Inhalt

VGH München, Beschluss v. 31.07.2025 – 6 CE 25.1131
Titel:

Bundesbeamtenrecht, Konkurrentenstreit, Beförderungsdienstposten, Konstitutives Anforderungsprofil (Vorverwendung), Bestimmtheit und Überprüfbarkeit eines zwingenden Eignungsmerkmals

Normenketten:
GG Art. 33 Abs. 2
VwGO § 123
Schlagworte:
Bundesbeamtenrecht, Konkurrentenstreit, Beförderungsdienstposten, Konstitutives Anforderungsprofil (Vorverwendung), Bestimmtheit und Überprüfbarkeit eines zwingenden Eignungsmerkmals
Vorinstanz:
VG Ansbach, Beschluss vom 30.05.2025 – AN 16 E 24.3141
Fundstelle:
BeckRS 2025, 20872

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 30. Mai 2025 – AN 16 E 24.3141 – mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.
Der Antragsgegnerin wird untersagt, den Dienstposten (DP-ID 13108128) „Leiterin/Leiter“ des Stabes bei der Wehrtechnischen Dienststelle für Informationstechnologie und Elektronik mit dem Beigeladenen zu besetzen, bis über die Bewerbung der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entschieden worden ist. Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin und der Beigeladene haben die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen jeweils zur Hälfte zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 23.538,96 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Besetzung eines Beförderungsdienstpostens mit dem Beigeladenen.
2
In Streit steht das konstitutive Anforderungsprofil für den ausgeschriebenen und mit Besoldungsgruppe A 15 BBesO bewerteten Dienstposten (DP-ID 13108128) „Leiterin/ Leiter“ des Stabes bei der Wehrtechnischen Dienststelle für Informationstechnologie und Elektronik (WTD 81), die zum Geschäftsbereich des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) gehört.
3
In der Stellenausschreibung heißt es unter der Überschrift „Qualifikationserfordernisse“ im Anschluss an die Laufbahnanforderungen: „Sie verfügen über Kenntnisse und Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit dem BAAINBw insbesondere bei der Bearbeitung konzeptioneller und komplexer Erprobungsaufträge, nachgewiesen durch mindestens eine Vorverwendung mit einer Dauer von regelmäßig nicht unter zwei Jahren.“ Unter „Bemerkungen“ wird darauf hingewiesen, dass mit der Ausschreibung eine Förderungsentscheidung beabsichtigt ist.
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Auf die Stelle haben sich unter anderem die Antragstellerin und der Beigeladene beworben, die als Technische Oberregierungsrätin und Technischer Oberregierungsrat (Besoldungsgruppe A 14 BBesO) im Dienst der Antragsgegnerin stehen und bei der WTD 81 eingesetzt sind. Beide haben in der aktuellen dienstlichen Regelbeurteilung für den Beurteilungszeitraum vom 1. Februar 2020 bis zum 31. Januar 2023 als Gesamturteil die – zweitbeste – Bewertungsstufe A2 („… übertrifft die Anforderungen regelmäßig“; „… Leistungen/Fähigkeiten ragen während des gesamten Beurteilungszeitraums heraus“) erzielt, wobei beiden in der Leistungsbeurteilung jeweils sechsmal die Bewertung A1, sechsmal die Bewertung A2 und zweimal die Bewertung B vergeben wurde.
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Nach dem Auswahlvermerk vom 25. Oktober 2024 wurden von den neun Bewerberinnen und Bewerbern sieben, darunter die Antragstellerin, vorab mit der Begründung ausgeschlossen, sie erfüllten nicht das konstitutive Anforderungsprofil. Die Antragstellerin habe in ihren drei bisherigen Vorverwendungen keine komplexen Erprobungsaufträge bearbeitet. Beim Leistungsvergleich zwischen den beiden verbliebenen Bewerbern entschied die Antragsgegnerin, die Stelle mit dem Beigeladenen zu besetzen. Das teilte sie sämtlichen Bewerbern mit Schreiben vom 7. November 2024 mit. Auf Wunsch der Antragstellerin begründete sie diese Auswahlentscheidung mit Schreiben vom 8. November 2024 näher. Dabei wies sie darauf hin, dass sie beabsichtige, den Dienstposten zeitnah dem Beigeladenen zu übertragen und ihn nach Ablauf der sechsmonatigen Erprobungszeit zu befördern. Mit Umsetzungsverfügung vom 28. November 2024 übertrug sie dem Beigeladenen den ausgeschriebenen Dienstposten.
