Inhalt

VGH München, Beschluss v. 20.08.2025 – 7 CE 25.1263
Titel:

Einstweilige Anordnung, Presserechtlicher Auskunftsanspruch, Name des Verteidigers eines Beschuldigten in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, Mandantengeheimnis, Persönlichkeitsrechte, Nichtöffentlichkeit des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens, Abwägung im Einzelfall

Normenketten:
VwGO § 123
BayPrG Art. 3
GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 5 Abs. 1 S. 2
StPO § 160
GVG § 169
BRAO § 43a Abs. 2 S. 1
BayPrG Art. 4
GG Art. 2 Abs. 1
Schlagworte:
Einstweilige Anordnung, Presserechtlicher Auskunftsanspruch, Name des Verteidigers eines Beschuldigten in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, Mandantengeheimnis, Persönlichkeitsrechte, Nichtöffentlichkeit des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens, Abwägung im Einzelfall
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 18.06.2025 – M 10 E 25.3465
Fundstelle:
BeckRS 2025, 20973

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro fest-gesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller macht als Journalist und Redakteur für die Zeitung „B.“ im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes einen presserechtlichen Auskunftsanspruch gegenüber dem Antragsgegner geltend.
2
Laut polizeilicher Pressemitteilung vom 15. Mai 2025 nahm die Polizei am 14. Mai 2025 einen 29-jährigen Mann in der Stadt M. fest, der im Rahmen einer polizeilichen Personenkontrolle angegeben hatte, am Abend zuvor einen Mann in dessen Wohnung im Stadtteil F. lebensgefährlich verletzt zu haben. Wenig später wurde in der betreffenden Wohnung – so in der Pressemitteilung weiter – der 59-jährige Wohnungsinhaber tot aufgefunden.
3
Am 15. Mai 2025 luden die Staatsanwaltschaft M. und das Polizeipräsidium M. Journalisten zu einer Pressekonferenz, in der über die Festnahme des 29-jährigen Tatverdächtigen wegen eines vollendeten Tötungsdelikts informiert und der aktuelle Stand der Ermittlungen bekannt gegeben wurde.
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Einen Tag später bat der Antragsteller die Pressestelle der Staatsanwaltschaft M. unter Berufung auf eine Entscheidung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 7. April 2025 – 3 Bs 20/25 – (juris) per E-Mail um Auskunft, wie der Anwalt des Tatverdächtigen heiße, der im Stadtteil F. einen 59-jährigen Mann getötet haben soll.
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Die Pressestelle der Staatsanwaltschaft M. verweigerte mit E-Mail vom 19. Mai 2025 die vom Antragsteller begehrte Auskunft. Die Namen von Verteidigern in laufenden Ermittlungsverfahren würden nicht mitgeteilt, da die Entscheidung, welchen Verteidiger sich ein Beschuldigter nehme, Teil des Mandantengeheimnisses sei, das nicht durch Justizpressesprecher gelüftet werden dürfe. Der Justitiar des Verlags, bei dem der Antragsteller tätig ist, verlangte daraufhin im Namen des Antragstellers am gleichen Tag erneut die Erteilung der begehrten Auskunft bis 20. Mai 2025, 12 Uhr. Eine Reaktion der Pressestelle der Staatsanwaltschaft M. erfolgte hierauf nicht.
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Am 6. Juni 2025 suchte der Antragsteller um einstweiligen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht nach und beantragte, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Auskunft über folgende Frage zu geben: „Wer ist der Strafverteidiger des Beschuldigten, der am 13. Mai 2025 im Stadtteil F. einen 59-jährigen Mann getötet haben soll?“
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Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 18. Juni 2025 ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Recht zur Auskunftsverweigerung des Antragsgegners nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG bestehe, da die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht des § 43a Abs. 2 Satz 1 BRAO betroffen sei. Im vorliegenden Einzelfall überwiege der verfassungsrechtlich verbürgte Schutz der rechtsstaatlichen Rechtspflege in seiner konkreten, einfachrechtlichen Ausformung durch das Mandantengeheimnis in § 43a Abs. 2 Satz 1 BRAO die ebenfalls grundrechtlich geschützte Pressefreiheit und den damit einhergehenden Anspruch aus Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayPrG, zumal dem Interesse der Öffentlichkeit bereits durch eine Pressemitteilung des Polizeipräsidiums M. und einer von Polizei und Staatsanwaltschaft veranstalteten Pressekonferenz Rechnung getragen worden sei. Mit dem Aspekt des Mandantengeheimnisses habe sich die vom Antragsteller für seinen Auskunftsanspruch in Bezug genommene Entscheidung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts nicht auseinandergesetzt.
