Titel:
Antragsgegner, Versagung der Aussagegenehmigung, Fehlende Aussagegenehmigung, Erteilung einer Aussagegenehmigung, Verweigerung der Aussagegenehmigung, Verwaltungsgerichte, Geheimhaltungsbedürftigkeit, Amtliche Auskunft, Parallelverfahren, Rechtsschutzbedürfnis, Erlaubnispflicht, Auskunftsersuchen, Einstweilige Anordnung, Beweisbeschlüsse, Nachrangdarlehen, Befähigung zum Richteramt, Verschwiegenheitspflicht, Verwaltungspraxis, Nichtzulassungsbeschwerde, Einstweiliger Rechtsschutz
Schlagworte:
Einstweiliger Rechtsschutz, Aussagegenehmigung, Beamtenrecht, Verwaltungspraxis, Finanzmarktaufsicht, Beweisführung, Geheimhaltungsinteressen
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 28.05.2025 – 6 CE 25.769
Fundstelle:
BeckRS 2025, 20875
Tenor
1. Die Antragsgegnerin wird im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, dem Zeugen … oder einem anderen die amtlichen Auskünfte vom 15. Januar 2024 verantwortenden Beamten eine Aussagegenehmigung für eine Zeugenaussage in dem beim OLG … anhängigen Leitverfahren … insoweit zu erteilen, als es gemäß dem Beweisbeschluss des OLG … vom 1. Juli 2024 um die Erläuterung (Klärung, Vertiefung und Ergänzung) der amtlichen Auskünfte vom 15. Januar 2024 geht.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
2. Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
3. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Erteilung einer Aussagegenehmigung für einen vor dem OLG … in einem Zivilprozess als Zeuge zu vernehmenden Beamten.
2
Der Antragsteller ist ein ehemaliger Geschäftsführer von Kapitalanlagegesellschaften der …Gruppe. Er wird zusammen mit dem weiteren Geschäftsführer … (im Folgenden: K.). vor dem OLG … in zahlreichen Berufungsverfahren von Kleinanlegern der …-Gruppe auf Zahlung von Schadenersatz verklagt, weil sie nach Ansicht der Kläger als ehemalige Geschäftsführer den Betrieb unerlaubter Einlagengeschäfte zu verantworten hätten. Die Kapitalanlagegesellschaften vertrieben Nachrangdarlehen und verwendeten dabei qualifizierte Nachrangklauseln, welche die dortigen Kläger für unwirksam halten und deswegen eine Erlaubnispflicht nach § 32 KWG annehmen. Der Antragsteller sowie K. verteidigen sich vor dem OLG … insbesondere damit, dass die Antragsgegnerin bei einer entsprechenden Anfrage zum Zeitpunkt der betreffenden Kapitalanlage bestätigt hätte, dass sie das angebotene Kapitalanlageprodukt nicht als erlaubnispflichtig ansehe. Mit Beschluss vom 19. Oktober 2023 hat das OLG … im Verfahren … (sowie mit Beschlüssen vom 19.10.2023 und 20.10.2023 in den Parallelverfahren … und … betreffend weitere Kapitalanlagegesellschaften der …Gruppe) gem. § 273 Abs. 2 Nr. 2 ZPO folgendes Auskunftsersuchen an die Antragsgegnerin gerichtet:
3
Trifft es zu, dass die BaFin die Erforderlichkeit einer Erlaubnis im Sinne des § 32 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 KWG verneint hätte, wenn die … vor dem … (Zeichnungszeitpunkt) eine Erlaubnisanfrage nach § 4 Satz 1 KWG zu dem Nachrangdarlehensangebot gestellt hätte, wie es sich aus dem Prospekt der … vom … und namentlich aus den dort auf S. … abgedruckten vorformulierten Darlehensbedingungen der Emittentin zum Nachrangdarlehensvertrag einschließlich der dortigen Regelungen unter § 9 zur Nachrangigkeit ergibt?
4
1. Bestand in der Zeit bis … eine Verwaltungspraxis der BaFin, Nachrangklauseln unbeanstandet zu lassen und bei Erlaubnisanfragen den Charakter als Einlagengeschäft regelmäßig zu verneinen, wenn der BaFin zur Erlaubnisprüfung Nachrangdarlehensverträge mit einer § 9 der vorformulierten Darlehensbedingungen entsprechenden Nachrangklausel vorgelegt wurden?
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2. Die BaFin möge ebenfalls darlegen, ob es in der Zeit bis zum … bei der BaFin die Verwaltungspraxis gegeben hat, dass die Billigungsabteilung im Rahmen eines Billigungsverfahrens nach § 8 VermAnlG eine inzidente Erlaubnisprüfung gemäß § 32 Abs. 1 KWG durchführt oder durch die Erlaubnisabteilung durchführen lässt, um Feststellungen etwa zur Zuständigkeit der Billigungsabteilung gemäß § 1 Abs. 1 und 2 Nr. 4 VermAnlG zu treffen.
