Titel:
Unzulässige Rechtsausübung, Streitwertfestsetzung, Folgenbeseitigungsanspruch, Prozeßkostenhilfeverfahren, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Verwaltungsgerichte, Einwand der unzulässigen Rechtsausübung, Befähigung zum Richteramt, Rechtsmittelbelehrung, Prozeßbevollmächtigter, Berufungszulassung, Verfahrensmangel, Straßenbaubehörden, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Hinweis auf Vertretungszwang, Gerichtskostengesetz, Tatsächliche-Öffentliche Verkehrsfläche, Prozeßhandlungen, Bundsverwaltungsgericht, Dienendes Grundstück
Leitsatz:
Ein Folgenbeseitigungsanspruch auf Beseitigung einer Straßenfläche durch den Beklagten ist verjährt, wenn der tatsächliche Straßenverlauf seit Jahrzehnten besteht und die Verjährungsfrist von drei Jahren nach der Schuldrechtsreform abgelaufen ist. (Rn. 18-23)
Schlagworte:
Eigentumsstörung, Folgenbeseitigungsanspruch, Verjährung, Duldungspflicht, Widmung, Unzulässige Rechtsausübung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 05.08.2025 – 8 ZB 25.727
Fundstelle:
BeckRS 2025, 20901
Tenor
I. Der Beklagte wird verurteilt, es zu dulden, dass die Klägerin den auf ihrem Grundstück Fl.Nr. …1 der Gemarkung … verlegten Straßenkörper (Asphaltfläche) beseitigt, mit Ausnahme des Gehwegs an der Südseite des klägerischen Grundstücks. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin und der Beklagte je zur Hälfte.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Klägerin geht es um die Beseitigung eines Bereichs einer Ortsstraße, die teilweise auf ihrem Grundstück liegt.
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Die Klägerin ist Eigentümerin der Grundstücke Fl.Nr. …2 und …1 der Gemarkung … (wie alle nachfolgend genannten Fl.Nrn.), die u.a. mit einem Wohngebäude (H. …straße 46) bebaut sind.
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Östlich dieser Grundstücke liegt das Grundstück Fl.Nr. …3, das im Eigentum des Beklagten steht und das als öffentliche Verkehrsfläche genutzt wird. Es handelt sich um eine von der H. …straße im Innerortsbereich des Beklagten abzweigende S. …straße, durch die einige Grundstücke erschlossen werden. Im südwestlichen Bereich der S. …straße liegt die Straße auf einem Teilbereich des Grundstücks Fl.Nr. …1 der Klägerin (Teilfläche von ca. 25 qm, grob ermittelt anhand des Bayernatlas). Diese Teilfläche wird seit Jahrzehnten als Teil der S. …straße für öffentliche Verkehrszwecke genutzt. Nach dem Bestandsverzeichnis des Beklagten ist die S. …straße unter Angabe der Fl.Nr. „…3 T“ als Ortsstraße gewidmet und trägt wie die Staatsstraße …, eine Hauptverkehrsachse im Gemeindebereich des Beklagten, in die die S. …straße mündet, den Namen „H. …straße“. Nach der Mitteilung des Beklagten wurde im Bereich der S. …straße das Grundstück Fl.Nr. …3 im Dezember 1963 zur Ortsstraße öffentlich gewidmet. Verbliebe allein das Grundstück Fl.Nr. …3 als Straßenfläche, würde im Bereich des Wohnanwesens der Klägerin im südlichen Bereich der S. …straße eine Engstelle von ca. 3,20 m Breite über eine Länge von ca. 6 m entstehen. Südlich und nördlich der Engstelle weitet sich das Straßengrundstück dann wieder auf eine Breite von über 5 m auf. Außerdem ist im südlichen Bereich des Grundstücks der Klägerin Fl.Nr. …1 ein kleiner Bereich durch den dort entlang der Staatsstraße verlaufenden Gehweg in Anspruch genommen.
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Im Jahr 2020 errichtete die Klägerin und ihr inzwischen verstorbener Ehemann, für den ein Nießbrauch an den Grundstücken Fl.Nr. …2 und …1 im Grundbuch eingetragen war, eine Absperrung an der Grundstücksgrenze der Fl.Nr. …1 zur Fl.Nr. …3, bestehend aus einem Maschendrahtzaun und fünf Pflanzkübeln. Mit Bescheid vom 24.9.2020 erließ der Beklagte eine sicherheitsrechtliche Anordnung, gemäß der die Klägerin und ihr Ehemann die auf einer Länge von ca. 27 m errichtete Absperrung im Bereich der H. …straße unverzüglich zu entfernen haben und ordnete insoweit den Sofortvollzug an. Die gegen die sicherheitsrechtliche Anordnung des Beklagten vom 24.9.2020 von der Klägerin und ihrem Ehemann erhobene Klage wurde mit Urteil des VG Regensburg vom 8.3.2022 abgewiesen (Az. RO 4 K 20.2401) In den Gründen wird ausgeführt, bei der strittigen Straßenfläche handele es sich um eine tatsächlich öffentliche Verkehrsfläche. Aus einem Luftbild aus dem Jahr 1953 ergebe sich, dass die S. …straße schon zu diesem Zeitpunkt zur Erschließung der im rückwärtigen Bereich der H. …straße gelegenen Anwesen gedient habe. Die Grundstücke der Klägerin seien mit notariellem Kaufvertrag vom 28.5.1963 vom Beklagten an Dritte verkauft worden. Die Klägerseite habe erst später Eigentum erworben. Durch die Errichtung einer Absperrung hätten die Kläger Gegenstände auf die Straße gebracht, ohne hierzu berechtigt zu sein. Die Errichtung der Absperrung erfülle den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 Nr. 27 StVO.
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Eine von der Klägerin und ihrem Ehemann erhobene Anfechtungsklage gegen ein Bauvorhaben im rückwärtigen Bereich der S. …straße wurde mit Urteil des VG Regensburg vom 19.12.2023 abgewiesen (Az. RO 2 K 21.599). Die Kläger haben gegen die Baugenehmigung für zwei Mehrfamilienhäuser auf dem Grundstück Fl.Nr. …4 u.a. eingewendet, die Erschließung sei im Hinblick auf die Engstelle der gewidmeten Straßenfläche vor ihrem Grundstück nicht ausreichend gesichert. Das Verwaltungsgericht hat insoweit u.a. darauf abgestellt, dass hinsichtlich der bauplanungsrechtlichen Erschließung kein Notwegerecht hinsichtlich der Inanspruchnahme einer Teilfläche des Grundstücks der Kläger bewirkt werde, da die S. …straße für sich schon ohne Inanspruchnahme der Teilfläche der Kläger mehr als 3 m breit ist. Der zu erwartende zusätzliche Zu- und Abfahrtsverkehr verstoße auch nicht gegen das Rücksichtnahmegebot. Mit Beschluss vom 11.10.2024 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den hiergegen von der Klägerin und ihrem Ehemann gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt (Az. 15 ZB 24.315).