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Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, entgegen der Feststellung des Verwaltungsgerichts sei ein Anordnungsanspruch für die begehrte Auskunft gegeben. Die Verschwiegenheitspflicht gemäß § 43a Abs. 2 Satz 1 BRAO stelle keinen Grund für die Auskunftsverweigerung dar. Sie schütze nur den Mandanten; ein Geheimhaltungsinteresse des beauftragten Rechtsanwalts bestehe hingegen nicht. § 43a Abs. 2 Satz 1 BRAO betreffe das bilaterale Verhältnis von Rechtsanwalt und Mandant. Der Antragsgegner sei nicht Teil dieses Verhältnisses und insofern auch nicht Adressat der Norm. Im Übrigen schränke die Offenlegung des Namens des Pflichtverteidigers das von § 43a Abs. 2 Satz 1 BRAO mitgeschützte Interesse der Allgemeinheit an einer rechtsstaatlichen Rechtspflege nicht ein. Da ausschließlich der Name des Strafverteidigers begehrt werde, bleibe das Mandatsverhältnis auch bei Erteilung der begehrten Auskunft geschützt. Ziel des Auskunftsantrags sei lediglich die Möglichkeit einer Kontaktaufnahme der Presse mit dem Strafverteidiger. Eine solche betreffe weder das Mandatsverhältnis noch das Interesse an einer rechtsstaatlichen Rechtspflege. Eine Kontaktaufnahme der Presse mit dem Pflichtverteidiger stärke vielmehr das Vertrauen der Allgemeinheit in eine rechtsstaatliche Rechtspflege, indem neben der sich aus der Pressemitteilung und der Pressekonferenz ergebenden Perspektive der Strafverfolgungsbehörden eine andere eingenommen und unter Berücksichtigung der journalistischen Sorgfaltspflicht vor einer Verdachtsberichterstattung eine Anhörung des Beschuldigten ermöglicht werde. Zudem überwiege das verfassungsrechtlich besonders geschützte Informationsinteresse des Antragstellers das Mandantengeheimnis selbst bei Unterstellung seiner Betroffenheit. Die Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts gelte entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht uneingeschränkt, was auch aus § 2 Abs. 3 BORA folge, sondern sei im Rahmen der Interessenabwägung der auskunftsverpflichteten Stelle zu berücksichtigen. Dabei sei – im Unterschied zum besonderen Informationsinteresse der Allgemeinheit und des Antragstellers – die Verschwiegenheitspflicht, wenn man sie überhaupt annehme, allenfalls von geringem Gewicht betroffen. Es gehe um die isolierte Offenlegung des Namens des Pflichtverteidigers ohne Nennung des Namens des Mandanten und ohne Informationen zum konkreten Ermittlungsverfahren oder zum Inhalt des Mandats an sich. Darüber hinaus liege auch ein Anordnungsgrund vor, da der dafür nötige Gegenwartsbezug und das öffentliche Interesse gegeben seien.
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Der Antragsteller beantragt,
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den Beschluss des Verwaltungsgerichts aufzuheben und dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, dem Antragsteller Auskunft zu der Frage zu geben: „Wer ist der Strafverteidiger des Beschuldigten, der am 13. Mai 2025 im Stadtteil F. einen 59-jährigen Mann getötet haben soll?“
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Der Antragsgegner beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Es fehle schon an einem Anordnungsgrund, da ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein starker Gegenwartsbezug bezüglich der Berichterstattung nicht glaubhaft gemacht worden seien. Ebenso liege kein Anordnungsanspruch vor. Die begehrte Auskunft sei im Hinblick auf das Mandantengeheimnis zu Recht verweigert worden. Die Wahrung des Berufsgeheimnisses beschränke sich nicht nur auf das Individualinteresse des Mandanten, sondern habe zudem Gemeinwohlbezug. Die Rechtsgemeinschaft als Ganzes müsse vor Eingriffen in die Geheimsphäre geschützt sein, zu der auch der Name eines Strafverteidigers gehöre. Durch die begehrte Auskunft würde das Auskunftsverweigerungsrecht des Strafverteidigers ins Leere laufen. Hinzu komme, dass die Wahl eines bestimmten Verteidigers Rückschüsse auf den schutzwürdigen Mandanten zulassen könne. Auch wenn die Staatsanwaltschaft nicht Adressat von § 43a BRAO sei, habe sie den gesetzlichen Schutz des Mandantengeheimnisses, dem herausragende Bedeutung zukomme, im Rahmen der Abwägung, ob die beantragte Auskunft erteilt werden könne, zu beachten. Das Mandantengeheimnis überwiege das Auskunftsinteresse des Antragstellers, zumal dem Interesse der Öffentlichkeit durch die Pressemitteilung und die Pressekonferenz genüge getan worden sei.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
II.
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Die Beschwerde des Antragstellers, mit der er im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VwGO die Verpflichtung des Antragsgegners begehrt, ihm Auskunft zu der Frage zu erteilen, wer der Strafverteidiger des Beschuldigten ist, der am 13. Mai 2025 im Stadtteil F. einen 59-jährigen Mann getötet haben soll, hat keinen Erfolg. Die vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründe, auf die sich die Prüfung des Verwaltungsgerichtshofs beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des angefochtenen Beschlusses. Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch des Antragstellers auf Erteilung der verlangten Auskunft zu Recht verneint.
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A. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn dies nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Dabei hat der Antragsteller sowohl die Dringlichkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) als auch das Bestehen des zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO).