6
Die Antragstellerin hat gegen die Auswahlentscheidung Widerspruch eingelegt, über den bislang nicht entschieden ist. Sie hat ferner am 25. November 2024 bei dem Verwaltungsgericht Köln einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt mit dem Ziel, der Antragsgegnerin zu untersagen, den ausgeschriebenen Dienstposten mit dem Beigeladenen zu besetzen und ihm diesen Dienstposten zu übertragen und ihn nach Ablauf der sechsmonatigen Erprobungszeit zum Technischen Regierungsdirektor zu befördern, bis über die Bewerbung der Antragstellerin auf diesen Dienstposten bestandskräftig bzw. im Falle der Klageabweisung rechtskräftig entschieden worden ist. Das Verwaltungsgericht Köln hat sich mit Beschluss vom 10. Dezember 2024 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Ansbach verwiesen. Dort hat die Antragstellerin zudem am 27. Dezember 2024 Klage gegen die Umsetzungsverfügung zugunsten des Beigeladenen erhoben.
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Das Verwaltungsgericht Ansbach hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 30. Mai 2025 abgelehnt. Der Antrag sei unzulässig, soweit die Antragstellerin die Ernennung des Beigeladenen nicht nur bis zu einer erneuten Entscheidung über ihre Bewerbung, sondern darüber hinaus bis zu einer bestandskräftigen Behörden- oder rechtskräftigen Gerichtsentscheidung zu verhindern versuche. Insoweit fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Im Übrigen sei der Antrag zwar zulässig, aber unbegründet. Ihr Bewerbungsverfahrensanspruch werde durch die Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen nicht verletzt. Der Dienstherr dürfe das in Streit stehende konstitutive Anforderungsmerkmal fordern und habe es hinreichend konkret formuliert. Es werde von der Antragstellerin nicht erfüllt, weshalb sie ohne Rechtsfehler vom weiteren Auswahlverfahren ausgeschlossen worden sei.
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Die Antragstellerin hat hiergegen Beschwerde eingelegt, mit der sie ihr Rechtsschutzziel in vollem Umfang weiterverfolgt. Sie hält ihren Antrag insgesamt für zulässig und begründet. Das konstitutive Anforderungsprofil sei nicht ausreichend konkret formuliert und dürfe nicht Grundlage des Auswahlverfahrens sein. In jedem Fall aber werde es von der Antragstellerin erfüllt, weil sie über Zeiträume von mehr als zwei Jahren entsprechend tätig gewesen sei und insoweit Kenntnisse und Erfahrungen bei der Bearbeitung konzeptioneller und komplexer Erprobungsaufträge gesammelt habe und mitbringe.
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Sie beantragt,
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den Beschluss des Verwaltungsrechts zu ändern und der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, den ausgeschriebenen Dienstposten mit dem Beigeladenen zu besetzen und ihm diesen Dienstposten zu übertragen und ihn nach Ablauf der sechsmonatigen Erprobungszeit zum Technischen Regierungsdirektor zu befördern, bis über die Bewerbung der Antragstellerin auf diesen Dienstposten bestandskräftig bzw. im Fall der Klageabweisung rechtskräftig entschieden worden ist.
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Die Antragsgegnerin hält die Beschwerde für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet. Das Verwaltungsgericht habe den Eilantrag zu Recht abgelehnt. Sie beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Der Beigeladene verteidigt ebenfalls die erstinstanzliche Entscheidung. Seiner Meinung nach ist das Anforderungsprofil rechtlich nicht zu beanstanden und die Auswahlentscheidung sachlich richtig. Er beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
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Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und im Wesentlichen begründet.