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In der Sitzung vom 28.2.2023 hat der Beklagte den Bebauungsplan Nr. … „An der H. …straße“ beschlossen und am 29.3.2023 ortsüblich bekanntgemacht. Gegenstand des Bebauungsplanes ist der südliche Bereich der S. …straße vor dem Anwesen der Klägerin sowie der mit dem Gehweg überbaute südliche Bereich des Grundstücks der Klägerin. Nach der Begründung des Bebauungsplanes diene die Teilfläche des klägerischen Grundstückes Fl.Nr. …1 seit Jahrzehnten als öffentliche Verkehrsfläche und sei bisher nicht gewidmet. Die Teilfläche solle aus Gründen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs als öffentliche Verkehrsfläche gesichert werden. Die Planung stelle eine mögliche Grundlage für ein künftiges Enteignungsverfahren dieser Teilfläche dar und es werde im Fall eines Verkaufs ein Vorkaufsrecht begründet. Die Klägerin hat am 20.6.2023 Normenkontrollantrag im Hinblick auf diesen Bebauungsplan gestellt. Mit Urteil vom 17.12.2024 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den Normenkontrollantrag abgelehnt (Az. 15 N 23.1106).
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Am 18.1.2022 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben mit dem Ziel, dass der Bereich, auf dem der Straßenkörper auf ihrem Grundstück Fl.Nr. …1 zum Liegen kommt, vom Beklagten beseitigt wird; hilfsweise soll festgestellt werden, dass sie selbst zur Beseitigung in diesem Teilbereich berechtigt ist. Zur Begründung wird ausgeführt, die Klägerin habe mit Schreiben vom 29.11.2021 beim Beklagten die Beseitigung dieses Straßenkörpers (Asphaltfläche) anmahnen lassen und hierzu vorsorglich auch die Einziehung der Straße beantragt. Mit Schreiben vom 15.12.2021 habe der Beklagte klargestellt, dass es für das fragliche Teilstück keine Widmung gebe. Im Übrigen habe der Beklagte die klägerischen Ansprüche zurückweisen lassen. Es sei anerkannt, dass ein Eigentümer bei rechtswidriger Inanspruchnahme seines Grundstückes einen Anspruch auf Rückbau des entsprechenden Weges haben könne, das Bundesverwaltungsgericht habe für solche Fälle einen Folgenbeseitigungsanspruch anerkannt, gerade wenn eine entsprechende Straße ohne ausreichende Rechtsgrundlage errichtet worden sei. Selbst wenn der Anspruch verjährt sein sollte, hätte jedenfalls ein entsprechender Selbsthilfeanspruch Erfolg. Das Bauvorhaben, das Gegenstand des Klageverfahrens RO 2 K 21.599 gewesen ist, habe gezeigt, wie stark die Klägerin durch die rechtswidrig verlegte Straße in ihren Rechten und Grundrechten verletzt werde. Immer wieder sei es bereits während der Bauphase nicht nur zu Verschmutzungen, sondern zu gravierenden Sachbeschädigungen an ihrem Grundstück gekommen. Die Mutter des Ehemanns der Klägerin habe 1968/69 das Wohnhaus H. …straße 46 gekauft. 1972 sei dann dieses Grundstück mit Wohnhaus an ihren Sohn, den Ehemann der Klägerin, vermacht worden. Die Klägerin habe das Grundstück Fl.Nr. …1 im Jahre 2020 von ihrem Ehemann per Überlassungsvertrag erhalten. Somit sei die Familie über Generationen hinweg seit 1968 Eigentümer dieses Grundstückes. Damals, 1968, möge es kaum eine Rolle gespielt haben, wie breit die S. …straße Fl.Nr. …3 sei. Es sei jedoch bereits 1972 dem Eigentümer, dem Ehemann der Klägerin, klar gewesen, dass das Grundstück Fl.Nr. 20 in Wirklichkeit größer sei und die S. …straße das Grundstück verkleinere. Demzufolge hätten die damaligen Eigentümer (Ehemann der Klägerin und dessen Mutter) stillschweigend gewährt, auch den Teil des eigenen Grundstücks als Straße nutzen zu können. Zum damaligen Zeitpunkt habe es keinen Grund gegeben, wegen der Grenzwiederherstellung zu klagen, da man selbst großzügiger zum eigenen Wohnhaus fahren habe können. Auch nach Grenzwiederherstellung könne die Zufahrtstraße trotz der Verengung als öffentliche Straße genutzt werden. Wäre das nicht der Fall, könnten die schweren Baufahrzeuge, die immens lang und breit seien, die Engstelle gar nicht passieren. Die Klägerin habe mit ihrem Ehemann nach Grenzwiederherstellung einen Erweiterungsbau auf dem Grundstück H. …straße 48 (Fl.Nr. …5) geplant. Ohne Grenzwiederherstellung gebe es aber auch keinen Anbau. Der Ehemann der Klägerin sei deshalb gezwungen gewesen, seinen Druckereibetrieb zu schließen. Dennoch wünsche sich die Eigentümerin eine Grenzwiederherstellung, da sich ja in Bezug auf Verkehrssicherheit, Feuerwehrzufahrt, Gefahrenstelle etc. nichts verändert habe. Der Bebauungsplan habe im Übrigen keine enteignungsrechtliche Vorwirkung, so dass auch bei einem Misserfolg des Normenkontrollantrages die vorliegende Klage Erfolg habe. Die Klägerin stellte nachfolgend klar, dass sich ihr Klagebegehren nicht auf den Bereich des Gehwegs entlang der Staatstraße im Süden ihres Grundstücks beziehe.
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Die Klägerin beantragt zuletzt,
den Beklagten zu verurteilen, den auf dem klägerischen Grundstück mit der Fl.Nr. …1 der Gemarkung … (H. …straße 46) verlegten Straßenkörper (Asphaltfläche) zu beseitigen, mit Ausnahme des Gehwegs an der Südseite des klägerischen Grundstücks,
hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, es zu dulden, dass die Klägerin den auf ihrem Grundstück mit der Fl.Nr. …1 der Gemarkung … (H. …straße 46) verlegten Straßenkörper (Asphaltfläche) beseitigt, mit Ausnahme des Gehwegs an der Südseite des klägerischen Grundstücks.
