Titel:
Erfolgloser Berufungszulassungsantrag im Verfahren um die Feststellung der Unwirksamkeit einer zur Abwendung eines Vorkaufsrechts der Beklagten abgegebenen Erklärung
Normenketten:
BauGB § 11, § 26, § 27 Abs. 1 S. 1
BayVwVfG Art. 55, Art. 59 Abs. 2
VwGO § 124 Abs. 2
Leitsatz:
Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass für den Abschluss einer Vereinbarung spricht, dass sich der Kläger in der Erklärung zu einer Vertragsstrafe verpflichtet hat. Eine Vertragsstrafe kann grundsätzlich nur in einem Vertrag iSd §§ 145–157 BGB vereinbart werden, weshalb es für die Vertragsstrafe einer Einigung zwischen den Parteien, also einen Antrag gem. § 145 BGB und einer Annahme gem. § 147 BGB bedarf. Einseitige Willenserklärungen reichen für die Vereinbarung einer Vertragsstrafe dagegen nicht aus. Hier hat die Beklagte das abgegebene Angebot des Klägers durch ihre Erklärung ausdrücklich angenommen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vereinbarung zur Abwendung eines Vorkaufsrechts, Vergleichsvertrag, Antrag auf Zulassung der Berufung, Kaufvertrag, Vorkaufsrecht, öffentlich-rechtlicher Vertrag, Abwendungsvereinbarung
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 05.02.2024 – M 8 K 23.2455
Fundstelle:
BeckRS 2025, 20864
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 987.500, – EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Kläger begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit einer zur Abwendung eines Vorkaufsrechts der Beklagten abgegebenen Erklärung.
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Der Kläger erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 19. Januar 2021 das verfahrensgegenständliche Grundstück. Einer der Verkäufer übersandte der Beklagten per Email am 25. Januar 2021 den streitgegenständlichen Kaufvertrag zur Kenntnis (Bl. 87 GA des VGs). Mit Schreiben vom 29. Januar 2021, eingegangen bei der Beklagten am 1. Februar 2021, zeigte auch der Notar der Beklagten den Kaufvertrag auszugsweise an (Bl. 66 BA, Az. 912/25/RV/2021/SG) und bat um Erteilung eines Negativzeugnisses nach § 28 BauGB.
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Die Verkäufer hatten das Objekt ca. zwei Monate zuvor mit Kaufvertrag vom 5. November 2020 von der Vorverkäuferin erworben, woraufhin die Beklagte mit Bescheid vom 13. Januar 2021 ihr Vorkaufsrecht an einem Miteigentumsanteil von 2/3 ausgeübt hat. Mit Bescheid vom 1. Februar 2021 widerrief die Beklagte die Ausübung dieses Vorkaufsrechtes (Bl. 90 GA des VGs), nachdem die Verkäufer am 24. Januar 2021 das Vorkaufsrecht abgewendet haben.
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Mit Schreiben vom 8. Februar 2021 (Bl. 16 BA, Az. 912/25/RV/2021/SG) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ihr der Verkauf vom beurkundenden Notar angezeigt worden sei und dass, sollten die Voraussetzungen zu einer Ausübung des Vorkaufsrechts gegeben sein, für den Kläger die Möglichkeit bestünde, durch Abgabe einer geeigneten Erklärung (die ihm mit gleichem Schreiben übersandt wurde), die Vorkaufsrechtsausübung abzuwenden (vgl. § 27 Abs. 1 BauGB). Das Vorkaufsrecht könne binnen einer Frist von zwei Monaten nach Eingang der rechtswirksamen Kaufurkunde bei der Beklagten ausgeübt werden. Mit Schreiben vom 8. Mai 2021 (Bl. 25 BA, o.g. Az.) erinnerte der Notar an sein Schreiben vom 29. Januar 2021. Mit Schreiben vom 21. Juli 2021, eingegangen bei der Beklagten am 26. Juli 2021, legte der Notar der Beklagten eine Ausfertigung des vollständigen Kaufvertrags vor (Bl. 4 BA, o.g. Az.). Ausweislich der Behördenakten (Bl. 40, o.g. Az.) ging die Beklagte davon aus, dass die zweimonatige Ausübungsfrist mit Vorlage des vollständigen Kaufvertrages am 26. Juli 2025 anlief und am 27. September 2021 endete.
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Am 23. August 2021 ging die vom Kläger unterschriebene Abwendungserklärung, datiert auf den 1. August 2021, bei der Beklagten ein (Bl. 47 BA, o.g. Az.). Diese unterzeichnete am 24. August 2021 die Seite sieben der Erklärung, die die Verpflichtung der Beklagten enthält, die Prüfung der Voraussetzungen des Bestehens des Vorkaufsrechts zu beenden und unverzüglich ein Negativzeugnis auszustellen sowie die Klausel, dass die Beklagte die vorstehende Verpflichtungserklärung annimmt und für den zugrundeliegenden Kaufvertrag das Negativzeugnis nach § 28 Abs. 1 Satz 3 BGB erteilt. Mit Schreiben vom 25. August erteilte die Beklagte das Negativzeugnis (Bl. 69 BA, o.g. Az.).
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Mit Urteil vom 9. November 2021 (Az. 4 C 1.20 – juris) entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass es im Rahmen des § 26 Nr. 4 BauGB auf die tatsächliche Situation im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts ankomme, womit erstmals höchstrichterlich entschieden wurde, dass zukünftige Entwicklungen im Rahmen des § 26 Nr. 4 BauGB nicht zu berücksichtigen seien. Daraufhin erklärte der Kläger mit Schreiben vom 17. November 2022 die Anfechtung der Abwendungserklärung, die Kündigung der Zusatzvereinbarung sowie die Anfechtung der Zusatzvereinbarung.
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Mit Schriftsatz vom 17. Mai 2023 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag festzustellen, dass die Abwendungserklärung bzw. die Zusatzvereinbarung keine rechtliche Wirkung haben, zumindest aber die Zusatzvereinbarung durch die Kündigung vom 18. November 2022 keine rechtliche Wirkung mehr hat und hilfsweise festzustellen, dass die Abwendungsvereinbarung keine rechtliche Wirkung hat, zumindest aber durch die Kündigung vom 8. November eine solche verloren hat.
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Mit Urteil vom 5. Februar 2024 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab.
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Am 20. März 2024 beantragte der Kläger die Zulassung der Berufung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Behördenakten sowie die Gerichtsakten der ersten und der zweiten Instanz Bezug genommen.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die behaupteten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sind nicht ausreichend dargelegt bzw. liegen nicht vor.
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1. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich nicht die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Solche bestünden nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (vgl. BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16). Dies ist hier nicht der Fall. Die Parteien haben eine gegenseitige Abwendungsvereinbarung getroffen (1.1). Der in diesem Zusammenhang geschlossene öffentlich-rechtlich Vertrag ist wirksam zustande gekommen (1.2). Es bestehen keine Anhaltspunkte für die Nichtigkeit dieses Vertrages nach öffentlichem Recht (1.3). Für den Fall der Einstufung des Vertrages (auch) als Austauschvertrag hat sich die Beklagte keine unzulässige Gegenleistung versprechen lassen (1.4). Eine wirksame Kündigung des Vertrages liegt nicht vor (1.5). Auch eine Nichtigkeit nach zivilrechtlichen Vorschriften ist nicht erkennbar (1.6).
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1.1. Der Senat geht mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass es sich entgegen der Ansicht des Klägers bei dem verfahrensgegenständlichen Gesamtdokument „Erklärung zur Abwendung des gesetzlichen Vorkaufsrechts P.-straße 20“ um eine gegenseitige Abwendungsvereinbarung und nicht um eine Abwendungserklärung nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB samt einer diese ergänzenden Zusatzvereinbarung (auf Seite 7 des Dokuments) handelt.