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Die Gründe, die mit der Beschwerde fristgerecht sowie hinreichend substantiiert dargelegt worden sind und auf deren Prüfung das Gericht grundsätzlich beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 i.V.m. Satz 1 und 3 VwGO), führen zur Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Antragstellerin hat sowohl einen Anordnungsgrund (1.) als auch einen Anordnungsanspruch (2.) glaubhaft gemacht. Sie kann einstweiligen Rechtsschutz in zeitlicher Hinsicht aber nur verlangen, bis über ihre Bewerbung neu entschieden worden ist, nicht aber darüber hinaus bis zur Bestands- oder Rechtskraft einer solchen Entscheidung (3.).
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1. Der Antragstellerin steht ein Anordnungsgrund gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO zur Seite, wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat.
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Zwar bezieht sich die streitige Auswahlentscheidung nur auf die Vergabe eines Dienstpostens, die nicht dem Grundsatz der statusrechtlichen Ämterstabilität unterfällt, sondern nachträglich aufgehoben werden kann, sodass dem unterlegenen Bewerber nachträglicher Rechtsschutz zur Verfügung steht. Gleichwohl kann die Besetzung des Dienstpostens mit dem Beigeladenen die Rechte der Antragstellerin aus Art. 33 Abs. 2 GG beeinträchtigen, weil sie Vorwirkungen auf die nachfolgende Vergabe eines höherwertigen Statusamts entfalten kann (vgl. BayVGH, B.v. 10.8.2021 – 6 CE 21.1278 – juris Rn. 13 m.w.N.). Der ausgeschriebene und mit der Besoldungsgruppe A 15 BBesO bewertete Dienstposten stellt für die Antragstellerin wie für den Beigeladenen, die beide ein Statusamt der Besoldungsgruppe A 14 BBesO innehaben, einen höherwertigen Dienstposten dar. Die Übertragung schafft daher die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für eine spätere Beförderung (vgl. § 22 Abs. 2 BBG). Diese Vorwirkung ist von der Antragsgegnerin mit der bewusst gewählten „förderlichen“ Besetzung des Dienstpostens auch beabsichtigt. Dass diese den Dienstposten bereits dem Beigeladenen übertragen hat, lässt den Anordnungsgrund nicht entfallen.
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2. Die Antragstellerin hat entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
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Die Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen verletzt sie in ihrem aus § 9 Satz 1 BBG und Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Anspruch auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über ihre Bewerbung. Denn der Nachweis von „Kenntnissen und Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit dem BAAINBw insbesondere bei der Bearbeitung konzeptioneller und komplexer Erprobungsaufträge“ durch „mindestens eine Vorverwendung mit einer Dauer von regelmäßig nicht unter zwei Jahren“ darf nicht zum zwingenden Merkmal des Anforderungsprofils für den in Streit stehenden Dienstposten und damit zur Voraussetzung für die Einbeziehung von Bewerbern in den Leistungsvergleich gemacht werden (a). Die Vergabe des Dienstpostens an die Antragstellerin erscheint bei einer fehlerfreien Auswahlentscheidung als möglich (b).
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a) Der Nachweis von „Kenntnissen und Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit dem BAAINBw insbesondere bei der Bearbeitung konzeptioneller und komplexer Erprobungsaufträge“ durch „mindestens eine Vorverwendung mit einer Dauer von regelmäßig nicht unter zwei Jahren“ darf nicht zum zwingenden Merkmal des Anforderungsprofils für den streitigen Beförderungsdienstposten gemacht werden. Deshalb durfte die Antragstellerin nicht in einem ersten Schritt noch vor dem Leistungsvergleich von dem Auswahlverfahren ausgeschlossen werden.