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Der Beklagte beantragt,
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Es wird vorgebracht, die Grundstücksfläche Fl.Nr. …1 sei – wie sich aus den vorgelegten Luftbildern im Rahmen des Augenscheinstermins im Verfahren RO 4 K 20.2401 ergeben habe – spätestens seit dem Jahr 1953 Bestandteil der öffentlichen Verkehrsfläche. Der beklagte Markt sei bis 1963 selbst Eigentümer der betroffenen Grundstücksfläche gewesen. Der Beklagte habe ausdrücklich bestätigt, dass er die betroffene Grundstücksfläche seinerzeit dem Gemeingebrauch zur Verfügung gestellt habe. Die Klägerin sei erst seit dem 9.7.2020 Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. …1. Damit dauere der Zustand, dass das Grundstück – ohne straßenrechtlich gewidmet zu sein – als faktische öffentliche Verkehrsfläche benutzt und auch entsprechend hergestellt sei, seit nunmehr mindestens 70 Jahren an. Ein etwaiger Folgenbeseitigungsanspruch gegen den Beklagten sei daher offenkundig verjährt bzw. erloschen. Die Einrede der Verjährung werde ausdrücklich erhoben. Der Hilfsantrag sei ebenfalls unbegründet. Die Ausübung des Eigentumsrechtes nach § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB sei grundsätzlich unverjährbar. Die Verjährung von Beseitigungsansprüchen stehe einer vom Eigentümer selbst beabsichtigten Beseitigung durch ihn selbst und auf eigene Kosten damit grundsätzlich nicht entgegen. Im vorliegenden Fall habe sich der Beklagte nun seit geraumer Zeit darum bemüht, die für eine sichere Verkehrsabwicklung genehmigte Grundstücksfläche freihändig oder im Tausch gegen andere Grundstücke von der Klägerin bzw. von ihrem Ehemann als Rechtsvorgänger zu erwerben. Dies sei wegen einer grundlegenden Ablehnungshaltung der Eigentümer nicht möglich gewesen. Der Beklagte habe sich daher veranlasst gesehen, die öffentliche Verkehrszweckbestimmung des Grundstücks als öffentliche Verkehrsfläche mittels Bebauungsplan planungsrechtlich zu sichern. Die Festsetzung der Fläche im Bebauungsplan als öffentliche Verkehrsfläche stehe den geltend gemachten Ansprüchen entgegen, deren Geltendmachung stelle sich im Hinblick darauf auch als unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) dar.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, auf die vorgelegte Behördenakte sowie auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Streitgegenständlich ist vorliegend nach entsprechender Klarstellung des Klageziels und des Antrags in der mündlichen Verhandlung, der von Beklagtenseite nicht widersprochen wurde, die Beseitigung des Straßenkörpers auf dem Grundstück Fl.Nr. …1 der Gemarkung …, soweit ein Bereich an der Ostseite durch die von der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Ortsstraße (S. …straße) überbaut ist, nicht aber der Bereich an der Südseite, der durch den Gehweg entlang der in Ost-West-Richtung verlaufenden Staatsstraße überbaut ist.
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Der Verwaltungsrechtsweg ist insoweit nach § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet. Streitgegenständlich ist die Beseitigung eines Überbaus durch eine Ortstraße als Gemeindestraße (Art. 46 Nr. 2 BayStrWG), die die Beklagte als Straßenbaulastträgerin im Rahmen der Erfüllung einer Pflichtaufgabe im eigenen Wirkungskreis (vgl. Art. 57 GO, Art. 47 Abs. 1 BayStrWG) errichtet hat. Die von der Klägerin geltend gemachte Eigentumsstörung hat daher öffentlich-rechtlichen Charakter. Die Beklagte wendet auch öffentlich-rechtliche Befugnisse gegen die geltend gemachten Ansprüche ein (vgl. dazu z.B. VG München, U.v. 23.6.2022 – M 2 K 19.6067 – juris Rn. 16), u.a. die von ihr jedenfalls angestrebte Widmung auf der Grundlage eines Bebauungsplans, der eine öffentliche Verkehrsfläche festsetzt, bzw. die Eigenschaft der Fläche als jedenfalls tatsächlich-öffentliche Straße, die von der Gemeinde auch im Rahmen ihrer sicherheitsrechtlichen Anordnung gegen die eigenmächtige Sperrung der Straße durch die Klägerin und ihren Ehemann geltend gemacht wurde.
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Die zulässige Klage bleibt im Hauptantrag auf Verurteilung der Beklagten zur Beseitigung des Straßenkörpers ohne Erfolg. Die Klage ist aber hinsichtlich des hilfsweise geltend gemachten Antrags auf Verurteilung des Beklagten zur Duldung der Beseitigung des Straßenkörpers durch die Klägerin begründet.
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1. Die Klage ist sowohl im Hauptantrag als auch im Hilfsantrag als allgemeine Leistungsklage im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO zulässig.
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Die Klagebefugnis ist zu bejahen, weil es angesichts des Umstands, dass das klägerische Grundstück Fl.-Nr. …1 im Bestandsverzeichnis der Beklagten nicht genannt wird, nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass das Grundstück in rechtswidriger Weise durch einen Teil der Straße überbaut wurde. Demzufolge kommt hinsichtlich des Hauptantrages der Klägerin ein gewohnheitsrechtlich anerkannter Folgenbeseitigungsanspruch auf Beseitigung der Straßenfläche durch den Beklagten in Betracht. Ein Folgenbeseitigungsanspruch setzt nach ständiger Rechtsprechung einen hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht voraus, der einen noch andauernden rechtswidrigen Zustand zur Folge hat (vgl. zu den Grundlagen z.B. BVerwG, U.v. 26.8.1993 – 4 C 24/91 – juris Rn. 23 ff. m.w.N.; BayVGH, U.v. 15.9.1999 – 8 B 97.1349 – juris Rn. 32). Die Erfüllung dieser Voraussetzungen erscheint möglich, da der streitgegenständliche Bereich der Straße nach Aktenlage möglicherweise außerhalb der gewidmeten Straßenfläche verläuft und damit ein dem Beklagten als Straßenbaubehörde zurechenbarer hoheitlicher Eingriff in das Eigentumsrecht der Kläger gegeben sein kann.
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Auch im Hinblick auf den Hilfsantrag erscheint nicht von vornherein ein Anspruch auf Duldung der Beseitigung der streitgegenständlichen Straßenfläche durch die Klägerin als Inhalt ihrer Eigentümerrechte aus Art. 14 Abs. 1 GG bzw. § 903 Satz 1 BGB ausgeschlossen. Auch wenn keine im Sinne des Straßenrechts gewidmete Verkehrsfläche gegeben ist, könnte die Fläche zwar eine dem Straßenverkehrsrecht unterliegende tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche sein. Aber auch diese Eigenschaft der Fläche würde der Ausübung der Rechte aus dem Eigentum nicht auf Dauer entgegenstehen und den Duldungsanspruch nicht von vorherein ausschließen. Vielmehr kann die Eigenschaft im Rahmen der von der Rechtsordnung bereitgestellten behördlichen und gerichtlichen Verfahren beseitigt werden, so dass sich ein eigenmächtiges Handeln dann nicht mehr als unerlaubte Selbsthilfe im Sinne der §§ 229, 859 Abs. 3 BGB darstellt, welche die rechtliche Einordnung als tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche gerade nicht aufhebt (vgl. BayVGH, B. v. 11.01.2005 – 8 CS 04.3275, juris, Rn. 12 m.w.N.). Dem kann die vorliegend erhobene Leistungsklage auf Duldung der Beseitigung der Straßenfläche dienen (vgl. z.B. BayVGH, B.v.10.1.2013 – 8 B 12.305 – juris Rn. 20). Aufgrund des vorherigen Antrags der Klägerin beim Beklagten auf Beseitigung des Überbaus auf Ihrem Grundstück bereits mit Schreiben vom 29.11.2021 und entsprechender Weigerung sowie des sicherheitsrechtlichen Einschreitens des Beklagten gegen die eigenmächtige Absperrung des mit der Straße überbauten Bereichs besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage.
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2. Der Hauptantrag auf Verurteilung des Beklagten zur Beseitigung des Straßenkörpers ist unbegründet. Ein etwaiger Folgenbeseitigungsanspruch wäre jedenfalls verjährt.
