des Klägers, sich auf den Sonderkündigungsschutz des § 15 Abs. 3b KSchG zu berufen, verwirkt, da er die Beklagte nicht innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung, jedenfalls aber nicht innerhalb von drei Monaten nach Abgabe der öffentlich beglaubigten Absichtserklärung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 Abs. 3b KSchG informiert hat.
66
aaa) Das Gesetz selbst enthält keine Frist, innerhalb derer sich der Arbeitnehmer auf den besonderen Kündigungsschutz berufen muss. Die Vorschrift des § 15 KSchG sieht an keiner Stelle Mitteilungspflichten des Arbeitnehmers vor. Bis dato benötigte § 15 KSchG solche Fristen auch nicht, da die bis 2021 unter Sonderkündigungsschutz gestellten Funktionen und Handlungen dem Arbeitgeber in aller Regel bekannt sind. Dies ist bei dem 2021 neu eingeführten § 15 Abs. 3b KSchG anders. Anders als etwa die Mitgliedschaft im Betriebsrat oder die Eigenschaft als Wahlbewerber bleibt dem Arbeitgeber der Status als Vorfeldinitiator womöglich bis zur Einladung zu einer Betriebs- oder Wahlversammlung verborgen. Jedenfalls hat er keinerlei Kenntnisse über das Vorliegen einer öffentlich beglaubigten Absichtserklärung.
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bbb) Es ist jedoch angemessen, eine Geltendmachung innerhalb von drei Wochen nach Ausspruch der Kündigung zu verlangen. Diese Frist hat der Kläger nicht gewahrt.
68
(1) Wie das Thüringer Landesarbeitsgericht (Urteil vom 22.01.2025,1 Sa 59/24, juris) geht die erkennende Kammer davon aus, dass eine vergleichbare Situation vorliegt, wie sie beim Sonderkündigungsschutz schwerbehinderter Menschen existiert. Hier wie dort sind dem Arbeitgeber die Umstände, die zum Eingreifen des Sonderkündigungsschutzes führen, nicht notwendig bekannt. Hier wie dort knüpft das Gesetz das Erfordernis der behördlichen Zustimmung bzw. den Ausschluss einer ordentlichen (verhaltens- bzw. personenbedingten) Kündigung lediglich an das objektive Vorliegen entsprechender Tatsachen. Auch der Kündigungsschutz nach § 168 SGB IX hängt nach seinem Wortlaut nicht davon ab, ob der Arbeitgeber Kenntnis von der Schwerbehinderteneigenschaft hat (BAG 22.09.2016, 2 AZR 700/15,Rn. 20; KR-Gallner/Vannucchi, 14. Auflage 2025, § 173 SGB IX Rn. 16).
69
Das Bundesarbeitsgericht (vgl. BAG, Urteil vom 22.09.2016, 2 AZR 700/15, juris) hat zur Situation der Schwerbehinderten ausgeführt, das Recht des Arbeitnehmers sich nachträglich auf eine Schwerbehinderung zu berufen und die Zustimmungsbedürftigkeit der Kündigung geltend zu machen, unterliege der Verwirkung (§ 242 BGB). Diese sei ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung. Mit der Verwirkung werde ausgeschlossen, Rechte illoyal verspätet geltend zu machen. Sie diene dem Vertrauensschutz und verfolge nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn der Gläubiger sich längere Zeit nicht auf seine Rechte berufen hat (Zeitmoment). Der Berechtigte müsse vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckt haben, dass er sein Recht nicht mehr wahrnehmen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei müsse das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten sei. Dies sei mit Blick auf den Sonderkündigungsschutz eines Arbeitnehmers nach §§ 85 ff. SGB IX (a.F) der Fall, wenn der Arbeitgeber von der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch keine Kenntnis gehabt habe und der Arbeitnehmer sich nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach Zugang der Kündigung gegenüber dem Arbeitgeber auf seine bereits festgestellte oder zur Feststellung beantragte Schwerbehinderteneigenschaft berufe. Als Maßstab für die Rechtzeitigkeit der Geltendmachung sei vielmehr seit der Änderung des Kündigungsschutzgesetzes durch Art. 1 des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) von der Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG auszugehen. Binnen dieser Frist müsse der Arbeitnehmer entscheiden, ob er gegen die Kündigung vorgehen will. Dieser Zeitraum stehe ihm deshalb grundsätzlich auch für die Entscheidung zur Verfügung, ob er sich auf eine dem Arbeitgeber noch nicht bekannte Schwerbehinderteneigenschaft berufen möchte.