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aa) Art. 33 Abs. 2 GG gewährt jedem Deutschen ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Das bedeutet, dass öffentliche Ämter im statusrechtlichen Sinn nach Maßgabe des Grundsatzes der Bestenauslese zu besetzen sind. Dieser Grundsatz dient primär dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Ämter des öffentlichen Dienstes und daneben auch dem berechtigten Interesse der Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen. Dem trägt er dadurch Rechnung, dass er grundrechtsgleiche Rechte auf eine ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet (sog. Bewerbungsverfahrensanspruch; dazu etwa BVerfG, B.v. 16.12. 2015 – 2 BvR 1958/13 – juris Rn. 31; BVerwG, B.v. 28.5.2021 – 2 VR 1.21 – juris Rn. 15). Für die hier in Streit stehende Vergabe eines höherwertigen Dienstpostens gilt wegen der Vorwirkungen für die nachfolgende Vergabe eines Statusamts nichts Anderes.
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Eine Auswahlentscheidung kann grundsätzlich nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen. Dabei zielt die Befähigung auf allgemein der Tätigkeit zugutekommende Fähigkeiten wie Begabung, Allgemeinwissen, Lebenserfahrung und allgemeine Ausbildung. Fachliche Leistung bedeutet Fachwissen, Fachkönnen und Bewährung im Fach. Eignung im engeren Sinne erfasst insbesondere Persönlichkeit und charakterliche Eigenschaften, die für ein bestimmtes Amt von Bedeutung sind. Bei der Ausfüllung der Begriffe Eignung, Befähigung und fachliche Leistung ist dem Dienstherrn ein Beurteilungsspielraum eröffnet, der von Verfassungs wegen nur einer begrenzten gerichtlichen Kontrolle unterliegt (BVerfG, B.v. 27.5.2013 – 2 BvR 462/13 – juris Rn. 14; BVerwG, B.v. 30.1.2015 – 2 VR 3.24 – juris Rn. 18).
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Der Dienstherr kann im Rahmen seines organisatorischen Ermessens über die Eignung (im weiteren Sinn) des Bewerberfeldes grundsätzlich auch in einem gestuften Auswahlverfahren befinden. Bewerber, die die allgemeinen Ernennungsbedingungen oder die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllen oder die aus sonstigen Eignungsgründen für die Ämtervergabe von vornherein nicht in Betracht kommen, können in einer ersten Auswahl ausgeschlossen werden und müssen nicht mehr in den Leistungsvergleich einbezogen werden, dem dann grundsätzlich aktuelle dienstliche Beurteilungen zugrunde zu legen sind.
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Bei der Bestimmung des Anforderungsprofils ist der Dienstherr aber an die gesetzlichen Vorgaben gebunden und, soweit – wie hier – eine an Art. 33 Abs. 2 GG zu messende Dienstpostenvergabe in Rede steht, auch zur Einhaltung des Grundsatzes der Bestenauswahl verpflichtet (BayVGH, B.v. 16.2.2022 – 6 ZB 21.193 – juris Rn. 8 m.w.N.). Fehler im Anforderungsprofil führen grundsätzlich auch zur Fehlerhaftigkeit des Auswahlverfahrens, weil die Auswahlerwägungen dann auf sachfremden, nicht am Grundsatz der Bestenauswahl orientierten Gesichtspunkten beruhen. Bezugspunkt der Auswahlentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 GG ist nicht die Funktionsbeschreibung des konkreten Dienstpostens, sondern das angestrebte Statusamt. Nach dem Laufbahnprinzip wird ein Beamter aufgrund seiner Befähigung für eine bestimmte Laufbahn regelmäßig als geeignet angesehen, jedenfalls diejenigen Dienstposten auszufüllen, die seinem Statusamt entsprechen oder dem nächsthöheren Statusamt zugeordnet sind (§ 16 Abs. 1, § 22 Abs. 3 BBG). Es kann grundsätzlich erwartet werden, dass der Beamte imstande ist, sich in die Aufgaben dieser Dienstposten einzuarbeiten. Ausnahmen hiervon sind nur zulässig, wenn die Wahrnehmung der Aufgaben eines Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetzt, die ein Laufbahnbewerber regelmäßig nicht mitbringt und sich in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung auch nicht verschaffen kann. Diese Voraussetzungen hat der Dienstherr darzulegen, sie unterliegen voller gerichtlicher Kontrolle (BVerwG, B.v. 23.3.2021 – 2 VR 5.20 – juris Rn. 24 f.; B.v. 19.12.2014 – 2 VR 1.14 – juris Rn. 24 ff.; B.v. 20.6.2013 – 2 VR 1.13 – juris Rn. 23 ff.; BayVGH, B.v. 4.2.2015 – 6 CE 14.2477 – juris Rn. 14, 15).