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Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen für einen durchsetzbaren Folgenbeseitigungsanspruch der Klägerin vorliegen. Da der tatsächliche Straßenverlauf seit Jahrzehnten wie heute besteht, wäre der Anspruch jedenfalls aufgrund bereits eingetretener Verjährung erloschen.
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Seit der Schuldrechtsreform zum 1.1.2002 gilt für den öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch nach §§ 195, 199 BGB die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (vgl. OVG NRW, U.v. 4.6.2020 – 16 A 2447/12 – juris Rn. 261; VGH BW, U.v. 17.10.2018 – 5 S. 1276 – juris Rn. 74 ff.; BayVGH, U.v. 8.2.2012 – 4 B 11.175 – juris Rn. 24; offengelassen: BayVGH, U.v. 13.1.2016 – 8 B 15.522 – juris Rn. 32). Nach altem Recht verjährte der Folgenbeseitigungsanspruch längstens in 30 Jahren (vgl. BayVGH, U.v. 13.1.2016 – 8 B 15.522 – juris Rn. 32 m.w.N.).
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Vorliegend ist nach Aktenlage und vorhandenen Lichtbilder davon auszugehen, dass die Straße in der jetzigen Breite wohl bereits 1953 bestanden hat. Die Klägerseite hat unabhängig davon aber selbst vorgetragen, dass die Mutter des Ehemanns der Klägerin das Anwesen mit dem Wohnhaus H. …straße 46 im Jahr 1968/1969 gekauft habe. 1972 sei dann der Ehemann der Klägerin Eigentümer des Grundstücks geworden, von dem sie im Jahr 2020 das Grundstück im Rahmen eines Überlassungsvertrages erhalten habe. Es sei dem Ehemann der Klägerin und Rechtsvorgänger im Eigentum bereits 1972 klar gewesen, dass das Grundstück eigentlich größer sei und durch die S. …straße verkleinert werde. Die Rechtsvorgänger der Klägerin (Ehemann und dessen Mutter) hätten stillschweigend gewährt, dass der überbaute Grundstücksteil für die Straße in Anspruch genommen werde. Es habe zum damaligen Zeitpunkt keinen Grund gegeben, wegen einer Grenzwiederherstellung zu klagen. Aus diesem Vortrag ergibt sich, dass ein etwaiger Folgenbeseitigungsanspruch bereits bei Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 1.1.2002 wegen Ablaufs der 30-jährigen Verjährungsfrist seit Eingriff in das Eigentum bzw. Entstehen des Beseitigungsanspruchs verjährt wäre. Der Beginn der Verjährungsfrist hängt nach der Rechtsprechung auch nicht davon ab, dass der Grundstückseigentümer die Inanspruchnahme seines Grundstücks nicht als Störung empfunden oder überhaupt Kenntnis davon hat (BayVGH, U.v. 5.10.2009 – 4 B 08.2877 – juris Rn. 31 unter Verweis auf BGH, U.v. 1.2.1994 – BGHZ 125,56/64). Mithin kommt es nicht auf eine „faktische Duldung“ durch den Eigentümer an, die hier aber auch vorliegt. Unabhängig davon wäre der Anspruch aber jedenfalls aufgrund der Neuregelung der Verjährungsfristen ab 1.1.2002 spätestens mit Ablauf des 31.12.2004 verjährt. Nach Art. 229 § 6 Abs. 1, 4 Einführungsgesetz zum BGB (EGBGB) berechnet sich bei einem am 1.1.2002 noch nicht verjährten Anspruch eine kürzere Verjährungsfrist nach dem neuen Recht ab dem 1.1.2002. Die damit ab diesem Zeitpunkt zu berechnende Regelverjährungsfrist von drei Jahren wäre am 31.12.2004 abgelaufen, sodass eine Verjährung spätestens zu diesem Zeitpunkt eingetreten ist.
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Die Verjährung ist von Amts wegen zu beachten (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 5.10.2009 – 4 B 08.2877 – juris Rn. 30; B.v. 5.10.2005 – 4 ZB 05.740 – juris Rn. 6). Der Beklagte hat aber auch ausdrücklich die Einrede der Verjährung erhoben.
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Mit der am 22.1.2022 erhobenen Klage konnte daher der Beseitigungsanspruch nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden, sodass die Klage im Hauptantrag abzuweisen war.
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3. Die Klägerin hat aber einen Anspruch darauf, dass der Beklagte eine eigenmächtige Beseitigung des Weges durch die Klägerin auf eigene Kosten duldet.
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a) Der Kläger ist aus dem Eigentumsrecht (Art. 14 Abs. 1 GG, § 903 Satz 1 BGB) berechtigt, den auf seinen Grundstücken befindlichen Straßenkörper zu beseitigen und die Nutzung als öffentliche Verkehrsfläche zu beenden. Nach § 903 Satz 1 BGB kann der Eigentümer einer Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Im öffentlichen Recht gilt nichts anderes. Umfasst wird der Anspruch gegenüber dem Störer, hier dem Beklagten, jedenfalls die Maßnahmen zu dulden, die nötig sind, die rechtswidrige Eigentumsstörung zu beseitigen (vgl. BVerwG, B.v. 12.7.2013 – 9 B 12.13 – juris Rn. 4).
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b) Die Verjährung des Folgenbeseitigungsanspruchs steht dem nicht entgegen. Die Verjährung des Folgenbeseitigungsanspruchs beseitigt nicht den durch den rechtswidrigen Überbau entstandenen rechtswidrigen Zustand, den der Eigentümer nicht hinnehmen muss. Er ist vielmehr weiterhin befugt, rechtswidrige Störungen seines Eigentums auf eigene Kosten zu beseitigen. Kraft der grundgesetzlichen Gewährleistung verjähren das Recht am Eigentum und die Ausübung dieses Rechts nicht (vgl. BVerwG, B.v. 12.7.2013 – 9 B 12/13 – juris Rn. 4 f.; BayVGH, B.v. 10.1.2013 – 8 B 12.305 – juris Rn. 17, 10 m.w.N.). Zu verweisen ist insoweit auch auf § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB.
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c) Eine rechtswidrige Eigentumsstörung liegt vor, da ein Recht des Beklagten für die Inanspruchnahme des Grundstücks der Klägerin für die Straßenfläche nicht ersichtlich ist.
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aa) Das Recht der Klägerin zum Ausschluss der Allgemeinheit von der Nutzung der auf ihrem Grundstück liegenden Straßenfläche für den öffentlichen Verkehr durch Beseitigung des Straßenkörpers ist nach Aktenlage nicht infolge einer öffentlich-rechtlichen Widmung (Art. 6 Abs. 1 BayStrWG) oder Widmungsfiktion (Art. 67 Abs. 4 BayStrWG) eingeschränkt, die jedermann zur Nutzung im Rahmen des Gemeingebrauchs berechtigen würde (vgl. Art. 14 BayStrWG).