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3. In dem vorliegenden, aber auch in weiteren beim Senat aktenkundigen Billigungsbescheiden nach § 8 VermAnlG weist die BaFin jeweils abschließend darauf hin, dass sie sich eine weitere Erlaubnisprüfung nach § 32 Abs. 1 KWG „vorbehält“. Die BaFin möge sich dazu äußern, ob es bis zum … eine Verwaltungspraxis gegeben hat, dass nach dem Erlass des Billigungsbescheids regelmäßig entsprechende Erlaubnisprüfungen eingeleitet wurden. Falls dies der Fall ist, wird um Auskunft ersucht, in welchen Zeitabständen nach Erlass des Billigungsbescheids die Erlaubnisprüfung eingeleitet wurde und ob die BaFin nach ihrer damaligen Verwaltungspraxis die Anlagegesellschaften bzw. Prospektherausgeber an solchen Prüfungen beteiligt oder über den Ausgang der Erlaubnisprüfung informiert hat.
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4. Sofern die BaFin auf das unter Ziffer I. formulierte Auskunftsersuchen angibt, dass die BaFin kein Negativattest ausgestellt hätte, wird sie gebeten, außerdem zu erläutern, worin sie den tragenden Unterschied zu den Nachrangklauseln sieht, zu denen sie in ihren Äußerungen vom … und vom … Stellung genommen hat (siehe die Äußerungen der BaFin in den dem Auskunftsersuchen beigefügten Anlagen BB 8 und BB 9).
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Das OLG … wies vorsorglich darauf hin, dass sich das Auskunftsersuchen nicht auf Geschäftsgeheimnisse, sondern auf die Feststellung einer Entscheidungs- und Verwaltungspraxis richte, so dass keine Auskunftsverweigerungsrechte entsprechend § 4 VermAnlG oder § 9 KWG eingriffen.
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In den drei im Wesentlichen gleichlautenden Auskunftsschreiben der Antragsgegnerin vom 15. Januar 2024 nahm der Beamte … (im Folgenden: R.) zu den vom OLG … gestellten Fragen Stellung.
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Am 1. Juli 2024 beschloss das OLG … im Verfahren … die amtlichen Auskünfte der Antragsgegnerin vom 15. Januar 2024 zum Gegenstand des Verfahrens zu machen und den Beamten R. bzw. eine andere Auskunftsperson als Zeugen in der mündlichen Verhandlung am 5. August 2024 zur Erläuterung (Klärung, Vertiefung, Ergänzung) der amtlichen Auskünfte zu vernehmen.
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Mit Schreiben vom 8. Juli 2024 bat das OLG … den Präsidenten der Antragsgegnerin um Erteilung einer Aussagegenehmigung für den Beamten R. oder einen anderen die Auskünfte vom 15. Januar 2024 verantwortenden Mitarbeiter.
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Mit Schreiben vom 1. August 2024 versagte die Antragsgegnerin dem Beamten R. die Genehmigung, als Zeuge im Verfahren … auszusagen.
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Mit Beschluss vom 6. August 2024 (* …*) bat das OLG … vor dem Hintergrund der fehlenden Aussagegenehmigung die Antragsgegnerin um eine schriftliche Erläuterung der in den Parallelverfahren (* …, … und …*) eingeholten Auskünfte der Antragsgegnerin vom 15. Januar 2024. Aufgrund von Interpretationsschwierigkeiten hinsichtlich der Auskünfte werde um eine klarstellende Äußerung zur Beantwortung der Frage betreffend die hypothetische Erlaubnisfreistellung (Frage I.) gebeten. Die Klagepartei vertrete die Auffassung, die Auskünfte vom 15. Januar 2024 seien dahingehend auszulegen, dass im Falle eines damaligen Antrags die Erforderlichkeit einer Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 KWG nicht verneint worden wäre. Die Beklagten (der Antragsteller und K.) verstünden die Auskünfte hingegen so, dass im Falle einer damaligen Antragstellung grundsätzlich ein Negativtestat erteilt worden wäre. Am 14. August 2024 erhoben der Antragsteller und K. Widerspruch gegen die Versagung der Aussagegenehmigung vom 1. August 2024.
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Mit Schreiben vom 30. August 2024 teilte die Antragsgegnerin dem OLG … mit, dass vor dem Hintergrund der Versagung der Aussagegenehmigung für den Beamten R. auch keine weitere schriftliche Stellungnahme abgegeben werde.
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Mit Beschluss vom 26. September 2024 stellte das OLG … fest, dass vor dem Hintergrund, dass keine weitere Stellungnahme der Antragsgegnerin erfolgen werde, dem Gericht eine Auslegung der Auskünfte vom 15. Januar 2024 obliege. Der Beklagtenpartei werde jedoch zunächst bis 31. Dezember 2024 Zeit gegeben, zu prüfen, ob Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes angezeigt seien, um das Beweishindernis zu beseitigen und die Aussagegenehmigung für den Beamten R. beizubringen.
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Am 9. Oktober 2024 stellten der Antragsteller und K. beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Antrag gem. § 123 Abs. 1 VwGO.