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Das Verwaltungsgericht führt hierzu aus (UA Rn. 64 f.), die von der Klagepartei angenommene Aufteilung in eine einseitige Erklärung (S. 1-6) und eine „Zusatzvereinbarung“ (S. 7) stelle bei Betrachtung der Gesamtumstände eine nicht gerechtfertigte Aufspaltung eines Gesamtvorgangs dar. Schon nach der äußerlichen Erscheinung des Dokuments handele es sich um eine zusammenhängende Erklärung. Auf Seite 7 werde Bezug auf die Regelungen und Verpflichtungen der Seiten 1 bis 6 genommen. Hier werde zunächst konsentiert, dass die „Erklärung zur Abwendung des gesetzlichen Vorkaufsrechts“ in dem Bewusstsein abgegeben werde, dass die Prüfung des Vorkaufsrechts noch nicht abgeschlossen sei. Auf Seite 7 erkläre die Beklagte, die vorstehende Verpflichtungserklärung anzunehmen. Seite 7 dieser Vereinbarung stelle ersichtlich die „Schluss-/Abschlusserklärung“ der zuvor vereinbarten Bedingungen dar. Die „Erklärung zur Abwendung des gesetzlichen Vorkaufsrechts“ vom 24. August 2021 (Seite 1 bis 7) sei nach Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont (Art. 62 Satz 2 BayVwVfG i.V.m. §§ 133,157 BGB) auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages im Sinne des Art. 54 Abs. 2 BayVwVfG gerichtet gewesen.
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Hiergegen wendet der Kläger im Wesentlichen ein, im zugrundeliegenden Dokument wie auch im Anschreiben vom 8. Februar 2021 werde vielfach der Begriff der „Abwendungserklärung“ bzw. „Erklärung zur Abwendung des gesetzlichen Vorkaufsrechtes“ im Sinne des § 27 Abs. 1 BauGB verwendet. Ein objektiver, durchschnittlich vernünftiger Erklärender könne daher nicht davon ausgehen, einen Vertrag zu schließen, wenn das Gegenüber stets die Bezeichnung der „Abwendungserklärung“ wähle und zudem keinerlei Verhalten zeige, das für Vertragsabschlüsse die Grundvoraussetzung und Regel sei; es fehle am Verhandeln.
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Dieses Vorbringen zieht die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht ernsthaft in Zweifel. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass für den Abschluss einer Vereinbarung spricht, dass sich der Kläger in Nr. VIII. der Erklärung zu einer Vertragsstrafe verpflichtet hat. Eine Vertragsstrafe kann grundsätzlich nur in einem Vertrag im Sinne der §§ 145 bis 157 BGB vereinbart werden, weshalb es für die Vertragsstrafe einer Einigung zwischen den Parteien, also einen Antrag gem. § 145 BGB und einer Annahme gem. § 147 BGB bedarf (vgl. BGH, U.v. 4.5.2017 – I ZR 208/15 – juris Rn. 12; BGH, U.v. 18.5.2006 – I ZR 32/03 – juris Rn. 14; OLG Hamm, U.v. 27.3.2012 – 4 U 181/11, I-4 U 181/11 – juris Rn. 43; Metzger in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023, § 339 Rn. 2; BGH, U.v. 18.05.2006 – I ZR 32/03 – juris Rn. 14; BGH, U.v. 25.01.2001 – I ZR 323/98 – juris Rn. 15; BGH, U.v. 10.12.1992 – I R 186/90 – juris Rn. 16; OLG Hamm, U.v. 27.03.2012 – 4 U 181/11, I-4 U 181/11 – juris Rn. 43; vgl. zur Übertragung dieser Grundsätze auf das öffentliche Recht VG Freiburg, U.v. 14.8.2020 – 5 K 6205/18 – juris Rn. 35). Einseitige Willenserklärungen reichen für die Vereinbarung einer Vertragsstrafe dagegen nicht aus (vgl. BGH, U.v. 18.5.2006 – I ZR 32/03 – juris Rn. 14; Metzger in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023, § 339 Rn. 2; Janoschek in BeckOK BGB, 74. Ed. Stand 1.5.2025, § 339 BGB Rn. 2; Walchner in Dauner-Lieb/Langen, BGB Schuldrecht, 4. Aufl. 2021, § 339 BGB Rn. 3). Hier hat die Beklagte das abgegebene Angebot des Klägers durch ihre Erklärung auf Seite 7 ausdrücklich angenommen (zur Wirksamkeit der Annahmeerklärung vgl. unten Punkt 1.2.).
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Für den Abschluss einer Vereinbarung spricht weiter, dass in Nr. VI. der Vereinbarung geregelt wurde, dass es sich bei den Verpflichtungen nach IV. „um Regelungen“ handelt, „die im Sinne des § 328 BGB zu Gunsten der Mieterinnen und Mieter gelten und diesen deshalb insbesondere im Falle eines Verstoßes gegen die Verpflichtungen nach Nr. IV. Abs. 4 bis 8 eigene direkte Forderungsrechte gegen den Erwerber verschaffen, die neben den Rechten der Landeshauptstadt München geltend gemacht werden können“. Ein solcher zwischen den Beteiligten geschlossener Vertrag zugunsten Dritter i.S.d. § 328 BGB, wonach durch Vertrag eine Leistung an einen Dritten mit der Wirkung bedungen werden kann, dass der Dritte unmittelbar das Recht erwirbt, die Leistung zu fordern, kann auch im öffentlichen Recht nicht durch eine einseitige Willenserklärung zustande kommen, sondern erfordert übereinstimmende Willenserklärungen der beteiligten Parteien (vgl. Klumpp in Staudinger, BGB, 2020, § 328 Rn. 5).
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Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass bei der Auslegung des Dokumentes zu berücksichtigen sei, dass in diesem häufig der Begriff der Abwendungserklärung genannt wird, ist dem entgegenzusetzen, dass auch der Begriff des Vertrages in dem Dokument ausdrücklich genannt wird. So heißt es in Nr. XI Abs. 2 ausdrücklich, dass Änderungen, Ergänzungen und die Aufhebung dieses Vertrages zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedürfen. Absatz 3 regelt, dass die Wirksamkeit des Vertrages unberührt bleibt, wenn sich die Parteien über einen Punkt in Wirklichkeit nicht geeinigt haben, für den sie eine Einigung annahmen; in diesen Fällen verpflichten sich die Parteien über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln. Darüber hinaus spricht für eine vertragliche Vereinbarung die Formulierung auf Seite 7 des Gesamtdokumentes, wonach sich die (Beklagte) im Gegenzug dazu verpflichtet, die Prüfung der Voraussetzungen des Bestehens des Vorkaufsrechts zu beenden und unverzüglich ein Negativzeugnis auszustellen. Zudem heißt es weiter, die Beklagte „nimmt vorstehende Verpflichtungserklärung an und erteilt für den zugrundeliegenden Kaufvertrag das Negativzeugnis nach § 28 Abs. 1 Satz 3 BauGB“. Das Verwaltungsgericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger nicht davon ausgehen konnte, die Rechtsfolgen unabhängig vom Willen der Beklagten herbeiführen zu können. Mit der Annahme der Vereinbarung sei folglich für den Kläger Rechtssicherheit geschaffen worden.
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1.2. Mit dem Verwaltungsgericht geht der Senat weiter davon aus, dass der verfahrensgegenständliche öffentlich-rechtliche Vertrag wirksam zustande gekommen ist.
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Soweit der Kläger einwendet, es fehle mangels wirksamer Annahme des Angebots durch die Beklagte bereits an einem wirksamen Vertragsschluss, dringt er nicht durch. Der Kläger argumentiert, er habe am 1. August 2021 das Dokument unterzeichnet und damit ein Angebot abgegeben, die Beklagte jedoch habe erst drei Wochen später, am 24. August 2021, die Annahme unterzeichnet. Ein Zeitraum von – wie hier – drei Wochen sei nicht ohne weiteres das, was unter regelmäßigen Umständen erwartet werden dürfe, § 147 Abs. 2 BGB. Diese Problematik habe das Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt.