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Der Beklagte ist für die das Eigentumsrecht einschränkende Duldungspflicht darlegungs- und beweispflichtig (vgl. z.B. BayVGH, B.v.22.7.2016 – 8 ZB 15.1304 – juris Rn. 11). Der Beklagte ist die für die Widmung zuständige Straßenbaubehörde (Art. 58 Abs. 2 Nr. 3 BayStrWG) und Straßenbaulastträger (Art. 47 Abs. 1 BayStrWG). Die für die Frage der Eigenschaft als gewidmeten Verkehrsfläche in Betracht kommenden Vorgänge und Verfügungen liegen demnach in seinem Herrschafts- und Risikobereich. Er ist deshalb grundsätzlich in der Pflicht, die vielfach in weiter Vergangenheit liegenden maßgeblichen Umstände zu benennen und die hierfür maßgeblichen Unterlagen vorzulegen. Die gerichtliche Amtsermittlungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) findet dort ihre Grenzen, wo die Mitwirkungslast des Beteiligten beginnt, d.h. dieser selbst Aufklärung über für ihn günstige Tatsachen geben kann, die aus seiner Sphäre stammen (vgl. BayVGH, B.v. 23.6.2021 – 8 CS 21.1245 – juris Rn. 29; U.v. 20.5.2021 – 8 B 19.1587 – juris Rn. 54; U.v. 20.3.2019 – 8 BV 17.862 – juris Rn. 51; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 86 Rn. 45).
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Der Beklagte hat hierzu nach entsprechender Aufforderung zur Vorlage der maßgeblichen Behördenakten und insbesondere der Bestandsverzeichnisse einen Auszug aus dem aktuellen Bestandsverzeichnis (Blatt-Nr. …a) vorgelegt, in dem drei von der H. …straße abzweigende S. …straßen und der an der H. …straße liegende P. …-Platz enthalten sind. Im Bereich der streitgegenständlichen S. …straße ist nur das Grundstück Fl.-Nr. „…3 T“ als gewidmete Fläche aufgeführt, nicht aber eine Fläche auf dem Grundstück Fl.Nr. …1 der Klägerin, auf den sich der Straßenkörper teilweise ebenfalls erstreckt. Auch sonst finden sich keine Hinweise für eine Widmung einer Teilfläche dieses Grundstückes. Unter „Rechtseintragungen“ wird Bezug genommen auf eine Eintragungsverfügung vom 19.12.1963 und darauf, dass das Bestandsverzeichnis am 1.9.1998 neu angelegt worden sei. Weiter wurde die Eintragungsverfügung vom 19.12.1963 vorgelegt sowie ein Auszug aus dem früheren Bestandsverzeichnis (Blatt Nr. …b), das im Zusammenhang mit der Eintragungsverfügung vom 19.12.1963 wohl erstmals angelegt wurde. Hier sind zwei S. …straßen eingetragen (zwischen Einmündung Staatsstraße … – Grundstück H. …straße 42 (. ….), Länge 0,039 km – offensichtlich die hier streitgegenständliche S. …straße – und zwischen Einmündung Staatstraße … – Grundstück H. …straße 62 (. ….), Länge 0,082 km). Als Fl.Nr. ist „…6 T“ angegeben. Das Grundstück der Klägerin Fl.Nr. …1 (oder eine andere Fl.Nr.) ist in diesem Bestandsverzeichnis nicht benannt.
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Nach ständiger Rechtsprechung ist aufgrund der erheblichen Auswirkungen für den Eigentümer regelmäßig für die Annahme einer rechtmäßigen Widmung erforderlich, dass im Verzeichnis alle betroffenen Flurnummern aufgeführt werden; von einer Eintragung werden daher grundsätzlich nur diejenigen Grundstücke erfasst, die ausdrücklich benannt werden (vgl. BayVGH, U.v. 15.9.1999 – 8 B 97.1349 – juris Rn. 41 m.w.N.; s.a. B.v. 9.1.2018 – 8 ZB 17.473 – juris Rn. 15). Entsprechendes gilt für die Widmungsfiktion bei der Erstanlegung eines Bestandsverzeichnisses nach Art. 67 Abs. 4 BayStrWG. Rechtlich maßgeblich ist hier die Eintragung im Zuge der Erstanlegung im Bestandsverzeichnis nach Art. 67 Abs. 3 BayStrWG. Liegt eine solche Eintragung unanfechtbar vor, so gilt die Zustimmung des Eigentümers zur Widmung nach Art. 6 Abs. 3 Alt. 3 BayStrWG als erteilt und die Widmung (Art. 6 Abs. 1 BayStrWG) als verfügt. Ist eine Straße demgegenüber nicht in das Bestandsverzeichnis aufgenommen, gilt sie nach Art. 67 Abs. 5 BayStrWG nicht als öffentliche Straße. Dabei entfaltet die erstmalige Anlegung eines Bestandsverzeichnisses regelmäßig nur für solche Grundstücke die Rechtswirkung der Widmungsfiktion, deren Flurnummern in der Eintragung auch genannt sind (vgl. BayVGH, B.v. 21.12.2017 – 8 ZB 17.1189). Bei unklarem Verlauf eines Wegegrundstücks soll dadurch auch ein Hinausgreifen der Widmung auf nicht gewidmetes, also unbelastetes Privateigentum verhindert werden. Eine faktische oder konkludente Widmung gibt es nach bayerischem Straßen- und Wegerecht nicht (vgl. BayVGH, B.v. 15.3.2017 – 8 ZB 15.1610 – juris Rn. 11 m.w.N.; BayVGH, U.v. 21.4.2016 – 8 B 15.129 – juris Rn. 21; BayVGH, B.v. 28.10.2014 – 8 ZB 12.1938 – juris Rn. 14).
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Es wurde vom Beklagten als zuständige Straßenbaubehörde und Straßenbaulastträger hier weder behauptet noch konkret dargelegt, dass die Straßenfläche auf dem Grundstück der Klägerin mit der Fl.-Nr. …1 bei Anlegung des Straßenverzeichnisses oder durch einen nachfolgenden Widmungsakt die Funktion als öffentliche Verkehrsfläche erlangt hätte. Insbesondere ist nichts dafür ersichtlich, das die im Bestandsverzeichnis genannte Fl.Nr. „…6 T“, die so offenbar nicht mehr existiert, sich auf das jetzige Grundstück Fl.Nr. …1 erstreckt hätte. Die im Rahmen der Neuanlegung des Bestandsverzeichnisses 1998 erfolgte Aufnahme (lediglich) der jetzigen Fl.Nr. „…3 T“ spricht vielmehr dagegen. Vom Grundsatz, dass für die Annahme einer rechtmäßigen Widmung bzw. Widmungsfiktion erforderlich ist, dass im Verzeichnis alle betroffenen Flurnummern aufgeführt werden, können zwar in Bezug auf Widmungen nach Art. 6 BayStrWG als auch für den Bereich der Widmungsfiktion nach Art. 67 Abs. 3 u. 4 BayStrWG Ausnahmen in Betracht kommen (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 15.3.2017 – 8 B 15.1610 – juris Rn. 12). Auch insoweit wurde vom Beklagten aber schon nichts vorgebracht und es ergeben sich auch sonst keine hinreichenden Anhaltspunkte, selbst wenn man davon ausgeht, dass der Überbau bereits seit den 1950er-Jahren besteht (vgl. zu diesem Aspekt VG München, U.v. 23.6.2022 – M 2 K 19.6067 – juris Rn. 31 ff. m.w.N.; BayVGH, U.v. 26.4.2022 – 8 B 20.1655 – juris Rn. 43 ff.).