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Diese Erwägungen lassen sich auf die Fallgestaltung des besonderen Kündigungsschutzes als Vorfeldinitiator nach § 15 Abs. 3b KSchG übertragen. Hier kommt der Arbeitnehmer in den Genuss des Sonderkündigungsschutzes, wenn er entsprechende Vorbereitungshandlungen vornimmt und eine öffentlich beglaubigte Absichtserklärung abgibt. Eine Kenntnis des Arbeitgebers von diesen Vorbereitungshandlungen und der Existenz der Absichtserklärung ist nicht erforderlich. Gleichzeitig ist das fristgebundene Kündigungsschutzverfahren darauf ausgerichtet, möglichst schnell Klarheit über das Bestehen oder Nichtbestehen des Arbeitsverhältnisses zu schaffen. Hinzu kommt die zeitliche Befristung des Sonderkündigungsschutzes aus § 15 Abs. 3b KSchG. Nach Ablauf von drei Monaten ist der Arbeitnehmer nach dem Willen des Gesetzgebers nicht mehr schutzwürdig. Einen über drei Monate andauernden Schutz kann der Arbeitnehmer nur dann erlangen, wenn er entweder weitere Vorbereitungshandlungen vornimmt oder weitere Schritte einleitet, etwa zu entsprechenden Betriebsversammlungen einlädt, einen Wahlvorstand bestimmt etc. Denn dann schließt sich der Sonderkündigungsschutz aus § 15 Abs. 3a KSchG an. Aus diesem Grund ist auch für Vorfeldinitiatoren eine Mitteilungsobliegenheit nach Ausspruch einer Kündigung zu bejahen. In Anlehnung an die zuvor zitierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Verwirkung des Sonderkündigungsschutzes als schwerbehinderter Mensch ist die Frist bei der Mitteilung der Umstände, die den besonderen Kündigungsschutz des § 15 Abs. 3b KSchG auslösen, bei drei Wochen nach Zugang der Kündigung anzusetzen.
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Eine solche befristete Mitteilungsobliegenheit stellt einen angemessenen Ausgleich der wechselseitigen Positionen dar. Gerade weil der Gesetzgeber ein weites Verständnis der Vorbereitungshandlungen zugrunde legt und eine Kenntnis des Arbeitgebers für das Eingreifen des Sonderkündigungsschutztatbestandes nicht erforderlich ist, muss als Korrektiv eine entsprechende Offenbarungsobliegenheit des Arbeitnehmers angenommen werden. Nur so erhält ein Arbeitgeber, der keine Kenntnis von dem Eingreifen des Sonderkündigungsschutzes hatte, die Möglichkeit, nach Ablauf von drei Monaten gegenüber einem in der reinen Vorbereitungsphase steckengebliebenen Vorfeldinitiator erneut eine Kündigung aussprechen zu können. Andererseits schützt eine solche Frist auch den Arbeitnehmer und hat Vorteile für den Betrieb. Die Erfahrung zeigt, dass Arbeitgeber, die bei Ausspruch der Kündigung keine Kenntnis vom besonderen Kündigungsschutz des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin hatten, häufig nach Kenntniserlangung die Kündigung unverzüglich „zurücknehmen“ bzw. deren Unwirksamkeit anerkennen. Dies hat für den Arbeitgeber den Vorteil, keinen völlig sinnlosen Prozess führen zu müssen und alsbald wieder in den Genuss der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zu kommen. Für den Arbeitnehmer hat es den Vorteil, dass schnell Klarheit hinsichtlich der Unwirksamkeit der Kündigung herrscht und er ohne große Unterbrechung weiter beschäftigt und vergütet wird. Im konkreten Fall des § 15 Abs. 3b KSchG hat dies für den Betrieb hat den Vorteil, dass die geplante Betriebsratswahl dann tatsächlich von dem engagierten Vorfeldinitiator vorangetrieben werden kann.