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Zur Begründung trägt der Antragsteller im Wesentlichen vor, dass das vom OLG … formulierte Beweisthema entscheidungserheblich sei. Für das OLG … komme es maßgeblich darauf an, ob die Antragsgegnerin die Klauseln als erlaubnispflichtig oder erlaubnisfrei eingestuft hätte und wie vergleichbare Klauseln von der Antragsgegnerin behandelt worden seien. Dies seien tatsächliche Gesichtspunkte, welche insbesondere mit der Vernehmung eines Zeugen dem Beweis zugänglich seien. Um diese Frage zu klären, seien Aussagen von Mitarbeitern der Antragsgegnerin erforderlich. Denn die von der Antragsgegnerin erteilten Auskünfte vom 15. Januar 2024 seien hinsichtlich der Antworten auf die vom OLG … gestellten Fragen unklar, mehrdeutig und interpretationsbedürftig. Die Fragen des OLG … beträfen auch keine geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, sondern lediglich die damalige Entscheidungspraxis zu den hier relevanten Nachrangklauseln. Die Voraussetzungen für eine Versagung nach § 68 Abs. 1 BBG lägen deshalb nicht vor. Die einschlägigen Beweisthemen bzw. Beweisfragen würden weder Geschäftsgeheimnisse Dritter noch Umstände berühren, welche die Funktionsfähigkeit oder effektive Arbeitsweise der Antragsgegnerin beeinträchtigen könnten. Die verwendeten Klauseln seien regelmäßig Bestandteil von Darlehensverträgen gewesen, die in öffentlichen Verkaufsangeboten enthalten und damit öffentlich zugänglich gewesen seien. Mit welcher Häufigkeit und mit welcher Begründung eine Aufsichtsbehörde bestimmte aufsichtsrechtliche relevante Vorgänge rechtlich bewerte, sei rein objektiv rechtlicher Art und lasse keine Rückschlüsse auf behördeninterne Abläufe oder geheimhaltungsbedürftige Prozesse zu. Durch die Verweigerung der Aussagegenehmigung werde das Beweisführungsrecht des Antragstellers im Zivilprozess, welches der Verwirklichung des Rechts auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG diene, unverhältnismäßig beeinträchtigt. Ein Anordnungsgrund sei ebenso gegeben, da das OLG … eine Frist bis 31. Dezember 2024 gesetzt habe, das Beweishindernis zu beseitigen. Das OLG … habe in einer Vielzahl von Parallelverfahren den Beschluss gefasst, das Verfahren … als Leitverfahren zu behandeln und die gewonnenen Beweisergebnisse in den Parallelverfahren beizuziehen. In der Antragsschrift habe die Antragstellerseite auf die mit Beschlüssen vom 19. und 20 Oktober 2023 (* …, … und …*) erfolgten Auskunftsersuchen Bezug genommen und beispielhaft die Nachrangklauseln der „ …“ benannt. Die verwendeten Nachrangklauseln der verschiedenen Kapitalanlagegesellschaften der …-Gruppe seien gleichlautend.
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Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem vom OLG … in den Verfahren …, …, …, … bereits geladenen Zeugen und den vom OLG … noch als Zeugen zu ladenden Mitarbeiter der Antragsgegnerin die Aussagegenehmigung zu den Beweisthemen bzw. Beweisfragen zu erteilen, welche das OLG … mit Beschlüssen vom 19. und 20. Oktober 2023 als Auskunftsersuchen an die Antragsgegnerin gerichtet hat.
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Hilfsweise beantragt der Antragsteller, für den Fall, dass das Gericht einzelne oder alle der dort genannten Fragen als geheimhaltungsbedürftig ansehen sollte, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Aussagegenehmigung zu folgenden Fragen zu erteilen:
- Haben der BaFin im Zeitraum vor 2019 außer den [im Widerspruchsschreiben vom 15.8.2024] (…) in Ziffer 5 c) cc) genannten Fällen noch weitere Anträge gemäß § 4 KWG vorgelegen, mit denen die Feststellung begehrt wurde, dass es sich bei den je betreffenden Nachrangdarlehen um erlaubnisfreie Geschäfte handelt?
- Wenn ja, hat die BaFin in diesen Fällen Verwaltungsverfahren eröffnet?
- Hat die BaFin den Antragstellern in diesen Fällen gegebenenfalls Hinweise und/oder Anregungen erteilt zur Abgabe von Erklärungen, zur Stellung von Anträgen oder der Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen, soweit diese aus Sicht der BaFin unrichtig abgegeben oder gestellt worden waren?
- Haben die Antragsteller, denen derartige Hinweise oder Anregungen erteilt wurden, daraufhin die in den Darlehensverträgen enthaltenen qualifizierten Nachrangklauseln entsprechend den Anregungen der BaFin überarbeitet und umformuliert?
- In wie vielen Fällen hat die BaFin Anträge gemäß § 4 KWG auf Feststellung der Erlaubnisfreiheit von Nachrangdarlehen zurückgewiesen?
- In wie vielen Fällen hat die BaFin in dem oben genannten Zeitraum bis 2019 gemäß § 4 KWG zur Feststellung der Erlaubnisfreiheit vorgelegte Nachrangdarlehen als nicht erlaubnispflichtig verbeschieden?
- Hat die BaFin bei der Verbescheidung von Anträgen gemäß § 4 KWG jeweils die Vergleichbarkeit der vorgelegten Nachrangdarlehen mit zuvor zur Verbescheidung gemäß § 4 KWG vorgelegten und verbeschiedenen Nachrangdarlehen berücksichtigt?
- Hat die BaFin in Fällen, in denen Vergleichbarkeit vorlag, die Erlaubnisfreiheit festgestellt, sofern diese in Fällen gegeben war, die vorher ebenfalls als nicht erlaubnispflichtig verbeschieden wurden?
- Handelt es sich bei den [im Widerspruchsschreiben vom 15.8.2024] (…) in Ziffer 5. c) cc) genannten Fällen von Nachrangdarlehen um Fälle, die mit Nachrangdarlehen vergleichbar waren, die von der BaFin gemäß § 4 KWG als erlaubnisfrei verbeschieden wurden?