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Zwingende Merkmale in einem Anforderungsprofil müssen darüber hinaus anhand objektiv überprüfbarer Kriterien feststellbar sein und dürfen nicht dem Beurteilungsspielraum des Dienstherrn unterliegen. Die Einhaltung zwingender Merkmale muss eigenständig und ohne Bezugnahme auf das nachfolgende Auswahlverfahren geprüft werden können. Dies setzt voraus, dass die geforderten Merkmale hinreichend bestimmt sind und durch eine entsprechend § 133 BGB am objektiven Empfängerhorizont potentieller Bewerber orientierten Auslegung ermittelt werden können. Die Vorgabe darf sich nicht auf ein Merkmal beziehen, das einer wertenden Beurteilung des Dienstherrn unterliegt. Denn solche Kriterien können nicht unabhängig – und gegebenenfalls durch die Gerichte – überprüft und entweder bejahend oder verneinend festgestellt werden (BVerwG, B.v. 20.5.2025 – 2 VR 3.25 – juris Rn. 27 f. m.w.N.).
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bb) Nach diesen Maßgaben hätte die Antragsgegnerin nicht den Nachweis von „Kenntnissen und Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit dem BAAINBw insbesondere bei der Bearbeitung konzeptioneller und komplexer Erprobungsaufträge“ durch „mindestens eine Vorverwendung mit einer Dauer von regelmäßig nicht unter zwei Jahren“ als zwingendes Merkmal festlegen und die Antragstellerin bereits auf der ersten Stufe des Auswahlverfahrens ausschließen dürfen.
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Dieses Merkmal ist nicht hinreichend bestimmt und kann zudem nicht ohne Rückgriff auf Wertungen des Dienstherrn überprüft werden. Es stellt zwar – bei der gebotenen Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont potentieller Bewerber – nicht auf bestimmte fachliche Kenntnisse und Erfahrungen als solche ab; diese dürften sich – ebenso wie die in der Ausschreibung weiter zwingend geforderte und von allen Bewerbern erfüllte „Gleichstellungskompetenz“ – einer eindeutigen Beantwortung im Ja-Nein-Schema und uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung von vornherein entziehen. Es verlangt vielmehr „nur“ den Nachweis durch „mindestens eine Vorverwendung mit einer Dauer von regelmäßig nicht unter zwei Jahren“. Da die Vorverwendung nicht weiter umschrieben wird, kann sie nur als solche verstanden werden, bei der typischerweise Kenntnisse und Erfahrungen „in der Zusammenarbeit mit dem BAAINBw insbesondere bei der Bearbeitung konzeptioneller und komplexer Erprobungsaufträge“ erworben werden.
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Bei dieser Formulierung bleibt – auch unter Berücksichtigung der spezifischen Besonderheiten bei einer Wehrtechnischen Dienststelle, ihres besonderen Auftrags und des fachkundigen Bewerberkreises – unklar, ob die Vorverwendung auf die „Zusammenarbeit mit dem BAAINBw“ vorwiegend „bei“ der Bearbeitung konzeptioneller und komplexer Erprobungsaufträge gerichtet gewesen sein soll und/oder auch unmittelbar auf die eigene „Bearbeitung konzeptioneller und komplexer Erprobungsaufträge“. Weiter geht aus der Ausschreibung und den Erläuterungen des Dienstherrn nicht mit der nötigen Eindeutigkeit hervor, was im Einzelnen „Erprobungsaufträge“ sind und unter welchen Voraussetzungen sie – gerichtlich uneingeschränkt überprüfbar – als „konzeptionell und komplex“ gelten. Selbst der Begriff der „Bearbeitung“ bleibt unklar, weil in der fachlichen Stellungnahme vom 24. September 2024 zu Zweifeln der Gleichstellungsbeauftragten am zwingenden Anforderungsprofil vom 24. Juli 2024 hervorgehoben wird, dass bei der Vorverwendung gerade die „eigenständige Erstellung“ von Erprobungsaufträgen von besonderer Bedeutung sei. Dieses Verständnis, das möglicherweise in die fachliche Bewertung der einzelnen Bewerber im Auswahlverfahren eingeflossen ist, findet im Wortlaut der Ausschreibung („Zusammenarbeit mit dem BAAINBw insbesondere bei der Bearbeitung konzeptioneller und komplexer Erprobungsaufträge“) keine Stütze.