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Dieser Vortrag überzeugt nicht. Aus den Behördenakten lässt sich entnehmen, dass der vom Kläger an das Kommunalreferat der Beklagten gesandte und von ihm unterzeichnete Vertrag dort erst am 23. August 2021 eingegangen ist. Dass der Kläger das Schriftstück zeitnah nach der Unterzeichnung am 1. August 2021 versandt hat, ergibt sich weder aus den Akten noch hat er dies nachvollziehbar vorgetragen. Es spricht vielmehr vieles dafür, dass der Kläger das Dokument erst deutlich später zur Post gegeben hat. Die Beklagte hat bereits am 25. August 2021 das von ihr am 24. August 2021 gegengezeichnete Exemplar an den Kläger zurückgesandt. Dass der Kläger dieses nicht binnen drei Tage erhalten hat, wurde ebenfalls nicht vorgetragen und ergibt sich auch nicht aus den Akten. Der wirksamen Annahme der Vereinbarung durch die Beklagte steht demnach § 147 Abs. 2 BGB nicht entgegen.
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1.3. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Vertrag nicht nach Art. 59 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG nichtig ist, da im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Voraussetzungen eines Vergleichsvertrages nach Art. 55 BayVwVfG vorlagen.
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Nach Art. 59 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG ist ein Vertrag im Sinne des Art. 54 Satz 2 BayVwVfG nichtig, wenn die Voraussetzungen zum Abschluss eines Vergleichsvertrages nicht vorlagen und ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nicht nur wegen eines Verfahrens- oder Formfehlers im Sinne des Art. 46 BayVwVfG rechtswidrig wäre. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses lagen die Voraussetzungen eines Vergleichsvertrages i.S.v. Art. 55 BayVwVfG vor. Nach Art. 55 BayVwVfG kann ein öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne des Art. 54 Satz 2 BayVwVfG, durch den eine bei verständiger Würdigung des Sachverhalts oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt wird, geschlossen werden, wenn die Behörde den Abschluss des Vergleichs zur Beseitigung der Ungewissheit nach pflichtgemäßem Ermessen für zweckmäßig hält.
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1.3.1. Das Verwaltungsgericht ist in zulassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass zwischen den Parteien eine Ungewissheit über das Vorliegen der Voraussetzungen des Vorkaufsrechts im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestand, die durch den Vergleichsvertrag überwunden werden sollte (vgl. BVerwG, U.v. 14.2.1975 – IV C 79.73 – juris Rn. 27). Es führt aus, zwischen den Parteien habe subjektiv und auch bei verständiger Würdigung der Rechtslage im Hinblick auf das Bestehen des Vorkaufsrechts und des Inhalts der Abwendungserklärung nach § 27 Abs. 1 BauGB eine Ungewissheit bestanden, die durch die streitgegenständliche Vereinbarung im Wege des gegenseitigen Nachgebens beseitigt worden sei (UA Rn. 70, 72). Hiergegen wendet der Kläger ein, vom Verwaltungsgericht sei gänzlich außer Betracht gelassen worden, dass die Beklagte für das streitgegenständliche Anwesen am 13. Januar 2022 gegenüber der Vorverkäuferin des Klägers kurz vor Abschluss des hiesigen Kaufvertrags das Vorkaufsrecht ausgeübt habe, wovon der Kläger Kenntnis gehabt habe. Da der Kläger auch gewusst habe, dass sich die zugrundeliegenden Voraussetzungen zwischenzeitlich nicht geändert hätten, habe er davon ausgehen müssen, dass die Beklagte auch ihm gegenüber ihr Vorkaufsrecht ausüben werde, so dass eine Ungewissheit seitens des Klägers über die Möglichkeit der Beklagten zur Ausübung des Vorkaufsrechts gerade nicht bestanden habe.
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Diese Argumentation des Klägers verfängt nicht. Die beiderseitige Ungewissheit über das Vorkaufsrecht bestand darin, dass das Prüfverfahren der Beklagten noch nicht abgeschlossen war und daher noch nicht feststand, ob der Beklagten ein Vorkaufsrecht zustand bzw. ob sie dieses ausüben wird. Dies ergibt sich aus den Behördenakten. Das Vorkaufsrechtsprüfungsverfahren wurde erst Anfang August 2021 eingeleitet (Bl. 35 BA, Az. 912/25/RV/2021/SG). Am 10. August 2021 wurde intern das Bewertungsamt gebeten, den Verkehrswert des Anwesens zu ermitteln (Bl. 37 BA), das Sozialreferat wurde gebeten, eine städtebauliche Beurteilung abzugeben und mit Schreiben vom 18. August 2021 wurden die Verkäufer gebeten, eine aktuelle Mietaufstellung zu übersenden. Die Behandlung des Vorgangs war im Kommunalausschuss für den 16. September 2021 angesetzt (Bl. 40 BA). Die Beklagte hatte sich damit im Zeitpunkt des Vertragsschlusses intern noch nicht zur Ausübung des Vorkaufsrechts entschieden. Hierauf wurde auf Seite 7 der Vereinbarung ausdrücklich hingewiesen („Als Käufer… geben Sie die Erklärung zur Abwendung des gesetzlichen Vorkaufsrechts in dem Bewusstsein ab, dass die Prüfung des Vorkaufsrechts durch die Beklagte noch nicht abgeschlossen ist“). Nach Überzeugung des Senats wird daher in dem hier zu beurteilenden Fall deutlich, dass von einem noch offenen Prüfverfahren und infolgedessen von einer beiderseitigen Ungewissheit über das Bestehen bzw. der Ausübung des Vorkaufsrechts ausgegangen werden kann (vgl. auch VG Berlin, B.v. 9.9.2022 – 19 L 112/22 – juris Rn. 63).
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Auch der Vortrag des Klägers, die Beklagte habe für das verfahrensgegenständliche Objekt bereits am 13. Januar 2021 das Vorkaufsrecht ausgeübt, weswegen er auch davon ausgehen musste, dass dieses von der Beklagten erneut ausgeübt werde und daher von seiner Seite aus keine Ungewissheit hinsichtlich des Bestehens des Vorkaufsrechts vorgelegen habe, überzeugt nicht. Tatsächlich haben sich seit Januar 2021 zumindest Änderungen in der Mieterzusammensetzung seit der letzten Ausübung des Vorkaufsrechts am 13. Januar 2021 ergeben, nachdem eine Wohneinheit in dem Anwesen seit 1. August 2021 neu vermietet wurde (Bl. 43 BA). Zudem hat die Beklagte dem Kläger in keiner Weise zu verstehen gegeben, dass sie das Vorkaufsrecht in jedem Fall ausüben werde. Vielmehr wurde in dem dem Kläger zugesandten Informationsblatt der Beklagten „Praxis der Vorkaufsrechte“ (Bl. 17 BA) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit Rücksicht auf die Umstände des Einzelfalles auch – trotz positiver städtebaulicher Beurteilung (wenn also das Sozialreferat als Fachdienststelle festgestellt hat, dass das Anwesen im Hinblick auf seine bauliche Struktur, seinen Wohnkomfort sowie seinen Gesamtzustand für die Bevölkerung des Satzungsgebietes als Wohnraum geeignet ist) – eine Nichtausübung des Vorkaufsrechts in Betracht komme, insbesondere, wenn Gründe im Rahmen der vorzunehmenden Ermessensabwägung gegen eine Ausübung des Vorkaufsrechts im Einzelfall sprechen. Dem Kläger wurde damit bewusstgemacht, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts in jedem Einzelfall gesondert geprüft wird. Zudem wurde er auf Seite 7 der Vereinbarung, wie oben dargelegt, ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Prüfverfahren des Vorkaufsrechts noch nicht abgeschlossen, dieses also ergebnisoffen ist.
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Ob die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass den Parteien zudem der Inhalt der abzugebenden Abwendungserklärung nach § 27 Abs. 1 BauGB unklar war, zutrifft, ist nicht entscheidungserheblich und kann dahingestellt bleiben, da – wie oben ausgeführt – jedenfalls eine Ungewissheit hinsichtlich des Bestehens bzw. der Ausübung des Vorkaufsrechts bestand. Der Einwand des Klägers, eine Ungewissheit hinsichtlich des Inhalts einer ggf. abzugebenden Abwendungserklärung könne zumindest seitens der Beklagten nicht konstruiert werden, da diese ein vorformuliertes Dokument versandt habe, dass offenbar in einer Vielzahl an Fällen zum Vorkaufsrecht zum Einsatz komme, verfängt daher nicht. Aus dem gleichen Grund kann weiter offenbleiben, ob – wie der Kläger meint – eine Ungewissheit bezüglich der Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechtes bestand.