- Handelte sich bei einem oder mehreren der [im Widerspruchsschreiben vom 15.8.2024] (…) unter Ziffer 5. c) cc) genannten Nachrangdarlehen um eine Gestaltung, die in einem vergleichbaren Antragsverfahren gemäß § 4 KWG im genannten Zeitraum als erlaubnispflichtig verbeschieden worden ist?
- Ist die Behörde im Zeitraum vor 2019 gegen Verwender unwirksamer Nachrangdarlehensverträge gemäß § 37 KWG eingeschritten?
- Sind der BaFin die Tatsachen, die zu dem Einschreiten gemäß § 37 KWG Anlass gegeben haben durch Mitteilungen anderer Abteilungen der Behörde bekannt geworden?
- Hat die Abteilung für Wertpapieraufsicht die Abteilung für Erlaubnispflicht und Verfolgung unerlaubter Geschäfte über die jeweiligen Billigungsverfahren informiert, die den Vertrieb qualifizierter Nachrangdarlehen zum Gegenstand hatten?
- Wie und in welchem Umfang sowie zu welchem Zeitpunkt sind diese innerbehördlichen Informationen erfolgt?
- Hat zwischen den Abteilungen überhaupt eine Kommunikation stattgefunden?
- Die Behörde hat Ende 2020 Verwaltungsverfahren gegenüber einer Vielzahl von …-Gesellschaften gem. § 37 KWG eröffnet, unter anderem gegenüber der … Welche Tatsachen und Erkenntnisse haben hierfür Anlass gegeben?
- Hat die Abteilung für Erlaubnispflicht und Verfolgung unerlaubter Geschäfte dabei auf die Erkenntnisse und Unterlagen aus den Billigungsverfahren, die … betreffend zurückgegriffen?
- Die für die Billigung gemäß Vermögensanlagengesetz zuständige Abteilung der Behörde hat gegenüber den Antragstellern in den Billigungsverfahren nach dem 10.07.2015 eine Vielzahl von Hinweisen zur Gestaltung der Prospekte mit Blick auf die transparente Erläuterung von Tatbestand und Rechtsfolgen qualifizierter Nachrangklauseln und deren Risiken gegeben. In zwei Fällen (vgl. [im Widerspruchsschreiben vom 15.8.2024 die Ziffer] 5 b) hat der zuständige Mitarbeiter sogar auf die Änderung des Wortlauts der betreffenden qualifizierten Nachrangklauseln Einfluss genommen zu dem erklärten Zweck, die Zuständigkeit gemäß § 1 KWG herbeizuführen. Die beiden Fälle betrafen den Prospekt … und den Prospekt … Hat der zuständige Mitarbeiter die von ihm gegebenen Hinweise zuvor mit der Abteilung für Erlaubnispflicht und Verwaltung unerlaubter Geschäfte abgestimmt?
- Haben die Mitarbeiter der Abteilung für Wertpapieraufsicht in Fällen, in denen sie Zweifel an der Wirksamkeit im Rahmen einer Prospektprüfung vorgelegter qualifizierter Nachrangklauseln hatten, Kontrollmitteilungen an die Abteilung für Erlaubnispflicht und Verfolgung unerlaubter Geschäfte erteilt?
- Soweit dies der Fall war, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang sind derartige Kontrollmitteilungen erfolgt?
- Waren die Mitarbeiter der Abteilung für Wertpapieraufsicht im Zusammenhang mit Billigungsverfahren gemäß Vermögensanlagengesetz gehalten, bei zweifelhafter Wirksamkeit von qualifizierten Nachrangdarlehen eine behördeninterne Abstimmung mit der Abteilung für Erlaubnispflicht und Verfolgung unerlaubter Geschäfte vorzunehmen?
- Waren die Mitarbeiter der Abteilung für Wertpapieraufsicht in diesen Fällen gehalten, dem Antragsteller Hinweise zur Nachbesserung der qualifizierten Nachrangklauseln nach Abstimmung mit der Abteilung für Erlaubnispflicht und Verfolgung unerlaubter Geschäfte zu geben?