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Schließlich ist auch nichts dazu vorgebracht oder ersichtlich, dass die Inanspruchnahme des Grundstücks der Klägerin durch Maßnahmen im Sinne des Art. 6 Abs. 8 BayStrWG (Verbreiterung, Verlegung, Ergänzung etc.) zu einer Zeit erfolgt wäre, zu der die Gemeinde selbst noch Eigentümerin des Grundstücks der Klägerin war, so dass vom Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 3 BayStrWG zu diesem Zeitpunkt ausgegangen werden könnte. Vielmehr macht der Beklagte geltend, dass die Straße so wie heute bereits seit den 1950er-Jahren bestanden habe und damit nach Erstanlegung des Straßenverzeichnisses keine Maßnahmen des Art. 6 Abs. 8 BayStrWG bis zum Verkauf des Grundstücks durchgeführt wurden, die zum Überbau geführt hätten.
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Hier geht der Beklagte selbst davon aus, dass das streitgegenständliche Straßenstück auf dem Grundstück der Klägerin nicht gewidmet ist, was letztlich auch darin zum Ausdruck kommt, dass der Beklagte einen Bebauungsplan erlassen hat, um erforderlichenfalls nach Durchführung einer Enteignung die Widmungsvoraussetzungen zu schaffen.
35
bb) Eine das Eigentumsgrundrecht einschränkende Duldungspflicht hinsichtlich des auf ihrem Grundstück befindlichen Straßengrundstücks ergibt sich auch noch nicht aus der Festsetzung einer öffentlichen Verkehrsfläche gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB im Bebauungsplan des Beklagten Nr. 60 „An der H. …straße“.
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Zwar bestimmen rechtsgültige Festsetzungen in einem Bebauungsplan gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Inhalt und Schranken des Eigentums und regeln rechtsverbindlich die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke entsprechend den städtebaulichen Bedürfnissen und Vorstellungen. Insbesondere bei Festsetzung einer öffentlichen Verkehrsfläche sind damit für den betroffenen Grundstückseigentümer wesentliche Einschränkungen der Nutzungsmöglichkeiten der erfassten Grundstücksflächen verbunden. Weitere, über die nutzungsbeschränkende Wirkung hinausgehende unmittelbare Belastungen für den Grundeigentümer sind aber mit der Festsetzung einer öffentlichen Verkehrsfläche nicht verbunden; insbesondere begründet die Festsetzung für sich genommen noch keine Rechtspflicht des betroffenen Grundeigentümers, auf seinem Privatgrundstück die Errichtung und Unterhaltung der Straße durch den Straßenbaulastträger zu dulden (vgl. BVerwG, U.v. 27.8.2009 – 4 CN 1/08 – juris Rn. 18).
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Vielmehr muss sich der Straßenbaulastträger das aus der Eigentümerposition (§ 903 Satz 1 BGB) fließende Nutzungsrecht vom Grundeigentümer erst verschaffen. Das gilt auch dann, wenn die bauleitplanerische Festsetzung ausschließlich einen Hoheitsträger zur Verwirklichung des Vorhabens berechtigt. Auch in diesem Fall ist der öffentliche Bedarfsträger zur Herstellung und Unterhaltung des Vorhabens nicht berechtigt, solange und soweit ihm die private Rechtsmacht des Grundeigentümers entgegensteht, die auch Ausschlussrechte umfasst (§ 903 Satz 1 Halbsatz 2 BGB). Die erforderliche Berechtigung kann sich der Straßenbaulastträger auf vielfältige Weise verschaffen. Neben der Möglichkeit des freihändigen Erwerbs des betreffenden Grundstücks – gegen Zahlung eines Kaufpreises – oder anderer auf die Rechtsübertragung gerichteter vertraglicher Instrumente kommt – als Ultima Ratio – auch die planakzessorische städtebauliche Enteignung des Grundstücks (§ 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) – gegen Entschädigung – in Betracht, für die der Bebauungsplan nach § 8 Abs. 1 Satz 2 BauGB die Grundlage bildet und deren verfassungsrechtlichen Voraussetzungen in Art. 14 Abs. 3 GG geregelt sind. Duldungspflichten, die über die nutzungsbeschränkende Wirkung bauleitplanerischer Festsetzungen hinausgehen und in der Sache einen Transfer von Eigentümerrechten bewirken, sind dem Festsetzungsinstrumentarium des § 9 Abs. 1 bis 3 BauGB fremd. Voraussetzungen und Rechtswirkungen etwa erforderlicher enteignender Vollzugsmaßnahmen sind nicht von den Gemeinden, sondern von den Enteignungsbehörden und den Baulandgerichten in eigener Verantwortung zu prüfen. Auf der Planungsebene abschließend abgewogen werden müssen sie nicht. Eine enteignungsrechtliche Vorwirkung kommt einem Bebauungsplan nicht zu (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 27.8.2009 – 4 CN 1/08 – juris Rn. 19 ff. m.w.N.). Dem entspricht es, dass Art. 6 Abs. 3 BayStrWG für die Widmung einer öffentlichen Straße das dingliche Recht des Straßenbaulastträgers über das der Straße dienende Grundstück oder die Zustimmung des Eigentümers oder bestimmte Besitzrechte voraussetzt und nach Art. 6 Abs. 7 BayStrWG bei Gemeindestraßen, deren Bau in einem Bebauungsplan geregelt wird, eine Widmung im Bebauungsplanverfahren nur verfügt und wirksam werden kann, wenn die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 3 BayStrWG vorliegen Ein Recht des Beklagten, das die Klägerin an der Ausübung ihres Eigentumsrechts aus § 903 BGB hindert und zur Duldung der öffentlichen Verkehrsfläche verpflichtet, ergibt sich nach alledem unmittelbar aus dem Bebauungsplan nicht. Der Beklagte ist zur Umsetzung der Planung darauf zu verweisen, die Straßenfläche zu erwerben oder die Enteignung zu beantragen.
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d) Dem geltend gemachten Anspruch auf Duldung der Beseitigung der Verkehrsfläche steht auch nicht entgegen, dass die Fläche die Eigenschaft einer tatsächlich-öffentlichen Verkehrsfläche erlangt hat.
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Durch die jahrzehntelange Duldung der Nutzung des überbauten Bereichs als öffentliche Verkehrsfläche für jedermann durch die Klägerin und ihre Rechtsvorgänger im Eigentum hat die Fläche die Eigenschaft einer tatsächlich-öffentlichen Verkehrsfläche erlangt und unterliegt dem Straßenverkehrsrecht mit der Folge, dass die Klägerin diese nicht eigenmächtig unterbinden darf (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 26.4.2022 – 8 B 20.1655 – juris Rn. 63, 78; VG München, U.v. 23.6.2022 – M 2 K 19.6067 – juris Rn. 41 ff.). Der Klägerin ist es also grundsätzlich untersagt, eine nicht gewidmete, aber tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche im Wege einer verbotenen Selbsthilfe (§ 229 BGB) zu beseitigen, wie auch in der Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 8.3.2022 zur eigenmächtigen Sperrung der Straße ausgeführt ist (Az. RO 4 K 20.2401, vgl. z.B. auch BayVGH, B.v. 11.1.2005 – 8 CS 04.3275 – juris Rn. 12).
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In dem vorgerichtlich und gerichtlich von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Beseitigung der Verkehrsfläche liegt allerdings insoweit ein Widerruf gegenüber der Gemeinde als Straßenbaubehörde und Straßenbaulastträgerin vor. Da die Gemeinde eine Sperrung und Beseitigung der Verkehrsfläche nicht akzeptiert hat, bedarf diese eines vollstreckbaren gerichtlichen Titels, der die Klägerin zur Beseitigung des Straßenkörpers berechtigt. Die rechtskräftige Entscheidung über die vorliegende Klage mit der Untersuchung des von der Klägerin zur Entscheidung gestellten Duldungsanspruchs stellt einen solchen Titel dar. Die Klägerin erlangt mit der rechtskräftigen Entscheidung über die hier erhobene Leistungsklage auf Duldung einen gerichtlich erstrittenen Titel, der sie zur Beseitigung der Straßen- bzw. der Verkehrsfläche berechtigt, eine verbotene Selbsthilfe liegt dann nicht mehr vor (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v.10.1.2013 – 8 B 12.305 – juris Rn. 17 ff., U.v. 26.2.2013 – 8 B 11.1708 – juris Rn. 33 f.; U.v. 15.2.2021 – 8 B 20.2352 – juris Rn. 45; U.v. 26.4.2022 – 8 B 20.1655 – juris Rn. 31; VG München, U.v. 23.6.2019 – M 2 K 19.6067 – juris Rn. 19).
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e) Die Duldung der Beseitigung der Straßenfläche durch die Klägerin steht auch nicht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung durchgreifend entgegen.
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aa) Der nach dem Vorstehenden unverjährbare Anspruch der Klägerin auf Duldung der Beseitigung des Straßenkörpers auf ihrem Grundstück und auf Ausschluss der Allgemeinheit aus ihrem Eigentumsrecht ist nicht verwirkt. Insbesondere ergibt sich dies nicht allein aus dem Umstand, dass die Klägerin bzw. ihre Rechtsvorgänger im Eigentum die Nutzung der Fläche über Jahrzehnte geduldet haben. Hier hat die Klägerseite zwar selbst vorgebracht, dass dem Ehemann der Klägerin als früheren Eigentümer des Grundstücks schon bei Erwerb im Jahr 1972 klar gewesen sei, dass das Wohngrundstück in Wirklichkeit größer sei und durch die vorhandene S. …straße verkleinert werde. Man habe aber damals keine Veranlassung gehabt, dagegen tätig zu werden.
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Wie ausgeführt kennt das Straßenrecht aber keine faktische oder konkludente Widmung und ein Grundstückseigentümer kann grundsätzlich in Ausübung seines Eigentumsrechts jederzeit die Zustimmung zur Nutzung einer Fläche durch die Allgemeinheit als tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche widerrufen oder einschränken. Zwar kann dieses Gestaltungsrecht nach allgemeinen Grundsätzen verwirkt werden. Gesetzlicher Anknüpfungspunkt für das Rechtsinstitut der Verwirkung ist der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Die Verwirkung ist eine besondere Ausprägung dieses Grundsatzes und gilt auch im öffentlichen Recht. Sie ist ein Hauptanwendungsfall des „venire contra factum propium“ (Verbot widersprüchlichen Verhaltens), wonach ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser seinen Anspruch nach längerer Zeit nicht mehr geltend machen würde, und wenn er sich infolge seines Vertrauens so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Maßgeblich für die Annahme der Verwirkung ist eine Gesamtbewertung aller zeitlichen und sonstigen Umstände. An die Verwirkung des Widerrufsrechts der Freigabe einer privaten Verkehrsfläche für den allgemeinen Verkehr sind hohe Anforderungen zu stellen. Eine solche kommt nur in Betracht, wenn der Eigentümer den Weg für den öffentlichen Verkehr mit Wissen und Wollen hingenommen und einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, diese Freigabe nicht mehr zu widerrufen. Aus dem Einverständnis mit der Benutzung eines Wegs durch die Allgemeinheit kann regelmäßig nicht auf eine Verwirkung des – aus dem Eigentumsrecht (vgl. § 902 Abs. 1 Satz 1, § 903 Satz 1 BGB) abgeleiteten – Widerrufsrechts geschlossen werden, auch wenn es über längere Zeit hinweg bestanden hat (vgl. BayVGH, U.v. 24.4.2022 – 8 B 20.1655 – juris Rn. 66 f. m.w.N.; B.v. 23.6.2021 – 8 CS 21.1245 – juris Rn. 26 m.w.N.; vgl. auch BGH, U.v. 16.5.2014 – juris Rn. 21).
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Umstände, die hier einen Vertrauenstatbestand auf Seiten des Beklagten begründen würden, sind nicht vorgebracht und ergeben sich auch sonst nicht. Als Vertrauensgrundlage reicht das reine Schweigen oder Nichtstun, also der bloße, selbst besonders lange Zeitablauf in der Regel nicht aus. Für ein positives Verhalten der Rechtsvorgänger der Klägerin selbst, etwa eine ausdrücklich duldende Willensäußerung oder ein erkennbar bewusstes Absehen von der Geltendmachung der aus dem Eigentum sich ergebenden Rechte, mit dem die Begründung einer schützenswerten Vertrauensgrundlage der Beklagten einhergehen würde, oder weitere besonderen Umstände, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen ließen, sind nicht ersichtlich bb) Dem Anspruch der Klägerin aus § 903 BGB steht auch nicht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung im Hinblick auf den Bebauungsplan Nr. … „An der H. …straße“ entgegen, der nach seiner Begründung dazu dient, die hier streitige Fläche für öffentliche Verkehrszwecke zu sichern. Dies gilt auch angesichts des Umstands, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den hiergegen von Klägerseite erhobenen Normenkontrollantrag inzwischen abgelehnt hat.
45
In der Rechtsprechung ist zwar anerkannt, dass ein Folgenbeseitigungsanspruch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht durchgesetzt werden kann, wenn die Legalisierung des als rechtswidrig erkannten und andauernden Zustands sicher zu erwarten ist und zeitlich unmittelbar bevorsteht (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 26.4.2022 – 8 B 20.1656 – juris Rn. 78 unter Verweis auf BVerwG, U.v. 6.9.1988 – 4 C 26.88 – juris Rn. 15; U.v. 26.8.1993 – 4 C 24.91 juris Rn. 42; BayVGH, U.v. 24.4.1996 – 4 B 95.2804 – NJW 1996, 3163 = juris Rn. 11 f.). Denn es verhält sich treuwidrig, wer etwas herausverlangt, was sogleich wieder zurückgewährt werden muss („dolo agit“-Grundsatz). Danach wäre eine unzulässige Rechtsausübung zu bejahen, wenn die Klägerin die Wiederherstellung eines früheren Zustandes verlangte, obwohl auf der Grundlage der außerhalb des Rechtsstreits inzwischen entstandenen materiellen Rechtslage die Beseitigung der eingetretenen Folgen ausgeschlossen ist (vgl. BVerwG, U.v. 6.9.1988 – 4 c 26.88 – juris Rn. 88; OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 6.10.2016 – OVG 1 B 11.15 – juris Rn. 28).