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1.3.2. Auch das Vorliegen der weiteren Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Vergleichsvertrages im Sinne des Art. 55 BayVwVfG, das gegenseitige Nachgeben der Vertragsparteien, hat das Verwaltungsgericht zutreffend bejaht. Es sieht es darin, dass diese zugunsten des Klägers auf die weitere Prüfung des Bestehens des Vorkaufsrechts verzichtet und dem Kläger eine gesicherte Rechtsposition dadurch gewährt hat, dass sie die Verpflichtungen der Abwendungsvereinbarung als ausreichend für eine Abwendung nach § 27 Abs. 1 BauGB anerkannt hat (UA Rn. 76).
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Hiergegen wendet der Kläger ein, es habe kein Verhandlungsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger bestanden, vielmehr habe die Beklagte lediglich die vorgefertigte Abwendungserklärung vorgelegt. Der Kläger habe versucht Änderungen an dem Inhalt zu erreichen, was jedoch stets abgelehnt worden sei. Damit handele es sich bei der Abwendungserklärung nicht um einen Kompromiss verschiedener, vorher ausgeloteter Streitpunkte, „sondern um eine vorgegebene Vorgehensweise der Beklagten als einen nach außen einzig akzeptablen Weg“.
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Dieser Einwand überzeugt nicht. Nachgeben bedeutet jedes Abrücken von dem im Verfahren günstigstenfalls erreichbaren Ergebnis (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 26. Aufl. 2025, § 55 Rn. 19). Dabei muss das gegenseitige Nachgeben seine Ursache in dem Bestreben des Vertragspartners haben, die rechtliche bzw. tatsächliche Ungewissheit gemeinsam zu bewältigen; Voraussetzung ist also ein innerer Zusammenhang zwischen Ungewissheit und Nachgeben (vgl. BVerwG, U.v. 14.11.1975 – IV C 84.73 – juris Rn. 27; U.v. 3.3.1975 – 8 C 32.93 – juris Rn. 18). Diese Maßstäbe zugrunde gelegt, kann hier mit dem Verwaltungsgericht von einem beiderseitigen Nachgeben ausgegangen werden. Der Kläger hat dadurch nachgegeben, dass er in der Abwendungsvereinbarung Verpflichtungen übernommen hat, die die Nutzung seines Eigentums beschränken und zu der er gesetzlich nicht verpflichtet gewesen wäre. Die Beklagte dagegen hat sich dazu verpflichtet, das Verfahren zur Prüfung der Voraussetzungen des Bestehens des Vorkaufsrechtes zu beenden, damit ein mögliches Vorkaufsrecht nicht auszuüben und unverzüglich ein Negativzeugnis zu erteilen. Der Kläger erhält damit eine gesicherte Rechtsposition. Es kann sein, dass man die Übersendung eines häufig verwendeten Formblattes, dessen Unterzeichnung dem Kläger allerdings freistand, nicht als „übliche Vertragsverhandlungen“ bezeichnen mag, wobei die Art und Weise von Vertragsverhandlungen im Gesetz keineswegs festgelegt ist. Denn jedenfalls ändert dies nichts an der Tatsache, dass beide Parteien durch Unterzeichnung der vorgefertigten Erklärung nachgegeben haben. Das erfolgte Nachgeben steht auch in einem inneren Zusammenhang zu der beiderseitigen Ungewissheit. Die Vertragsparteien wollten die Ungewissheit in Bezug auf das Bestehen bzw. die Ausübung eines Vorkaufsrechtes im Zeitpunkt des Vertragsschlusses beseitigen, indem sie eine rechtssichere, gemeinsame Abwendungsvereinbarung geschlossen haben, durch die sich der Kläger zu bestimmten erhaltungsrechtlichen Verpflichtungen und die Beklagte zur Nichtausübung des Vorkaufsrechts und der unverzüglichen Erteilung eines Negativzeugnisses verpflichtet hat.
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1.3.3. Soweit der Kläger schließlich gegen die Wirksamkeit des Vergleichsvertrages vorbringt, der Beklagten habe kein Ermessen zugestanden, da ihr wegen des Ausschlussgrundes des § 26 Nr. 4 BauGB kein Vorkaufsrecht zugestanden habe und auch die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechtes bereits abgelaufen gewesen sei, fehlt es an einer Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts. Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass auch dann, wenn man unterstellt, dass bei Vertragsabschluss kein Vorkaufsrecht bestanden habe, dies nur die Verwirklichung des Risikos darstelle, das der Kläger durch den Abschluss des Vertrages eingegangen sei. Dieser habe durch den Vertragsabschluss ausdrücklich akzeptiert, dass gegebenenfalls kein Vorkaufsrecht der Beklagten bestanden habe. Hierzu verhält sich der Kläger nicht.
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1.4. Das Verwaltungsgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Abwendungsvereinbarung nicht gegen Art. 59 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG in Verbindung mit Art. 56 BayVwVfG verstößt. Nach Art. 59 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG ist ein Vertrag im Sinne des Art. 54 Satz 2 BayVwVfG nichtig, wenn sich die Behörde eine nach Art. 56 BayVwVfG unzulässige Gegenleistung versprechen lässt. Es spricht einiges für die Rechtsauffassung der Kammer, dass ein Vergleichsvertrag mit Austauschelementen vorliegt. Letztlich kann dies jedoch dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls würde sich hieraus kein anderes Ergebnis ergeben.
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1.4.1. Folgt man der Ansicht von Siegel (vgl. Siegel in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl., 2023, § 55 Rn. 16), wonach § 55 VwVfG die Zulässigkeit von Vergleichsverträgen insoweit abschließend regelt und § 56 VwVfG nicht anwendbar ist, wenn der Vergleichsvertrag den Austausch von Leistungen vorsieht, käme auch Art. 59 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG nicht zur Anwendung, würde hier also auch der Wirksamkeit des verfahrensgegenständlichen Vergleichsvertrags nicht entgegenstehen. Doch auch soweit man mit der h.M. in der Literatur davon ausgeht, dass ein Vergleichsvertrag mit Austauschelementen sowohl den Anforderungen des Art. 55 BayVwVfG als auch den Anforderungen des Art. 56 BayVwVfG unterliegt (vgl. Rozek in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 6. EL November 2024, § 55 VwVfG Rn. 27; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 26. Aufl. 2025, § 55 Rn. 4; Spieth/Hellermann in Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, 67. Aufl. Stand 1.4.2025, § 56 Rn. 35; Brüning/Bosesky in Mann/Sennekamp/Uechtritz, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl. 2019, § 56 Rn. 27; Fehling in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 55 VwVfG Rn. 10-13), stünde dies der Wirksamkeit der verfahrensgegenständlichen Vereinbarung nicht entgegen, da in diesem Fall jedenfalls die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen des Art. 56 BayVwVfG im Hinblick auf die Besonderheiten des Vergleichsvertrages und im Lichte der vergleichsimmanenten Ungewissheitssituation angewandt werden müssen (vgl. Brüning/Bosesky a.a.O. § 56 Rn. 27; Fehling in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, § 55 VwVfG Rn. 13): Dies bedeutet beispielsweise, dass die Angemessenheit der Gegenleistung (vgl. Art. 56 Abs. 1 S. 2 BayVwVfG) im Hinblick auf den vergleichsweise zugrunde gelegten Sachverhalt beurteilt werden muss und bei Rechtsunsicherheit nicht von einem Anspruch des Bürgers auf eine Leistung der Verwaltung (vgl. Art. 56 Abs. 2 BayVwVfG) ausgegangen werden kann, wie das bei synallagmatisch verknüpften Leistungspflichten eines Austauschvertrages der Fall ist (so Fehling in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, § 55 VwVfG Rn. 13; Rozek in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, § 56 VwVfG Rn. 20; Brüning/Bosesky, VwVfG, § 56 Rn. 27). Demnach wäre hier der Vertrag nicht deswegen nichtig, weil dem Kläger ein Anspruch auf Erteilung eines Negativzeugnisses zustand. Denn Art. 56 Abs. 2 BayVwVfG, wonach in Fällen, in denen ein Anspruch auf die Leistung der Behörde besteht, nur eine solche Gegenleistung vereinbart werden kann, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes Inhalt einer Nebenbestimmung nach Art. 36 BayVwVfG sein könnte, passt auf solche Vergleichsverträge nicht, die gerade wegen einer Ungewissheit darüber, ob ein Rechtsanspruch auf die Leistung der Behörde gegeben ist, geschlossen wurden. So geht Art. 56 BayVwVfG in seinen beiden Absätzen von der Unterscheidung zwischen solchen Leistungen aus, auf die ein Rechtsanspruch besteht (Art. 56 Abs. 2 BayVwVfG), und solchen Leistungen, die im Ermessen der Behörde stehen (Art. 56 Abs. 1 BayVwVfG). Diese Unterscheidung ist bei Vergleichsverträgen jedoch meist nicht durchführbar, weil im Regelfall die Ungewissheit gerade auch über die Frage besteht, ob ein Rechtsanspruch auf die Leistung der Behörde gegeben ist (vgl. Siegel in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 10. Aufl. 2023, § 55 Rn. 16). Daher ist Art. 56 Abs. 2 BayVwVfG in solchen Konstellationen nicht anwendbar. Vielmehr regelt Art. 55 BayVwVfG die Zulässigkeit von Vergleichsverträgen insoweit abschließend. Da hier bei den Parteien gerade über die Frage Ungewissheit bestand, ob dem Kläger ein Anspruch auf Erteilung des Negativzeugnisses zusteht (UA Rn. 84), ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass vorliegend Art. 56 Abs. 2 BayVwVfG keine Anwendung findet.