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Die unzureichende Bestimmtheit wird durch den Ablauf des Bewerbungsverfahrens bestätigt. Auf der ersten Stufe sind von neun Bewerbern sieben an dem in Streit stehenden Anforderungsprofil gescheitert. Aus der Zusammenstellung der Vorverwendungen gerade der zwei Bewerber, die nach Ansicht der Antragsgegnerin das Merkmal erfüllen, lassen die Angaben zu den jeweiligen Beschäftigungsdienststellen, den Funktionsbezeichnungen und den hinterlegten Beschreibungen der Aufgabengebiete eine eindeutige begriffliche Zuordnung nicht, jedenfalls nicht ohne weiteres zu. Die Zuordnung erfolgte allein in der fachlichen Stellungnahme vom 30. Juli 2024, die unter Berücksichtigung der Bewerbungsgespräche die tatsächlich wahrgenommenen Aufgaben bei den Vorverwendungen auflistet und dann fachlich bewertet. So sollen bei dem Beigeladenen die näher beschriebenen Tätigkeiten bei Projekten und Erprobungskampagnen das geforderte „Merkmal aus fachlicher Sicht“ erfüllen, während die bei der Antragstellerin aufgeführten Tätigkeiten „deutlich nicht“ ausreichen sollen. Das mag aus fachlicher Sicht mehr oder weniger plausibel sein. Eigenständig überprüfbar und ohne weiteres im Ja-Nein-Schema beantwortbar ist es nicht. Denn es wird nicht auf die Vorverwendung auf bestimmten Dienstposten mit einer die geforderten Begrifflichkeiten verwendenden Aufgabenbeschreibung abgestellt (wie etwa bei BayVGH, B.v. 10.8.2021 – 6 CE 21.1278 – juris Rn. 19 ff.). Vielmehr bedarf es einer wertenden Beurteilung der tatsächlich wahrgenommenen Aufgaben durch den Dienstherrn. Unabhängig von dieser kann das Merkmal im gerichtlichen Verfahren nicht eigenständig überprüft und entweder bejahend oder verneinend festgestellt werden. Schon deshalb ist das Anforderungsprofil rechtswidrig und darf nicht herangezogen werden, um Bewerber schon auf der ersten Stufe aus dem Auswahlverfahren auszuscheiden.
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Da das Merkmal bereits nicht hinreichend bestimmt ist, kann seine inhaltliche Rechtmäßigkeit nicht abschließend beurteilt werden. Mit einer auf den zu besetzenden Dienstposten (Leitung des Stabes bei der WTD 82) bezogenen Ausgestaltung des konstitutiven Anforderungsprofils würde sich der Dienstherr nur dann im Rahmen seines Organisationsermessens halten, wenn die Wahrnehmung der Aufgaben dieses Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetzt, die ein Laufbahnbewerber regelmäßig nicht mitbringt und sich in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung auch nicht verschaffen kann (vgl. BVerwG, B.v. 23.3.2021 – 2 VR 5.20 – juris Rn. 25 f.; BayVGH, B.v. 10.8.2021 – 6 CE 21.1278 – juris Rn. 18 m.w.N.).