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Davon kann hier aber zum maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung nicht ausgegangen werden. Es stellt sich bereits die Frage, ob hier der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung überhaupt angewandt werden kann. Denn es geht hier nicht um einen Folgenbeseitigungsanspruch, d.h. um einen Anspruch gegen den Beklagten auf positives Tun mit i.d.R. entsprechenden Aufwendungen. Es geht hier vielmehr um die Ausübung der Rechte der Klägerin aus dem Eigentumsrecht (Art. 14 GG, § 903 BGB), denen grundsätzlich nur ein Duldungsrecht im Hinblick auf die Eigentumsstörung entgegengehalten werden kann. Es ist fraglich, ob sich aus den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen der unzulässigen Rechtsausübung eine Rechtsposition des Beklagten ergibt, die die Rechte der Klägerin aus dem Eigentum einschränkt.
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Letztlich muss dies aber nicht abschließend entschieden werden. Denn der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung setzt voraus, dass der Eintritt einer geänderten materiellen Rechtslage bereits hinreichend sicher zu erwarten ist. Dabei hat das Gericht bei seiner Entscheidung auf die Sach- und Rechtslage abzustellen, die sich ihm im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bietet, und nicht eine künftige, tatsächlich oder rechtlich nur mögliche Entwicklung zugrunde zu legen (vgl. BVerwG, U.v. 6.9.1988, a.a.O. Rn. 13 ff.). Die bloße Möglichkeit einer nachträglichen Legalisierung genügt vor diesem Hintergrund nicht; solche Umstände sind ggf. im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 767 ZPO geltend zu machen (vgl. BVerwG, U.v. 6.9.1988 – 4 C 26.88 – juris Rn. 17 f.; Schübel/Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 113 Rn. 37).
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Dies zugrunde legend ergibt sich, dass am Schluss der mündlichen Verhandlung zwar der Bebauungsplan Nr. … erlassen und der hiergegen gerichtete Normenkontrollantrag abgelehnt war, wenn auch nach Mitteilung der Klägerseite die Frist für eine Nichtzulassungsbeschwerde noch nicht abgelaufen war. Wie bereits ausgeführt, gibt aber der Bebauungsplan noch kein Recht, das Grundstück für die Verkehrsfläche in Anspruch zu nehmen. Der Bebauungsplan als solcher führt daher noch zu keiner Rechtsposition, die dazu führen würde, dass die Klägerin die Verkehrsfläche hinnehmen müsste. Voraussetzung ist insoweit, sofern ein freihändiger Erwerb nicht gelingt, ein Enteignungsverfahren, das von Seiten des Beklagten bislang nicht eingeleitet wurde und dessen Ausgang vom Gericht nicht abgeschätzt werden kann (vgl. § 87 BauGB). Für den Fall, dass der ggf. noch zu stellende Antrag des Beklagten bei der Enteignungsbehörde Erfolg hat, verbleiben der Klägerin wiederrum verwaltungsgerichtliche Rechtsschutzmöglichkeiten, deren Dauer und Ergebnis ebenfalls nicht hinreichend abgeschätzt werden können. Vor diesem Hintergrund ist es vorliegend nicht so, dass bereits hinreichend sicher abgesehen werden kann, dass die Klägerin mit der vorliegenden Klage etwas erhält, was sie sogleich wieder herausgeben müsste.
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cc) Die Duldung der Beseitigung der Straßenfläche ist dem Beklagten auch im Übrigen nicht unzumutbar.
50
Im Rahmen der Geltendmachung eines Folgenbeseitigungsanspruchs ist anerkannt, dass der Anspruch entfallen kann, wenn damit ein unverhältnismäßig hoher – etwa finanzieller – Aufwand verbunden ist, der zu dem erreichbaren Erfolg bei allem Respekt für das Verlangen nach rechtmäßigen Zuständen in keinem vernünftigen Verhältnis mehr steht (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 12.7.2004 – 7 B 86.04 – juris Rn. 7). Das ist hier aber nicht der Fall, nach dem es schon nicht um einen gegen den Beklagten gerichteten Folgenbeseitigungsanspruch geht, sondern um die Duldung der Beseitigung durch die Klägerin auf ihre Kosten. Die Höhe der Aufwendungen für die bereits erfolgte Herstellung der Straße können aufgrund der Rechtswidrigkeit des Eingriffs diesem Anspruch nicht entgegengehalten werden (vgl. in Bezug auf einen Folgenbeseitigungsanspruch z.B. BVerwG, U.v. 26.8.1993 – 4 C 24/91 – juris Rn. 61).
51
Eine Unzumutbarkeit oder Treuwidrigkeit der Entfernung der Straßenfläche als Maßnahmen zur Beseitigung der tatsächlich-öffentlichen Verkehrsfläche ergibt sich schließlich auch nicht aus einer möglichen Beeinträchtigung bzw. Verhinderung der Erschließungsfunktion der S. …straße bzw. der Anfahrbarkeit weiterer Grundstücke, die etwa zu dem erreichbaren Erfolg bei allem Respekt für das Verlangen nach rechtmäßigen Zuständen in keinem Verhältnis mehr steht. Durch die Beseitigung der überbauten Straßenfläche entsteht in diesem Bereich zwar eine Engstelle, die die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigen und eine Bauleitplanung zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse städtebaulich erforderlich machen kann (vgl. BayVGH, U.v. 17.12.2024 – 15 N 23.1106 -juris Rn. 23). Dennoch verbleibt auch nach Beseitigung des Straßenkörpers auf dem Grundstück der Klägerin eine Straßenbreite von über 3 m. Die entstehende Engstelle vor dem Anwesen der Klägerin wäre etwa 6 m lang und würde sich an den Enden der Engstelle in beiden Richtungen trichterförmig aufweiten. Zwar wäre in der Engstelle kein Begegnungsverkehr möglich, vor der Engstelle könnten aber sowohl ein zufahrendes Fahrzeug als auch ein ausfahrendes Fahrzeug abgewartet werden. Die Zufahrtsmöglichkeit zu den Wohnanwesen in der S. …straße wird damit nicht beseitigt oder grundsätzlich in Frage gestellt. Auf die Ausführungen der Kammer hierzu im Verfahren RO 2 K 21.599, das eine Klage der Klägerin und ihres Ehemannes gegen ein Bauvorhaben am Ende der S. …straße betraf, wird Bezug genommen. Ob die mit der Engstelle verbundenen Beeinträchtigungen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zur Folge haben, dass Gründe des Wohl der Allgemeinheit ggf. eine Enteignung zur Umsetzung des vom Beklagten erlassenen Bebauungsplan rechtfertigen, soweit ein freihändiger Erwerb nicht gelingt, kann hier dahinstehen.
52
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 S. 1 VwGO. Da die Klägerin im Hauptantrag unterliegt und hinsichtlich ihres hilfsweisen Begehrens obsiegt, sind die Kosten des Verfahrens hälftig zu teilen.
53
Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).