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1.4.2. Weiter ist die Gegenleistung nach Art. 59 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Art. 56 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG angemessen und steht im sachlichen Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung der Beklagten, wie das Verwaltungsgericht in zulassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt hat (UA Rn. 83). Hiergegen wendet der Kläger ein, sowohl nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB, der hier zur Anwendung komme, als auch nach Art. 59 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Art. 56 BayVwVfG stünde die von ihm erbrachte Gegenleistung außer Verhältnis zur Bedeutung der von der Behörde erbrachten Leistung und belaste ihn unzumutbar. Selbst wenn die seitens des Verwaltungsgerichts aufgeführten Ungewissheiten bejaht würden, gingen die vereinbarten Leistungen derart weit über das Gesetz hinaus, dass die im Grundgesetz angeordnete Bindung an das Gesetz (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG) und die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die eine Zulässigkeitsschranke für die Vertragsinhalte biete, derart weit verlassen würden, dass der „Rahmen gesteigerter Unempfindlichkeit“ gesprengt werde. Der Kläger verpflichte sich zu weit über die Anforderungen des § 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB hinausgehenden Einschränkungen und Vertragsstrafen, erkläre einen unbedingten Rechts(mittel) verzicht und sei an die Abwendungsvereinbarung unendlich, ohne Möglichkeit der Loslösung, gebunden. Die Beklagte verpflichte sich dagegen lediglich zur Ausstellung des Negativattests, das bereits bei Einhaltung des § 27 Abs. 1 S. 1 BauGB zu erteilen sei. Die Beklagte versuche über diese erheblichen Eigentumsbeschränkungen ein eigenes, weit über §§ 172 ff. BauGB hinausgehendes Schutzniveau zu schaffen.
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Dem kann nicht gefolgt werden. Die Vereinbarung und entsprechend die etwaigen gegenseitig eingegangenen Verpflichtungen wären vor dem Hintergrund der zwischen den Beteiligten bestehenden Ungewissheit zu sehen. Grundsätzlich setzt das Erreichen der Ziele des Vergleichsvertrages – Rechtsfrieden durch Erhöhung der Akzeptanz bei den Beteiligten und Verfahrensökonomie, indem keine weiteren Ressourcen zur Aufklärung der Sach- und Rechtslage eingesetzt und Rechtsbehelfsverfahren vermieden werden – voraus, dass der Verwaltung trotz des Vorrangs des Gesetzes (Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, vgl. Art. 20 Abs. 3 GG) und des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG eine eigene Verfügungsbefugnis über den Verfahrensgegenstand eingeräumt ist (vgl. Ernst in Kahl/Ludwigs, Handbuch des Verwaltungsrechts, Band V, Aufl. 2023, § 149 Rn. 26 ff. Vergleichsvertrag und Austauschvertrag; Rozek in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, § 55 VwVfG Rn. 6). Insbesondere dem Vergleichsvertrag ist deshalb eine potenzielle Abweichung von der gesetzlich vorgesehenen Lage immanent (vgl. BVerwG, U.v. 14.11.1975 – IV C 84.73 – juris Rn. 27 „Privileg gesteigerter Unempfindlichkeit gegenüber Gesetzesverletzungen“). Unter den besonderen Voraussetzungen des Art. 55 BayVwVfG ist es daher in einem rechtsstaatlichen Verfahren vertretbar, durch einen Vergleichsvertrag Leistungspflichten wirksam auch dann begründen zu können, wenn der Vergleichsinhalt mit der objektiven Gesetzeslage möglicherweise nicht (voll) übereinstimmt. Diese mit einem wirksamen Vergleichsvertrag einhergehende gesteigerte Unempfindlichkeit gegenüber Gesetzesverletzungen unter den speziellen und atypischen Vergleichsvoraussetzungen machen die praktische Bedeutung des Vergleichsvertrags aus. Dass durch einen Vergleichsvertrag Rechte und Pflichten begründet werden können, die möglicherweise mit der objektiven Gesetzeslage nicht (voll) übereinstimmen, erstreckt sich aber nicht auf Leistungsversprechen, deren Gesetzwidrigkeit mit der durch den Vergleich beizulegenden Ungewissheit nichts zu tun hat (vgl. Siegel in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 55 Rn. 7). Da die Zwecke des Vergleichsvertrags ebenfalls auf verfassungsrechtlichen Grundsätzen beruhen, sind Abweichungen von der Gesetzesbindung, die einen angemessenen Ausgleich der gegenläufigen Positionen beinhalten, möglich.