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b) Die Vergabe des Beförderungsdienstpostens an die Antragstellerin erscheint bei einer fehlerfreien Auswahlentscheidung wenigstens als möglich (zum Maßstab BVerfG, B.v. 16.12.2015 – 2 BvR 1958/13 – juris Rn. 57, B.v. 9.8.2016 – 2 BvR 1287/16 – juris Rn. 70).
33
Das ergibt sich schon daraus, dass die Antragstellerin aufgrund eines rechtwidrigen Merkmals bereits auf der ersten Stufe ausgeschlossen und nicht in den Leistungsvergleich mit dem Beigeladenen einbezogen worden ist. Da beide im Gesamturteil der aktuellen dienstlichen Beurteilung gleich bewertet sind, hat der Dienstherr die dienstlichen Beurteilungen inhaltlich auszuschöpfen, das heißt im Wege einer näheren „Ausschärfung“ des übrigen Beurteilungsinhalts der Frage nachzugehen, ob die jeweiligen Einzelfeststellungen eine gegebenenfalls unterschiedliche Prognose betreffend den Grad der Eignung für das in Streit stehende Beförderungsamt ermöglichen. Dabei muss er den fünf Kriterien, die er in der Stellenausschreibung als „erwünscht“ festgelegt hat und die für das weitere Auswahlverfahren bindend sind, besondere Bedeutung zumessen (vgl. BVerwG, B.v. 19.12.2014 – 2 VR 1.14 – juris Rn. 37). Der Ausgang des Leistungsvergleichs ist offen, auch wenn nach der bisherigen fachlichen Beurteilung bei der Antragstellerin anders als beim Beigeladenen nicht alle erwünschten Kriterien erfüllt sein sollen.
34
3. Für die von der Antragstellerin mit der Beschwerde erneut ausdrücklich beantragte Sicherung bis zu einer bestandskräftigen (oder rechtskräftigen) Entscheidung über ihre Bewerbung besteht kein Rechtsschutzinteresse, wie das Verwaltungsgericht zu Recht entschieden hat. Die Antragstellerin kann zunächst nur verlangen, dass ihr Bewerbungsverfahrensanspruch in dem laufenden Besetzungsverfahren beachtet wird. Sowohl bei einer erneuten Auswahlentscheidung im laufenden Verfahren als auch im Falle eines neu durchzuführenden Auswahlverfahrens hätte sie gegebenenfalls die Möglichkeit, ihre Rechte aus Art. 33 Abs. 2 GG durch ein erneutes Eilverfahren zu sichern. Der Dienstherr muss mit der Ernennung eines ausgewählten Bewerbers nicht warten, bis über die Besetzung des Dienstpostens bestandskräftig entschieden ist; es genügt, dass er die sich aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, Art. 33 Abs. 2 GG ergebenden Mitteilungs- und Wartepflichten erfüllt und kein einstweiliger Rechtschutz beantragt wird (BayVGH, B.v. 1.12.2021 – 3 CE 21.2593 – juris Rn. 8 m.w.N.).
35
4. Die Antragsgegnerin und der Beigeladene, der in beiden Rechtszügen Sachanträge gestellt hat, haben die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen jeweils zur Hälfte zu tragen (§ 154 Abs. 1 und 3 VwGO). Der Antragstellerin werden mit Blick auf die teilweise Ablehnung ihres Antrags nach § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO keine Kosten auferlegt, weil das nur einen geringen Teil ihres Rechtsschutzbegehrens betrifft (zeitlicher Umfang des Anordnungsgrunds).
36
Der Streitwert in einem beamtenrechtlichen Konkurrenteneilverfahren, das – wie hier – auf die vorläufige Freihaltung eines höherwertigen Dienstpostens durch Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtet ist, bemisst sich nach § 52 Abs. 6 Satz 4 GKG und beträgt ein Viertel der für ein Kalenderjahr in dem angestrebten Amt zu zahlenden Bezüge nach Maßgabe von § 52 Abs. 6 Satz 1 bis 3 GKG (vgl. BayVGH, B.v. 24.10.2017 – 6 C 17.1429 – juris).
37
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).