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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Zur Erwiderung wird ausgeführt, dass der Antrag unzulässig, jedenfalls unbegründet sei. Soweit der Antragsteller eine Aussagegenehmigung im Hinblick auf die Verfahren …, … und … beantrage, fehle dem Antrag das Rechtsschutzbedürfnis, da diese Verfahren beim OLG … abgeschlossen seien. Hinsichtlich des Verfahrens … sei der Antrag insoweit unzulässig, als der Antragsteller in seinem Antrag die „…“ zitiere; denn diese sei nicht Gegenstand des Verfahrens … Auch entspreche der von der Antragstellerseite genannte Zeichnungszeitpunkt am … nicht dem Zeitpunkt, welcher im Verfahren … relevant sei. Zudem habe der Antragsteller eine Vorwegnahme der Hauptsache beantragt. Die hierfür erforderlichen hohen Anforderungen seien nicht erfüllt. Ein Anordnungsgrund scheitere daran, dass sich das OLG … vorbehalten habe zu prüfen, ob es die im Verfahren … bis 31. Dezember 2024 gesetzte Frist zur Beseitigung des Beweishindernisses verlängere. Jedenfalls habe die Antragstellerseite keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Voraussetzungen des § 68 Abs. 1 BBG lägen vor. Vorliegend kämen zur allgemeinen Amtsverschwiegenheit aus § 67 Abs. 1 BBG besondere gesetzliche Geheimhaltungsgründe aus § 9 KWG hinzu. Bei der Beantwortung der Fragestellungen, welche der vom Antragsteller begehrten Aussagegenehmigung zu Grunde lägen, müsste die Antragsgegnerin Informationen mitteilen, die generell geeignet seien, die effektive Ausübung der Finanzmarktaufsicht zu behindern. Jede Erläuterung, Klärung, Vertiefung und Ergänzung der bereits abgegebenen Auskünfte vom 15. Januar 2024 würde die bei der Antragsgegnerin angewandten Prüfungs- bzw. Überwachungsmethoden und -strategien, aufsichtsrechtliche Vorgehensweisen sowie sonstige nicht öffentlich bekannte Informationen offenlegen. Insbesondere bei weiteren Ausführungen zur „hypothetischen Genehmigung“ müsste die Antragsgegnerin auf die damaligen Überwachungsmethoden eingehen. Die Beantwortung würde Rückschlüsse auf die Art und Weise der aufsichtsrechtlichen Tätigkeit im Bereich der Verfolgung unerlaubter Bankgeschäfte zulassen, weil daraus ersichtlich würde, wie die Antragsgegnerin ermittle und Informationen gewichte, bewerte und überprüfe. Durch die Offenlegung könnten sich insbesondere Anbieter des Grauen und des Schwarzen Kapitalmarkts hierauf einstellen und die so gewonnenen Informationen für ihre Zwecke missbrauchen. Damit würde die Funktionsfähigkeit der Antragsgegnerin im Sinne von § 68 Abs. 1 BBG erheblich beeinträchtigt. Die in § 9 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 und Nr. 15 KWG genannten Ausnahmen zur Verschwiegenheitspflicht aus § 9 Abs. 1 Satz 1 KWG lägen nicht vor, da es sich bei dem Gerichtsverfahren vor dem OLG … um einen Zivilprozess handle.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 27. November 2024 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch des Antragstellers gegen die Versagung der Aussagegenehmigung zurück. Auf die Begründung wird Bezug genommen.
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Hiergegen erhob der Antragsteller am 17. Dezember 2024 Klage (Az. AN 16 K 24.3194).
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Mit Beschluss vom 24. Oktober 2024 hat das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main das Eilverfahren des Antragstellers abgetrennt und den Rechtsstreit wegen örtlicher Unzuständigkeit an das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach verwiesen. Das Eilverfahren des K. ist wegen örtlicher Unzuständigkeit an das Bayerische Verwaltungsgericht München verwiesen worden. Mit Beschluss vom 6. März 2025 hat das Bayerische Verwaltungsgericht München dem Antrag teilweise stattgegeben. Auf die Entscheidung (Az. M 21a E 24.6496) wird Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren, im Klageverfahren AN 16 K 24.3194 sowie der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
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1. Der Antrag hat im tenorierten Umfang Erfolg.
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1.1 Der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht ist gem. § 126 Abs. 1 BBG gegeben, da es sich im Hauptsacheverfahren um eine „Klage aus dem Beamtenverhältnis“ handelt, auch wenn der Antragsteller selbst kein Beamter ist. Maßgebend ist, dass der geltend gemachte Anspruch im Beamtenrecht seine Grundlage hat, also auf Bestimmungen gestützt wird, die nur Träger hoheitlicher Gewalt berechtigen oder verpflichten, was bei den hier maßgeblichen Normen des § 67 Abs. 3 BBG, § 68 Abs. 1 BBG und § 9 KWG der Fall ist (BVerwG, U.v. 24.6.1982 – 2 C 91.81 – juris Rn. 32; VG Mainz, B.v. 29.4.2021 – 4 L 294/21.MZ – juris Rn. 2; VG Berlin, B.v. 1.6.2018 – 28 L 267.18 – juris Rn. 15).
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1.2 Der Antrag ist nur teilweise zulässig.
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Wegen des zugrundeliegenden Verpflichtungsbegehrens ist der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO statthaft.
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1.2.1 Soweit der Antragsteller die Erteilung der Aussagegenehmigung für die Verfahren …, … und … begehrt, ist der Antrag bereits unzulässig, da ihm das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Die Verfahren sind beim OLG … bereits abgeschlossen. Die Vernehmung eines Zeugen kommt daher in den dortigen Verfahren nicht in Betracht. Der Vortrag der Antragstellerseite, es sei Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH anhängig, greift nicht durch. Denn von dieser Seite ist kein Beweisbeschluss ergangen.
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1.2.2 Soweit es dem Antragsteller um die Erteilung einer Aussagegenehmigung im Verfahren … geht, kann er ein Rechtsschutzbedürfnis geltend machen. Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsteller in seinem Hauptantrag die „…“ sowie einen abweichenden Zeichnungszeitpunkt zitiert. Denn der Hauptantrag wiederholt lediglich das vom OLG … in den Verfahren …, … und … an die Antragsgegnerin gerichtete Auskunftsersuchen, welches Grundlage für die jeweilige amtliche Auskunft vom 15. Januar 2024 war. Wie das Verfahren … dienten auch die Verfahren …, … und … als Leitverfahren für eine Beweiserhebung, welche in den übrigen anhängigen Verfahren verwertet werden kann. Dem OLG … geht es in erster Linie darum, dass die Antragsgegnerin das Auskunftsersuchen eindeutig beantwortet bzw. erläutert, wie die amtlichen Auskünfte vom 15. Januar 2024 zu verstehen sind.