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Gemessen daran vermag der Senat ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung hier nicht zu erkennen. Vorliegend bestand durch den Kauf des Anwesens durch den Kläger eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Verwertungsinteressen des potentiellen neuen Eigentümers nicht im Einklang mit den Zielen und Zwecken der Erhaltungssatzung stehen, in deren Gebiet das Kaufobjekt liegt. Die Beklagte hatte demgemäß ein öffentliches Interesse daran, diese satzungswidrige Nutzung des Verkaufsobjektes entweder durch die Ausübung ihres Vorkaufsrechts oder durch eine hinreichende vertragliche Bindung des neuen Eigentümers abzuwenden. Um dem Kläger möglichst schnell Rechtssicherheit zu geben, musste ein Ausgleich zwischen den Interessen beider Parteien gefunden werden. Einerseits musste die Vereinbarung Verpflichtungen des Käufers enthalten, die ein öffentliches Interesse der Beklagten an der Ausübung des Vorkaufsrechts möglichst weitgehend entfallen lassen und die mögliche künftige erhaltungsrechtlich negativ zu bewertende Entwicklungen verhindern. Andererseits musste sie dem Interesse des Käufers an einer zügigen Abwicklung des Kaufvertrages zum Erhalt der Finanzierungszusagen Dritter und der tatsächlichen Nutzung des eingesetzten Kapitals gerecht werden. Bei diesem Interessenausgleich durften durchaus die für jede Partei bestehenden – und ihre Verhandlungsposition bestimmenden – Risiken hinsichtlich der rechtlichen Ungewissheit betreffend § 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB einfließen. Das Risiko, das der Kläger mit der Vereinbarung einging, nämlich sich zu etwas zu verpflichten, was gesetzlich nicht erforderlich war, um den Kauf zu vollziehen, stand im angemessenen Verhältnis zu dem Risiko auf Seiten der Beklagten, ein weiteres Grundstück im Erhaltungsgebiet vor einer Umwandlung in Wohneigentum und erhaltungswidrigen Aufwertungsmaßnahmen bewahrt zu haben, obwohl die Ausübung des Vorkaufsrechts gegebenenfalls zulässig und effektiver gewesen wäre. Dementsprechend ist die Beklagte gegenüber dem Kläger mit weitgehenden Forderungen aufgetreten, um die öffentlichen Interessen an der Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in verhältnismäßigem, aber weitreichendem Umfang durchzusetzen. Allein die Tatsache, dass dabei die vom Kläger übernommenen Verpflichtungen möglicherweise über die Anforderungen des § 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB hinausgehen, führt nicht zu einer Unangemessenheit im Sinne des Art. 55 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG. Denn, wie oben ausgeführt, ist für Vergleichsverträge anerkannt, dass sie unter bestimmten Voraussetzungen Leistungspflichten auch dann zu begründen vermögen, wenn der Vergleichsinhalt mit der Gesetzeslage nicht voll übereinstimmt. Dem Vergleichsvertrag ist gerade eine potenzielle Abweichung von der gesetzlich vorgesehenen Lage immanent (vgl. Siegel in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 55 Rn. 7). Wie das Verwaltungsgericht zu Recht betont hat (UA Rn. 83), hat die Beklagte in der Abwendungsvereinbarung auch keine Leistungen aufgenommen, die in einer Abwendungserklärung nach § 27 BauGB unzulässig wären. So führt das Verwaltungsgericht aus, dass die von dem Kläger übernommenen Verpflichtungen, insbesondere die Vereinbarungen von Mietobergrenzen, die Neuvermietung an Mieter/innen, die gewisse Einkommensgrenzen nicht überschreiten, sowie die Rechtsnachfolgeregelung in Abwendungsvereinbarungen zulässig sind. Hiergegen erinnert der Kläger nichts. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Leistungen ist dabei immer zu berücksichtigen, dass die Beteiligten von der Ungewissheit über das Vorliegen der Voraussetzungen des Vorkaufsrechts der Beklagten (s. Ausführungen oben) ausgegangen sind. Nur unter dieser Prämisse können die gegenseitigen Leistungen gesehen werden. Entsprechend hat der Kläger auch mit seiner Unterschrift zugestimmt, dass er gegen die Vereinbarung nicht vorbringen könne, dass die Voraussetzungen der Ausübung (des Vorkaufsrechts) nicht vorgelegen hätten.
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1.5. Entgegen der in der Zulassungsbegründung vertretenen Ansicht konnte der Kläger die Abwendungsvereinbarung nicht wirksam nach Art. 60 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG kündigen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat (UA Rn. 91). Der Kläger vertritt die Auffassung, dass der Vertrag durch seine Kündigung vom 18. November 2022 beendet worden sei. Mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, U.v. 9.11.2021 – 4 C 1.20 – juris) hätten sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen seien, seit Abschluss des Vertrages so wesentlich geändert, dass dem Kläger das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten sei. Eine Anpassung des Vertrages sei nicht möglich.
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Diese Auffassung teilt der Senat nicht. Die Vertragspartner haben nicht als gemeinsame Grundlage des Vertrages angenommen und vorausgesetzt, dass der Ausschlussgrund des § 26 Nr. 4 BauGB, nämlich, dass das Grundstück entsprechend den Zielen und Zwecken der baulichen Maßnahme bebaut ist und genutzt wird und eine auf ihm errichtete bauliche Anlage keine Missstände oder Mängel im Sinne des § 177 Abs. 2 und 3 Satz 1 BauGB aufweist, nicht einschlägig ist (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 26. Aufl. 2025, § 60 Rn. 8). Eine Änderung der Verhältnisse im Sinne von Art. 60 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, die einen Anspruch auf Anpassung oder Kündigung begründet, besteht aber nur dann, wenn nach Vertragsschluss tatsächliche oder rechtliche Bedingungen weggefallen sind, die die Vertragspartner zwar nicht zum Vertragsinhalt gemacht haben, deren Bestand sie jedoch als gemeinsame Grundlage des Vertrages angenommen haben (vgl. BVerwG, U.v. 5.11.2012 – 8 C 4.11 – juris). Die nachträgliche, höchstrichterliche Klärung zur Auslegung des § 26 Nr. 4 BauGB, welche eine den Wortlaut des § 26 Nr. 4 BauGB erweiternde Auslegung ablehnt und damit das Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten stark einschränkt, kann daher nicht als wesentliche Änderung im rechtlichen Bereich i.S.d. Art. 60 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG angesehen werden. Vertragsgrundlage sind die bei Vertragsabschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen der Vertragsparteien oder die für den Vertragspartner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Vertragsparteien auf dieser Vorstellung aufbaut zugrunde legt (vgl. BVerwG, U.v. 5.11.2012 – 8 C 4.11 – juris Rn. 57 mit Verweis auf BGH, U.v. 24.3.2010 – VIII ZR 160/09 – NJW 2010, 1663).). Vorliegend sind die Vertragsparteien gerade nicht davon ausgegangen, dass der Beklagten rechtlich gesichert ein Vorkaufsrecht zusteht und die Voraussetzungen der §§ 24 ff. BauGB vorliegen. Vielmehr bestand genau darin die Ungewissheit, die der Grund für den Abschluss des Vergleichsvertrags war. Entsprechend führt das Verwaltungsgericht zu Recht aus, diese Ungewissheit sei zur Grundlage der Vereinbarung gemacht worden; die Parteien hätten das Bestehen des Vorkaufsrechts eben nicht fraglos vorausgesetzt (UA Rn. 94). Die Beteiligten haben daher auch nicht als Grundlage des Vertrages angenommen, dass die Voraussetzungen des § 24 Nr. 4 BauGB vorliegen. Dies ergibt sich deutlich aus der Vereinbarung auf Seite 7 des Gesamtdokumentes, in der ausdrücklich ausgeführt wird, dass die Erklärung in dem Bewusstsein abgegeben und unterzeichnet wird, dass die Prüfung des Vorkaufsrechts durch die Beklagte noch nicht abgeschlossen ist und entsprechend nicht vorgebracht werden kann, dass die Voraussetzungen der Ausübung nicht vorgelegen hätten. Die nachträgliche, höchstrichterliche Klärung zur Auslegung des § 26 Nr. 4 BauGB fällt somit in die vertraglich dem Kläger zugewiesene Risikosphäre, dass nämlich der Beklagten kein Vorkaufsrecht zusteht, der Kläger aber dennoch eine ihn bindende Abwendungserklärung unterzeichnet hat.
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1.6. Der Einwand des Klägers, der streitgegenständliche Vertrag halte einer Inhaltskontrolle nach Art. 59 Abs. 1 BayVwVfG i.V.m. Art. 62 Satz 2 BayVwVfG i.V.m. den zivilrechtlichen Vorschriften nicht stand, führt nicht zum Erfolg des Zulassungsantrages.
40
1.6.1. Der Kläger wendet ein, es komme hier § 779 BGB zur Anwendung, da bei Kenntnis der Sach- und Rechtslage erkannt worden wäre, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechtes für die Beklagte längst abgelaufen gewesen sei und sie somit ihr Vorkaufsrecht nicht mehr hätte ausüben können. Dies überzeugt nicht. Nach § 779 BGB ist ein Vergleichsvertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird, unwirksam, wenn der nach dem Vertragsinhalt als feststehende, zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde. Feststehend sind diejenigen Umstände des ursprünglichen Rechtsverhältnisses, die die Parteien übereinstimmend als unstrittig oder gewiss ansehen (vgl. BGH, U.v. 18.12.2007 – XI ZR 76.06 – juris Rn. 14; Müller in Erman, BGB, Kommentar, 17. Aufl. 2023, § 779 BGB Rn. 28). Dies zugrunde gelegt, kann die fehlende Kenntnis darüber, dass die Frist des § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits abgelaufen war, nicht als feststehend zugrunde gelegter Sachverhalt im Sinne des § 779 BGB angesehen werden. Denn, wie auch das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt, haben die Beteiligten es gerade als ungewiss angesehen, ob die Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts vorlagen; durch den Abschluss der Vereinbarung sollte die weitere Prüfung der Beklagten, ob die Voraussetzungen des Vorkaufsrechts vorliegen, gerade beendet werden.