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Die vorliegend im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes begehrte Auskunft führt zu einer Vorwegnahme der Hauptsache, die sich mit der Erteilung der Auskunft erledigt. Eine Vorwegnahme der Hauptsache steht einer Anordnung nach § 123 VwGO dann nicht entgegen, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes geboten ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist (BVerwG, U.v. 18.4.2013 – 10 C 9.12 – juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 18.3.2020 – 7 CE 19.2143 – juris Rn. 16).
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B. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, dass ein Anordnungsanspruch des Antragstellers für das Auskunftsverlangen aus Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayPrG nicht mit dem erforderlichen hohen Grad an Wahrscheinlichkeit besteht.
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Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayPrG hat die Presse gegenüber Behörden ein Recht auf Auskunft. Als Journalist und Redakteur einer Zeitung der A. S. Deutschland GmbH kann sich der Antragsteller gegenüber der Pressestelle der Staatsanwaltschaft M. auf diese Bestimmung berufen (vgl. Art. 4 Abs. 1 Satz 2, Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG). Entgegen der Auffassung des Antragstellers war die Behörde vorliegend jedoch berechtigt, die begehrte Auskunft zu verweigern. Im Ergebnis kann dabei dahinstehen, ob die begehrte Information vom Auskunftsanspruch des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayPrG überhaupt umfasst ist (1.). Denn die Staatsanwaltschaft M. durfte die Herausgabe des Namens des Strafverteidigers jedenfalls aufgrund von Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG wegen bestehender Verschwiegenheitspflichten verweigern (2.). Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Vortrag des Antragstellers, die Verweigerung der Auskunft verletze Art. 5 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 10 EMRK (3.).
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1. Da das Auskunftsverlangen nach den Ausführungen des Antragstellers im Ergebnis darauf gerichtet ist, eine Kontaktaufnahme zu dem Beschuldigten zu ermöglichen, der am 13. Mai 2025 einen Mann getötet haben soll, ist bereits fraglich, ob die Offenlegung des Namens seines Strafverteidigers von Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayPrG umfasst ist.
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Zum Schutzbereich der Pressefreiheit gehört ein Recht auf Eröffnung einer Informationsquelle ebenso wenig wie zu dem der Rundfunk- oder Informationsfreiheit. Ein gegen den Staat gerichtetes Recht auf Zugang besteht nur in den Fällen, in denen eine im staatlichen Verantwortungsbereich liegende Informationsquelle aufgrund rechtlicher Vorgaben zur öffentlichen Zugänglichkeit bestimmt ist, der Staat den Zugang aber in nicht hinreichender Weise eröffnet (vgl. BVerfG, U.v. 19.12.2007 – 1 BvR 620/07 – juris Rn. 28 zur Zulässigkeit von Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal außerhalb der strafgerichtlichen Hauptverhandlung).
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Hiervon ausgehend ist zweifelhaft, ob die streitgegenständliche Frage „Wer ist der Strafverteidiger des Beschuldigten, der am 13. Mai 2025 im Stadtteil F. einen 59-jährigen Mann getötet haben soll?“ ein von Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayPrG geschütztes Auskunftsverlangen umfasst. Denn die begehrte Auskunft dient nach den Angaben des Antragstellers nicht primär dazu, über den Strafverteidiger, dessen Namen er genannt haben möchte, zu recherchieren und/oder zu berichten. Insoweit will er die verfassungsrechtlich geschützte Informations- und Kontrollfunktion der Presse nicht wahrnehmen. Vielmehr soll der Strafverteidiger als „Informant“ oder „Mittelsmann“ dienen, weil über ihn eine Kontaktaufnahme mit dem Beschuldigten ermöglicht werden soll, um weitere Informationen über die Tat und deren nähere Umstände zu erfahren. Damit dient das streitgegenständliche Auskunftsverlangen primär dazu, eine im staatlichen Verantwortungsbereich liegende Informationsquelle zu eröffnen. Da sich das vorliegende Strafverfahren noch im Stadium des nicht-öffentlichen Ermittlungsverfahrens befindet, die Informationsquelle demnach gerade nicht aufgrund rechtlicher Vorgaben zur öffentlichen Zugänglichkeit bestimmt ist, dürfte ein gegen den Antragsgegner gerichtetes Recht auf Zugang ausgeschlossen sein.
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2. Letztlich bedarf diese Frage keiner abschließenden Entscheidung. Denn die Erteilung der vom Antragsteller begehrten Auskunft durfte jedenfalls nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG wegen bestehender Verschwiegenheitspflichten verwehrt werden.