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(2) Vorliegend hat der Kläger in Anwendung der zuvor dargestellten Grundsätze den Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 3b KSchG verwirkt. Denn eine Kenntnis der Beklagten von den besonderen Kündigungsschutz bedingenden Umständen war nicht gegeben. Die Beklagte wusste nicht, dass der Kläger seine Absichtserklärung notariell hat beglaubigen lassen. Und der Kläger hat der Beklagten hierüber nicht innerhalb einer Frist von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung Mitteilung gemacht. Vielmehr ist die Mitteilung erst durch Schriftsatz vom 15.10.2024 und damit mehr als sechs Monate nach Ausspruch der Kündigung erfolgt. Die Beklagte hatte auch keinen Anlass nachzufragen, gerade weil der Kläger im gerichtlichen Verfahren vorher ausführliche Ausführungen zu seiner Absicht eine Betriebsratswahl einzuleiten, gemacht hat. Mangels Vorliegens anderer Anhaltspunkte konnte sie davon ausgehen, dass der Kläger diese Information nicht zurückhält.
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ccc) Auch, wenn man nicht davon ausgehen wollte, dass der Kläger gegen eine Obliegenheit verstoßen hat, die Beklagte innerhalb von 3 Wochen über das Bestehen der Voraussetzungen des § 15 Abs. 3b KSchG zu informieren, hat er das Recht, sich auf diesen Sonderkündigungsschutz zu berufen nach Ablauf von drei Monaten nach Abgabe der öffentlich beglaubigten Absichtserklärung verwirkt.
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(1) Wie oben ausgeführt tritt Verwirkung dann ein, wenn ein Kläger sich längere Zeit nicht auf seine Rechte berufen hat (Zeitmoment) und unter Umständen untätig geblieben ist, die den Eindruck erweckt haben, dass er sein Recht nicht mehr wahrnehmen will, sodass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment).
75
(2) Der Kläger hat sich in dem Zeitraum, in dem ihm § 15 Abs. 3b S. 2 KSchG längstens Schutz gewährt, nämlich drei Monate nach Abgabe der Absichtserklärung nicht auf diesen Kündigungsschutz berufen. Er ist unter Umständen untätig geblieben, die den Eindruck erweckt haben, dass er sein Recht nicht mehr wahrnehmen werde. Er hat im laufenden Kündigungsschutzverfahren schon im Schriftsatz vom 07.05.2024 mitgeteilt, dass er die Beklagte über seine Absicht einen Betriebsrat zu gründen informiert hat und hat durch die Klageerweiterung vom 29.08.2024 behauptet, dass er dieses Ziel weiterverfolgt. Er hat also von Anfang an offengelegt, dass er der Ansicht ist eine Tatbestandsvoraussetzung des § 15 Abs. 3b KSchG zu erfüllen. Dennoch hat er es unterlassen darauf hinzuweisen, dass auch die zweite Tatbestandsvoraussetzung, nämlich die Abgabe der Absichtserklärung vorliegt. Die Beklagte musste unter diesen Umständen nicht davon ausgehen, dass der Kläger das Recht nach § 15 Abs. 3b KSchG noch in Anspruch nehmen werde.
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e) Die Kündigung ist auch nicht im Hinblick auf § 20 Abs. 1 BetrVG unwirksam.
77
aa) Grundsätzlich kann sich § 20 Abs. 1 BetrVG auch als Kündigungsschutzvorschrift darstellen. Sie muss jedoch im Zusammenhang mit dem übrigen Kündigungs- und Kündigungsschutzrecht gesehen werden. Der relative Kündigungsschutz, den § 20 Abs. 1 BetrVG gewähren kann, ist nicht so zu verstehen, dass der Sonderkündigungsschutz des § 15 KSchG über seinen Geltungsbereich hinaus ausgedehnt wird. Ebenso wenig wird durch § 20 Abs. 1 BetrVG das allgemeine Kündigungsrecht des Arbeitgebers über die dafür geltenden Vorschriften hinaus (§ 1 KSchG, § 626 BGB) beschränkt. Es wird deshalb nur eine Kündigung erfasst, die anlässlich einer Betätigung für die Betriebsratswahl oder im Zusammenhang mit ihr gerade deswegen ausgesprochen wird, um die Wahl dieses Arbeitnehmers zu verhindern oder um den Arbeitnehmer wegen seines Einsatzes bei der Betriebsratswahl zu maßregeln (BAG, Urteil vom 13. Oktober 1977, 2 AZR 387/76, Rn. 37f., juris). Demnach hängt der relative Kündigungsschutz des § 20 Abs. 1 BetrVG von einer Würdigung der Verhältnisse im Einzelfall ab.
78
bb) Dass die Beklagte eine Wahl des Klägers in den Betriebsrat verhindern wollte, behauptet der Kläger selbst nicht. Dafür, dass die Beklagte den Kläger im Hinblick auf seine Mail vom 20.03.2024 maßregeln wollte, spricht keine tatsächliche Vermutung. Die Beklagte hat durchgehend vorgetragen, sie habe das zu diesem Zeitpunkt gerade zwei Wochen bestehende Arbeitsverhältnis in der Wartezeit kündigen wollen, nachdem sie den Eindruck gewonnen hatte, dass der Kläger als Sicherheitsmitarbeiter nicht geeignet sei. Dies ist ein grundsätzlich legitimes Verhalten, das auch dann zulässig ist, wenn es nicht durch einen Vertragsverstoß des Klägers veranlasst wurde. Während der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG ist eine Kündigung möglich, ohne dass ein Kündigungsgrund oder gar ein rechtswidriges Verhalten des Arbeitnehmers vorliegen müsste. Irrelevant ist in diesem Zusammenhang, wenn der Kläger der Behauptung der Beklagten, er sei „ungepflegt“ gewesen, entgegentritt. Die Einschätzung, ob eine Person gepflegt oder ungepflegt ist, ist eine subjektive und kann sich in der jeweiligen Wahrnehmung unterscheiden. Dasselbe gilt für die Frage, ob Zeitung lesen für einen Kunden deutlich sichtbar ist oder nicht. Es spricht angesichts dessen nichts dafür, dass die Beklagte ihre Kündigungsgründe nur vorgeschoben hat und die Kündigung in Wahrheit nur deshalb erklärt wurde, um ein nicht genehmes mögliches Mitglied des zu wählenden Betriebsrats auszuschalten.
79
f) Auch ein Verstoß gegen § 612a BGB liegt nicht vor.
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aa) Eine Kündigung wegen einer zulässigen Rechtsausübung liegt demgemäß dann vor, wenn die Rechtsausübung für die Kündigung nicht nur in irgendeiner Weise auch ursächlich und nicht nur deren äußerer Anlass, sondern für die Kündigung der tragende Beweggrund, d.h. das wesentliche Motiv gewesen ist. Wenn der Kündigungsentschluss des Arbeitgebers nicht nur wesentlich, sondern ausschließlich durch die zulässige Rechtsverfolgung des Arbeitnehmers bestimmt gewesen ist, dann deckt sich das Motiv des Arbeitgebers mit dem objektiven Anlass zur Kündigung. Es ist dann unerheblich, ob die Kündigung auf einen anderen Kündigungssachverhalt hätte gestützt werden können, weil sich ein möglicherweise vorliegender anderer Grund auf den Kündigungsentschluss nicht kausal ausgewirkt hat und deswegen als bestimmendes Motiv für die Kündigung ausscheidet (BAG; Urteil vom 02.04.1987, 2 AZR 227/86, Rd. 26, juris).
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bb) Wie oben ausgeführt, hat die Beklagte durchgehend vorgetragen, sie habe das zu diesem Zeitpunkt gerade zwei Wochen bestehende Arbeitsverhältnis in der Wartezeit kündigen wollen, nachdem sie den Eindruck gewonnen hatte, dass der Kläger als Sicherheitsmitarbeiter nicht geeignet sei. Irrelevant ist in diesem Zusammenhang, wenn der Kläger der Behauptung der Beklagten, er sei „ungepflegt“ gewesen, entgegentritt. Die Einschätzung, ob eine Person gepflegt oder ungepflegt ist, ist eine subjektive und kann sich in der jeweiligen Wahrnehmung unterscheiden. Dasselbe gilt für die Frage, ob Zeitung lesen für einen Kunden deutlich sichtbar ist oder nicht. Dass die Beklagte diese Ausführungen erst in der Berufung gemacht hat, ist nicht geeignet an ihrem Wahrheitsgehalt Zweifel aufkommen zu lassen. Der Kläger hat den Verstoß gegen § 612a BGB ebenso wie den gegen § 20 Abs. 1 BetrVG erstmalig im Schriftsatz vom 08.11.2024, beim Arbeitsgericht eingegangen am 11.11.2024 und damit 2 Tage vor der Kammerverhandlung am 13.11.2024 erhoben. Vor diesem Zeitpunkt waren Ausführungen zur Motivlage der Beklagten nicht veranlasst.
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g) Darüber hinaus beruft sich der Kläger treuwidrig (§ 242 BGB) auf die Unwirksamkeit der Kündigung im Zusammenhang mit seiner Mail vom 20.03.2024.