41
1.6.2. Die Abwendungsvereinbarung ist auch nicht wegen Art. 62 Satz 2 ff. BayVwVfG in Verbindung mit den §§ 305 ff. BGB unwirksam. Der Kläger führt aus, die Abwendungsvereinbarung halte einer Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB (Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag) nicht stand, sodass sie nach Art. 59 Abs. 1 i.V.m. Art. 62 Satz 2 BayVwVfG i.V.m. § 306 Abs. 3, Abs. 1 BGB unwirksam sei. Die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB auf öffentlich-rechtliche Verträge sei ergänzend zu den §§ 11 ff. BauGB (städtebaulicher Vertrag) und zu den allgemeinen Regelungen zum öffentlichen rechtlichen Vertrag in Art. 54 ff. BayVwVfG zu bejahen, da bei letzteren Vorschriften der Kernanwendungsbereich des AGB-Rechtes, der auf die Vorformulierung der Vertragsbedingungen abstelle, auf die der Vertragspartner des Verwenders überwiegend kein Einfluss habe und denen er sich im Rechtsverkehr nicht entziehen könne, nicht berücksichtigt werde.
42
Die Frage, ob auf die verfahrensgegenständliche Vereinbarung die §§ 305 ff. BGB und hier speziell § 309 Nr. 14 BGB und § 307 BGB Anwendung finden, kann dahingestellt bleiben, da die Voraussetzungen dieser Vorschriften bereits nicht vorliegen.
43
1.6.2.1. Nach Ansicht des Klägers ist der auf Seite 7 des Dokumentes vereinbarte Klageverzicht nach § 309 Nr. 14 BGB unwirksam, da es schon nicht gestattet sei, seinen Vertragspartner den sofortigen Zugang zu Gericht zu verwehren, indem er auf ein obligatorisch vorgeschaltetes Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung verwiesen werden dürfe. Erst recht könne kein Klageverbot oder Verzicht auf Rechtsschutz vereinbart werden. Diese Argumentation überzeugt nicht.
44
Nach § 309 Nr. 14 BGB ist in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Bestimmung unwirksam, wonach der andere Vertragsteil seine Ansprüche gegen den Verwender gerichtlich nur geltend machen darf, nachdem er eine gütliche Einigung in einem Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung versucht hat. Dem Verwender ist es also nicht gestattet, seinem Vertragspartner den sofortigen Zugang zu Gericht zu verwehren, indem er ihn auf ein obligatorisch vorgeschaltetes Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung verweist. Gemünzt ist § 309 Nr. 14 BGB auf den dilatorischen Verzicht, da nach dem Wortlaut der Norm Kautelen verboten werden, die dem Vertragspartner erst dann gestatten, ein Gericht anzurufen, „nachdem“ er einen gütlichen Einigungsversuch in einem außergerichtlichen Verfahren unternommen hat. Schließt der Verwender die Möglichkeit der Streitbeilegung vor Gericht sogar auf Dauer aus, so greift das Verbot für einen solchen peremtorischen Verzicht in analoger Anwendung. Erfasst sind also auch Klageverbote sowie der Verzicht des Verbrauchers auf Rechtsschutz (vgl. Wurmnest in MüKo BGB, 9. Aufl. 2022, BGB § 309 Nr. 14 Rn. 11,12).
45
Die Vereinbarung auf Seite 7 des Dokumentes, wonach der Kläger gegen die Abwendungserklärung nicht vorbringen könne, dass die Voraussetzungen der Ausübung des Vorkaufsrechts nicht vorgelegen hätten, enthält weder ein solches Klageverbot bzw. den Verzicht des Klägers auf Rechtsschutz (peremtorischen Verzicht) noch verwehrt die Beklagte dem Kläger den sofortigen Zugang zu Gericht, indem sie ihn auf ein obligatorisch vorgeschaltetes Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung verweist (dilatorischen Verzicht). Der Kläger hat trotz dieser Regelung die Möglichkeit, seine Ansprüche gegen die Beklagte aus dem hiesigen Rechtsverhältnis im Rahmen eines Klageverfahrens geltend zu machen, ohne dass die Regelung dem entgegensteht, wie sich bereits aus dem hiesigen Verfahren und dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht ergibt.
46
1.6.2.2. Der Kläger führt weiter aus, nach § 307 Abs. 2, Abs. 1 BGB seien die Vereinbarungen der Vertragsstrafen, des unbedingten Rechtsmittelverzichts, die unendliche Bindung ohne Möglichkeit der Loslösung und auch die übrigen Vereinbarungen, soweit sie über die Vorschriften des Erhaltungssatzungsrechtes hinausgehen, unwirksam, da der Kläger durch diese Vereinbarungen entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt werde.
47
Wie oben (Nr. 1.1.) und auch vom Verwaltungsgericht bereits dargelegt, ist die Vereinbarung einer Vertragsstrafe im öffentlich-rechtlichen Vertrag grundsätzlich zulässig. Dies folgt aus der entsprechenden Anwendung der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (Art. 62 Satz 2 BayVwVfG), das in §§ 339 ff. BGB gerade auch die Vertragsstrafe kennt (vgl. BVerwG, U.v. 6.3.1986 – 2 C 41.85 – juris; U.v. 6.3.1986 – 2 C 41.85 – juris Rn. 21; VG München, U.v. 4.8.2008 – M 8 K 06.3960 – juris; Kessler/ Kortmann, Die Vertragsstrafe im öffentlichen Recht, DVBl. 1977, 690, 691; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 26. Aufl. 2025, § 62 Rn. 5; Siegel in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 62 Rn. 18). Die Vertragsstrafe ist zudem auch verhältnismäßig, da sie zulässigerweise dazu dient, den Kläger zur Einhaltung der Verpflichtungen, die auf den Schutz der Zwecke der Erhaltungssatzung gerichtet sind, anzuhalten (vgl. BVerwG, U.v. 6.3.1986 – 2 C 41.85 – juris Rn. 29 mit Verweis auf BGH, U.v. 27.11.1974 – VIII ZR 9/73 – juris Rn. 14). Gegen die Verhältnismäßigkeit der Vertragsstrafe hat der Kläger auch nichts erinnert.
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Wie oben ausgeführt (Nr. 1.6.2.1.), enthält die verfahrensgegenständliche Vereinbarung keinen unbedingten Rechtsmittelverzicht, sodass diesbezüglich auch § 307 BGB nicht zur Anwendung kommen kann.
49
Auch soweit der Kläger ausführt, „die unendliche Bindung ohne Möglichkeit der Loslösung“ würde gegen das Gebot von Treu und Glauben verstoßen, dringt er nicht durch. In Nr. I Abs. 3 der Vereinbarung ist geregelt, dass die in dieser Abwendungserklärung enthaltenen Verpflichtungen für den (gegebenenfalls periodisch verlängerten) Zeitraum gelten, in dem das Anwesen ohne Unterbrechung im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung liegt. Nach § 5 Abs. 2 der verfahrensgegenständlichen Erhaltungssatzung gilt diese für die Dauer von fünf Jahren. Nachdem der Sinn und Zweck dieser Erhaltungssatzung der Schutz der vorhandenen Bevölkerungsstruktur vor Verdrängung ist, um so die vorhandene Struktur der Wohnbevölkerung zu erhalten, muss auch durch die Vereinbarung zur Abwendung des Vorkaufsrechtes sichergestellt werden, dass die Nutzung des verfahrensgegenständlichen Objektes entsprechend dieser städtebaulichen Zielvorgaben erfolgt, solange dieses im Geltungsbereich der Satzung liegt. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben kann hierin nicht gesehen werden, da ein sachlicher Zusammenhang zwischen der Regelung und den Zielen der Erhaltungssatzung besteht.
50
Hinsichtlich des Einwands der fehlenden Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung wird auf die Ausführungen unter Nr. 1.4.2. Bezug genommen.