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Gemäß Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG darf die von der Presse geforderte Auskunft nur verweigert werden, soweit auf Grund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften eine Verschwiegenheitspflicht besteht. Verschwiegenheitspflichten können sich aus Geheimhaltungsvorschriften oder auch daraus ergeben, dass die Beantwortung einer Anfrage Grundrechte Dritter, etwa das allgemeine Persönlichkeitsrecht bzw. das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) berührt. Die widerstreitenden Interessen und Grundrechtspositionen sind in einen angemessenen Ausgleich zu bringen; dabei bedarf es einer – gerichtlich vollständig überprüfbaren (vgl. VGH BW, B.v. 4.8.2017 – 1 S 1307/17 – juris Rn. 20) – Abwägung durch die auskunftsverpflichtete Stelle, ob dem grundrechtlich durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Informationsinteresse der Presse oder bestehenden Verschwiegenheitspflichten der Vorzug zu geben ist (vgl. zur Abwägung im Rahmen des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG: BVerwG, U.v. 8.7.2021 – 6 A 10.20 – juris Rn. 20 f.; U.v. 18.9.2019 – 6 A 7.18 – juris Rn. 13 m.w.N. und zum landesrechtlichen Auskunftsanspruch: BayVGH, B.v. 19.8.2020 – 7 CE 20.1822 – juris Rn. 15 f.; B.v. 14.5.2012 – 7 CE 12.370 – juris Rn. 13; Söder in Gersdorf/Paal, Informations- und Medienrecht, Stand 1.5.2021, Art. 4 BayPrG Rn. 16). Bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen kommt es insbesondere darauf an, wie hoch einerseits das öffentliche Informationsinteresse an der begehrten Auskunft zu bewerten und wie stark andererseits der Eingriff in gegenläufige Rechtspositionen durch die Offenlegung der begehrten Informationen zu gewichten ist. Je geringer der Eingriff in Geheimhaltungsinteressen ist, desto geringere Anforderungen sind an das Informationsinteresse der Allgemeinheit zu stellen; je intensiver und weitergehend die begehrte Auskunft reicht, desto gewichtiger muss das öffentliche Informationsinteresse sein (vgl. BVerfG, U.v. 5.6.1973 – 1 BvR 536/72 – juris Rn. 63 ff.; VGH BW, B.v. 10.5.2011 – 1 S 570/11 – juris Rn. 9).
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Dies zugrunde gelegt hat der Antragsgegner das streitgegenständliche Auskunftsverlangen des Antragstellers unter Berufung auf Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG zu Recht abgelehnt. Dem Antragsteller ist zwar insoweit zuzugeben, dass Geheimhaltungsinteressen nicht abwägungsfest sind (vgl. BVerwG, U.v. 18.9.2019 – 6 A 7.18 – juris Rn. 20) und damit insbesondere der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nicht per se einem presserechtlichen Auskunftsverlangen entgegensteht oder diesem vorgeht. Wie die Pressemitteilung vom 15. Mai 2025 und die Pressekonferenz vom gleichen Tag zeigen, sind hiervon jedoch auch Staatsanwaltschaft und Polizei nicht ausgegangen. Dennoch ist vorliegend nicht zu beanstanden, dass die Staatsanwaltschaft dem streitgegenständlichen Auskunftsersuchen nach Abwägung der gegenläufigen Interessen nicht nachgekommen ist. Auch im Beschwerdeverfahren hat der Antragsteller die Richtigkeit der staatsanwaltschaftlichen Einschätzung nicht durchgreifend in Frage gestellt, dass im Stadium des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens schutzwürdige Interessen des betroffenen Strafverteidigers und seines Mandanten sowie das Geheimhaltungsinteresse der Allgemeinheit das Interesse des Antragstellers überwiegen, als Vertreter der Presse den Namen des betreffenden Strafverteidigers zu erlangen.
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a. Die aus der Nichtöffentlichkeit des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sowie aus § 43 Abs. 2 Satz 1 BRAO folgenden Geheimhaltungsinteressen des betroffenen Strafverteidigers, seines Mandanten sowie der Allgemeinheit sind vorliegend von besonders hohem Gewicht.
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Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren (§ 160 StPO) ist durch die Strafprozessordnung grundsätzlich nicht öffentlich, sondern geheim ausgestaltet. Dies wirkt sich auch auf die Weitergabe von Informationen zu diesem Verfahren aus. So kann den Beschuldigten und Verfahrensbeteiligten anderer Art lediglich unter den Voraussetzungen von §§ 147, 385 Abs. 3, § 397 Abs. 1, §§ 406e, 433 StPO Akteneinsicht gewährt werden.
Privatpersonen und sonstige Stellen haben nur unter den Maßgaben des § 475 StPO Auskunfts- und Akteneinsichtsrechte (vgl. Hölscher/Jacobs in Dölling/Duttge/Rössner, Gesamtes Strafrecht, 5. Aufl. 2022, § 475 Rn. 1). Das Ermittlungsverfahren dient der Klärung eines Verdachts (§ 152 Abs. 2, § 160 Abs. 1 und 2 StPO), weshalb es in seiner Natur liegt, dass es nicht von Beginn an „offen“, d.h. unter Bekanntgabe aller ermittelten oder auch nur den Anfangsverdacht begründenden Tatsachen geführt werden kann. Sachverhaltserforschung und Wahrheitsfindung als zentrale Anliegen des gesamten Strafverfahrens würden sonst von vornherein regelmäßig untragbaren Erschwernissen und Verdunkelungsmöglichkeiten ausgesetzt (vgl. BVerfG, B.v. 8.11.1983 – 2 BvR 1138/83 – juris Rn. 5). Den Grundsatz der Öffentlichkeit hat der Gesetzgeber in § 169 GVG ausdrücklich und ausschließlich für Gerichtsverhandlungen vorgesehen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass der Gesetzgeber hinsichtlich des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens von dessen Nichtöffentlichkeit ausgeht und eine identifizierende Berichterstattung im Gegensatz zur Hauptverhandlung gerade ausschließen will (vgl. Fischer, Die Medienöffentlichkeit im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, Diss. Jur. Berlin 2014, S. 53 f.).