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Das Rechtsschutzbedürfnis ist auch nicht deshalb untergegangen, weil das Bayerische Verwaltungsgericht München im dortigen Verfahren des K. dem Antrag in Bezug auf das Verfahren … insoweit stattgegeben hat und daher der Zeuge R. (oder ein anderer Beamter) in dem Prozess vor dem OLG … bereits aufgrund dieses Beschlusses aussagen könnte. Denn es sind prozessuale Situationen denkbar – bspw. bei Ausscheiden des K. aus dem Prozess vor dem OLG … –, dass der von K. erwirkte Beschluss nicht zum Tragen käme, sodass der Antragsteller insoweit auf eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung seine eigene Person betreffend angewiesen wäre.
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1.3 Der Antrag ist im tenorierten Umfang begründet.
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1.3.1 Gem. § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Erforderlich ist, dass der Antragsteller einen materiellen Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung gerade im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO.
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1.3.2 Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
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Denn dem Antragsteller ist es nicht zumutbar, die Entscheidung im verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren abzuwarten, da er diese aller Voraussicht nach nicht rechtzeitig erwirken könnte. Das OLG … hat im Verfahren … bereits am 5. August 2024 mündlich verhandelt. Mit Beschluss vom 26. September 2024 hat es eine Frist bis zum 31. Dezember 2024 gesetzt, um die Aussagegenehmigung für den Zeugen R. beizubringen und zu prüfen, ob Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes angezeigt seien. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass das OLG … in keinem Fall mit einer Entscheidung im Verfahren … und einschlägigen Parallelverfahren zuwarten wird, bis die Frage der Erteilung einer Aussagegenehmigung im verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren endgültig geklärt wäre.
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Denn das OLG … hat bei der Entscheidung über eine etwaige (erneute) Verlängerung der Beibringungsfrist gerade auch die Zumutbarkeit für die anspruchstellenden Anleger (Kläger) zu berücksichtigen (vgl. hierzu exemplarisch die Ausführungen im Beschluss des OLG … vom 18.11.2024 im Verfahren … und im Beschluss des OLG … vom 26.9.2024 im Verfahren …*). Aus diesen Gründen ist vorliegend die vom Antragsteller geltend gemachte Vorwegnahme der Hauptsache ausnahmsweise zulässig. Aus Gründen des Gebotes effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) wäre das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache für den Antragsteller unzumutbar. Müsste dieser auf den rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens warten, würde dies seine Rechtsverfolgung in erheblichem Maße beeinträchtigen, da die begehrte Zeugeneinvernahme vorerst nicht erfolgen könnte und im Verfahren … sowie in zahlreichen Parallelverfahren beim OLG … keine Berücksichtigung fände.
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1.3.3 Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
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Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung sind die Regelungen der §§ 67, 68 BBG und § 9 KWG.
40
Nach § 67 Abs. 1 Satz 1 BBG haben Beamte über die ihnen bei oder bei Gelegenheit ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen dienstlichen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Nach § 67 Abs. 3 Satz 1 BBG dürfen Beamte ohne Genehmigung über Angelegenheiten nach Absatz 1 weder vor Gericht noch außergerichtlich aussagen oder Erklärungen abgeben. Gem. § 68 Abs. 1 BBG darf die Genehmigung, als Zeuge auszusagen, nur versagt werden, wenn die Aussage dem Wohle des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde.
41
Mit § 68 Abs. 1 BBG nimmt der Gesetzgeber in Anknüpfung an die Regelungen zur Verschwiegenheitspflicht in § 67 Abs. 1 und 3 BBG eine Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen des Staatswohls und der Erfüllung öffentlicher Aufgaben einerseits und dem Interesse an einer umfassenden und uneingeschränkten Wahrheitsfindung sowie den damit zusammenhängenden Interessen andererseits vor. Die Vorschrift räumt dem Interesse an der Wahrheitsfindung grundsätzlich Vorrang gegenüber dem Interesse an der Geheimhaltung ein. Gem. § 68 Abs. 1 BBG darf daher die Genehmigung, als Zeuge auszusagen, nur versagt werden, wenn die Aussage dem Wohle des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist die Aussagegenehmigung zu erteilen; ein Ermessen steht dem Dienstvorgesetzten nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht zu. Erforderlich ist lediglich, dass der Dienstvorgesetzte durch Konkretisierung des von der Aussagegenehmigung erfassten Sachverhalts in die Lage versetzt wird, zu prüfen, ob der Erteilung Hinderungsgründe im Sinne des § 68 Abs. 1 BBG entgegenstehen (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.1982 – 2 C 91.81 – juris Rn. 33).
42
Nach § 9 Abs. 1 KWG dürfen die bei der Antragsgegnerin Beschäftigten die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse des Instituts oder eines Dritten liegt, insbesondere Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, nicht unbefugt offenbaren.