51
1.6.2.3. Die Abwendungsvereinbarung ist schließlich nicht wegen Art. 62 Satz 2 BayVwVfG in Verbindung mit § 242 BGB unwirksam. Der Kläger trägt hierzu vor, dass die Gegenleistung außer jedem Verhältnis zur Leistung stehe, sodass der von der Behörde verfolgte Zweck nicht im angemessenem Verhältnis zum gewählten Mittel stehe. Während der Kläger eine Vielzahl an Verpflichtungen eingehe, die seine verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsposition erheblich beschränkten, werde seitens der Beklagten keine wirkliche, nicht bestehende Verpflichtung eingegangen. Hiermit dringt er nicht durch. Auf die obigen Ausführungen zur Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung unter Nr. 1.4.2. wird verwiesen.
52
2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Sie verursacht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine größeren, d.h. überdurchschnittlichen, das normale Maß nicht unerheblich übersteigenden Schwierigkeiten und es handelt sich auch nicht um einen besonders unübersichtlichen und kontroversen Sachverhalt, bei dem noch nicht abzusehen ist, zu welchem Ergebnis ein künftiges Berufungsverfahren führen wird (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2000 – 23 ZB 00.643 – juris). Vielmehr ist der Rechtsstreit im tatsächlichen Bereich überschaubar und die entscheidungserheblichen rechtlichen Fragen sind hinreichend geklärt.
53
Soweit der Kläger darlegt, es sei bisher in der höchstrichterlichen Verwaltungsgerichtsrechtsprechung nicht abschließend geklärt, ob die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen über § 11 BauGB in Verbindung mit Art. 59 Abs. 1 bzw. 62 BayVwVfG jeweils in Verbindung mit den §§ 305 BGB beim Abschluss öffentlich-rechtlicher städtebaulicher Verträge direkt oder analog anwendbar seien oder die Vorschriften der § 11 BauGB i.V.m. Art. 54 BayVwVfG einen dem Schutzmaßstab der §§ 305 BGB (analog) vergleichbaren und insbesondere abschließenden Regelungskomplex darstellten, reüssiert er bereits deshalb nicht, da die Voraussetzungen der vom Kläger als einschlägig vorgebrachten Vorschriften des § 309 Nr. 14 und des § 307 BGB unabhängig von der Frage, ob diese hier zur Anwendung kommen, nicht vorliegen (vgl. Nrn. 1.6.2.2. und 1.6.2.3).
54
Soweit der Kläger ausführt, es sei nicht abschließend geklärt, ob und inwieweit Art. 59 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG auf Austauschverträge, die zugleich auch Vergleichsverträge sind, anwendbar ist, ist das bereits nicht entscheidungserheblich, da – die Anwendbarkeit der Vorschriften über Austauschverträge auf den hier in Rede stehenden Vertrag unterstellt – deren Voraussetzungen vorliegen (vgl. 1.4.).
55
3. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Das ist nur dann der Fall, wenn für die Entscheidung der Vorinstanz eine grundsätzliche, bisher in der Rechtsprechung noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung war, die auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre und deren Klärung im Interesse der einheitlichen Rechtsanwendung oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint. An der Klärung der aufgeworfenen Rechts- oder Tatsachenfrage muss ein über den Einzelfall hinausgehendes allgemeines Interesse bestehen. An der allgemeinen Bedeutung der Sache fehlt es regelmäßig, wenn lediglich die Anwendung von (an sich nicht zweifelhaften) Vorschriften auf den konkreten Fall in Rede steht oder wenn die Beantwortung der aufgeworfenen Frage ausschlaggebend von einer Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls abhängt. Eine grundsätzliche Bedeutung wird dementsprechend nicht dargetan, wenn sich der Rechtsmittelführer darauf beschränkt, die Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Einzelfall mit tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen als unrichtig anzugreifen (vgl. Seibert in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 127).
56
3.1. Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, „ob seitens einer an das geltende Recht gebundenen Behörde ein Vergleichsvertrag auch dann abgeschlossen werden kann, wenn beide Vertragsparteien keine Kenntnis davon haben, dass ein Anspruch auf die vereinbarte Leistung besteht und diese durch Unkenntnis mitbedungene Ungewissheit über das Vorliegen und den Umfang des Anspruchs rechtmäßig durch gegenseitiges Nachgeben im Wege eines Vergleichsvertrages beseitigt werden kann und auch hier das Privileg gesteigerter Unempfindlichkeit für Vergleichsverträge gilt“.
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Diese Frage ist einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich. Denn ihre Beantwortung hängt stets vom konkreten Vertragsinhalt ab; insbesondere davon, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf die vereinbarte Leistung besteht. Im Übrigen sind die nebenbei aufgeworfenen generellen Fragen an sich nicht zweifelhaft. Wie oben ausgeführt, kann ein Vertrag nach Art. 59 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG wirksam sein, auch wenn der Inhalt der Vereinbarung mit der tatsächlich bestehenden Rechtslage nicht in Einklang steht. Darin liegt eine praktische Bedeutung für den Verwaltungsvollzug. Auch wenn die Behörde nach Art. 24 BayVwVfG und nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung grundsätzlich verpflichtet ist, den Sachverhalt aufzuklären und die Folgerungen, die sich daraus für Ihre Entscheidung ergeben, zu ziehen, erlaubt es Art. 55 BayVwVfG der Behörde dennoch im Einvernehmen mit dem Bürger von einer solchen Klärung abzusehen und stattdessen eine Regelung durch einen Vergleich zu treffen. Diese Befugnis besteht immer dann, wenn die Behörde bei sachlicher, verständiger Würdigung der Schwierigkeiten eine Aufklärung des Sachverhalts oder die Klärung einer unsicheren Rechtslage nach pflichtgemäßem Ermessen für vertretbar und zweckmäßig halten darf, eine Regelung durch Vergleich anzustreben oder einen Vergleich zuzustimmen (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 26. Aufl. 2025, § 55 Rn. 13 ff.). Dabei besteht bei Vergleichsverträgen im Regelfall gerade die Ungewissheit auch über die Frage, ob ein Rechtsanspruch auf die Leistung der Behörde gegeben ist (vgl. Siegel in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 55 Rn. 16).
58
So liegt es hier. Der Vergleichsvertrag ist wirksam geschlossen worden, auch wenn in der Vereinbarung ggf. Regelungen getroffen worden sind, die über § 27 BauGB hinausgehen und der Vertrag insoweit das Privileg gesteigerter Unempfindlichkeit in Anspruch nimmt (vgl. Nr. 1.4.2.). Dass die Frist des § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB möglicherweise im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits abgelaufen war, wovon beide Parteien unstreitig keine Kenntnis hatten, macht, wie oben dargelegt (vgl. Nr. 1.4.1.), den Vergleichsvertrag nicht nichtig.
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3.2 Zudem habe die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, „da die Rechtsfrage zu beantworten sei, ob die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen über § 11 BauGB in Verbindung mit Art. 59 Abs. 1 bzw. Art. 62 BayVwVfG jeweils in Verbindung mit §§ 305 ff. BGB beim Abschluss öffentlich-rechtlicher städtebaulicher Verträge direkt oder analog anwendbar sind oder die Vorschriften der § 11 BauGB in Verbindung mit Art. 54 ff. BayVwVfG einen dem Schutzmaßstab der §§ 305 ff. BGB (analog) vergleichbaren und insbesondere abschließenden Regelkomplex darstellen“.
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Diese Frage ist bereits nicht entscheidungserheblich. Der Kläger beruft sich im Rahmen der Art. 59 Abs. 1 bzw. Art. 62 BayVwVfG i.V.m. §§ 305 ff BGB zum einen auf die Verletzung von § 309 Nr. 14 BGB, zum anderen auf die Nichtigkeit infolge von § 307 Abs. 2, Abs. 1 BGB. Beide Nichtigkeitsgründe sind – wie oben dargelegt (Nrn. 1.6.2.2. und 1.6.2.3) – unabhängig von der Frage, ob bei subordinationsrechtlichen Verträgen auf eine Inhaltskontrolle der von der Verwaltung vorformulierten Vertragsbedingungen entsprechend den §§ 305 BGB zurückgegriffen werden darf, vorliegend nicht einschlägig, sodass sich die aufgeworfene Frage in einem möglichen Berufungsverfahren nicht stellen würde.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG und folgt in der Höhe der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).