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aa) Es ist mit Treu und Glauben iSv § 242 BGB nicht vereinbar, eine unredlich erworbene Rechtsposition oder eine formale Rechtsposition im Widerspruch zu den zugrundeliegenden vertraglichen Beziehungen auszunutzen (BAG, Urteil vom 21.09.2017, 2 AZR 865/16, Rd. 36, juris).
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bb) Die Kammer geht davon aus, dass der Kläger nur deshalb am 13.03.2024 eine öffentlich beglaubigte Erklärung über seine Absicht bei der Beklagten einen Betriebsrat zu gründen abgegeben hat und die Beklagte durch Mail vom 20.03.2024 über seine Absicht einen Betriebsrat zu gründen informiert hat, um eine Kündigung in der Wartezeit zu verhindern bzw. eine für ihn lukrative Beendigungslösung zu erreichen.
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Die Kammer lässt sich dabei von folgenden Erwägungen leiten:
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(1) Der Kläger hat am 07.03.2024 seine Arbeit bei der Beklagten aufgenommen. Weniger als eine Woche später hat er von einer Notarin die Erklärung beglaubigen lassen, dass er die Errichtung eines Betriebsrats bei der Beklagten beabsichtigt. Da Notartermine – wie allgemein bekannt – einen gewissen zeitlichen Vorlauf benötigen, muss er mehr oder weniger zum Zeitpunkt seiner Arbeitsaufnahme schon einen entsprechenden Termin vereinbart haben. Zu diesem Zeitpunkt konnte er noch nicht wissen, ob bei der Beklagten ein Betriebsrat besteht. Soweit er vorträgt, er habe sich schon vor der notariellen Beglaubigung bei einer Mehrzahl von Kolleginnen und Kollegen nach der Existenz eines Betriebsrats erkundigt, ist dies irrelevant. Der Kläger trägt weder vor wann er sich bei wem erkundigt haben will, noch was das Ergebnis seiner Erkundigungen gewesen ist. Dass er weder zum Zeitpunkt der Terminvereinbarung noch zum Zeitpunkt des Notartermins Kenntnis von der Existenz/Nichtexistenz eines Betriebsrats hatte, wird bestätigt durch den Inhalt der E-Mail vom 20.03.2024 in der er gegenüber dem Mitarbeiter der Beklagten, Herrn J. zunächst einen Termin für Donnerstag den 21.03.2024 um 10:00 Uhr bestätigt, sich im Anschluss nach der Existenz eines Betriebsrates erkundigt, um die Mitteilung des oder der Vorsitzenden bittet und erst im Anschluss im Konjunktiv formuliert „sollte zur Zeit kein Betriebsrat existieren, beabsichtige ich dessen Gründung“. Der Kläger wusste somit am 20.03.2024 noch nicht, ob bei der Beklagten ein Betriebsrat besteht oder nicht. Trotzdem hat er schon eine Woche vorher eine Absichtserklärung notariell beurkunden lassen, was notabene auch einen Gebührentatbestand ausgelöst hat. Und er hat dann vor Wahrnehmung des Termins am 21.03.2024 die Mail vom 20.03.2024 übersandt.
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(2) Der Kläger hat sodann nach Ausspruch der Kündigung innerhalb von drei Wochen Klage eingereicht, diese jedoch zunächst nicht begründet. In der Begründung vom 07.05.2024 hat er sodann zwar auf seine E-Mail vom 20.03.2024 verwiesen, die Unwirksamkeit der Kündigung jedoch lediglich auf die behaupteten fehlenden Unterschriften gestützt. Auch im Rahmen der Klageerweiterung vom 29.08.2024 hat er zwar weiterhin Interesse an der Initiierung einer Betriebsratswahl bei der Beklagten bekundet, jedoch keinen betriebsverfassungsrechtlichen Kündigungsschutz erwähnt. Erst durch Schriftsatz vom 15.10.2024 d. h. zu einem Zeitpunkt zu dem sowohl die Schutzfrist des § 15 Abs. 3b S.2 KSchG als auch die Wartefrist des § 1 Abs. 1 KSchG abgelaufen war, hat er sich auf den Sonderkündigungsschutz aus dem Betriebsverfassungsgesetz berufen. Er hat dadurch dafür gesorgt, dass sich die Beklagte „in Sicherheit wiegt“ und keine weitere Kündigung ausspricht. Einen Grund für dieses Verhalten – außer dem, dass er es durfte – hat der Kläger nicht genannt.
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(3) Nicht maßgeblich, jedoch verstärkend ist das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit Nachfragen zu anderweitigem Verdienst während des von ihm für April 2024 geltend gemachten Annahmeverzugslohns zu berücksichtigen. Der Kläger hat für April 2024 vollen Annahmeverzug eingeklagt. Er hat nach ausdrücklicher Aufforderung durch die Beklagte sich zum Bezug von Arbeitslosengeld zu äußern keine Erklärung abgegeben, sondern sich darauf zurückgezogen zu behaupten, die Beklagte habe in diesem Fall eine Überleitungsanzeige der Bundesagentur für Arbeit erhalten müssen und es bestehe aufgrund der Leistung der Beklagten nach der arbeitsgerichtlichen Verurteilung kein Rechtsschutzbedürfnis an einer solchen Auskunft. Auf die Aufforderung der Beklagten Auskunft über anderweitige Einkünfte zu geben, hat sich der Kläger zunächst dahingehend eingelassen, er habe keine Einkünfte aus selbstständiger oder nichtselbstständiger Arbeit gehabt. Auf Vorhalt der Beklagten, er habe beginnend am 15.04.2024 ein Arbeitsverhältnis begründet und in diesem auch Entgelt erhalten, wollte der Kläger zunächst keine sofortige Stellungnahme abgeben. Nach Hinweis des Gerichts, dass er aufgrund eigener Kenntnisse dazu Erklärungen machen müsse, führte er aus, er habe in diesem Arbeitsverhältnis Schicht gearbeitet, wisse im Moment nicht wann er wofür in welcher Höhe vergütet worden sei und aufgrund von Schichtarbeit sei dieser Verdienst möglicherweise nicht anrechenbar. Auf den weiteren Hinweis der Beklagten hin, dass es sich um ein Vollzeitarbeitsverhältnis gehandelt habe, das anteilig mit 1.281,41 € brutto vergütet worden sei, gab der Kläger wiederum keine Stellungnahme ab, sondern beantragte Schriftsatzfrist. Dieses Verhalten lässt insgesamt nur den Schluss zu, dass der Kläger auch in diesem Zusammenhang versucht die Beklagte möglichst weit und möglichst lang im Unklaren darüber zu lassen, dass die von ihm geltend gemachten Ansprüche vermutlich nicht im vollen Umfang bestehen.
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2. Aufgrund der Wirksamkeit der Kündigung zum 28.03.2024 hat der Kläger keine Vergütungsansprüche für den Zeitraum vom 29.03.2024 bis 30.04.2024. Die Berufung ist insoweit ebenfalls begründet.
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3. Unbegründet ist die Berufung, soweit das Arbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung von 366.- € brutto verurteilt hat.
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Das Arbeitsgericht hat zurecht entschieden, dass der Kläger für den Zeitraum vom 07.03.2024 bis zum 28.03.2024 einen Differenzlohnanspruch von jedenfalls 366,- € brutto hat. Auf die Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen.
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Der Kläger hat unstreitig im o.g. Zeitraum 76 Stunden gearbeitet. Des Weiteren hatte er drei Tage Urlaub, die von der Beklagten mit 22,80 Stunden berechnet wurden. Insgesamt hat er somit Anspruch auf Vergütung für 98,80 Stunden für geleistete Arbeit bzw. Urlaubsvergütung. Bei einem unstreitigen Stundenlohn von 17,29 € brutto inklusive Zulage ergibt dies einen Anspruch von 1.708,25 € brutto. Unstreitig hat die Beklagte 1.581,05 € an den Kläger bezahlt. Bleibt eine Differenz von 127,20 € brutto. Darüber hinaus hatte er Anspruch auf Beschäftigung. Soweit die Beklagte hier ohne weitere Ausführungen auf den Dienstplan verweist und daraus ableiten will, dass keine weiteren Ansprüche bestehen, erschließt sich dies nicht. Auch der pauschale Verweis auf Ansprüche, die der Kläger für die Monate Februar und März 2023 gegen einen ehemaligen Arbeitgeber tituliert haben soll, ist nicht geeignet die Berufung zu begründen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG, § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.
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Die Revision wird für den Kläger hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags zugelassen, da entscheidungserhebliche Rechtsfragen insbes. zu § 15 Abs. 3b KSchG grundsätzliche Bedeutung haben.
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Für die Beklagte wird die Revision nicht zugelassen.