43
Mit dieser Norm hat der Gesetzgeber zwar keinen im Vergleich zur Regelung des § 67 Abs. 1 BBG speziellen Tatbestand eines besonderen Amtsgeheimnisses geschaffen, was zur Folge hat, dass § 9 KWG in seinem sachlichen Anwendungsbereich als lex specialis § 67 BBG zur allgemeinen Amtsverschwiegenheit nicht verdrängt. Jedoch handelt es sich bei § 9 KWG um eine bereichsbezogene Regelung zur Konkretisierung der allgemeinen Pflicht zur Amtsverschwiegenheit, die deshalb auch bei der Prüfung eines Antrags auf Erteilung einer Aussagegenehmigung zu berücksichtigen ist (VG Minden, B.v. 17.12.2010 – 10 L 690/10 – juris Rn. 53 ff.).
44
§ 9 Abs. 1 KWG bezieht sich seinem Wortlaut nach auf Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse des beaufsichtigten Instituts bzw. eines Dritten liegt. Ob ein solches legitimes Geheimhaltungsinteresse besteht, ist durch Abwägung aller Umstände nach objektiven Kriterien zu ermitteln. Der Verschwiegenheitspflicht nach § 9 Abs. 1 KWG unterliegen nicht nur Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, sondern allgemein Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse des Instituts oder eines Dritten liegt. Vor dem Hintergrund richtlinienkonformer Auslegung ist auch das „aufsichtsrechtliche Geheimnis“ umfasst. Hierzu gehören etwa die von den zuständigen Behörden angewandten Überwachungsmethoden, die Korrespondenz und der Informationsaustausch der verschiedenen zuständigen Behörden untereinander sowie zwischen ihnen und den beaufsichtigten Unternehmen und alle sonstigen nicht öffentlichen Informationen über den Stand der beaufsichtigten Märkte und die dort ablaufenden Transaktionen. Die Regelungen über das Berufsgeheimnis sind von dem Grundsatz geprägt, dass die Weitergabe von vertraulichen Informationen verboten ist. Dies ist der Fall, wenn bei der Weitergabe nicht öffentlich zugänglicher Informationen die Gefahr einer Beeinträchtigung des ordnungsgemäßen Funktionierens der Finanzaufsicht bestünde. Die geforderte „Gefahr einer Beeinträchtigung“ der Schutzgüter kann zwar nur dann geltend gemacht werden, wenn sie angemessen absehbar und nicht rein hypothetisch ist. Diese Voraussetzung kann jedoch bereits durch allgemeine Überlegungen dargetan werden, aus denen sich die reale Möglichkeit einer Beeinträchtigung ergibt. So kann die Feststellung ausreichen, dass eine Offenlegung einer Information, die sich auf nicht allgemein bekannte aufsichtsrechtliche Vorgehensweisen bezieht, generell geeignet ist, die effektive Ausübung der Finanzmarktaufsicht zu behindern (vgl. BVerwG, U.v. 10.4.2019 – 7 C 22.18 – juris Rn. 19, 21, 23, 51, 56).
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Vor dem Hintergrund dieser Grundsätze sieht das Gericht keine Versagungsgründe für die Erteilung der Aussagegenehmigung, soweit es um die Auslegung der amtlichen Auskünfte vom 15. Januar 2024 geht, also insbesondere um die Frage, ob die Antragsgegnerin eine hypothetische Erlaubnisanfrage negativ beantwortet hätte.
46
Durch das Auskunftsersuchen mit den Beschlüssen vom 19. und 20. Oktober 2023 (* …, … und …*) und dem Beweisbeschluss vom 1. Juli 2024 (* …*) hat das OLG … das Beweisthema ausreichend konkretisiert, wodurch der Antragsgegnerin eine Prüfung von möglichen Versagungsgründen ermöglicht wurde.
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Dass die zeugenschaftliche Vernehmung dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes erhebliche Nachteile bereiten würde, ist nicht erkennbar. Die Kammer vermag auch nicht festzustellen, dass die Aussage des Zeugen die Erfüllung öffentlicher Aufgaben, insbesondere ein ordnungsgemäßes Funktionieren der Finanzaufsicht, ernsthaft gefährden oder behindern würde, weshalb das Interesse des Antragstellers an einer Vernehmung des Zeugen das Interesse der Antragsgegnerin an einer möglichen Geheimhaltung überwiegt.