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Der Ausschluss der Öffentlichkeit dient dem Schutz der Beschuldigteninteressen, der Unbefangenheit und den Persönlichkeitsinteressen der sonstigen Verfahrensbeteiligten sowie der ungestörten Ermittlung durch die Staatsanwaltschaft (vgl. Fischer, a.a.O.; OVG Hamburg, B.v. 7.4.2025 – 3 Bs 20/25 – juris Rn. 25 mit Verweis auf Birklbauer/Weiss, JRP 2021, 275/276). Vor diesem Hintergrund weist der Antragsgegner zu Recht darauf hin, dass im Stadium des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens, in dem es um eine lediglich verdachtsbasierte Sachverhaltsaufklärung geht, die Staatsanwaltschaft in die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten nur insoweit eingreifen darf, wie es zum Zweck der Strafverfolgung nötig ist. Damit ist auch die Pflicht zu einem besonders behutsamen Umgang mit ihren Personendaten verbunden.
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Die gesetzgeberische Entscheidung für ein nicht-öffentliches Ermittlungsverfahren bewirkt im Rahmen der Abwägung zwischen den Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen sowie der Allgemeinheit auf der einen und dem Informationsinteresse von Presse und Öffentlichkeit auf der anderen Seite eine Vermutung für den Vorrang des Persönlichkeitsschutzes. In Kenntnis der Kollision zwischen dem Geheimhaltungsinteresse und dem Informationsinteresse hat sich der Gesetzgeber entschieden, die tradierte Unterteilung zwischen öffentlicher Hauptverhandlung und nicht-öffentlichen sonstigen Verfahrensschritten beizubehalten (vgl. Trüg, NJW 2011, 1040/1043 f.). Das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitete Persönlichkeitsrecht bzw. das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Strafverteidigers, das ihm selbst die Entscheidung über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten einräumt (vgl. BVerfG, U.v. 15.12.1983 – 1 BvR 209/83 – juris Rn. 146, 149), genießt damit im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, dessen Beteiligter er als unabhängiges Organ der Rechtspflege (§§ 1 und 3 BRAO) ist, besonderes, grundsätzlich höheres Gewicht als das Interesse von Öffentlichkeit und Presse an der Kundgabe seines Namens. Hinzu kommt, dass der Strafverteidiger als Organ der Rechtspflege ein schutzwürdiges Interesse daran hat, ungestört von Presseanfragen seinen Pflichten im Ermittlungsverfahren nachgehen zu können. Soweit das vom Antragsteller in Bezug genommene Hamburgische Oberverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 7. April 2025 – 3 Bs 20/25 – (juris Rn. 36 ff.) die Rechte des Strafverteidigers als lediglich in der durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht wenig geschützten Sozialsphäre berührt ansieht, bleibt unberücksichtigt, dass der Strafverteidiger vorliegend seine berufliche Tätigkeit in einem nicht-öffentlichen Ermittlungsverfahren wahrnimmt, das im Grundsatz – auch im Interesse der Allgemeinheit – gerade auf die Wahrung der Anonymität aller Beteiligten ausgelegt ist.
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Anders als der Antragsteller meint, ist zu Lasten des Informationsinteresses von Presse und Öffentlichkeit darüber hinaus zu berücksichtigen, dass der begehrte Name des Strafverteidigers unter das in § 43a Abs. 2 Satz 1 BRAO normierte Mandantengeheimnis fällt. Mit diesem Aspekt hat sich das Hamburgische Oberverwaltungsgericht in seiner vorgenannten Entscheidung nicht auseinandergesetzt. Ist bereits die Anbahnung und Ablehnung eines Mandats sowie der Umstand, dass überhaupt ein Anwalt aufgesucht wird, von § 43a Abs. 2 Satz 1 BRAO erfasst (vgl. Praß in Römermann, BeckOK BRAO, Stand 1.8.2022, § 43a Rn. 62.1), muss dies auch für den Namen des Strafverteidigers gelten und zwar unabhängig davon, ob dieser Pflicht- oder Wahlverteidiger ist. Hierauf hat das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen. Das Gebot der Verschwiegenheit zählt zu den tragenden Säulen des Anwaltsberufs. Die strikte Verschwiegenheit ist die unerlässliche Basis des Vertrauensverhältnisses zwischen Rechtsanwalt und Mandant (vgl. Bauckmann in Weyland, Bundesrechtsanwaltsordnung, 11. Aufl. 2024, § 43a Rn. 12 m.w.N.). Das Verwaltungsgericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass die statusbildende Grundpflicht des Rechtsanwalts zur Verschwiegenheit den Mandanten schützt. Sie stellt sicher, dass sich der Mandant darauf verlassen kann, dass der Rechtsanwalt mandatsbezogene Informationen ohne sein Einverständnis Dritten gegenüber nicht offenbart (vgl. OVG NRW, B.v. 13.11.2023 – 15 B 1053/22 – juris Rn. 31). Die Regelungen in § 43a Abs. 2 und § 2 BRAO beruhen auf der Erkenntnis, dass der Rechtsanwalt seine Tätigkeit nur wirkungsvoll wahrnehmen kann, wenn der jeweilige Mandant ihm Vertrauen schenkt (vgl. Bauckmann in Weyland, BRAO a.a.O.). Die so geprägte Tätigkeit des Rechtsanwalts liegt auch im Interesse der Allgemeinheit an der rechtsstaatlichen Rechtspflege, für die eine anwaltliche Verschwiegenheit unerlässlich ist (vgl. BVerfG, U.v. 30.4.2004 – 2 BvR 1520/01 – juris Rn. 101; OVG Berlin-Bbg, B.v. 20.12.2019 – OVG 6 S 58.19 – juris Rn. 16; Praß in Römermann, BeckOK BRAO, Stand 1.8.2022, § 43a Rn. 32).
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Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren kommt dem Vertrauensverhältnis zwischen Beschuldigtem und Verteidiger besondere Bedeutung zu. Der Beschuldigte muss sich während des gesamten Strafverfahrens darauf verlassen können, dass er seinem Verteidiger uneingeschränkt vertrauen kann. Auch für die Arbeit des Strafverteidigers ist ein ungestörtes Vertrauensverhältnis unverzichtbar. In Anbetracht der möglichen Folgen, die ein gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen Beschuldigtem und Verteidiger auch für die Arbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft während des Ermittlungsverfahrens haben kann, liegt es zudem im öffentlichen Interesse, Störungen des Vertrauensverhältnisses auch in diesem Stadium zu vermeiden. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist dabei nicht maßgeblich, dass unmittelbarer Adressat des § 43a Abs. 2 Satz 1 BRAO unzweifelhaft der Rechtsanwalt und nicht die nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayPrG auskunftsverpflichtete Stelle ist. Wie beispielsweise auch das Steuergeheimnis (§ 30 AO) hat die Staatsanwaltschaft ebenso die Geheimhaltungsvorschrift des § 43a Abs. 2 Satz 1 BRAO im Rahmen ihrer Abwägungsentscheidung zu beachten, sobald sie anlässlich eines strafrechtlichen nicht-öffentlichen Ermittlungsverfahrens (zwangsläufig) den unter § 43a Abs. 2 Satz 1 BRAO fallenden Namen des Strafverteidigers des Beschuldigten erfährt (vgl. zur „Beachtenspflicht“ von Berufsgeheimnissen im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes OVG Berlin-Bbg, B.v. 20.12.2019 – OVG 6 S 58.19 – juris Rn. 16). Das Mandantengeheimnis könnte ansonsten dadurch ausgehebelt werden, dass Strafverfolgungsbehörden Informationen unbegrenzt herausgeben.
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Der Antragsteller dringt nicht mit dem Vortrag durch, die begehrte Kontaktaufnahme mit dem Strafverteidiger beeinträchtige keine privaten oder öffentlichen Belange. Zum einen stellt die Aufdeckung geheimhaltungsbedürftiger Informationen schon für sich genommen eine Beeinträchtigung der Interessen dar, die den Geheimhaltungsvorschriften zugrunde liegen. Zum anderen ist nicht auszuschließen, dass die Presse in einem Stadium, in dem die Beteiligten des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gerade unbehelligt von Öffentlichkeit und Presse tätig werden sollen, versucht, durch eine entsprechende Berichterstattung Einfluss auf den Strafverteidiger zu nehmen, wenn dieser eine Zusammenarbeit mit den Medien ablehnt. Dies kann sowohl die ungestörte Tätigkeit des Strafverteidigers als auch das Vertrauensverhältnis zu seinem Mandanten nachhaltig beeinträchtigen, insbesondere weil nicht auszuschließen ist, dass der begehrte Name des Strafverteidigers an andere Medienvertreter weitergegeben wird und diese dann den Strafverteidiger ebenfalls kontaktieren und/oder über ihn berichten.
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b. Demgegenüber ist im Stadium des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens das vom Antragsteller geltend gemachte gesteigerte Informationsinteresse an der Berichterstattung über das mutmaßliche Kapitalverbrechen geringer zu bewerten als die zuvor aufgezeigten Geheimhaltungsinteressen.
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Der Schutz der Pressefreiheit reicht von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung. Der publizistischen Vorbereitungstätigkeit ist besonderes Gewicht beizulegen (BVerwG, U.v. 1.10.2024 – 6 C 35.13 – juris Rn. 24 m.w.N.). Erst der prinzipiell ungehinderte Zugang zu Informationen versetzt die Presse in den Stand, die ihr in der freiheitlichen Demokratie zukommende Funktion wirksam wahrzunehmen (vgl. BVerfG, B.v. 27.7.2015 – 1 BvR 1452/13 – juris Rn. 14). Sinn und Zweck der daraus folgenden Auskunftspflichten ist es, der Presse zu ermöglichen, umfassend und wahrheitsgetreu Informationen über Geschehnisse von öffentlichem Interesse im staatlichen Bereich zu erhalten und dadurch in die Lage versetzt zu werden, die Öffentlichkeit entsprechend zu unterrichten. Auf diese Weise kann der Staatsbürger zutreffende und umfassende Informationen über tatsächliche Vorgänge und Verhältnisse, Missstände, Meinungen und Gefahren erhalten, die ihm sonst verborgen bleiben würden, die aber Bedeutung für eine abgewogene Beurteilung der für seine Meinungsbildung essenziellen Fragen haben könnten. Erst diese für eine möglichst unverfälschte Erkenntnis notwendige Übersicht über Tatsachen und Meinungen, Absichten und Erklärungen ermöglicht eine eigene Willensbildung und damit die Teilnahme am demokratischen Entscheidungsprozess überhaupt (vgl. BayVGH, B.v. 7.8.2006 – 7 BV 05.2582 – juris Rn. 35).
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Der Inhalt des presserechtlichen Auskunftsanspruchs bestimmt sich durch die Aufgaben, die die Presse erfüllt (vgl. Art. 3 BayPrG). Ihr kommt neben der Informationsfunktion auch eine Kontrollfunktion zu (vgl. BVerfG, B.v. 14.9.2015 – 1 BvR 857/15 – juris Rn. 16). Bei der Recherche und Berichterstattung über ein Strafverfahren reicht der Schutz der Pressefreiheit weiter als in Fällen, in denen die Presse eine Berichterstattung über private Umstände zu Unterhaltungszwecken anstrebt, da staatliche Gewalt – überdies in besonders einschneidender Weise – ausgeübt wird (vgl. BVerwG, U.v. 1.10.2014 – 6 C 35.13 – juris Rn. 26). Straftaten gehören zum Zeitgeschehen, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist. Die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen, begründen grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird umso stärker sein, je mehr sich die Tat in Begehungsweise und Schwere von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt. Bei schweren Gewaltverbrechen ist in der Regel ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Interesse an näherer Information über die Tat und ihren Hergang, über die Person des Täters und seine Motive sowie über die Strafverfolgung anzuerkennen (BVerfG, U.v. 5.6.1973 – 1 BvR 536/72 – juris Rn. 63; B.v. 10.6.2009 – 1 BvR 1107/09 – juris Rn. 18).
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Da die Art und Weise der Informationsbeschaffung der Presse grundrechtlich geschützt ist, darf die Durchsetzung ihres Informationsinteresses nicht von einer staatlichen Inhaltsbewertung des Informationsanliegens abhängig gemacht werden; denn die Presse entscheidet selbst, was sie des öffentlichen Interesses für Wert hält und was nicht (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.2016 – 6 C 65.14 – juris Rn. 18 f.), weshalb jede Art der Selektion der Medien durch die auskunftspflichtigen staatlichen Stellen nach Seriosität und Zuverlässigkeit oder etwa ein Ausschluss der sogenannten Sensationspresse unzulässig wäre (vgl. Soehring in Soehring/Hoene, Presserecht, 6. Aufl. 2019, Rn. 4.33). Es ist Sache der Presse, selbst zu beurteilen, welche Informationen sie benötigt, um ein bestimmtes Thema zum Zweck einer etwaigen Berichterstattung aufzubereiten (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.2016 – 6 C 65.14 – juris Rn. 18 f. m.w.N.).
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Inwieweit der Antragsteller seine mit der Presseauskunft bezweckten Recherche- und Berichtsmöglichkeiten tatsächlich in die Tat umsetzen kann, hängt maßgeblich davon ab, ob der Strafverteidiger und sein Mandant zu Auskünften über das am 13. Mai 2025 Geschehene überhaupt bereit sind. Ein Recht auf Information durch den Strafverteidiger kommt schon angesichts der Verschwiegenheitspflicht aus § 43a Abs. 2 Satz 1 BRAO nicht in Betracht. Unabhängig davon ist es unwahrscheinlich, dass der Antragsteller die vom Strafverteidiger erhofften Informationen überhaupt erhält, um dann – wie geltend gemacht – unter Berücksichtigung von dessen Perspektive bzw. der des Beschuldigten berichten zu können. Denn beide sind bislang nicht im Wege der „Selbstöffnung“ an die Presse herangetreten, auch nicht nach Erscheinen des Artikels in der Ausgabe der „B.“ vom 30. Juni 2025, in dem der Antragsteller zum Ausdruck bringt, mit dem Strafverteidiger bzw. dem Beschuldigten zum Zweck der Berichterstattung in Kontakt treten zu wollen. Deshalb liegt es mehr als nahe, dass der betroffene Strafverteidiger und sein Mandant nicht mit dem Antragsteller in Kontakt treten, sondern im Stadium des Ermittlungsverfahrens in der gesetzlich vorgesehenen Anonymität bleiben wollen.
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Zutreffend hat das Verwaltungsgericht zudem darauf verwiesen, dass das Informationsinteresse der Allgemeinheit in der Phase des Ermittlungsverfahrens auch dann geringer ist, wenn – wie vorliegend – die Strafverfolgungsbehörden bereits mittels Pressemitteilung und Pressekonferenz über die Tat und die wichtigsten Tatumstände berichtet haben. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist hierdurch kein Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Presse, sondern lediglich eine Bewertung des Grades des Öffentlichkeitsinteresses verbunden. Für den Fall einer Anklageerhebung und einem sich anschließenden gerichtlichen Strafverfahren wird das Öffentlichkeitsinteresse an dem Fall erfahrungsgemäß wieder zunehmen. In der Phase des Strafprozesses hat die Presse dann im Hinblick auf den in § 169 Abs. 1 GVG normierten Öffentlichkeitsgrundsatz weitreichende Informationsmöglichkeiten, die eine angemessene Aufgabenerfüllung sicherstellen. Dass der Antragsteller mit der begehrten Auskunft bereits im vorliegenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahren die Kontrollfunktion der Presse, der erst im strafgerichtlichen Verfahren im Hinblick auf § 169 GVG überragende Bedeutung zukommt, wahrnehmen will, hat er nicht substantiiert glaubhaft gemacht.
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Ungeachtet dessen hätte es der Antragsteller im Sinne eines schonenden Interessensausgleichs selbst in der Hand gehabt, die Staatsanwaltschaft zu bitten, dem Strafverteidiger seine Kontaktdaten verbunden mit dem Hinweis zu übermitteln, er wolle Kontakt aufnehmen, um über die Tat und deren Umstände weiter zu recherchieren und zu berichten. Diese naheliegende Möglichkeit, von der er auch weiterhin Gebrauch machen könnte, hat der Antragsteller nach Aktenlage bislang nicht genutzt.
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Anders als der Antragsteller meint, führt die publizistische Sorgfaltspflicht, in Fällen der Verdachtsberichterstattung grundsätzlich vorher mit dem Verdächtigen Kontakt aufzunehmen und von diesem eine Stellungnahme einzuholen, in Fallgestaltungen wie der vorliegenden nicht automatisch unter Außerachtlassung der vorgenannten Geheimhaltungsinteressen zu einem Auskunftsanspruch der Presse. Die grundsätzlich bestehende „Anhörungspflicht“ des Verdächtigen vor einer Verdachtsberichterstattung kann naturgemäß nur zum Zug kommen, wenn der Verdächtige bekannt bzw. kontaktierbar ist.
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c. Der Antragsgegner ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass die Interessen des Strafverteidigers, seines Mandanten sowie der Allgemeinheit an der im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vorgesehenen Anonymität des Strafverteidigers in der Gesamtabwägung das presserechtliche Informationsinteresse des Antragstellers überwiegen. Soweit der Antragsteller diesem Ergebnis entgegenhält, die Pressestelle des Bundesverwaltungsgerichts gebe nach einer entsprechenden Presseanfrage die Namen der Rechtsanwälte von Beteiligten in presserechtlichen, bereits terminierten Verfahren heraus, verkennt er, dass in dem vorliegend streitgegenständlichen Stadium des nicht-öffentlichen Ermittlungsverfahrens andere Maßstäbe gelten als in einem gerichtlichen Verfahren, das vom Grundsatz der Öffentlichkeit (§ 169 GVG) beherrscht wird (vgl. BVerwG, U.v. 1.10.2014 – 6 C 35.13 – juris Rn. 34).
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3. Soweit der Antragsteller im Beschwerdeverfahren in der Auskunftsverweigerung eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 10 EMRK sieht, ist sein Vortrag unsubstantiiert und genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO. Es fehlt an jeglicher Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen (wenn auch kurzen) Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung. Im Übrigen weist das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hin, dass selbst bei Prüfung eines auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und/oder Art. 10 EMRK gestützten Auskunftsanspruchs am Ende eine Abwägungsentscheidung stünde, die aus den vorgenannten Gründen zu keinem anderen Ergebnis führen könnte.
C.
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Da es bereits an einem Anordnungsanspruch fehlt, kann dahinstehen, ob der Antragsteller einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat. Insbesondere muss der Frage nicht weiter nachgegangen werden, inwieweit vorliegend einem Anordnungsgrund entgegensteht, dass es der Antragsteller vor Durchführung des gerichtlichen Eilverfahrens unterlassen hat, seine Kontaktdaten der Staatsanwaltschaft mit der Bitte um Weiterleitung an den Strafverteidiger zu übermitteln.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (2025) – wie Vorinstanz.
45
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).