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Dem OLG … geht es in erster Linie darum, dass die Antragsgegnerin das Auskunftsersuchen eindeutig beantwortet bzw. erläutert, wie die amtlichen Auskünfte vom 15. Januar 2024 zu verstehen sind. Auf darüberhinausgehende Beweisthemen bzw. Beweisfragen kommt es dem OLG … nicht an. Im Kern soll die Antragsgegnerin bzw. der Zeuge sich vor dem OLG … lediglich zu der Frage verhalten, ob die Antragsgegnerin eine hypothetische Erlaubnisanfrage negativ beantwortet hätte. Gefordert wird folglich eine Aussage dazu, wie die rechtliche Bewertung der Antragsgegnerin zum damaligen Zeitpunkt ausgesehen hätte. Im Vordergrund steht somit eine Rechtsfrage. Sofern es auf die damalige Verwaltungspraxis der Antragsgegnerin ankommt, handelt es sich zwar um eine Tatsache. Diese bildet sich jedoch wiederum aus den in der Vergangenheit liegenden rechtlichen Bewertungen zu parallelgelagerten Fällen. Welche aufsichtsrechtlichen Überwachungsmethoden die Antragsgegnerin zum damaligen Zeitpunkt angewandt hat, wie ihre aufsichtsrechtlichen Strategien, Methoden und Vorgehensweisen ausgestaltet sind, wie sie den Informationsaustausch mit anderen Behörden organisiert und wer die konkreten Beteiligten in möglichen parallelen Verwaltungsverfahren waren, ist hierfür unerheblich und aus Sicht des OLG … auch nicht beweiserheblich. Es ist daher nicht zu besorgen, dass sich der Zeuge zu aufsichtsrechtlichen Methoden äußern muss. Derartige – aus Sicht des OLG … beweisunerhebliche – Fragen, kann das OLG … gem. § 397 Abs. 3 ZPO zurückweisen. Dass sich durch die Beantwortung des Beweisthemas Anbieter des Grauen und Schwarzen Kapitalmarkts auf die offengelegten Informationen einstellen und diese für ihre Zwecke missbrauchen könnten, wird lediglich pauschal vorgebracht. Hinzu kommt, dass die Antragsgegnerin auf das ursprüngliche Auskunftsersuchen mit den amtlichen Auskünften vom 15. Januar 2024 bereits einmal Stellung genommen und somit versucht hat, das Auskunftsersuchen ausreichend zu beantworten. Weshalb durch eine klarstellende Äußerung, wie die amtlichen Auskünfte zu verstehen sind, geheimhaltungsbedürftige Informationen offenbart werden müssten, ist für das Gericht nicht erkennbar.
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Dies gilt auch hinsichtlich der Ziff. II Nr. 3 in den amtlichen Auskünften vom 15. Januar 2024. Diese Ziffer des zugrundeliegenden Auskunftsersuchens des OLG … betrifft zwar nicht mehr unmittelbar die Frage, ob die Antragsgegnerin eine hypothetische Erlaubnisanfrage negativ beantwortet hätte, sondern ob sie im Anschluss an die Billigung des Verkaufsprospekts regelmäßig Erlaubnisprüfungen nach § 32 Abs. 1 KWG eingeleitet hat. Diese – für das OLG … gleichwohl relevante Frage – hat die Antragsgegnerin in den amtlichen Auskünften vom 15. Januar 2024 unmissverständlich verneint. Es ist daher nicht zu besorgen, dass durch eine Erläuterung dieser Antwort, sofern das OLG … hierbei überhaupt Erläuterungsbedarf sieht, geheimhaltungsbedürftige Informationen offenbart werden müssten.
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Eine andere Einschätzung ergibt sich auch nicht daraus, dass in § 9 Abs. 1 Satz 5 KWG, der ein unbefugtes Offenbaren nach Satz 1 tatbestandlich ausschließt, die Zivilgerichte nicht genannt werden. Denn im Umkehrschluss kann nicht gefolgert werden, dass geheimhaltungsbedürftige Tatsachen nach Satz 1 in einem Zivilverfahren stets verweigert werden können. Vielmehr ist – wie oben ausgeführt – stets eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vorzunehmen. Zudem werden die Ausnahmen in Satz 5 nur regelhaft aufgezählt („insbesondere“).
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Eine Beeinträchtigung der Funktionsweise der Antragsgegnerin ist auch nicht deshalb zu besorgen, dass – wie die Antragsgegnerin in einer internen Stellungnahme vom 19. Juli 2024 (Blatt 131 der Verwaltungsakte) ausführt – weitere Zeugenladungen zu erwarten seien und dadurch die personellen Kapazitäten der Antragsgegnerin erschöpft würden. Das Verfahren … dient als Leitverfahren zur Beweiserhebung. Auch wenn zur Verwertung der Beweisergebnisse in Parallelverfahren das Einverständnis der jeweiligen Parteien erforderlich ist, ist davon auszugehen, dass diese der Verwertung einer klärenden bzw. aufschlussreichen Zeugenaussage zustimmen werden, anstatt in über einhundert Verfahren jeweils auf einer Vernehmung mit inhaltsgleicher Aussage zu bestehen (vgl. hierzu insgesamt VG München, B.v. 6.3.2025 – M 21a E 24.6496).
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2. Im Übrigen sind der Hauptantrag sowie der Hilfsantrag abzulehnen, da die von der Antragstellerseite formulierten Fragen nicht durch Beweisbeschlüsse des OLG … als für das Gericht entscheidungserheblich festgelegt und somit nicht beweiserheblich sind.
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3. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Kosten sind hälftig zu teilen, da die Beteiligten wertmäßig zu gleichen Teilen obsiegen bzw. unterliegen. Der Antragsteller obsiegt insoweit, als die Antragsgegnerin verpflichtet wird, dem Zeugen eine Aussagegenehmigung hinsichtlich der Auslegung der amtlichen Auskünfte vom 15. Januar 2024 im noch anhängigen Leitverfahren … zu erteilen; dies entspricht zum Großteil dem Hauptantrag. Im Übrigen, insbesondere in Bezug auf die im Hilfsantrag gestellten Fragen, unterliegt der Antragsteller. Nach Ansicht der Kammer sind der obsiegende und der unterliegende Teil wertmäßig gleich zu gewichten.
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4. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Von einer Halbierung des Auffangwertes im Hinblick darauf, dass über einen Antrag des vorläufigen Rechtsschutzes zu entscheiden war, sieht die Kammer ab, weil das Antragsbegehren auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist.